Biographie:
Walter Ulbricht (1893-1973)
Walter Ulbricht wird am 30. Juni 1893 als Sohn eines Schneiders in Leipzig geboren. Sowohl sein Vater, als auch seine Mutter sind stark sozialdemokratisch engagiert. Ulbricht wird also bereits seit seiner frühesten Kindheit mit sozialistischem Gedankengut konfrontiert. Dies veranlaßt ihn auch dazu, nach dem Besuch der Volksschule und nach beendeter Tischlerlehre, mit dem Studium sozialistischer Literatur zu beginnen.
Im Jahre 1908 wird Ulbricht Mitglied der Sozialis tischen Arbeiterjugend (SAJ) und arbeitet aktiv im Arbeiterjugend- Bildungsverein Alt - Leipzig. Zwei Jahre danach tritt er auch dem Holzarbeiterverband bei.
Aufgrund der Wanderschaft als Tischlergeselle kommt Ulbricht unter anderem nach Dresden, Nürnberg, Venedig, Amsterdam und Brüssel.
Im Alter von 19 Jahren tritt Walter Ulbricht der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bei. In den darauffolgenden beiden Jahren besucht er die Parteischule der SPD in Leipzig.
Während des 1. Weltkrieges wird Ulbricht in Polen, Serbien und an der Westfront eingesetzt. 1918 wird er Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates des XIX. Armeekorps.
Nach seiner Rückkehr nach Leipzig schließt er sich der Ortsgruppe des Spartakusbundes an.
Im Jahre 1919 nimmt Ulbricht an der Gründungsversammlung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) für den Bezirk Mitteldeutschland in Leipzig teil, wo er sofort in die Leitung gewählt wird.
Vier Jahre lang geht der 26-jährige Ulbricht seiner Tätigkeit in den Bezirksleitungen Mitteldeutschland, Westsachsen und Großthüringen nach, bis er schließlich 1923 in die Zentrale der KPD gewählt wird.
In den beiden Folgejahren nimmt Walter Ulbricht an einem Lehrgang an der Lenin- Schule der Kommunistischen Internationale in Moskau teil.
Anschließend folgt eine Tätigkeit als Parteiinstrukteur in Wien und Prag und die Mitarbeit im Exekutivkomitee der Komintern (EKKI).
1926 wird Ulbricht in den Sächsischen Landtag gewählt, und nur zwei Jahre darauf schafft er es bis in den Reichstag. 1929 wird er außerdem noch Mitglied des Politbüros des Zentralkomitees (ZK) der KPD und politischer Leiter des KPD- Bezirks Berlin- Brandenburg- Lausitz- Grenzmark.
1932 übernimmt Ulbricht nach parteiinternen Auseinandersetzungen den Sekretariatsbereich von Hermann Remmele und damit praktisch die organisatorische Leitung des Gesamtapparates der Partei.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Ulbricht ab dem 1.März 1933 zur Fahndung ausgeschrieben. Trotzdem hält er sich noch ein halbes Jahr im Untergrund Deutschlands auf. Erst danach flüchtet er ins Exil nach Paris.
Bis 1938 leitet Ulbricht die KPD von Paris und Prag aus, danach verlegt er sein Exil nach Moskau und wird dort Vertreter des ZK der KPD beim EKKI.
Nach dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion arbeitet Ulbricht beim deutschsprachigen Programm von Radio Moskau und verfaßt zahlreiche Flugblätter und Aufrufe an die Soldaten der Wehrmacht.
Im Jahre 1943 zählt er zu den Gründungsmitgliedern des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD).
1945 kehrt Ulbricht nach Deutschland zurück, und versucht sofort mit anderen Parteiführern die eigene Partei wiederaufzubauen. Dabei will man an einer völlig neuen Linie festhalten. Mit der SPD vereinbart man eine enge Zusammenarbeit.
Im September 1949 reist Ulbricht zusammen mit Pieck und Grotewohl nach Moskau, wo er nach 10 Tagen das erlösende Ja zur Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erhält.
Bald nach Gründung der DDR zeigen die Parteiführer ihr wahres Gesicht. Im Oktober 1949 tätigt Gerhard Eisler folgende Aussage: „Wenn wir eine Regierung gründen, geben wir sie niemals wieder auf, weder durch Wahlen noch andere Methoden!“. Ulbrichts Kommentar dazu lautet nur: „Das haben einige noch nicht verstanden!“.
Beim III. Parteitag der SED wird Walter Ulbricht zum Generalsekretär gewählt. Sofort startet er eine gründliche Säuberung der Partei auf allen Ebenen, der auch höchste Parteifunktionäre zum Opfer fallen.
Nur ein Jahr nach Gründung der DDR ist es Ulbricht gelungen die Bevölkerung derart einzuschüchtern, daß die Wahlen mit 99,7% Zustimmung für die Einheitsliste enden.
Mit dem Beitritt zum Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) im September 1950 und dem Beginn des ersten 5-Jahresplans im Januar des darauffolgenden Jahres treibt Ulbricht die Ostintegration voran.
Auf Befehl Stalins hin gründet die SED eine Volksarmee und eine umfassende Aufrüstung der DDR wird gestartet.
Ulbricht proklamiert den Aufbau des Sozialismus in der DDR: „Wir werden siegen, weil der große Stalin uns führt!“.
Die fünf Länder der DDR werden zu 14 Verwaltungsbezirken aufgelöst. Dies stellt einen weiteren Schritt der Umformung nach sowjetischem Vorbild dar, so wie Ulbricht dies befohlen hatte.
Im Juni 1953 erfolgt Ulbrichts Abrechnung mit seinen größten Widersachern, die während eines Aufstandes kurz schwankten. Staatssicherheitsminister Wilhelm Zaisser und der Chefredakteur der Zeitung „Neues Deutschland“ Rudolf Hermstadt werden abgesetzt.
In dieser Phase erhöht Ulbricht die Mindestrente von 65 auf 75 Mark, die Witwenrente von 55 auf 65 Mark. Außerdem wird die Anrechnung der Kuren auf den Urlaub abgeschafft. Es werden zusätzliche Mittel für den Wohnungsbau und die Reparatur an Wohnungen aufgebracht und dazu noch für Kindergärten und Feierabendheime. Die täglichen Stromabschaltungen in den Haushalten werden aufgehoben, und der Benzinpreis sinkt von 3,00 auf 1,80 Mark.
Trotz alledem vertraut die Parteiführung mit Ulbricht der Bevölkerung nicht und der Ausbau des Spitzelsystems wird fortgesetzt.
Die völlige Beruhigung der Bevölkerung gelingt Ulbricht allerdings nicht. Die Flüchtlingszahlen sinken zwar, doch sind sie immer noch katastrophal hoch.
Es ist die Zeit des politischen Tauwetters, die leichte Entspannung zwischen der Situation zwischen Ost und West, in der Chruschtschow am XX. Parteitag der KPdSU die Öffentlichkeit über die Verbrechen Stalins informierte. Das löst im gesamten Ostblock eine Krise in den jeweiligen Parteien aus und auch die SED bleibt nicht verschont. Ulbricht muß gestehen, daß seine Position zu Stalin falsch war.
Bis Oktober 1956 gestattet Ulbricht die Freilassung von 21.000 Häftlingen, unter denen sich auch frühere Gegner von ihm befinden, die allerdings ihre alte Macht nicht wiedergewinnen können.
In dieser Zeit wird die Kritik, vor allem junger Leute und Intellektueller, an der SED immer größer und bald richtet sie sich auch gegen Ulbricht. Vor allem jene Teile der jungen Generation, die Mitte der 50er-Jahre an den Hochschulen und Universitäten studierten und die humanistischen Ideale des Sozialismus ernst nahmen, leiden unter dem Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der DDR.
Erst nach dem Aufstand in Ungarn im Herbst 1956 gewinnt Ulbric ht wieder an Boden. Die Destabilisierungstendenzen im Ostblock führen zu einem jähen Ende des Tauwetters. Mit der Verhaftung Wolfgang Harichs und Walter Jankas signalisiert Ulbricht, daß er keine Alternativen zu seiner Politik duldet. Doch die parteiinternen Differenzen halten bis ins Frühjahr 1958 an. Jetzt erst gelingt es Ulbricht, seine schärfsten Kritiker Karl Schindewan und den Staatssicherheitsminister Ernst Wollweber zu entmachten.
Nach dem Tode Wilhelm Piecks im September 1960 übernimmt Ulbricht den Vorsitz des Staatsrates. Als Generalsekretär und Vorsitzender des nationalen Verteidigungsrates vereint er alle entscheidenden Funktionen der DDR in seiner Person.
Im Frühsommer 1961 verstärkt sich in großen Teilen der DDR-Bevölkerung die Überzeugung, daß die SED und die UdSSR etwas unternehmen würden, um das Ausbluten ihres westlichen Vorpostens zu verhindern. Die große Frage, die sich allen stellt, lautet nur: „Wie?“
Nach einer internationalen Pressekonferenz mit Ulbricht am 15.6.1961 horcht die Bevölkerung plötzlich auf: Ulbricht antwortete bei jener Konferenz auf die Frage eine Journalisten hin, ob er beabsichtige, eine Staatsgrenze am Brandenburger Tor zu errichten: „Ich verstehe Ihre Frage so, daß es in Westdeutschland Menschen gibt, die wünschen, daß wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir ist nicht bekannt, daß eine solche Absicht besteht. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“
Das Unvorstellbare geschieht in den frühen Morgenstunden des 13.8.1961. Um 2 Uhr morgens gelangen bei der Westberliner Polizei die ersten Meldungen über die Absperrung des Ostteils der Stadt ein. Die ersten Straßen in den Westteil werden mit Stacheldraht und spanischen Reitern abgeriegelt. Eine Viertelstunde später beginnt der Lärm von Preßlufthämmern die Menschen zu wecken.
Am 3.5.1971 erfolgt die Absetzung Walter Ulbrichts. Am Nachmittag dieses Tages wird im Fernsehen und im Radio ein kurzes Kommuniqué verlesen, das mit folgenden Worten beginnen sollte: „Das Zentralkomitee der SED beschloß einstimmig, der Bitte des Genossen Walter Ulbricht zu entsprechen und ihn aus Altersgründen von der Funktion des ersten Sekretärs des Zentralkomitees zu entbinden, um diese Funktion in jüngere Hände zu geben.“
In „Ehrung seiner Verdienste“ wählt das Zentralkomitee Ulbricht zum Vorsitzenden der SED. Ein Witz, denn: Erst im Moment seiner völligen Entmachtung rückt Ulbricht formal an die Spitze der Partei, die er seit den 30er- Jahren beherrscht hatte.
Westliche Beobachter vermuten, daß der plötzliche „Rücktritt“ Walter Ulbrichts mit seiner seit den 60er-Jahren starrsinnigen Betonung eines national geprägten Sozialismus gegenüber der UdSSR zusammenhängt. Die Akten im SED-Archiv bestätigen das: Schon 1964, kurz nach dem Sturz Nikita Chruschtschows hatte Ulbrichts selbstherrliche Art das Mißfallen des neuen ersten Mannes in der Sowjetunion, Leonid Breschnews, errecht. Breschnew vertraute dies Erich Honecker in einem persönlichen Gespräch im Juli 1970 an.
Die DDR hatte sich mittlerweile zur zweitstärksten Industriemacht im Ostblock entwickelt. Ulbricht erhob den Anspruch, den Aufbau der DDR nach 1945 Modellcharakter für hochindustrialisierte sozialistische Staaten zuzuschreiben. Auch im Bereich der Ideologie betonte Ulbricht eine größere Eigenständigkeit gegenüber der Sowjetunion.
Ulbricht setzte auf den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen mit der BRD, der die DDR in die Lage versetzen sollte, ökonomisch an Westdeutschland vorbeizuziehen, um so die Einheit Deutschlands auf der Grundlage von Demokratie und Sozialismus wiederherzustellen.
Dies mißfiel den Sowjets allerdings: „Deutschland gibt es nicht mehr. Das ist gut so.“ schrieb Breschnew seinen ostdeutschen Genossen ins Stammbuch.
Außerdem stellte er noch klar: „Es gibt, es kann und es darf zu keinem Prozeß der Annäherung zwischen der DDR und der BRD kommen.“
Dies alles führte zu Ulbrichts Entmachtung.
Jetzt war die Stunde des Erich Honecker gekommen. Ihm gelang es nach und nach, immer mehr Mitglieder des Politbüros auf seine Seite zu ziehen, und schließlich wird Ulbricht in einem Brief, unterstützt von den Sowjets, zum freiwilligen Rücktritt gedrängt.
Diszipliniert nimmt der Parteisoldat Ulbricht die Empfehlung des Politbüros wahr.
Von da an verbringt Ulbricht die meiste Zeit in seinem Landhaus zusammen mit seiner Frau.
Walter Ulbricht stirbt am 1.8.1973 im Alter von 80 Jahren zurückgezogen in seinem Landhaus am Döllnsee bei Berlin.
- Quote paper
- Gregor Lindner (Author), 2000, Ulbricht, Walter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100370