Persönlichkeitstest und praktische Anwendung Der NEO-FFI (Neo Five-Factor Inventory)
In den 1980er Jahren wurde das Fünf-Faktoren-Modell von McCrae und Costa wieder aufgegriffen. Diese Forschergruppe hatte zunächst ein dreidimensionales Persönlichkeitsmodell mit den Faktoren Neurotizismus, Extraversion und Openness to Experience vorgelegt und hierzu auch einen Fragebogen entwickelt (Neo Inventory). Im Laufe ihrer Forschungen mit diesem und anderen Persönlichkeitsfragbögen fanden die Autoren, auch bei zusätzlicher Verwendung von Selbst- und Fremdratings sowie Adjektivlisten immer wieder eine Faktorenstruktur mit den fünf Faktoren. In einer Untersuchung (McCrae & Costa 1985) bearbeiteten 459 Personen den NEO-Fragebogen. 232 Personen beurteilten ihren Ehepartner anhand des NEO. Zusätzlich wurde eine Liste mit 80 Adjektiven vorgegeben, aus der fünf Faktoren extrahiert wurden, die nach dem Modell von Norman als Extraversion, Agreeableness, Conscientiousness, Neurotizismus und openness to Experience (entspricht inhaltlich Normans Faktor CULTURE) interpretiert wurden.
Aufgrund dieser und anderer Ergebnisse, die deutlich für das Fünf-Faktoren-Modell sprechen, wurde der Neo Fragebogen überarbeitet. Die aktuelle Form (NEO-Personality Inventory, NEO-PI von Costa & McCrae ) enthält fünf Skalen, von denen vier (Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit) den Faktoren von Norman entsprechen. Der Faktor KULTUR ist ersetzt durch einen inhaltlich sehr ähnlichen Faktor Openness to Experience Versuchspersonen mit hohen Werten auf diesem Faktor werden als neugierig, orginiell, phantasievoll, kreativ, unkonventionell und als Person mit breiten Interessen beschrieben, während Versuchspersonen mit niedrigen Werten als konventionell, auf dem Boden der Tatsachen stehend, nicht künstlerisch, analytisch veranlagt und als Personen mit engen Interessen charakterisiert werden.
Die deutschsprachige Übersetzung und Adaption des „NEO Five-Factor Inventory“ wurde von Borkenau/Ostendorf ) vorgenommen.
Dieser Test heißt: NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI).
Gliederung:
5 Skalen zu je 12 Items:
Durchführung:
Die Bearbeitung der insgesamt 60 Items erfolgt in einem vierseitigen Aufgabenheft, dem die leicht verständliche Instruktion vorangestellt ist. Für die Antworten steht eine 5fach abgestufte Skala von „starker Ablehnung“ über „Ablehnung“, „neutral“ und „Zustimmung“ bis „starker Zustimmung“ zur Verfügung. Die Durchführungszeit beträgt ca. 10 min.
Auswertung
Die individuellen Punktwerte werden mit Hilfe einer Schablone ermittelt. Die erhaltenen Rohwerte können mit den Mittelwerten und Standardabweichungen verglichen werden, die sich für eine Gesamtstichprobe für N = 2112 Probanden und getrennt für die beiden Geschlechter im Manual finden.
PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE
Thema:BIG FIVE, WS 99/00 Einführung in die Persönlichkeitspsychologie/Lektürekurs bei Herrn Dr. Horst-Peter. Brauns am 25. Januar 2000, Fu-Berlin.
Reliabilität (Zuverlässigkeit): Die Alpha-Koeffizienten1 für Neurotizismus, Extraversion und Gewissenhaftigkeit liegen bei über .80, diejenigen für die beiden anderen Skalen um .70. Anhand einer Teilstichprobe von N = 140 Probanden konnten im Abstand vo n 2 Jahren Wiederholungserhebungen durchgeführt werden. Dabei lagen die Stabilitäten um .80 lediglich für Verträglichkeit ergab sich ein niedrigerer Koeffizient.
Validität. Die Skalen des Tests fügen sich in die angenommene Fünffaktorenstruktur. Extraversion und Neurotizismus interkorrelieren erwartungsgemäß negativ (um -.35), desgleichen Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit (um -.30). Es konnte auch eine enge Wesensverwandtschaft von Neurotizismus und Extraversion zu den Eysenck-Skalen. Costa & McCrae haben die Präsenz der Big Five in dem Eysenck Personality Inventory, dem Jackson Personality Research Form, dem Myers-Briggs Type Indicator und dem California Q-Set durch den Einsatz des NEO-PI nachweisen können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fazit: Das NEO-FFI spiegelt den aktuellen Stand der faktorenanalytischen Grundlagenforschung in der differentiellen Psychologie wider. Auf sehrökonomische Weise werden 5 Persönlichkeitsfaktoren erfasst, und zwar mit einer Reliabilität und Gültigkeit, die im Vergleich mit anderen Instrumenten als sehr ordentlich bezeichnet werden können.
Praxisbezug:
PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE
Thema:BIG FIVE, WS 99/00 Einführung in die Persönlichkeitspsychologie/Lektürekurs bei Herrn Dr. Horst-Peter. Brauns am 25. Januar 2000, Fu-Berlin.
Als geeignetes Messinstrument für die Big Five gilt wie gesagt der NEO-PI. Als mögliche Anwendungsgebiete seien vor allem Diagnostik, Behandlung und im Bereich Berufswahl/-entwicklung genannt.
Z. B. in der Berufswahl lässt sich gemäss der Big Five vermuten, dass Individuen mit hohen Werten in Extraversion und Verträglichkeit Berufe bevorzugen sollten, bei denen soziale Fähigkeiten und Dominanz im Vordergrund stehen, im Gegensatz zu Individuen mit hohen Werten bei Introversion. Ein anderes Bsp.:
Leute mit hohen Werten bei Offenheit für Erfahrungen sollten Berufe bevorzugen wie Journalist oder Selbstständigkeit. Wer für neue Erfahrungen offen ist, nimmt mit größerem Erfolg an Fortbildungsmaßnahmen teil.
Trotz hoher Plausibilität, dass diese Merkmale im Berufsleben von Bedeutung sind, lassen sich auf dieser allgemeinen Ebene bislang keine überzeugenden Beweise finden. Zwei durchgeführte Metaanalysen kommen zu positiven, aber relativ geringen Prognosewerten, wobei sich im einem Fall das Merkmal „Gewissenhaftigkeit“ als das generell Wichtigste erwies im anderen Fall „Verträglichkeit“. Ein Grund für die geringeren Zusammenhänge der allgemeinen Merkmale mit dem Berufserfolg könnte der sein, dass die allgemeinen Faktoren jeweils heterogene Faktoren (Subdimensionen) umfassen, die nicht alle in gleichem Ausmass an Arbeitsplätzen gefordert sind.
Für diese Interpretation spricht, dass für Subfaktoren der Big Five jeweils größere Bedeutung nachgewiesen werden konnte als für den jeweiligen Faktor als ganzen - etwa für Dominanz aus Faktor (Extraversion) und für den Leistungsmotivationsanteil aus Faktor (Gewissenhaftigkeit).
Ein Beispiel hierfür ist, dass die Testwerte für Intelligenz, Soziale Kompetenz, Leistungsmotivation, Selbstvertrauen und Dominanz mittelhoch (zwischen r=.30 und r=.43) mit dem Assessment Center- Gesamtergebnis korrelieren, während die allgemeiner gefassten Persönlichkeitsmerkmale, durchweg geringere Beziehungen zum Gesamtergebnis aufwiesen. Dazu kommen Differenzierungen, etwas sind für Kontakt-Berufe die Faktoren Extraversion und Verträglichkeit wichtiger, für Aufgaben dagegen, bei denen es auf planvolles, genaues Arbeiten ankommt, der Faktor Gewissenhaftigkeit. Für einige Berufe, darunter Polizisten, Piloten und Ärzte, ist das Merkmal psychische Stabilität (Faktor: Emotionale Stabilität) von besonderer Bedeutung.
Um die BIG FIVE von McCrae und Costa speziell für den arbeits- und berufspsychologischen Bereich erfassen zu können, wurde von Kline und Lapham das „Professional Personality Questionnaire (PPQ) entwickelt. Dieser Test soll vor allem bei der Personalauswahl eingesetzt werden. Ostendorf und Angleitner bezweifeln jedoch, dass der PPQ geeignet ist die Big Five zu erfassen. Sie gehen nach dem Vergleich verschiedener Persönlichkeitsfragebogen und Adjektivlisten davon aus, dass nur das NEO-PI-R als umfassender Fragebogen geeignet ist die Big Five zu erfassen. Bei dem NEO-PI-R handelt es sich um eine Testversion von Costa & McCrae, der die Big Five (hier domains genannt) noch in sechs Unterskalen (facets) unterteilt und dadurch die Persönlichkeit noch differenzierter beschreiben soll. Dieser Test enthÄlt 240 Items, aufgegliedert in 48 für jede domain und 8 für jede Facette. Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass die Erfassung der Big Five durch die oben genannten Test sicherlich interessant für den Arbeitgeber sind, jedoch die Eignung für eine Stelle oder der berufliche Erfolg noch von vielen anderen Faktoren abhängt, so dass solch ein Test nur zur Ergänzung hinzugezogen werden sollte. Es besteht in diesem Bereich noch erheblicher Forschungsbedarf.
PERSÖNLICHKEITSPSYCHOLOGIE
Thema:BIG FIVE, WS 99/00 Einführung in die Persönlichkeitspsychologie/Lektürekurs bei Herrn Dr. Horst-Peter. Brauns am 25. Januar 2000, Fu-Berlin.
Quellen und Lesetipps:
Amelang, M./Bartussek, D, Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung, 4. Auflage, Stuttgart et al., 1997, S. 360ff.
Amelang, M./Zielinksi, W., Psychologische Diagnostik und Intervention, 2. korr., aktual. und überarb. Auflage, Berlin et al. 1997, S. 273 - 275.
Schuler, Heinz, Psychologische Personalauswahl, Einführung in die Berufseignungsdiagnostik, Göttingen 1996, S. 28 - 31.
Pervin, Lawrece A., Personality - Theory and Research, Chapter 10 (Trait theory: the five factor model; applications and evaluation of trait theory), p. 305 - p. 336.
Digman, John M., Personality structure: emergence of the five-factor model in: Annu. Rev. Psychol. 1990, S. 417 - 440.
John, O., The „big five“ factor taxonomy: dimensions of personality in the natural langueage and in questionnaires. In L. Pervin (Ed.), Handbook of Personality: Theory and Research, S. 66 - 100. Amelang, M., Bartussek, D., Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung, 3. Auflage, S. 345 - 349.
Fröhlich, W. D., Wörterbuch zur Psychologie, 18. Auflage 1991.
Grubitzsch, S., Testtheorie - Testpraxis, Psychologische Tests und Prüfverfahren im kritischen Überblick, Reibeck 1991.
Paulus, Jochen, Die wahren Grundlagen der Persönlichkeit?, in: Psychologie heute, 26 Jg., Heft 1, 1999, S. 44 - 49.
Sader, M.., Weber, H.: Psychologie der Persönlichkeit, S. 108-113.
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1 Statistische Bezeichnung für ein von Cronbach entwickeltes Mass der internen Konsistenz. Innere oder interne Konsistenz ist als Grad der Übereinstimmung zwischen Messwerten von Test-Items und dem Gesamtscore definiert oder der Grad der Übereinstimmung von Alternativreaktionen (ja-nein; vorhanden - nicht vorhanden) bei wiederholter Darbietung derselben Reize oder Items, ermittelt bei denselben Beobachtern bzw. Testpersonen. (Fröhlich 1991, S. 46 und S. 210).
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- Rouven Schäfer (Author), 2000, BIG FIVE - Persönlichkeitspsycholgie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100298