Prof. Dr. Frank Liedtke
Hausarbeit
Sommersemester 2000
Aufgabe: Schildern Sie die Grundlagen und den Prozeßdes kindlichen Spracherwerbs mit Blick auf die Theorie der angeborenen Ideen
Nach der Theorie der generativen Transformationsgrammatik (GTG), die von Noam Chomsky entwickelt wurde, ist jedem neugeborenen Kind eine Grammatik angeboren.
Seine generative Grammatiktheorie widmet sich vor allen Dingen der Frage nach dem Konstituenten der Sprachkenntnis und ihrem Erwerb.
Den Sprecherwerbspross sah Chomsky eher als „sprachlichen Wachstum“, denn als sich vollziehenden Lernprozess. In Folge dessen setzt er den Spracherwerb gleich mit dem Wachstum eines Körperorgans.
Chomsky nahm bei der Erklärung des Spracherwerbsprozesses grundsätzlich an, dass der Spracherwerb mit angeborenen linguistischen Universalien verbunden ist. Eine Antwort war für ihn, dass das Kind über ein angeborenes Schema von Grundlagen verfügt, dass die Klasse von möglichen Grammatiken von vorneherein einschränkt. Diese Klasse von zugänglichen Grammatiken ist laut Chomsky sehr begrenzt. Der Erwerb einer einzelsprachlichen Grammatik bedeutet für Chomsky, dass sich das Kind aus einer bestimmten Anzahl von zugänglichen Grammatiken diejenige auswählt, die es in seiner Umgebung am häufigsten vernimmt. So kann man zusammenfassend sagen, dass Chomsky den Spracherwerb als eine Art Selektionsprozess sieht, da er davon ausgeht, dass verschiedene Ideen angeboren sind, es dem Kind aber „freisteht“ welche Grammatik es wählt. Es kann auch festgehalten werden, dass so das Lernen als Auswahl aus verschiedenen vorgegeben Alternativen bezeichnet werden kann.
Im folgenden möchte ich mit der Stufenfolge der normalen Sprachentwicklung (nach A. Schilling, Stern, Bühler u.a.). Im Voraus möchte ich schon einmal darauf hinweisen, dass die Kinder bis zum 7. Lebensjahr in Bildern denken und ihre Gedanken und Gefühle nicht für sich behalten können. Erwachsene hingegen neigen eher dazu zu schweigen und einen Großteil ihrer Gedanken für sich zu behalten. Ihre Sprache, ist im Gegensatz zu der kindlichen Sprache, bereits sozialisiert.
Die Sprachentwicklung bei Kindern beginnt mit der stimmmotorischen Vorstufe. Diese setzt bereits mit der Geburt des Kindes ein. Sie äußert sich beispielsweise in Schrei- und Stöhnlauten. Im weiteren Verlauf der Entwicklung kommen Lachen, Jauchzen, Summen, Kreischen und Seufzen hinzu. Diese genauere Differenzierung findet meist in der 4. bis 5. Lebenswoche statt.
Wie kommt es zu diesen Geräuschen?
Sie entstehen meist durch Gemütsäußerungen wie beispielsweise Lust, Schmerz oder Hunger. Diese Gemütsäußerungen werden zumeist mit Vokalen wie „a“, „e“, „ö“ und dem unbetonten „e“ (kurzes „ö“) getätigt. Als ersten Konsonanten erwirbt der Säugling das gehauchte „h“. Die Äußerungen der Säuglinge sind häufig auch Reaktionen auf diverse Umweltgeräusche, beispielsweise Musik oder Lärm, die schon räumlich eingeordnet werden können.
Ab dem 2. Monat setzt nun die geräuschsmotorische Vorstufe ein, in der man bei den Säuglingen erste Geräusche, erzeugt durch Lippen-, Rachen-, und Zungenlaute, wie Schnarchen, Schnalzen oder Schmatzen feststellen kann. Diese Entwicklung setzt sich dann bis etwa zum 8. Monat fort.
Vom 8. bis zum 10. Monat durchläuft das Kind dann die sogenannte mimisch- gestische Ausdrucksäußerung. Mimik und Gestik begleiten das Kind schon sehr früh und noch ziemlich lange in seiner Phase des Spracherwerbs. Sie begleiten es nicht nur im vorsprachlichen Äußerungen, sondern bis hin zur normalsprachlichen Äußerung im Kindesalter.
Mit etwa einem Jahr dann umfasst der mündliche Wortschatz eines Kindes zwei bis drei Wörter. Von nun an ist es in der sprechmotorischen Vorstufe. Nun beginnt es Laute und Silbenketten aus Vokalen und Konsonanten zusammenzusetzen. Diese geschieht jedoch meist ohne eine erkennbare auditive Grundlage, d.h. ohne eine vom Kind gehörte lautliche/ gehörte Grundlage. Spielereien wie diese Zusammensetzung macht das Kind aus reiner Lust.
Mit der akusto- motorischen Übergangsstufe setzt die Phase der Selbstnachahmung ein. Das Kind formuliert zusammenhängende Lautfolgen als sogenannte Lallmonologe. Im weiteren steigt auch seine auditive Aufmerksamkeit und damit die Freude daran, dass Geäußerte zu wiederholen. Der Wortschatz liegt nun bei sechs bis acht Wörtern. In dieser Stufe der „Selbstnachahmung“ steigt nun auch das Bedürfnis die Laute und Silbenketten in verschiedenen rhythmisch - melodischen Variationen zu äußern.
Etwa ab dem 2. Lebensjahr setzt die Hauptstufe des akusto - motorischen Sprecherwerbs ein. Die Lallproduktion bezieht sich nun verstärkt nicht nur auf eigene, sondern auch auf fremde Lautäußerungen. In dieser Phase der Fremdnachahmung umfasst der Sprachschatz bereits 20 Wörter. Wobei das Kind bereits ein Sprachverständnis für bis zu 200 Wörtern entwickelt hat.
Mit einem Lebensalter von zweieinhalb Jahren beherrscht das Kind mehrere einfache Worte, Einwortsätze sowie Sätze mit bis zu vier Wörtern. Wörter werden häufig noch falsch ausgedrückt. Dies nennt man physiologisches Stammeln. Oder die Sätze werden unvollkommen ausgedrückt physiologischer Dysgrammatismus). Diese Schwierigkeiten verlieren sich jedoch ab dem dritten, spätestens dem vierten Lebensjahr.
Von nun an beherrscht das Kind wesentliche grammatische und syntaktische Formen. Das bewusste Denken beginnt und das Sprechen wird zur Sprache. Die vom Kind gebildeten Sätze bestehen nun bereits aus bis zu fünf Wörtern. Verhäuft werden nun Fragen gestellt („Wieso ist das so“, „Warum machst du das“ etc.). Ab dem 5. Lebensjahr kann man dann von einer weitgehend sauberen und richtigen Artikulation sprechen. Hier ist es nun wichtig zu erwähnen, dass von nun an die Zunahme des Sprachumfangs rasch voranschreitet, währen die allgemeine Weiterentwicklung eher langsam fortfährt.
Mit Beginn der Schulreife, d.h. im Alter von sechs Jahren können einfache Äußerungen satzmäßig und grammatikalisch richtig ausgedrückt werden.
- Citation du texte
- Holger Hansen (Auteur), 2000, Schildern Sie die Grundlagen und den Prozeß des kindlichen Spracherwerbs, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100264