Die vorliegende Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen der digitalen Transformation und der Innovationsleistung bei kleinen- und mittelständischen Unternehmen (KMU). Der digitale Reifegrad und bestehende Modelle werden beleuchtet und Erkenntnisse aus der Forschung aufgezeigt. Der Zusammenhang mit Innovation entsteht, indem deren Treiber, Herausforderungen, Strategien, Prozesse und Messbarkeit beschrieben werden. Die qualitative Erhebung anhand Experteninterviews mit Entscheidern in KMU zeigt: Eine Korrelation zwischen Digitalisierung und Innovationsleistung besteht.
Die qualitative Inhaltsanalyse und weitere statistische Auswertung erlauben hingegen keinen Schluss auf einen Kausalmechanismus. Hingegen wurde ein Interesse an Modellen sichtbar, welche konkreten Handlungsalternativen für zielgerichtete Investitionsaktivitäten bieten. KMU haben ihre Aktivitäten in Sachen digitaler Transformation bereits in den Fokus gerückt und sind sich der Bedeutung eines digitalen und innovativen Imperativs bewusst. Der Begriff des "digitalen Grenznutzens" und die damit verbundenen Möglichkeiten, erzeugten großes Interesse. Die Forschungserkenntnisse legen nahe, weitere Untersuchungen anzuschließen, die KMU Orientierung geben, in welchen Feldern und Dimensionen digitaler Transformation entsprechende Aktivitäten am zielführendsten sind.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung
1.1. Situation
1.2. Problemstellung
1.3. Zieldefinition & Ergebnis
1.4. Vorgehensweise & Methode
2. Theoretischer Teil.
2.1. Theoretische Grundlage: Digitalisierung.
2.2. Digitale Transformation in Unternehmen.
2.2.1. Allgemeines Verständnis & Ebenen digitaler Transformation.
2.2.2. Herausforderungen für transformierende Unternehmen.
2.2.3. Prozess, Strategie, Modelle und Ansätze der digitalen Transformation.
2.2.4. Digitale Transformation - ein Imperativ?
2.3. Reifegradmodelle.
2.4. Digitale Reifegradmodelle.
2.4.1. Definition, Modelle und Studienlage.
2.4.2. Das "Digital Maturity Model" (MIT Sloane / Cap Gemini).
2.4.3. Das "Digitale Transformation Maturity Model" nach Rossmann.
2.4.4. Das digitale Reifegradmodell der Universität St. Gallen.
2.4.5. Der DAI (Digital Acceleration Index) nach BCG.
2.4.6. Zusammenfassung, Vergleich & kritische Würdigung.
2.5. Innovationsleistung.
2.5.1. Innovation - Definition, Typen und Dimensionen.
2.5.2. Innovationsprozess und -Strategien.
2.5.3. Innovationsleistung - Treiber, Erfolgsfaktoren und Messbarkeit.
2.5.4. Studienergebnisse und Trends.
2.6. Zusammenfassung und Erkenntnisgewinn des theoretischen Teils.
2.7. Hypothesenbildung & Forschungsfragen.
2.7.1. Forschungsfragen - Erkenntnisgewinn.
2.7.2. Hypothesenbildung.
3. Praktischer Teil - Empirie.
3.1. Forschungsdesign.
3.1.1. Methodenauswahl
3.1.2. Stichprobe und Expertenauswahl
3.1.3. Interviewdurchführung und Leitfaden
3.1.4. Auswertung mittels qualitativer Inhaltsanalyse
3.2dlitative Inhaltsanalyse
3.2dlitative Inhaltsanalyse - Vorgehensweise
3.2.2. Typisierende Strukturierung
3.2.dgorien und Kodierleitfaden
3.2.4. Häufigkeits- und Frequenzanalyse
3.2.5. Kontingenz- und Korrelationsanalyse
3.3. Zusammenfassung und Konklusion empirischer Teil
4. Kritische Würdigung und Diskussion
5. Fazit & Ausblick
Literaturverzeichnis
Abstract
Innovationen stellen für das Überleben von Unternehmen einen entscheidenden Faktor dar. Der digitalen Transformation wird in Theorie und Praxis ein, nicht weniger kritischer, Einfluss zugesprochen. Entscheider in Unternehmen stehen vor der Herausforderung, zwar den Zusammenhang zu sehen, die Mechanismen dahinter aber nur schwer einschätzen zu können. Hohes Risiko und große Chancen liegen in einer effizienten und effektiven Ressourcenallokation. Die vorliegende Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen der digitalen Transformation und der Innovationsleistung bei kleinen- und mittelständischen Unternehmen (KMU). Der digitale Reifegrad und bestehende Modelle werden beleuchtet und Erkenntnisse aus der Forschung aufgezeigt. Der Zusammenhang mit Innovation entsteht, indem deren Treiber, Herausforderungen, Strategien, Prozesse und Messbarkeit beschrieben werden. Die qualitative Erhebung anhand Experteninterviews mit Entscheiden in KMU zeigt: Eine Korrelation zwischen Digitalisierung und Innovationsleistung besteht. Die qualitative Inhaltsanalyse und weitere statistische Auswertung erlauben hingegen keinen Schluss auf einen Kausalmechanismus. Hingegen wurde ein Interesse an Modellen sichtbar, welche konkreten Handlungsalternativen für zielgerichtete Investitionsaktivitäten bieten. KMU haben Ihre Aktivitäten in Sachen digitaler Transformation bereits in den Fokus gerückt und sind sich der Bedeutung eines digitalen und innovativen Imperativs bewusst. Der Begriff des „digitalen Grenznutzens“ und die damit verbundenen Möglichkeiten, erzeugten großes Interesse. Die Forschungserkenntnisse legen nahe, weitere Untersuchungen anzuschließen, die KMU Orientierung geben, in welchen Feldern und Dimensionen digitaler Transformation entsprechende Aktivitäten am zielführendsten sind.
Schlüsselbegriffe: Digitaler Reifegrad, Reifegradmodelle, Innovationsperformance, digitaler Grenznutzen; KMU.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Digital Transformation Framework
Abbildung 2: Digital Maturity Matrix, MIT Sloane & Cap Gemini Consulting
Abbildung 3: Digital Transformation Maturity Index
Abbildung 4: Digital Maturity Model der Universität St. Gallen
Abbildung 5: BCG Digital Acceleration Index - Dimensions
Abbildung 6: AV-IV Schema
Abbildung 7: Phasenmodell Interviewführung
Abbildung 10: Ausschnitt Verdichtungsprotokoll
Abbildung 11: Häufigkeit Kategorien
Abbildung 12: Konsolidierte Kategorienhäufigkeit
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Übersicht digitale Reifegradmodelle
Tabelle 2: Studienlage Digitalisierungsgrad
Tabelle 3: Vergleich DMM
Tabelle 4: Expertenpanel
Tabelle 5: Kategorienhäufigkeit nach Interview
Tabelle 6: Kreuztabelle. Kategorien
Tabelle 7: Spearman-Rang-Korrelation Selbstbewertung
Tabelle 8: Pearson Chi2-Test
Tabelle 9: Kontingenzkoeffizient und Korrelation nach Spearman
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung
1.1. Situation
„Wir müssen mehr in Digitalisierung investieren“ oder „Es braucht eine Digitalstrategie“ - seit Jahren bereits hört man in Unternehmen, weltweit und über Branchen und Unternehmensgrößen verteilt, diese Aussage. In nahezu jedem Konzernbericht findet sich mittlerweile ein Abschnitt über die „Digitale Agenda“ und nahezu jedes Land und jedes politische Programm umfasst Themen rund um Digitalisierung. Die Angebote, um sich zu informieren, sprießen fast schon inflationär aus dem Boden. Die Covid-19-Pandemie hat dies noch mal beschleunigt, bedenke man nur die Nutzung von verschiedenen Softwares für Webinare. Digitale Prozesse, Digital Leadership, digitale Bildung, Digital Health, digitale Businessmodelle, digitale Transformation - kaum ein Begriff, der nicht mit Digitalisierung als Präfix verbunden wird. Zu Recht ist die Digitalisierung an sich ein Megatrend. Unternehmen, ob groß mittel oder klein, kommen nicht darum herum, sich mehr oder weniger intensiv damit zu beschäftigen, bzw. tun dies mitunter unbewusst. Frankenberger stellt jüngst fest, dass Unternehmen doppelt von der Digitalisierung betroffen sind und zum bestehenden, auch neue (digitale) Geschäftsmodelle ins Visier nehmen müssen (Frankenberger, Mayer, Reiter & Schmidt, 2020, S. 1). Und so findet sich so mancher Unternehmer, Geschäftsführer oder Mitarbeiter im Unternehmen auch nach Jahren der Digitalisierung mit der Einstellung wieder: „Still confused but on a higher level“ (Autor unbekannt). Großunternehmen und Konzerne sind jedoch längst aktiv und haben umfangreiche Programme zum Thema gestartet, sei es, um Prozesse digital zu konsolidieren, die Einstellung und Kultur in Richtung Digitalisierung zu biegen oder durch Konzepte wie „New Work“ ein positives Image zu fördern. Informationen dazu entstehen exponentiell. Kleine- und mittelständische Unternehmen (KMU) finden sich oft in Situationen wieder, in denen sie ein funktionierendes und mehr oder weniger (es reicht zur Existenz) erfolgreiches Produkt am Markt haben. Sie beschäftigen sich eher mit Kunden und dem Produkt als mit medial ausgerufenen Megatrends bzw. orientieren sich mehr an der aktuellen Situation - zu Corona-Zeiten sehr gut nachvollziehbar. Richtet man den Blick auf die Landkarte der KMU in der Schweiz, im Fürstentum Liechtenstein und in Deutschland an und erkennt deren Anteil an der Wirtschaftsleistung, so erscheint der Ansatz des „Digitalen Pragmatismus“ nicht ganz falsch zu sein. Der Fortschritt, oft mit dem Begriff Innovation verbunden, findet in verschiedenen Ausprägungen statt. In der Literatur sticht der Einfluss hervor, den die Innovationsleistung, im Rahmen des digital-technologischen Fortschritts auf den Unternehmenserfolg hat.
1.2. Problemstellung
Der ein oder andere Unternehmer in KMU hat sich schon die Frage nach Investitionen in Digitalisierung gestellt bzw. werden hier vielfältige und weitreichende Entscheidungen getroffen. Die dazu notwendige Bereitstellung von, mitunter massiven finanziellen und personellen Mitteln, bedeutet einen Ressourcenkonflikt. Die direkten und indirekten Vorteile von jedweder Form von Digitalisierung scheinen oft nicht greif- oder messbar. Zudem wird, bei der Auswahl und beim Blick in das „digitale Kaleidoskop“, eine Entscheidung für das vermeintlich richtige Investment immer herausfordernder. Die Befürchtung und Angst, sich in etwas zu verrennen, große Summen in Fehlinvestitionen zu verlieren und neben Mitarbeitern auch Kunden zu verärgern ist enorm bzw. wird angesichts des scheinbaren Imperativs des digitalen Wandels zum Problem. Dies resultiert mitunter in einem Zustand, der eher als Paralyse statt Analyse bezeichnet werden kann. Es fehlt schlicht und ergreifend ein Modell, eine Methode, Erfahrungen, Quellen und Wissenszugang, mit der in überschaubarer Zeit und vertretbaren Mitteln eruiert werden kann, was, wie und warum digitalisiert werden muss, kann oder soll und mit welchem Einsatz und Fokus. Dazu ist es notwendig, den eigenen Stand in Sachen Digitalisierung zu kennen und zu allererst für sich selbst ein Verständnis zum Begriff Digitalisierung und den, damit einhergehenden, Veränderungen zu finden. Doch wie kann das gelingen? Wo und wie starten? Und hängen die Innovationsleistung und der damit verbundene Unternehmenserfolg direkt von der Digitalisierung des KMU ab? Und wenn ja, in welchem Umfang? „So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich“ könnte die Maxime für Investitionen in Digitalisierung bei KMU lauten. Dazu scheint es dringend angeraten, Klarheit zu Begriffen, Verständnis, bestehenden Modellen und Methoden zu schaffen und eine Möglichkeit zu finden, effizient und effektiv die nächsten Schritte planen und ausführen zu können.
1.3. Zieldefinition & Ergebnis
Aus der Problemstellung in Abschnitt 1.2. ergeben sich bereits verschiedene Ziele und Erwartungen. Zuerst soll ein solides Verständnis geschaffen werden, was in der weiteren Untersuchung unter den Begriffen Digitalisierung und digitale Transformation verstanden wird. Der Begriff „KMU“ soll eingegrenzt werden und einen Fokus erhalten. Es soll eine grundlegende Einführung zum Begriff der Reifegradmodelle erfolgen, die dann in die detaillierte Darstellung ausgewählter digitaler Reifegradmodelle mündet und dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede beleuchtet. Um eine mögliche Korrelation zur Innovationsleistung untersuchen zu können, sollen auch zu diesem Begriff eine entsprechende Definition, Grundlagen und ausgewählte Details erarbeitet und dargestellt werden. Als Ergebnis dieser theoretischen Betrachtungen sollen nun erste Antworten auf Forschungsfragen gegeben werden, sowie Hypothesen und weitere Forschungsfragen gebildet werden. Eine empirische Erhebung mittels qualitativer Erhebung soll die Basis für weitere Erkenntnisse bringen, welche die aufgestellten Hypothesen stützen, widerlegen, Informationen liefern und theoriebildenden Charakter einnehmen. Anhand dieser Auswertung und der theoretischen Vorbetrachtung soll beschrieben werden, ob und wie ein Zusammenhang zwischen digitalem Reifegrad bei KMU und deren Innovationsleistung besteht.
Die zentrale Forschungsfrage (FF) lautet:
FF1: Besteht bei KMU eine (positive) Korrelation zwischen digitalem Reifegrad und Innovationsleistung?
Dazu müssen weitere Fragen geklärt werden:
FF2: Was kann unter Digitalisierung und digitaler Transformation verstanden werden?
FF3: Welche Möglichkeiten, Ansätze und Modelle bestehen, den digitalen Reifegrad zu ermitteln und darzustellen?
FF4: Welche Rolle spielt der digitale Reifegrad bei KMU?
FF5: Welche Modelle finden bereits Anwendung und sind diese anwendbar?
FF6: Wo liegen Weiterentwicklungspotentiale?
FF7: Wo liegen Potentiale für KMU bei der digitalen Transformation mithilfe digitaler Reifegradmodelle?
FF8: Können eine Art „Digitaler Grenznutzen“ bzw. ein „Digitales Gleichgewicht“ gefunden werden, um dem Leitsatz „So viel wie nötig, so wenig wie nötig“ gerecht zu werden?
1.4. Vorgehensweise & Methode
Die weitere Arbeit ist in zwei Hauptteile gegliedert, die in theoretische Grundlagen und Empirie geteilt werden. Im theoretischen Teil werden gemäß Zielsetzung aus Absatz 1.3. konkrete Definitionen und Modelle aus dem Stand der Wissenschaft und der Forschung erarbeitet und dargestellt. Digitalisierung und digitale Transformation werden beschrieben und bilden die Grundlage für die weitere Betrachtung. In Folge Der Block Reifegradmodelle zeigt den Sinn und Einsatz von Reifegradmodellen auf, indem deren Entstehung und Entwicklung kurz beleuchtet werden soll. werden explizit vier digitale Reifegradmodelle in den Fokus gerückt, ausgewählte Modelle beschrieben und vergleichend dargestellt. Ein Überblick über Erkenntnisse und den Stand der Forschung soll die Sicht auf die digitalen Reifegradmodelle abrunden. Um weitere Grundlagen zu beschreiben, wird in Folge das Konstrukt Innovation definiert und dabei entsprechend beschrieben. Für die weitere Arbeit relevante, Details werden hervorgehoben und weiter untergliedert. Nach erfolgter Recherche werden die Erkenntnisse des theoretischen Teils zusammengefasst, verdichtet, sowie Hypothesen gebildet. Wo möglich, werden bereits erste Forschungsfragen anhand des theoretischen Teils beantwortet. Im praktischen, empirischen Teil werden die weiteren Fragen aufgenommen und geprüft. Somit können Antworten über den Erkenntnisgewinn und auf die Forschungsfragen gegeben und dargestellt werden. Für den empirischen Teil soll sich einer adäquaten wissenschaftlichen Methodik bedient werden, die den Ansprüchen einer komplexen Fragestellung gerecht wird, und, die theoretischen Grundlagen dahingehend ergänzt, möglichen Kritikpunkte bestehender Erhebungen zu begegnen. Dabei kommen qualitativ-inhaltsanalytische Ansätze zum Einsatz, die durch klassische quantitative Analysen gestützt werden. Die Daten und Informationen werden mittels Software (MAXQDA, SPSS) erfasst, analysiert und entsprechend interpretiert. Aus Gründen der Transparenz sind alle relevanten Daten und Auswertungen als Anhang beigefügt. Zusammenfassend soll, analog dem theoretischen Teils, auch im empirischen Teil eine Zusammenfassung und Konklusion die entscheidenden Erkenntnisse komprimiert darstellen. Im Rahmen einer kritischen Würdigung wird die Arbeit reflektiert und unter anderem kritisch bewertet, ob die Ziele der Arbeit erfüllt werden konnten, die gewonnenen Erkenntnisse der Erwartung entsprechen und letzten Endes die Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten werden (Objektivität, Reliabilität, Validität). Dabei soll die Auswahl der Methodik ebenfalls kritisch betrachtet werden, wie auch der Forschungsbeitrag. Abgeschlossen wird die Arbeit durch ein Fazit und einen Ausblick auf aktuelle Publikationen und weitere Forschung, die aus dem Vorliegenden abgeleitet werden können.
2. Theoretischer Teil.
2.1. Theoretische Grundlage: Digitalisierung.
Mit nichts Geringerem als dem „2nd machine age", also das zweite Maschinenzeitalter (Brynjolfsson & McAfee, 2016) und einer Revolution (Bendel, 2018; Mettig, 2017a, S. 33) wird Digitalisierung in Verbindung gebracht. Diese Superlativen, sowie die Häufigkeit mit welcher der Begriff im täglichen Leben, den Medien und der Forschung auftaucht, lassen darauf schliessen, dass dieser Megatrend (Fortmann, 2020, S. 5) nachhaltige Veränderungen mit sich bringt. Dies sowohl im Privatleben, dem öffentlichen Sektor, in Freizeit und Kultur, der Lehre als auch, und für die weitere Betrachtung entscheidend, in Unternehmen und deren Ökosysteme. Doch auch wenn der Begriff der Digitalisierung inflationär Verwendung findet und in manchen Unternehmen bereits als Synonym für Fortschritt und Innovation Einzug gehalten hat, sind sich die Literatur und die Welt nicht einig geworden, wie eine eindeutige Definition lauten könnte (Reimann, 2020, S. 1). Alleine die Google-Suche nach den Wörtern „digital" und „Digitalisierung" bringt beeindruckende Resultate von über 6 Milliarden bzw. über 32 Millionen Suchergebnissen (Google, 2020a, 2020b). Für die folgende Arbeit sollen die Definitionen von Gartner sowie dem deutschen Branchenverband BITKOM herangezogen werden, welche sich auf das unternehmerische Umfeld beziehen. „Digitalization is the use of digital technologies to change a business model and provide new revenue and value-producing opportunities; it is the process of moving to a digital business” (Gartner, 2020) und beschreibt den vernetzten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Automatisierung betrieblicher Prozesse sowie der Entwicklung neuer Produkte und Dienste. Ziel ist die Steigerung der Wertschöpfung (Ensinger, Fischer, Früh, Halstenbach & Hüsing, 2016). Es scheint also angezeigt, sich über die etymologische Herkunft hinaus (Duden, 2020a) mit dem Begriff auseinanderzusetzen und einen Bezug sowie eine (betriebs-) wirtschaftliche Sichtweise einzunehmen. Die Konstituierung verschiedener Interessensgemeinschaften, Verbunden und Expertengruppen zum Thema Digitalisierung (bspw. digital-liechtenstein, digitalswiss, digitaleurope) und auch das Spriessen zahlreicher Veranstaltung in Unternehmen, Branchenverbänden und auch im öffentlichen Sektor, unterstützen das Bild vom Megatrend, welcher in den vergangenen ca. zehn Jahren richtig Fahrt aufgenommen hat. Die Ursprünge sind jedoch in den 1960er Jahren verwurzelt. Durch die Verbesserung der Netzwerktechnologien, der Rechenleistungen und Speichertechnologien verdopple sich die Leistung der Rechner alle 18 Monate, postulierte Moore bereits 1965 (Raitner, 2019). Dies ermöglicht ein exponentielles Wachstum, welches die technologischen Möglichkeiten in einem Masse erweitert, welches Menschen nicht erfassen können (aktuelles Beispiel, Ausbreitung SARS-Cov2-Virus). Zusammenwachsende Technologien und die Globalisierung sind hierbei Wirkungsverstärker (Mettig, 2017a, S. 38). Wie bei allen Trends, treten „Symptome" nicht überall und in gleichem Ausmass in identischem Zeitraum auf und so ist wenig überraschend, dass sich vor allem und zuerst Industrienationen mit Themen der Digitalisierung beschäftigen und, wie auch in Abschnitt 2.2.2. deutlich wird, Unterschiede zwischen Staaten, Regionen, Unternehmensgrösse, Branche und Kultur hinsichtlich deren Digitalisierung bestehen (bzw. dem Digitalsierungsprozess oder Digitale Transformation). Indikatoren dafür sind einerseits das Investitionsvolumen und staatliche Förderprogramme, (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2020a), andererseits aber auch die zunehmenden gesetzlichen Grundlagen, welche den „digitalen Umgang" regulieren sollen und sich von Datenschutz über Finanzmarktregulierungen, Steuergesetzen (Stichwort „Digitalsteuer") zu Strafgesetzen und Medizinprodukterecht beschäftigen (BAKOM, 2020; Impuls Liechtenstein, 2020; Trösch & Schweizerische Bundeskanzlei; Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2020b). Hat man sich also mit diesen „Grundlagen" auseinandergesetzt, so kann, gerade bei kleinen- und mittelständischen Unternehmen (KMU, Definition gem. Statistik, 2020) der Eindruck von einem Konstrukt entstehen, welches in seiner Komplexität schwer greifbar ist. Auch die ISO Normen haben sich bereits vorbereitet bzw. angepasst und so hat der verantwortliche Ausschuss das Thema Digitalisierung im Rahmen der Revision der ISO9001 und ISO27001 eingepflegt (DQS, 2020). Somit sind Unternehmen auch im Rahmen Ihres Qualitätsmanagements angehalten, sich dem Thema Digitalisierung zu widmen. Nun gibt es viele Möglichkeiten und Perspektiven, sich dem Thema Digitalisierung zu nähern. Im Unternehmenskontext und um den Rahmen der Arbeit einzuhalten, wird in Folge und in Zusammenhang mit Digitalisierung thematisch ausgeklammert, was keinen unmittelbaren Einfluss auf das Thema der Arbeit hat. Aus den vorangegangenen Blickwinkeln wird auch deutlich, dass Digitalisierung im Unternehmen nicht auf einen Bereich, eine Disziplin, einen Prozess oder eine Hierarchieebene beschränkt ist und sich auch Partner, das Geschäftsmodell selbst sowie das gesamte unternehmerische Ökosystem dem Thema nicht entziehen können. Unter anderem werden Digitalisierung, Industrie 4.0 oder „IoT, synonym eingesetzt (Wolf & Strohschen, 2018). Welche Herausforderungen und Chancen mit und durch die Digitalisierung auf Unternehmen zukommen bzw. was im Rahmen des Digitalisierungsprozess darunter verstanden wird etc., führen Abschnitte 2.2.2. und 2.2.3 im Folgenden unter dem Begriff „Digitale Transformation“ genauer aus.
2.2. Digitale Transformation in Unternehmen.
2.2.1. Allgemeines Verständnis & Ebenen digitaler Transformation.
Digitale Transformation als Schlagwort ist in aller Munde und, wie der Begriff Digitalisierung, weit verbreitet, viel genutzt und äusserst unterschiedlich im Verständnis. Dies sowohl in der Praxis, als auch in Lehre und Wissenschaft (Petry, 2016, S. 3). In Form einer Ausschlussdefinition und der Abgrenzung von „Digitization“ und „Digitalization“ wird Digitale Transformation bspw. als alles über diese Begriffe hinausgehende definiert, hinsichtlich Auswirkung auf den Wandel in Unternehmen und der Gesellschaft und auf digitalen Technologien basiert (Ayuso Munoz, Yagüe Blanco & Capuz-Rizo, 2021, S. 222-223). Konkreter definieren Back und Berghaus mit Bezug zu Unternehmen (Berghaus & Back, 2015, S. 2) „Digitale Transformation“. Sie verstehen darunter „die Kombination von Veränderungen in Strategie, Geschäftsmodell, Organisation / Prozessen und Kultur in Unternehmen durch Einsatz von digitalen Technologien mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern“. Auch das Thema Vernetzung von Wirtschaftsbereichen und die Anpassung der Akteure an neue digitale Gegebenheiten sowie damit verbundene Möglichkeiten zum Datenaustausch und -analyse werden in diesem Zusammenhang genannt (Faix, 2019, S. 4). Dabei scheint allen Definitionen ein unternehmensübergreifender Wandel, auf Grundlage digitaler Technologien, gemein (Bonnet,, Westerman, & McAfee, 2014, S. 5; Deloitte Insights, 2020; Fitzgerald, Kruschwitz, Bonnet & Welch, 2013, S. 2; Hammer, Champy & Künzel, 2003, S. 112-113; Keil, 2017, S. 1; Lufthansa & Lünendonk GmbH, 2016, S. 9; Matt, Hess & Benlian, 2015, S. 339; Westerman, Bonnet, Ferraris, McAfee & Calméjane, 2011, S. 5). Westerman charakterisiert die Bedeutung von Technologie kurz und knapp mit den Worten „Technology is the biggest story in business today, plain and simple“ (Bonnet, et al., 2014). Er beschreibt die Digitale Transformation als das Nutzen von Technologie um die Leistung oder Reichweite von Unternehmen radikal zu verbessern (Westerman, Bonnet, et al., 2011, S. 5). Im Zusammenhang mit Digitalisierung und Transformation werden in Folge originär digitale Organisationen ausgeklammert, da diese im Rahmen Ihres, ausschliesslich digitalen Geschäftsmodell nicht von Themen der digitalen Transformation betroffen sind (Mettig, 2017b, S. 43). Damit wird klar, dass Unternehmen wie Apple, Facebook, Amazon, Spotify und zahlreiche andere, keine digitale Transformation durchlaufen (müssen) (Bonnet, et al., 2014, S. 15) und sich in vielen Punkten, von sich transformierenden Unternehmen, unterscheiden. Dies bspw. hinsichtlich Kunden, Finanzierung, Management, Mitarbeiter, Geschäftsmodell, Controlling etc. (Mettig, 2017b, S. 26). Mettig (2017b, S. 64) weist auf drei Ebenen der Transformation hin. Neben dem Aktivitätssystem (Ebene 1, Domäne der Aktion) welches den digitalen Wandel bei Produkten/Dienstleistungen, Geschäftsprozess, Technologien und Strukturen (Organisation) abdeckt, beschreibt er auch die Ebene 2, als kognitive Dimension (Domäne der Kognition), welche Planungs- und Steuerungssysteme betrifft. In Ebene 3 werden Veränderungen in Routinen, Kultur und Führung subsumiert. Für ein grundlegendes Verständnis kann in diesem Zusammenhang auch auf die Forschungsergebnisse der Universität St. Gallen zum Konstrukt „Business Engineering“ und dem Wandel von Unternehmen verwiesen werden (Österle & Winter, 2000). Ein Wandel dieser Grössenordnung scheint für viele erst einmal nichts Neues zu sein. Der umfassende, komplexe, ganzheitliche und zeitlich andauernde Charakter der digitalen Transformation hebt diese jedoch deutlich von typischen Projekten im Unternehmen ab, die bspw. auf Effizienzsteigerung oder eine neue Organisationsstruktur abzielen (Frankenberger et al., 2020, S. 5).
2.2.2. Herausforderungen für transformierende Unternehmen.
Transformierende Unternehmen begegnen verschiedensten Herausforderungen während des gesamten Prozesses des Wandels (vgl. in 2.2.3. zu Prozessschritten). Im Folgenden werden einige ausgewählte Hindernisse aufgezeigt, die jedoch nur einen Überblickscharakter haben können. Zum einen sei die Radikalität der Veränderung erwähnt (Mettig, 2017b, S. 65), da alle Ebenen (siehe 2.2.1.) einer Organisation betroffen sind und somit neben Verhaltensänderungen auch interdisziplinäre Wechselwirkungen zu beachten sind. Die Veränderungen haben ebenfalls eine zeitliche Komponente (Bonnet, et al., 2014, S. 21; Close, Grebe, Schuuring, Rehberg & Leybold, 2020, S. 3), welche von entscheidender und wachsender Bedeutung ist. Auch die Eigenschaften, welche die neue VUCA Welt (vgl. Vulnerabilty, Uncertainty, Complexity, Amibguity; in Pfannstiel, Kassel & Rasche, 2020, S. 544-551) mit sich bringt, erfordern eine entsprechende Planung. Hier bestehen bereits zahlreiche Ansätze und „Rezepte“ sowie Erfahrungswerte, wie die einzelnen Punkte pro- oder reaktiv beantwortet werden können. Zentrales Thema für transformierende Organisationen ist auch die Ambidexterität, also der parallele Betrieb zweier Geschäftsmodelle. Damit verbunden und eng einhergehend sind Herausforderungen hinsichtlich extensivem Ressourcenbedarf, Kannibalisierung, Kosten, Kunden und Marke, Controlling, Organisation bzw.
strategischem Fokus sowie Auswahl und Förderung Mitarbeiter und Leadership und Kultur (Khanagha, Volberda & Oshri, 2013, S. 324-326; Mettig, 2017b, S. 26-31). Zu Kultur und Leadership zählen auch Antrieb und Motivation, welche für eine digitale Transformation grundlegend sind (Kane, Palmer, Philips, Kiron & Buckley, 2016, S. 3-4). Das Management sollte dabei als Beispiel vorangehen (Westerman, Bonnet, et al., 2011, S. 35). Auch Regulierungen und zu befürchtende Sanktionen bei Verstoß können den Fortschritt bremsen oder zu einer eher konservativen Planung führen (Westerman, Bonnet, et al., 2011, S. 35). Jüngste Studien weisen auf die Notwendigkeit eines einheitlichen und koordinierten Vorgehens versus fragmentierten Insel- oder Siloansätzen hin sowie das Berücksichtigen von sogenannter „Legacy-Technologien" (Close et al., 2020, S. 2). Die Bedeutung von Strategie bzw. Fähigkeiten, einer „Digital Governance" und daraus resultierende Herausforderungen werden im Rahmen der weiteren Arbeit beleuchtet. Besondere Herausforderungen nach Branche, Größe des Unternehmens oder anderen Kategorien wurden im Rahmen von Studien deutlich bzw. konnten durch Vergleiche und entsprechend ausgeprägte Merkmale abgleitet und interpretiert werden (Peter, 2017). Studienübergreifend zeichnen die Top drei Herausforderungen mit einer fehlenden „Burning Platform", unzureichenden Finanzmitteln und IT Hürden ein zutreffendes und immer noch aktuelles Bild (Fitzgerald et al., 2013).
2.2.3. Prozess, Strategie, Modelle und Ansätze der digitalen Transformation.
Betrachtet man zahlreichen Studien und Ihre Ergebnisse zu einer positiven Korrelation zwischen Kultur, Führung, Organisation und digitaler Transformation (Kane et al., 2016; Kane, Palmer, Philips, Buckley & Kiron, 2017; Kane, Palmer, Philips, Kiron & Buckley, 2019), so liegt es nahe, das Thema Strategie nach dem Motto „Culture eats strategy for breakfast" (Johanning, 2019, S. 195) bei der Allokation knapper Ressourcen zu vernachlässigen und sich auf Kultur oder das operative Geschäft zu fokussieren (Bosse & Zink, 2019, S. 25). Dass diese Polarisierung in der Praxis nicht ganz Ihre Realität findet, zeigt sich darin, dass in der jüngeren Zeit in nahezu allen Bereichen der Wirtschaft entsprechende Initiativen gebildet haben, um eine digitale Transformationsstrategie zu formulieren. Diese soll den komplexen, organisationsübergreifenden Wandel steuern, um die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, die erforderlichen Veränderungen beschreiben und den finanziellen Handlungsspielraum vorgeben (Hess, 2019, S. 42; Matt et al., 2015, S. 339). Matt et. al. (2015) stellen fest, dass die Wissenschaft noch kein einheitliches Vorgehen oder Richtlinien festlegen konnte, wie genau diese Digitalisierungsstrategien formuliert, umgesetzt und gemessen werden können.
Neuere Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass einer expliziten Digitalstrategie in Unternehmen eine entscheidende Rolle zukommt (Frankenberger et al., 2020; MIT Sloan Management Review, 2021). Ob Unternehmen nun einer intendierten strategischen Planung im Ansatz folgen oder einer emergenten Strategie, wie es bereits Mintzberg beschreibt (Mintzberg, 1985, S. 258), muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Dabei sprechen verschiedene Kriterien einer VUCA Welt eher für einen verstärkten Einsatz emergenter Strategien im Rahmen der digitalen Transformation. Dies bspw. um noch ausreichenden Spielraum für Reaktionen zu lassen, ein agiles Umfeld zu etablieren und eine notwendige Risikobereitschaft im Unternehmen zu sichern und zu entwickeln (Kirvela, Heikkilä & Lind, 2017; Mettig, 2017b, S. 59). Um eine digitale Strategie zu entwickeln bzw. die digitale Transformation strukturiert anzugehen, haben sich in den letzten Jahren verschiedene Ansätze, Modelle und auch Prozesse entwickelt. Die Prozesse zur Strategieentwicklung unterscheiden sich in Ihren Prozessschritten nur minimal zwischen denen einer Digitalstrategie (Schallmo, 2019, S. 48) und eher klassischen Unternehmensstrategien (Hess, 2019, S. 43; Rüegg-Stürm, 2005, S. 43—49). Ein hohes Mass an Bekanntheit hat das Strategieprozessmodell nach Westerman erreicht, welches sich in zwölf Subprozesse in den vier Dimensionen „Frame", „Focus", „Mobilize" und „Sustain" untergliedert (Bonnet, et al., 2014). Durch Ihren interdisziplinären, und das gesamte Ökosystem eines Unternehmens umspannenden, Charakter hebt sich die Strategie zur digitalen Transformation deutlich von einer IT Strategie ab bzw. geht deutlich über diese hinaus (Matt et al., 2015). Um das komplexe Unterfangen der digitalen Transformation greifbarer zu machen und in einzelne Dimensionen und Kategorien zu untergliedern und zu strukturieren, wurden verschiedene Modelle entwickelt, die zum einen durch die visuelle Darstellung die Komplexität reduzieren und zum anderen durch Methoden und Instrumente Unterstützung bieten. Der „Digital transformation framework" nach Matt (Matt et al., 2015, S. 341) fokussiert dabei auf vier Dimensionen (Technologie, Finanzen, Struktur, Veränderung in der Wertgenerierung). Der „Digital Transformation Canvas" (Peter, 2017) orientiert sich dabei mehr an der „Business Model Canvas" von Osterwalder und Pigneur (Osterwalder & Pigneur, 2010) und bietet in sieben Handlungsfelder eine Orientierung auf dem Weg der digitalen Transformation. Der bekannteste und am weitesten verbreite Ansatz ist der „Digital transformation framework", welcher von Wissenschaftlern des MIT Sloane und der Beratungsgesellschaft Cap Gemini vor ca. 10 Jahren erstellt wurde (Westerman, Bonnet, et al., 2011, S. 47). Dieser Ansatz und das Modell der Universität St. Gallen (Back, Berghaus & Kaltenrieder, 2017, S. 8) werden in der Folge ausführlicher betrachtet. Allen Ansätzen und Strategien gemein scheint, ein erster Schritt zu sein, der sich als Feststellung des Status quo subsumieren lässt. Er erfasst neben den Stärken und Schwächen auch verschiedene Ausprägungen aus Sicht des Unternehmens, seiner Führungskräfte und Mitarbeiter. Auch die Situation im Branchenvergleich und im Wettbewerbsumfeld kann Gegenstand der initialen Lagebestimmung sein.
2.2.4. Digitale Transformation - ein Imperativ?
Mit Blick auf die vorangegangenen Definitionen kann bereits erahnt werden, dass der digitale Wandel als Megatrend kein Thema ist, dem man weder als Organisation noch als Privatperson, entkommen kann. Die Frage nach einem Imperativ stellt sich somit nicht, da zunehmend sowohl Kunden, als auch Ausstattung etc. miteinander verbunden sind (Fitzgerald et al., 2013, S. 2). Vielmehr müssen sich Unternehmen fragen, wo sie heute stehen, wo der Markt steht, in dem sie sich heute bewegen und morgen bewegen möchten. Danach richten sich Intensität und Geschwindigkeit des digitalen Wandels (Bonnet, et al., 2014, S. 21). Neuere Studien betonen diesen digitalen Imperativ zunehmend und weisen auf nicht weniger als die Überlebensfähigkeit von Unternehmen hin, die nur durch den digitalen Wandel gegeben ist (Close et al., 2020, S. 2). Dabei trifft man mitunter auf Statements, wie das des ehemaligen CEO von IBM : „The only way to survice is to continuouly transform" (Frankenberger et al., 2020, S. 21). Welche Modelle hierbei eingesetzt werden können und vor allem, welche beim Tracking von Status und Fortschritt unterstützen können, wird in den folgenden Abschnitten in Ansätzen aufgezeigt.
2.3. Reifegradmodelle.
Zusammengesetzt aus den Worten Reifegrad und Modell ergeben sich zwei Definitionen: Zum einen „Reife" als der Status von Vollkommenheit, perfekt oder bereit, und zum anderen, „Modell" als eines vereinfachten Abbilds der Realität (Bley, Schön & Strahringer, 2020, S. 337). Als Ziel eines Reifegradmodells kann somit die objektive Standortbestimmung (Status-Quo) des Unternehmens verstanden werden. Damit kann eine Grundlage geschaffen werden, Vergleiche und Fortschritte der Transformation zu verfolgen, sowie Verbesserungsvorschläge und Handlungsempfehlungen abzuleiten (Becker, Knackstedt & Pöppelbuss, 2009, S. 249; Christ, 2015, S. 195; Röglinger, Pöppelbuss & Becker, 2012, S. 4). Auch die Erstellung von Benchmarks und der Vergleich mit Best-Practices sind anhand Reifegradmodellen möglich (Bley et al., 2020, S. 337). Somit dienen Reifegradmodelle unter anderem als Diagnoseinstrument (Grande, 2014, S. 115; Rosemann, de Bruin & Hueffner, 2004, S. 3). Mittlerweile bestehen in verschiedenen Disziplinen hunderte von Reifegradmodellen, verschiedenster Ausprägung und Gestaltung (J. Becker et al., 2009, S. 254; Röglinger et al., 2012, S. 4; Rosemann & Bruin, S. 4). Ihren Ursprung haben viele von ihnen im Capability Maturity Model (CMM), welches vom Software Engineering Institute der Carnegie Mellon Universität bereits 1991 entwickelt wurde, um den Fortschritt bei Software Projekten des US- Militärs zu verbessern (Chaudhary & Chopra, 2017; Rosemann & Bruin, S. 4). Historisch und disziplinübergreifend finden sich in der Literatur Reifegradmodelle bereits ab den 1950er Jahren (Röglinger et al., 2012, S. 5). Reifegradmodelle werden in der Literatur häufig als Stufenmodelle dargestellt, die einen antizipierten und logischen Pfad von einem Anfangszustand zu einem Reifestatus abbilden (Grande, 2014, S. 116; Röglinger et al., 2012, S. 4). Diese Darstellung hat sich auch in der Praxis und verschiedensten Modellen bewährt (Rosemann & Bruin, S. 4). Zudem definieren sie sich über unterschiedliche Dimensionen in variabler Anzahl und differenzieren sich durch spezifische Aktivitäten, Kriterien und Interpretationen (Bley et al., 2020, S. 338). Für die Erstellung (Design) eines Reifegradmodells finden sich in der Literatur ebenfalls zahlreiche Ansätze, ebenfalls als Stufenmodell mit sechs bzw. acht Phasen (Bley et al., 2020, S. 339). Röglinger und Pöppelbuss verweisen dabei auf allgemeine Designprinzipien für Reifegradmodelle (2012, S. 6). In der Vielfalt und somit die Auswahl an bestehenden Modellen liegen aber auch Herausforderungen und Kritikpunkte. Durch Unterschiede in Semantik und Terminologie, erweiterte oder gekürzte Stufenmodelle etc. verschwimmt die Vergleichbarkeit und somit der Nutzen für Unternehmen. Dies wird, aus wissenschaftlicher Sicht, durch häufig unzureichende Empirie und ein hohes Mass an Komplexitätsreduktion noch verstärkt (Bley et al., 2020, S. 339; Röglinger et al., 2012, S. 5).
2.4. Digitale Reifegradmodelle.
2.4.1. Definition, Modelle und Studienlage.
Aus den vorangehenden Definitionen und Ausführungen lässt sich schließen, dass es sich bei einem digitalen Reifegradmodell (in Folge als DMM = Digitale Maturity Model bezeichnet) um eine Methode bzw. Instrument handelt, um Status quo und Fortschritt des digitalen Wandels zu bestimmen, zu steuern und zu gestalten (Rossmann, 2016, S. 3). Thordsen, Murawski & Bick konzentrieren sich auf einen situativen Ansatz und definieren den digitalen Reifegrad als Status der digitalen Transformation eines Unternehmens, der beschreibt, was mit Blick auf den Einsatz, erreicht wurde (Thordsen, Murawski & Bick, 2020, S. 358). Es stellt somit eine spezifische Form eines Reifegradmodells für die digitale T ransformation dar (Bruhn, 2020, S. 69). Ein solches Modell scheint vor dem Hintergrund hilfreich, dass ein spezifisches Set an digitalen Fähigkeiten zu einem höheren digitalen Reifegrad führt (Rossmann, 2018a, S. 3) was gem. zahlreichen Studien stark positiv mit Wettbewerbsvorteilen, Kosteneffizienz und Unternehmensergebnissen (bspw. Umsatz, EBITDA) korreliert (vgl. dazu Studien u. a. BCG, 2018; Bender, Gielen, Schreiber, Schwemer & Urban, 2020; Westerman, Bonnet, et al., 2011). Doch scheint Vorsicht geboten, wenn sich Unternehmen mit entsprechenden DMM beschäftigen. Am Markt kursieren mehrere Hundert Modelle zum Thema, die mitunter eine zweifelhafte wissenschaftliche Grundlage vorweisen können (Rossmann, 2018a, S. 3). Historisch haben sich DMM ab 2010 stark entwickelt. Basis vieler heutiger Modelle und als Grundstein digitaler Reifegradbetrachtungen werden häufig die Arbeiten von Westerman et. al (2012; 2014) in Zusammenarbeit mit Cap Gemini Consulting gesehen (Rossmann, 2018a, S. 3). Zahlreiche weitere Modelle und Derivate dieser Modelle wurden durch Beratungsunternehmen lanciert (Rossmann, 2018a, S. 3; Teichert, 2019; Thordsen et al., 2020, S. 358). Bis dato sind unzählige Möglichkeiten entstanden, den digitalen Reifegrad des eigenen Unternehmens schnell und einfach über online Analysetools zu bestimmen und eine Indikation zu erhalten (vgl. FHNW, 2020; Research Lab for Digital Business, 2020; swissICT, 2020; Telekom, 2020). In den vergangenen zehn Jahren wurde auch eine Vielzahl an Studien zum digitalen Reifegrad durchgeführt. Dies sowohl branchenübergreifend (Back et al., 2017), als auch dediziert für einzelne Branchen (vgl. Aerzteblatt.de, 2019; Bertelsmann Stiftung, 2020) oder nach Unternehmensgröße (Kretschmar, Niemann & Deckert, 2019; M. Peter, Kraft & Sennrich, 2017; Telekom, 2020). Überwiegend finden diese Studien quantitativ statt, mithilfe eines Fragebogens, der meist in digitaler Form einer Internetseite auszufüllen ist. Allen Ansätzen gemein scheinen verschiedene Reifegradstufen, die Unternehmen je nach Fortschritt des digitalen Wandels erreichen können (Cognet et al., 2019, S. 60). Diese werden allerdings in die unterschiedlichsten Dimensionen und Kriterien heruntergebrochen und auf verschiedenste Art und Weise dargestellt (Teichert, 2019). Aus der Vielzahl an Optionen und Modellen kristallisieren sich einige wenige heraus, die auch in verschiedenen Analysen und Zusammenfassungen systematisch ihren Platz finden. Egeli (2016, S. 29-32) führt 15 DMM auf, welche den definierten Suchkriterien entsprechen und sich in Teilen in auch in den Übersichten von Rossmann (2016, S. 4), bei Thordsen et. al. (2020, S. 6-7) und (Teichert, 2019) wiederfinden. Dazu erfolgen jeweils eine entsprechend kritische Betrachtung und ein Vergleich der Modelle anhand ausgewählter Dimensionen und Kriterien. Tabelle 1 zeigt einen Überblick zu Digitalen Reifegradmodellen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Übersicht digitale Reifegradmodelle.
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an: Thordsen et. al (2020); Rossmann (2016); Egeli (2016)
Verschiedene Studien von Beratungsunternehmen, sowie universitärer Forschungseinrichtungen sind mit empirischen Längsschnittstudien über mehrere Jahre hinweg verbunden. Dazu werden im jährlichen Turnus Daten eruiert, ausgewertet und präsentiert. Diese Studien greifen auf eine größtenteils homogene Teilnehmerzusammensetzung hinsichtlich Branche, Unternehmensgröße und geographische Herkunft zurück, mitunter mit jährlich verschiedener Fokussierung und angepasster Fragestellung. Es hat sich, studienübergreifend eine Mischform (Mixed-Methods-Design) aus quantitativer und qualitativer Erhebung mit kontinuierlich steigender Beteiligung von Unternehmen entwickelt (vgl. dazu Studien von BCG, KPMG, Universität St. Gallen und MIT Sloane, 2012-2020). In den vergangenen beiden Jahren kann eine Vertiefung und Fokussierung auf spezifische Branchen (bspw. Versicherungen, Gesundheitsdienstleister, Banken etc.), Unternehmensgrößen und geographische Unterschiede (vgl. Studien von BCG zu Skandinavien, 2017; Afrika, 2020 und Australien, 2020) im Zusammenhang mit der digitalen Reife beobachtet werden. Die Studien weisen übergreifend auf eine Steigerung des digitalen Reifegrads bei Unternehmen hin, zeigen aber auch deutliche Unterschiede hinsichtlich der treibenden Rolle von Großunternehmen auf den Sektoren Telekommunikation und Finanzen (vgl. (Back et al., 2017; Kane et al., 2017) und einen „digitalen Vorsprung" von Unternehmen aus den USA und Asien (BCG, 2017).
Mit Blick auf die Fragestellung und dem Ziel der vorliegenden Arbeit wurde eine nicht-systematische Literaturrecherche im deutschen Sprachraum zu Studien der vergangenen 5 Jahre zum Konstrukt DMM und Auswirkung auf Innovation sowie DMM bei KMU (englisch SME = small- and Medium-sized enterprises) durchgeführt. Das Ergebnis in Tabelle 2 kann dahingehend gedeutet werden, dass KMU zunehmend Aufmerksamkeit erhalten, wenn es um Digitalisierung und die Eruierung des digitalen Istzustandes geht. Spezifische Wirkungsweisen oder ein Fokus von Studien zu digitaler Transformation bei KMU in Kombination mit dedizierte Branchen oder anderen Kriterien zur homogenen Untersuchung einer Subgruppierung (bspw. Branchen innerhalb KMU) konnten nur wenige gefunden werden. Die meisten Studien wendeten eine quantitative Befragung mittels Online-Fragebogen als Methode an und bedienten sich bei der Auswertung nach Branchen der Klassifikation staatlicher Standards (vgl. Statistisches Bundesamt, 2020). Des Weiteren scheinen sich Kooperationen aus Beratungsunternehmen und universitären Forschungseinrichtungen zu bewähren, um in diesem Zusammenhang Erhebungen durchzuführen. Die Mehrheit der analysierten Studien baut auf ähnliche oder gleiche Dimensionen und Kriterien als Grundlagen für die Befragung und ermittelt den Status quo des digitalen Wandels. Dabei unterscheiden die Studien in der Auswertung nach Branchen und werten Differenzen nach Kriterien und Dimensionen aus. Auch ein Vergleich der digitalen Reife von KMU in verschiedenen Ländern ist zu finden (Sonntag & Gangl, 2020). So kommen nahezu alle einheitlich zu dem Schluss, dass zukünftig zunehmende und massive Investitionen getätigt werden sollen und müssen, diese aber im notwendigen Umfang durch KMU kaum zu stemmen sind. Auch sind sich die Studien dahingehend einig, dass das Thema IT-Sicherheit (Cybersecurity) einen Fokus erhalten muss und dass die Reife in Sachen digitale Kundenorientierung noch in einem frühen Stadium ist.
Eine Metastudie über 46 analysierte Studien fasst als Erkenntnisse zusammen, dass die überwiegende Zahl der KMU die Wichtigkeit der Digitalisierung erkannt hat, Tendenz zunehmend (Demary, Engels, Röhl & Rusche, 2016, S. 18-24). Studienübergreifend deutet sich eine positive Korrelation zwischen Unternehmensgröße und Digitalisierungsgrad an. Ebenfalls aus verschiedenen Studien geht hervor, dass es, teilweise signifikante, Unterschiede, zwischen Branchen gibt. So sind Telekommunikation und Finanzdienstleister die Vorreiter, wenn es um die Digitalisierung geht, wobei das Gesundheitswesen und auch das Baugewerbe eher zögerlich die digitale Transformation angehen. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass die Brancheneinteilung nur ein grobes Bild zulässt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2: Studienlage Digitalisierungsgrad
Quelle: eigene Darstellung.
Im Sektor Gesundheitswesen sind oft Krankenhäuser, aber auch Arztpraxen und auch Medizintechnikhersteller subsumiert, die teilweise sehr unterschiedliche Reifegrade aufweisen, oft aus Gründen des Datenschutzes und strengen Regulierungen. Das analysierte Studienmaterial liefert einen soliden Eindruck über den Status quo der Digitalisierung von KMU im deutschsprachigen Raum, doch bietet er kaum Informationen und Rückschlüsse über Wirkungsweisen, Korrelationen und Erfolgsfaktoren. Die Studien bieten den KMU Hand bei der Analyse der eigenen Schwachstellen und bekräftigen diese im Investitionsvorhaben zu (siehe digitaler Imperativ in 2.2.4.). Klare Handlungsanweisungen sind kaum zu finden.
Im Folgenden werden die Modelle des MIT Sloane, der Universität St. Gallen sowie der Digitale Maturity Transformation Index der Hochschule Reutlingen detailliert dargestellt und anschließend Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgezeigt. Um die Präsenz der zahlreichen Modelle der Beratungsgesellschaften miteinzubeziehen, wird der Digital Acceleration Index (DAI) von BCG ebenfalls anhand der Kriterien analysiert. Die Kriterien sind zum einen die Dimensionen und Kriterien des Modells, anhand welcher sich das Ergebnis bemisst. Das Ergebnis in Form eines Index, einer Zuordnung in eine Gruppe etc. wird ebenfalls Teil der Untersuchung sowie die grafische Darstellung des Modells. Um die Ausprägung unterschiedliche Reifegrade zu verdeutlichen, sollen jeweils ausgewählte praktische Beispiele beschrieben werden, anhand denen die Unterschiede der digitalen Reife deutlich werden. Diese orientieren sich am jeweiligen Modell bzw. Ansatz.
2.4.2. Das "Digital Maturity Model" (MIT Sloane / Cap Gemini).
In zahlreichen Publikationen und in vielen Metaanalysen zum Thema digitale Reifegradmessung wird das Digital Maturity Model genannt, welches seinen Ursprung in der Forschung der MIT Sloane School of Management in Zusammenarbeit mit der Beratungsgesellschaft Cap Gemini Consulting findet und 2011 initial publiziert wurde. Im Rahmen mehrjähriger und mehrstufiger Forschungsarbeiten wurden 157 branchenübergreifende Interviews (halbstandardisierte Befragung) mit Führungskräften aus 50 Unternehmen (überwiegend mit Umsatz > 1 Mrd. USD) in 15 Ländern geführt. Dies um Perspektiven und Phänomene der digitalen Transformation besser und tiefer zu verstehen (Westerman, Calméjane, Bonnet, Ferraris & McAfee, 2011, S. 7). Aus diesen Befragungen wurden neun „Digital Building Blocks“ des Digital Transformation Framework abgeleitet und zu jeweils einer Kategorie zusammengefasst (siehe Abbildung 1). Der zehnte Block, hier als digitale Fähigkeiten (Digital Capabilities) beschrieben, ergänzt die Darstellung und betrifft alle neun anderen in Form von einheitlichen Daten und Prozessen, Analytik Fähigkeiten, Business & IT Integration und „Solution Delivery“ (Westerman, Calméjane, et al., 2011, S. 17). Westerman et. al postulieren in ihrem Bericht, dass Unternehmen mit einer stabilen Beziehung zwischen IT und Business sich leichter tun, die digitale Transformation zu steuern (Westerman, Calméjane, et al., 2011, S. 25). Im Rahmen Ihrer Forschung ermittelten sie zudem Treiber der identifizierten Blöcke um diese ebenfalls in das Modell als sogenannte „Strategic Assets“ zu integrieren. Des Weiteren weisen sie auf die Notwendigkeit von Investitionen in Kompetenzen und Initiativen hin, die sie am unteren Ende des Modells einfügen. Im Zuge ihrer Interviews und deren Auswertung ergaben sich weitere entscheidende Erfolgs- und Einflussfaktoren für die erfolgreiche digitale Transformation. So wird deutlich, dass eine digitale Vision und das Vorleben dieser durch das Top Management ebenso unabdingliche Voraussetzungen für die digitale Transformation sind, wie eine entsprechende Kultur, Risikobereitschaft und die Etablierung einer „Digital Governance“ (Westerman, Calméjane, et al., 2011, S. 3541). Während der Erstellung der vorliegenden Arbeit publizierten Westerman und Bonnet eine neue, ergänzende Version der Elemente digitaler Reife. Dabei werden die Bausteine „employee experience“, „business model innovation“ ebenso in den Fokus gerückt, wie der Baustein „digital platforms“, der Elemente beinhaltet, welche die anderen Bausteine positiv beeinflussen können (MIT Sloan Management Review, 2021). Zusammenfassend stufen Westerman et. al. (Westerman, Calméjane, et al., 2011, S. 60) die Unternehmen in vier Kategorien ein und stellen dies grafisch in einer Vier-Felder-Matrix dar (Abbildung 2). Das Modell umfasst zwei Dimensionen, die als digitale Intensität (das WAS) und die Intensität des Transformationsmanagements (das WIE) bezeichnet sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Digital Transformation Framework.
Quelle: Westerman, Calméjane, et al., 2011, S. 47.
Je nach Ausprägung wird das Unternehmen auf der x- bzw. y-Achse bewertet. Die vier Felder geben schließlich ein Bild ab, in welchem Status sich das Unternehmen (Branche, Land etc.) hinsichtlich digitaler Transformation befindet. Unternehmen mit geringer Aktivität sowohl im Hinblick auf den Einsatz neuer Technologien (WAS), als auch mit Blick auf Kriterien der Digital Governance, finden sich im linken unteren Quadranten wieder und werden als „Beginners" bezeichnet. Unternehmen, die sich bereits vereinzelt und ggf. in Silos mit einzelnen digitalen Features auseinandergesetzt haben (bspw. Einführung eines Online-Shops für eine Produktgruppe) werden als „Fashionistas" beschrieben. Bei ihnen sind jedoch das koordinierte Vorgehen und eine übergreifende und steuernde Vision noch nicht oder nur schwach etabliert. Bei den sogenannten „Conservatives" im rechten unteren Quadranten ist dies eher umgekehrt. Sie haben eine eher hohe Bewertung, wenn es um digitale Visionen und den Fokus auf Kultur und unternehmensübergreifend koordinierte Aktivitäten hinsichtlich digitaler Transformation geht. „Digirati" oder später eher als „Digitale Meister" (Bonnet, et al., 2014; Mettig, 2017b) bezeichnete Unternehmen vereinen eine hohe Bewertung und erscheinen im oberen rechten Quadranten. Sie zeichnen sich durch eine starke digitale Vision aus, haben bereits eine ausgeprägte digitale Kultur und treiben dabei bereits verschiedene erfolgreiche Initiativen voran. Somit sind Unternehmen dieser Kategorie sehr aktiv, sowohl im Rahmen der digitalen Intensität, des WAS, als auch auf der Seite des Managements der Transformation, dem WIE (Westerman, Calméjane, et al., 2011, S. 60-62). In weiterführenden Studien konnte, unter Anwendung des Modells, gezeigt werden, dass der jeweilige Reifegrad stark positiv mit Umsatz, Profitabilität und Marktwert des Unternehmens korreliert (siehe auch BCG DAI). So sind Digirati in allen drei Kriterien erfolgreicher als Unternehmen der anderen Quadranten. Unterschiede hingegen bestanden jeweils bei der Betrachtung einzelnen Kriterien in Bezug auf die jeweilige Kategorie. Bspw. haben „Fashionistas" einen positiven Effekt hinsichtlich zusätzlichen Umsatzes erfahren, welcher jedoch durch negative Effekte in Profitabilität und Marktwert eine eher negative Umkehr findet. Konservative Unternehmen hingegen haben zuerst mit einem Umsatzrückgang zu kämpfen, melden aber Erfolge in Profitabilität und Marktwert. Lediglich Unternehmen der Kategorie „Beginner" haben mit den negativen Folgen zu kämpfen (Westerman, Tannou, Bonnet, Ferraris & McAfee, 2012). Hier zeigt sich der digitale Imperativ (vgl. 2.2.4.). Der Baustein Digital Governance, welcher sich auf der Achse der Transformation Management Intensity auswirkt, umfasst auch Kriterien der digitalen Kultur, von Leadership und deren Entwicklung (Kane et al., 2016, 2018). So zeigen sich positive Zusammenhänge zwischen dem digitalen Reifegrad und ausgeprägten agilen Arbeitsmethoden, einer höheren Risikobereitschaft, einem passionierten Einsatz und „Commitment" der Mitarbeiter auf allen Hierarchiestufen, sowie kurzen Entscheidungsprozessen. Dies kann in der Praxis durch Mitarbeiterentwicklung, zielgerichtetes Rekrutieren digital-affiner Mitarbeiter erfolgen, aber auch durch das Vorleben bestimmter Werte (Kane et al., 2016, S. 10). So zeigen die Beispiele „Slack" und „Salesforce.com" eindrücklich, wie sich die Förderung und Entwicklung dieser Bausteine signifikant positiv auf den digitalen Reifegrad und in weitere Folge auf das Unternehmensergebnis auswirken. Die Erhebung des MIT Sloane hat sich über mehrere Jahre etabliert und schließt mittlerweile pro Studie mehrere Tausend Teilnehmer ein. Die Zusammenarbeit findet mittlerweile mit der Beratungsgesellschaft Deloitte statt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Digital Maturity Matrix, MIT Sloane & Cap Gemini Consulting.
Quelle: Westerman, Calméjane, et al., 2011, S. 60.
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- Florian Schmitt (Autor), 2021, Die Innovationsleistung im Verhältnis zum digitalen Reifegrad bei KMU. Ein Vergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1002112
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