1. Einführung
a.Begriffsklärung
b. Bildverständnis
c. Einführung zur Ikone Petrus und Paulus
a. Begriffsklärung
,,Ikone" kommt von dem altgriechischen Wort ,,eikón". Das bedeutet ,,Bild" oder ,,Abbild" im weitesten Sinne.1
Da der Begriff recht weit gefasst ist, konnte er im Lauf der Kultur- und Philosophiegeschichte verschiedene Bedeutungen annehmen. Wesentlich ist hier die Frage, welches Bildverständnis zu Grunde gelegt wird, welche Qualitäten erfüllt sein müssen, damit ein Bild als ,,Ikone" gelten darf.
b. Bildverständnis
Verständlich ist an diesem Punkt die Auffassung, die Ikone sei eine ,,Bildkategorie der Ostkirche", daher müssten die ,,ostkirchlichen Vorstellungen maßgebend bleiben"2. Dieser Auffassung folgend, muss ein Bild viele Kennzeichen haben, um als Ikone gelten zu können:3
1. Sie muss ein Kultbild sein und den Charakter der Heiligkeit besitzen; ist eine Ikone doch ihrem Wesen nach ,,gemalte Frömmigkeit, bildhafte Verkündigung, Bild gewordene Theologie"4. Eine deutliche Abgrenzung zum westkirchlichen Bildverständnis muss klar zum Ausdruck kommen, denn eine Ikone ist ,,etwas ganz anderes als die Heiligenbilder im Herrgottswinkel eines frommen katholischen Hauses. Für den, der an sie glaubt und sie verehrt, stehen sie auf der Grenze zwischen dieser und der jenseitigen Welt, ist in ihnen etwas von der ewigen Kraft real anwesend..."5
2. Sie muss das gültige Dogma der Ostkirche abbilden
3. Das Thema muss dem Bildkanon der Ostkirche entsprechen.
4. Sie muss nach definierten Regeln hergestellt und nach einem bestimmten Ritus geweiht sein.
Die Ikone behauptet ihren Platz als ,,konstituives Element orthodoxer Christologie und orthodoxen Verständnisses von Gott, Menschen und Welt; sie stellt den zentralen Mittelpunkt des liturgischen Geschehens dar.
c. Einführung zur Ikone ,,Petrus und Paulus"
Unter den vielen ikonographischen Typen innerhalb der Welt der Ikonen zum Thema ,,Petrus und Paulus" ragt die vorliegende Ausprägung der Gemeinschaft und der Verbundenheit der beiden Apostelfürsten sehr hervor. Entstanden zu Anfang des 18. Jahrhunderts, weist die Ikone die Maße 23 x 20 cm auf.
Der ,,Eigentümer"6 dieser Ikone, Prof. DDr. Sauser weist darauf hin, dass die erste Ausprägung mit der innigen Umarmung der beiden Apostelfürsten ikonographisch einer apokryphen Tradition zu folgen scheint, die besagt, der heilige Petrus habe den heiligen Paulus bei seiner Ankunft in Rom umarmt und also willkommen geheißen.7 Kurz darauf verselbständigt sich dieses apokryphe Ereignisbild der Ankunft des heiligen Paulus in Rom, es entsteht das Bild der freundschaftlichen Verbundenheit der beiden Apostelfürsten. Die historischen Tatsachen sind nicht mehr von Bedeutung. Wichtig ist, dass durch diese Ikone die Freundschaft der Apostelfürsten zum Ausdruck gebracht wird. Abgesehen von gelegentlichen Spannungen sind die Apostelfürsten freundschaftlich verbunden und symbolisieren somit Einheit, Frieden, Stabilität und Verlässlichkeit: So wird die Ikone der sich umarmenden Apostelfürsten zum Idealbild von Einheit und Frieden in der Kirche überhaupt.8 Beachtenswert ist auch der fundamentale Aussagecharakter der Ikone: Sie zeigt in der Umarmung der Apostelfürsten die freundschaftliche Verbundenheit zum einen, symbolisiert zum anderen aber auch grundlegend die Einheit und den sicheren Fortbestand der Kirche. Es gelingt an dieser Stelle der Schritt von einer subjektiv-persönlichen Aussage hin zum objektiv-theologischen Aussagegehalt über die Zukunft der Kirche.
Die griechische Ikone mit der Aussage ,,Petrus und Paulus umarmen sich" hat bedeutende ikonographische Vorläufer.9:ähnliche Typen dieser Ikone finden sich in der Athanasiuskapelle in Athos, Großes Lawra-Kloster (Mitte des 16. Jhd. , Athos, kretische Schule)10 und in Wien (byzantinisch, um 1400 im Kunsthistorischen Museum)11.
2. Beschreibung/Interpretation der Ikone ,,Petrus und Paulus umarmen sich"
a. Der Gesamteindruck der Ikone
b. Die Darstellung des Petrus
c. Die Darstellung des Paulus
a. Der Gesamteindruck der Ikone
Die iognomie, Mimik und Farbgestaltung. Der Apostel Paulus ist die aktive, vorantreibende Kraft im Gestus dieser innig-freundschaftlichen Umarmung. Petrus wirkt wie der ruhende Pol. Er nimmt in ruhig-abgeklärter Gelassenheit die fast zärtliche Umarmung des anderen an. Es mag fast scheinen, als werfe sich Paulus irgendwie heftig in die Arme Petrus, der ihn dann besonnen und sicher auffängt.
Paulus ist eindeutig der ,,Aktivere", gleichsam ,,Zupackendere" in dieser Geste der Verbundenheit und Zärtlichkeit. Petrus hingegen wirkt als ruhiger, gelassener und ,,annehmender" Pol, sicherlich auch ein wenig distanziert.
Die freundschaftliche Geste zwischen den Apostelfürsten erinnert an die Worte Pauli am Schluss dreier seiner Briefe: ,,Grüßet einander mit dem heiligen Kuss!" und am Ende des Ersten Petrusbriefes: ,,Grüßt einander mit dem Kuss der Liebe!"12
Paulus geht auf Petrus zu, es hat den Anschein, dass Petrus selbst gleichsam das Ziel dieser umarmenden Begegnung ist. Diese Interpretation erinnert an den ,,ersten Schritt" des Paulus, den er versöhnlich nach dem Streitfall von Antiochia (vgl. Gal 2,11) auf den Petrus zugegangen war.
Die umarmenden Apostelfürsten scheinen eine Einheit zu bilden. Ihre Köpfe sind ,,Wange an Wange" aneinander geschmiegt, so dass sich ihre Bärte berühren. Die Arme des Paulus wirken länger als die des Petrus, so scheint es, als umfange Paulus den Petrus. Somit erfährt die Figur des Paulus eine ,,dynamischere" Akzentuierung als die des Petrus. Die Blicke der beiden treffen sich nicht, es scheint jedoch so, als schaue Paulus eher den Petrus an als umgekehrt. Auch die jeweilige Gestaltung der Köpfe weist Unterschiede auf: während der Kopf des Petrus eine recht quadratische Form mit vollem Haar und Bart aufweist, ist der Kopf des Paulus eher von länglicher Art mit dünnem Bart und -bis auf eine Locke- kahler Stirn. Das Gesicht des Paulus zeigt lebendigere, emotionalere und vielleicht auch leidenschaftlichere Züge als das des Petrus. Er wirkt nüchtern, gelassen und in sich ruhend.
Die Inschriften dieser Ikone geben Aufschluss über das dargestellte; in der linken oberen Ecke ist zu lesen: ,,Ho hagios Petros", in der rechten oberen Ecke ,,Ho hagios Paulos". Darüber hinaus befindet sich eine weitere Inschrift auf dieser Ikone: links auf der Schulterhöhe des Petrus steht: ,,Ho Aspasmós" (die Umarmung), rechts auf der Schulterhöhe des Paulus: ,,Ton Apostólon" (der Apostel).
Die beiden Apostel werden vor einem goldenen Hintergrund abgebildet. Der leuchtende Goldhintergrund verleiht der Ikone einen warmen, geradezu intimen Schein und steigert die Grundaussage der intim-persönlichen Verbundenheit der Apostel noch. Zugleich ist Gold Symbolzeichen für die absolute Transzendenz, für das ewige Leben und für das Licht, aus dem heraus die beiden Apostel dem betrachtenden Beter entgegenkommen. Diese Grundaussage erfährt der Betende beim Betrachten der beiden Protagonisten. Als Gesamteindruck der Ikone kann folgendes festgehalten werden: Die Apostelfürsten sind verbunden in inniger Umarmung, jedoch schauen beide in ihre eigene Welt der Glaubens- und Berufungsgeschichte, der Verkündigung und des Martyriums. Trotz sichtlicher Gemeinschaft und Verbundenheit bleibt jeder von beiden allein ein ,,apostolischer Einzelkämpfer"13. Im Blick auf die hier zu behandelnde Ikone kann mit Sauser treffend gesagt werden, dass sich hier zugleich ,,Intimität und Dynamik" mit ,,zurückhaltender Objektivität und Sicherheit" begegnen und einander umarmen.14
b. Die Darstellung des Petrus
Das Gesicht des Petrus strahlt absolute Ruhe, inneres Gleichgewicht, Gelassenheit, Sicherheit und Souveränität aus. Ein Mensch, der vollkommen in sich ruht. Eine Gelassenheit, die nur aus dem Glauben, aus dem völligen ,,sich Festmachen an Gott" kommen kann, Gelassenheit zu den Dingen, die gleichzeitig auf das Geheimnis Gottes hin offen bleibt. Die Augen des Petrus sind sinnend weit in die Ferne gerichtet, fast so, als sei er tief in Gebet und Kontemplation versunken. Seine Hand, die auf der Schulter des Paulus liegt, wirkt wie ,,hingehaucht", fast unwirklich spielerisch, eher symbolisch als real zupackend. Auch die Farben seiner Gewänder zeigen seine zurückhaltende Gelassenheit. Das Blau seines Untergewandes symbolisiert den Himmel und das Wasser des Meeres in seiner Reinheit15 und als Zeichen für ,,den Wesenskern des Menschen, für sein Selbst"16. Das Braun als warmer Erdton drückt Bodenständigkeit, Erdverbundenheit und Bescheidenheit aus, wird oft auch für Mönchskutten verwendet. Nach Fischer wird im Osten Braun als Gegenfarbe zu Blau verstanden: ,,Dem Immateriellen, Schwebenden, Geistigen und Transzendenten des Blau ist im Braun das körperlich Dichte, das erdhaft Diesseitige, das irdisch Menschliche entgegengestellt.17
b. Die Darstellung des Paulus
Paulus ist unbestreitbar derjenige, von dem die Umarmung ausgeht. Sein Gesichtsausdruck mit der in Falten gelegten Stirn und der hochgezogenen rechten Augenbraue drückt innere Unruhe und Gespanntheit aus. Hier ist ein deutlicher Kontrast zur inneren Ausgeglichenheit und Ruhe des Petrus zu sehen. Auch die aufleuchtende Farbgebung seiner Gewänder mit ihren Rot - und Grüntönen unterstreicht die Dynamik des Paulus. Grün gilt in der Farbsymbolik als Farbe des Lebens, der Vegetation und des Kosmos. Es symbolisiert somit Hoffnung und Zuversicht und drückt Aufbruch aus der Begegnung aus. Rot ist die Farbe der Liebe, des Lebens und des Blutes. Rot deutet die Bereitschaft an, für die Botschaft des Evangeliums selbst das Martyrium zu erleiden und sein Blut zu vergießen. Der Blick des Paulus trifft nicht den des Petrus; vielmehr schauen die beiden aneinander vorbei, obwohl ihre Häupter eng aneinander geschmiegt sind: jeder der beiden Apostelfürsten schaut in seine eigene Richtung, in seine höchst individuelle Lebens- Bekehrungs- und Glaubensgeschichte als Geschichte mit Gott.
Beide Apostel erscheinen auf dieser Ikone als einander zugewandt und aufeinander bezogen, jedoch zeigt sich auch recht deutlich, dass die beiden Apostelfürsten als sehr unterschiedliche Charaktere dargestellt werden, die beide sehr starke und irgendwie individuelle, quasi ,,selbstseiende" Protagonisten sind: In dieser Ikone begegnen sich apostolischer Eifer und Stärke des Paulus sowie weise Weitsicht und Gelassenheit des Apostels Petrus.
Die beiden Apostelfürsten sind dem Betrachter sehr präsent, fast schon intim nah, man meint fast die Unterschiedlichkeit der Charaktere, den Gegensatz zwischen Eifer und Stärke und ruhiger Gelassenheit zu fühlen.
3. Interpretation: Intime Präsens der Apostelfürsten in der griechischen Ikone
,,Petrus und Paulus umarmen sich innig" in der geschichtlich/philosophischen Entwicklung der Ikonodulen versus Ikonoklasten
a. Geschichtliche/philosophische Voraussetzungen
b. Der Bilderstreit
c. Betrachtung im Hinblick auf die Ikone ,,Petrus und Paulus umarmen sich"
a. Geschichtlich - philosophische Voraussetzungen
Die Anbetung von Ikonen, der christliche Bilderkult, war in den ersten Jahrhunderten des Bestehens der Kirche sehr umstritten. Berühmte Kirchenmänner diskutierten über die Bilderfrage und formulierten ihre kontroversen Auffassungen in Streitschriften.
Zwei Lager hatten sich aufgetan: Die Ikonodulen- die Bilderverehrer auf der einen und Ikonoklasten, die Bilderstürmer auf der anderen Seite. An der Frage, ob Göttliches darstellbar sei, entzündeten sich viele blutige Kämpfe.
Die Frage, woraus dieser Konflikt entstanden war, soll im folgenden geklärt werden. Konstantinopel war in frühchristlicher Zeit ein Schmelztiegel der Kulturen. Hier stießen Orient und Okzident aufeinander. Das gestalterische Denken der griechischen Antike lebte noch nach, mischte sich mit dem pragmatischen der Römer, die das Land erobert hatten, wurde durchsetzt von dem zum Schwärmerischen und Überschwänglichen neigenden Wesen sinnenfroher orientalischer Völker, der Syrer, der Ägypter und Perser.18 Durchdringend und formend wirkten die Gedanken des jungen Christentums in dieser Zeit. Gegründet wurde die Stadt 324 vom römischen Kaiser Konstantin dem Großen, der der Stadt seinen Namen gab.
Ursprünglich war die Stadt aus einer griechischen Siedlung hervorgegangen, sie hieß Byzanz, deswegen wird heute oft noch von ,,byzantinischer Kunst" gesprochen. Der nächste Kaiser - Theodosius I.- starb 395 und hinterließ das Reich zwecks besserer Verwaltung seinen Söhnen, von denen einer den Westen und der andere den Osten erhielt.
Unter Kaiser Justinian I. (527-565) erlebte die byzantinische Kunst ihre erste große Blütezeit. Es ist anzunehmen, dass damit auch eine Blütezeit der Ikonenmalerei verbunden war. Jedoch sind sehr wenige Werke aus diesem und den nachfolgenden Jahrhunderten erhalten geblieben. Sie werden heute im Katharinenkloster am Fuße des Berges Dschebel Musa auf der Halbinsel Sinai aufbewahrt. Noch ältere Ikonen wird man kaum finden.
Vorläufer und in gewisser Weise auch Vorbilder der Ikonen sind die ägyptisch-hellenistischen Mumienportraits. Sie stammen aus der Zeit vom 2. bis 4. Jahrhundert nach Christus. Bemerkenswert dabei ist die Naturtreue und die Unmittelbarkeit der Darstellung: Die Gesichter scheinen zu leben.19
Nach ägyptischer Auffassung brauchte der unsterbliche Teil des Menschen nun eine neue Hülle, in der er wohnen konnte, nachdem der Leib, die sterbliche Hülle eines Menschen nicht mehr zur Verfügung stand. Somit dienten die Portraittafeln als neue Hülle. Interessant ist auch eine weitere wichtige Funktion der Tafeln: Da der Verstorbene sehr lebensecht dargestellt ist, können die Hinterbliebenen leichter mit dem Toten in einer Art metaphysischen Verbindung bleiben.
So entwickelte sich die ägyptischen Portraittafeln zu einer Verbindung, einem Kommunikationsmittel zwischen Lebenden und Toten. Der Abgebildete war für die Hinterbliebenen in gewisser Weise auch ,,nützlich", war man doch der Meinung, dass die geistige Kraft des Dargestellten auch aus seinem Bild strahle.
Diese Auffassung wurde ebenfalls philosophisch begründet. Die Entwicklung der philosophischen Ansätze ist an dieser Stelle interessant: Für Platon gibt es zwischen der Welt der Ideen, die das Absolute und eigentlich Seiende sind und der Materie, die das schlechthin Nicht-Seiende darstellt, keine Verbindung. Auch der Neoplatoniker Plotin verbleibt in der Idee der Trennung zwischen Idee und Materie. Jedoch versucht er, den Gegensatz zu überbrücken, indem er beginnt, das Sinnliche aus dem Übersinnlichen herzuleiten. Er setzt bei seinem Ansatz das Göttliche als die Urgegebenheit voraus und fragt nun deduktiv vom höchsten Sein her, wie es sich bis in die untersten Stufen des Seins entwickelt hat. Plotin löst das Problem schließlich so, dass er sagt, das Urreine Göttliche sei vorgegeben, aus der unendlichen Fülle des Ureinen gehe dann durch Emanation alles hervor, was ist. Dieser Auffassung folgend geschieht die Entwicklung ausgehend vom Ureinen in abstufenden Seinsstufen (Hypostasen). Das Licht der Vollkommenheit nimmt auf dem Weg vom Ureinen zu den unteren Hypostasen ab. Dennoch findet sich - diesem Ansatz folgend - auch im letzten Abbild noch ein Abglanz des Urbildes.20
Die Bedeutung des Neoplatonismus ist groß, denn er stellte mehr als ein fachphilosophisches System dar. Er war nämlich so angelegt, dass er auch religiöse Empfindungen der Spätantike in sich aufnehmen konnte. Für den gebildeten Menschen stellte dieses philosophische System eine annehmbare Alternative zu christlichen Glaubensaussagen dar. Vielfach wird der Neoplatonismus auch als erstes theologisches System der Geistesgeschichte dargestellt, setzt er doch den höchsten philosophischen Begriff des Ureinen mit dem religiös verstandenen Göttlichen gleich.
So wird deutlich, warum das Bild im Laufe der Zeit in der griechisch-byzantinischen Tradition an Bedeutung gewann.
b. Der Bilderstreit
Für den antiken Menschen war es folglich etwas ganz Natürliches, sich von dem, was er liebt, verehrt oder als heilig empfindet ein Bild zu machen, um die doch beschränkte Vorstellungskraft des Menschen zu unterstützen. In der antiken Vorstellung waren die Götter den Menschen ähnlich in ihren Verhaltensformen, auch sie kannten Streit, wechselseitige Liebe, Hass und Missgunst. Doch trotz aller Menschlichkeit in der Gestalt fehlte den griechischen Göttern nicht das ,,Numinose", das Dämonische und das für den Menschen letztlich Unbegreifliche"21
Ganz anders dachte der christliche Mensch der Frühzeit. Er lehnte es ab, sich vom Göttlichen ein Bild zu machen. Maler und Bildhauer wurden angehalten, sich der Darstellung des Göttlichen zu enthalten. Ein Grund dieser Auffassung mag in der Bilderfeindlichkeit des Judentums liegen.
Die verschiedenen Meinungen führten im bevölkerungsreichen Byzanz zu einem leidenschaftlichen Streit: Die Ikonodulen, die Bilderverehrer fochten gegen die Ikonoklasten, die Gegner der Bilderverehrung.
Die Bilderfrage schwelte bereits seit dem 4. Jahrhundert. Einige Stimmen dieser Diskussion waren der Heilige Augustinus (354-430) und vor allem Johannes Chrysostomos (344-407). Beide unterstützten das Bilderschaffen dieser Zeit, bezogen im Bilderstreit aber nicht grundsätzlich Stellung.
Drei Lehrer der Ostkirche befürworteten die Bilderverehrung schließlich deutlich: Sie vertraten die Auffassung, die Bilder seien von unschätzbarem Wert für die Frömmigkeit und den Glauben der Menschen. Basilios der Große (330-379) ermunterte die Maler, ihr ganzes Können einzubringen, um biblische Szenen so eindringlich zu schildern, dass in ,,der Seele des Betrachters echte Frömmigkeit entstehe oder gefördert werde"22
Ähnlich äußerten sich auch Gregor von Nyssa (335-394) und Gregor von Nazianz (330-394). Auch sie vertraten die Meinung, Heilige und Märtyrer seinen Menschen - wie auch die beiden Apostelfürsten in der vorliegenden Ikone, die ihres frommen Lebens und ihrer Taten wegen teilhätten am Göttlichen und eine Darstellung deshalb ein Beispiel an Frömmigkeit für den Betrachter sein könne.
Fraglich war, ob das auch für Christus gelten sollte. Die Grundsatzfrage, die im Laufe dieser Diskussion immer wieder auftauchen sollte war, ob Christus wesensgleich mit Gott sei. Die Meinungen hierzu waren dabei recht unterschiedlich: Der Presbyter Arius in Alexandria (gestorben 336) verneinte diese Frage, für ihn war Jesus ein gottähnlicher Mensch, der griechische Kirchenlehrer Athanasius (um 293-373) bejahte sie. Die Kirchenversammlungen von Nicäa 325 und Konstantinopel 381 gaben Athanasius recht und bestätigten die Wesensgleichheit von Christus und dem Vater.
Gleichgültig welcher Auffassung man folgt, bleibt eine Frage offen: Ist es zulässig, dass Menschen den Herrn in einem von menschlichen Vorstellungen geprägten Bild darstellen? Wie sollte der Herr in einem Bild dargestellt werden, wenn er jedem Menschen doch anders, auf seine ganz persönliche Art und Weise erscheint aufgrund seiner göttlichen Wandelbarkeit?
Die Lösung lag schließlich in einem Kompromiss. Christus wurde in den Kunstwerken, Fresken, Bildern, Mosaiken der Zeit in menschlicher Gestalt dargestellt, verfügte aber über die göttlichen Symbole wie beispielsweise dem Heiligenschein.23
Der Kompromiss fand seine Begründung in dem Argument aus jener Stelle der Genesis, in der es heißt, Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde.
Zum Wandel kam es im ursprünglich bilderfreundlichen Byzanz als Kaiser Leo III. 730 durch ein Bilderverbot den Bilderstreit entfesselte.
Geklärt werden soll an dieser Stelle, woher der plötzliche Umschwung eigentlich kam. Zum ersten waren die Bildergegner nie völlig verstummt, zum anderen fand der Ikonoklasmus in der raschen Ausbreitung des Islam neue Nahrung, da auch im Islam die menschliche Gestalt Gottes oder seines Propheten nur als abstraktes Ornament auf Bildern angedeutet werden darf. 24 720 hatte der Kalif Jazid II ein strenges Bilderverbot erlassen, was auch für die Christen in seinem Land galt. Er ließ alle Bilder aus den Kirchen entfernen. Der Einfluss des Islam blieb nicht ohne Wirkung auf das Christentum. Leo III, der das Bilderverbot erlassen hatte, hatte jedoch auch politische Gründe für seine Entscheidung gehabt: Er strebte die Unabhängigkeit der Ostkirche vom Papst an und wollte gleichzeitig seine Macht, die weltliche Macht eines Kaisers über die geistige Macht, die Kirche, betonen. Die Päpste hingegen verdammten nämlich den Ikonoklasmus (Gregor II, Gregor III). Es kam zu blutigen Auseinandersetzungen. Die Synode von Hiereia 754 wollte den Bilderstreit für alle Zeiten beenden durch ein Bilderverbot. Der Papst schritt ein und spaltete das Reich. Im oströmischen Reich setzte der Sturm auf die Bilder ein. Ein vorläufiges Ende fand die Auseinandersetzung im weströmischen Reich mit Kaiserin Eirene, die aus Athen stammte, und eine überzeugte Bildverehrerin war. Schließlich nahm auch der Westen Stellung in der Synode zu Frankfurt 794. Papst Hadrian I wendete sich sowohl gegen Bilderverehrung als auch -zerstörung. Das Ergebnis war folgendes: Alle heiligen Bilder von Jesus Christus, der Gottesmutter Maria, den Heiligen dürfen gemalt oder sonst wie gestaltet werden. Jedermann darf ihnen Ehrfurcht und Verehrung erweisen, ohne sie jedoch im eigentlichen Sinne anzubeten, was nur Gott alleine zukommt. Es schien, als habe sich der Streit zugunsten der Ikonoklasten entschieden, dann aber widerrief eine Synode von 815 die Beschlüsse von Nicäa, die Kaiserinwitwe Theodora beendete den Bildersturm endgültig. In feierlichen Prozessionen wurden Ikonen durch die Strassen getragen. Noch heute wird im Gedenken an diesen Tag in der griechischen und russischen Kirche am 19. Februar das ,,Fest der Orthodoxie", der Rechtgläubigkeit gefeiert. Die politischen Konsequenzen waren ebenfalls bedeutsam: Sie vertieften die Trennung der Ostkirche vom Westen, die Spaltung der europäischen Christenheit. Die Ostkirche blieb Staatskirche. 1054 wurde die Trennung vom Papst endgültig besiegelt.25
c. Betrachtung im Hinblick auf die Ikone ,,Petrus und Paulus umarmen sich"
Bedeutende Kirchenmänner hatten die Auseinandersetzung auf beiden Seiten geführt. Abt Theodor, genannt Studita, und der Patriarch Nikephoros von Konstantinopel hatten versucht, basierend auf den Gedanken des Johannes von Damaskus, des Neoplatonismus und der Bibel den Bilderstreit zugunsten der Ikonodulen zu beenden. Ihre Argumentation begründete eine Theologie der Ikonen.
Betrachtet man die griechische Ikone ,,Petrus und Paulus umarmen sich" so fühlt man sich als Betrachter berührt durch die intime Präsens der beiden Apostelfürsten, berührt durch die mystisch-intime Atmosphäre, die die Ikone ausstrahlt und angezogen von der deutlichen Erkennbarkeit der Verschiedenheit der beiden Charaktere. Petrus und Paulus sind in dieser Ikone anwesend.
Es ist falsch, den Menschen in seiner Vorstellungskraft vom Göttlichen zu überfordern. Jesus selbst hat Gleichnisse erzählt, um den Menschen die göttliche Lehre in einer für sie verständlichen Weise darzubringen. Er als der Sohn des Vaters, der alle Menschen erschaffen hat, weiß um die Schwächen der menschlichen Vorstellungskraft. Die ruhige, glaubensgetragene Gelassenheit des Petrus, sowie die eifrige Missionsbereitschaft des Paulus sind dem Betrachter sicht- und fühlbar. Diejenigen, die das Bild betrachten, schauen nicht nur mit den Augen, sondern mit dem Herzen.
[...]
[1] H. Fischer: Die Welt der Ikone, Frankfurt 1996, S.129
[2] Fischer (1996), S. 129
[3] Fischer (1996), S. 130
[4] H. Brenske:Ikonen, München 1976, Vorwort Prof. Dr. K. Wessels
[5] Brenske (1976), Vorwort Prof. Dr. K. Wessels
[6] Das Nomen Eigentümer ist in Anführungszeichen, da eine Ikone im strengen Sinne sich selber gehört
[7] Vgl. E. Sauser (1999): Die zwei Typen der griechischen Petrus- und Paulusikonen, in: Hermeineia 4/1999, S. 42-44. Hier: S. 42
[8] Sauser (1999), S. 42
[9] Vgl. E.Sauser: Petrus und Paulus umarmen sich. Darstellung und Symbolik einer Ikone, in: Erbe und Auftrag, 70. Jg. (1994) 5, S. 408-413
[10] K. Weizman, G. Alibegasvili, A.Volskaja: Die Ikonen, Freiburg 1984, S.336
[11] Vgl. Ikonen-Bilder in Gold, Sakrale Kunst aus Griechenland, Graz 1993, S. 262-263. Hier: S. 263
[12] Vgl. E.Sauser, ,,Petrus und Paulus umarmen sich" in: Bildbetrachtungen, Darstellung und Symbolik einer Ikone, S. 408
[13] Sauser (1999), S. 43
[14] Vgl. Sauser (1999), S. 43
[15] Vgl. Brenske (1976), S. 32
[16] I. Riedel:Farben: in Religion, Gesellschaft, Kunst u. Physiotherapie, Berlin 1983, S. 61
[17] H. Fischer : Die Ikone. Ursprung-Sinn-Gestalt, Freiburg 1989, S. 149
[18] Vgl. Brenske (1976), S. 10
[19] Vgl. Brenske (1976), S. 13
[20] Vgl. H. Fischer: Die Welt der Ikonen, Frankfurt 1996, S. 14
[21] Brenske (1976), S. 16
[22] Brenske, (1976), S. 17
[23] Brenske, (1976), S. 18
[24] Brenske, (1976), S. 18 ; Vgl. E. Gombrich: Die Geschichte der Kunst, München 2. Aufl. 1986, S. 31
[25] Vgl. Brenske (1976), S. 21,22
- Citar trabajo
- Claudia Kristin Scholles (Autor), 2000, Dynamik der Apostelfürsten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100178
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