Frank Capra und die moralische Komödie
,,Nun ist sie endgültig abgeschlossen, Hollywoods Glanzzeit. Mit Frank Capra starb der letzte Altmeister des Kinos, einer jener ,Hollywood professionals`, die den klassischen Stil der amerikanischen Filmerzählung Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre geschaffen und immer wieder neu geprägt haben. -
Der Glaube an den Sieg des Guten war für ihn keine simpel gestrickte Masche, sondern Ausdruck seiner innersten Überzeugung. Wenn das Kino in Hollywood jemals die Kraft aufbrachte, die schönsten Hoffnungen zu wecken, ohne den düsteren Alltag zu überdecken, dann bei Frank Capra."1
Diese Aussage Norbert Grobs anläßlich des Erscheinens der deutschen Ausgabe von Frank Capras Autobiographie The Name Above The Title trifft ohne Frage besonders auf die Filme zu, die Capra in den (späteren) dreißiger Jahren drehte. In diesem Zusammenhang ist auch nach einer Erklärung des Begriffs moralische Komödie zu suchen. Hierzu genügt es nicht, einfach festzustellen, daß eine gewisse Moral durchaus in einen komödiantisch-witzigen Kontext paßt, ja daß beide Elemente sich perfekt ergänzen können. Vielmehr müssen - gerade in Bezug auf Capra und seine Filme - zunächst Capras eigener sowie der allgemeine politisch-soziale Hintergrund jener Zeit deutlich gemacht werden, da die Darstellungsweise in seinen Filmen sehr stark davon abhängig ist.
Frank Capra selber wird wie kaum ein anderer mit dem American Dream in Zusammenhang gebracht. Als Kind italienischer Einwanderer in Armut aufgewachsen, schaffte er mit harter Arbeit den Sprung nach oben und konnte sich in den Reihen angesehener Regisseure etablieren, wird noch heute als einer der besten Regisseure angesehen. Capra kannte also nicht nur die angenehmen Seiten des Lebens, aber wahrscheinlich war gerade die Tatsache, daß er beide Seiten des Lebens kannte und er erlebt hatte, daß es möglich war, durch Arbeit und sicher auch durch ein starkes Selbstvertrauen, das Leben so zu verändern, ein ausschlaggebender Punkt für seine Arbeit.
Als Kind war ihm dieses Amerika nicht geheuer, sah er doch, wie schlecht es seinen Eltern hier ging. In seiner Autobiographie schreibt er:
,,Meine ersten vierzig Jahre waren um. Vierzig Jahre, die sich nur in Amerika abspielen konnten; vierzig Jahre, an deren Anfang ein kindlicher Haß auf Amerika stand."2 Und:
,,Mama sah für mich wie eine Hexe aus. Eine Halloween-Hexe. Und ich rannte davon, biß mir auf die Lippe, ballte die Fäuste und verfluchte Amerika."3
Capra lebte im Grunde genommen ein Leben, das man landläufig als ,,typisch amerikanisch" bezeichnet; wahrscheinlich amerikanischer als mancher gebürtige Amerikaner. Er lebte das ,,Vom-Tellerwäscher-zum Millionär"- Modell aus:
,,Ich hatte ein Ziel erreicht, wozu man ein ganzes Leben braucht: Ich hatte aus nichts etwas gemacht, aus einem Niemand war ein Herr Jemand geworden - und ich sorgte dafür, daß der Welt das gefiel. Was fünfzehn Jahre zuvor in Balls Kopierwerk in San Francisco zum ersten Mal als Glanz in meinen Augen aufgeschimmert war (das ,,Ein- Mann-ein-Film" - Konzept), war jetzt in Hollywood eine von Erfolg gekrönte Wirklichkeit: Der Name eines Filmregisseurs war gleichbedeutend mit finanziellem Erfolg."4
Capra glaubte also sehr stark an die Möglichkeit des Einzelnen, etwas zu erreichen, ein Tenor, der sich auch in seinen Filmen widerspiegelt. Seine Lebenserfahrungen mögen ihn mit Sicherheit in der Weise geprägt haben, daß er der Überzeugung war, ein Lebenslauf wie seiner sei fast nur in einem Land wie Amerika möglich, nicht ohne Grund wird ihm in den unterschiedlichsten Quellen immer wieder ein starkes Nationalgefühl bescheinigt. Auf der anderen Seite aber war Capra auch nicht völlig unkritisch gegenüber Mißständen - politisch und sozial - sind diese doch immer wieder Inhalt seiner Filme. Dies kann wohl auch als ein Resultat seines Werdegangs angesehen werden; er hatte nie vergessen, wie er aufgewachsen war. John Ford sagte einmal über ihn, er sei die ,,Inspiration für alle, die an den amerikanischen Traum glauben."5
Aus all diesen Gründen ist es nicht verwunderlich, daß in Capras Filmen meist die einfachen Menschen aus der (unteren) Mittelschicht Amerikas im Vordergrund stehen, die meist gegen eine zunächst zu stark aussehende Macht (politisch oder finanziell) anzukämpfen haben. Hierbei ist auch wichtig zu erwähnen, daß die Filme, auf die am besten der Begriff der moralischen Komödie zutrifft, in Zeiten immenser politischer und sozialer Einflüsse entstanden; die Jahre kurz vor und während des Zweiten weltkrieges, wie Mr. Deeds Goes to Town (1936), You Can't Take It With You (1938), Mr. Smith Goes to Washington (1939), Meet John Doe (1941) und nicht lange nach Beendigung des Krieges der Film It's a Wonderful Life (1947). In einer von Repression geprägten Zeit, Amerika hatte unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise zu leiden, kam der New Deal, das Programm Roosevelts, zur rechten Zeit. Ausgerichtet auf Hilfe insbesondere für Arme, Kranke, Unterstützung der Arbeiter wie z. B. Mindestlöhne und Social Security, war es für Roosevelt noch wichtiger, der Bevölkerung neues Vertrauen in die Regierung zu geben. Gerade die Unter-und Mittelschicht zu erreichen war hierfür wichtig, und dort liegen auch die Verknüpfungspunkte zu Capras Filmen: Capra, der selber sagte: ,,Die kleinen Leute sind die Hoffnung der Welt"6, wollte eben diese Menschen ansprechen - glaubt man seinen Aussagen, so war Capra davon überzeugt, daß ,,der einzelne Bürger mit seinem Gerechtigkeitssinn stärker ist als ein paar korrupte Machthaber."7 Capra wollte die Menschen glauben machen, was sie im Kino sahen; er wollte ihnen, wie er sagte, ,,das Gefühl nehmen, im Kino zu sitzen."8
Immer wieder kommt in seinen Filmen der Tenor zum Vorschein, daß die Freundschaft und gegenseitige Hilfe am wichtigsten im Leben sind, ja immer wieder ist in Capras Filmen zu sehen, daß das Negative in der Gesellschaft von den finanziellen und politischen Machthabern ausgeht.
Zwei der deutlichsten Beispiele, die oft auch als mit die ,,typischsten" bezeichnet werden, sind sicherlich die Filme Mr. Deeds Goes to Town und Mr. Smith Goes to Washington, die sich sowohl in ihrer Thematik als auch in der Typisierung des Protagonisten sehr ähneln; mit dem Unterschied, daß es einmal korrupte Geldbesitzer und einmal korrupte Politiker sind, die angeprangert werden. In beiden Fällen ist der Protagonist - Mr. Deeds gespielt von Gary Cooper, Mr. Smith gespielt von James Stewart - ein etwas naiver Mensch, der an das Gute im Menschen und vor allem auch an seine eigenen Ideale (und Wunschvorstellungen) glaubt, und in beiden Filmen werden diese Ideale in den Grundfesten erschüttert. Im Folgenden wird zunächst auf Mr. Smith Goes to Washington eingegangen, da von hier aus ein Bogen zu You Can't Take It With You und It's a Wonderful Life geschlagen werden kann; in allen Filmen agiert James Stewart. Mr. Smith Goes to Washington kann als hochpolitisch bezeichnet werden, wenn auch recht plakativ in der Darstellung: Die Korruption unter den Politikern wird nur allzu deutlich dargestellt, ebenso wie die Tatsache, daß die Senatoren vielmehr die Interessen der Wirtschaftsbosse als die der Wähler, also der Mehrheit, vertreten - demnach können sie auch als käuflich bezeichnet werden. Ganz im Gegensatz zu diesen Menschen, die gänzlich auf Profit aus sind, steht nun jener Jefferson Smith (man beachte den Namen - eine Kombination aus Präsidenten-und Allerweltsnamen), der ein Kinder - und Jugendcamp auf genau dem Gelände errichten will, auf das es auch die Industriellen abgesehen haben, und der von den Kindern - in erster Linie Pfadfinder - regelrecht verehrt wird und die er anspricht, was seinen doch kindlich-naiven Charakter noch unterstreicht Capra hat hier ganz deutlich den krassen Gegensatz herausgezeichnet - für den heutigen Geschmack sicherlich schon eine Spur zu plakativ.
Wenn James Stewart auf der Leinwand erscheint, so hat man als Zuschauer fast das Gefühl, daß dort ein etwas zu groß geratener Junge agiert, etwas unbeholfen-linkisch, aber immer nett und freundlich zu seinen Mitmenschen und vor allem auch zu den Kindern aus der Pfadfindergruppe, mit denen er arbeitet. Daß eine solche Person im harten Politikgeschäft Gefahr läuft, restlos ausgenutzt zu werden und auch wohl kaum in dieses Milieu passen mag, ist nicht von der Hand zu weisen. So kann auch gesagt werden, daß in Mr. Smith Goes to Washington das komische Element nicht in der Handlung an sich liegt sondern vornehmlich in der Figur des Jefferson Smith selber, ohne sich jedoch über ihn lustig zu machen. Jefferson Smith in dem ihm neuen Umfeld in Washington - diese Kombination ergibt eine Art von Tragikomik, die gleichzeitig auf eine doch stark moralisierende Art und Weise Unrecht anprangert (in diesem Falle vor allem bei Presse und Politik).
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Szene, in der Smith während seiner ersten Pressekonferenz plötzlich anfängt, Vogelstimmen zu imitieren - er selber denkt sich nichts weiter, hat seinen Spaß an der Sache, muß aber am darauffolgenden Tag feststellen, daß die Presse ihn zum Gespött der Menschen gemacht hat, die sein Verhalten nun auf sämtlichen Titelblättern der Zeitungen nachlesen können. Als er einige der Reporter aufsucht, wird der Unterschied zwischen ihm und ihnen nur allzu deutlich gemacht: Smith will fair behandelt werden, was er den Journalisten auch deutlich zu machen versucht, diese jedoch zeigen eine abgebrüht-zynische Einstellung, denn ihrer Meinung nach muß dem Leser etwas geboten werden, und hauptsächlich dafür fühlen sie sich verantwortlich - nicht aber für eine Person, über die sie regelrecht herfallen, wie sie es bei Smith getan haben. Schließlich wird Smith in eine Schlägerei verwickelt - eine Tatsache, die der Öffentlichkeit ebenfalls nicht verborgen bleibt.
Smith wird hier zum ersten Mal selber bewußt, daß er in einer gewissen Form seiner Umwelt ausgeliefert ist - lange bevor er merkt, daß er auch im Bereich der Politik von Parteichef Taylor (Edward Arnold) und Senator Paine (Claude Rains) lediglich als Werkzeug für deren korrupte Machenschaften benutzt werden soll. Jean Arthur spielt als Smiths Sekretärin Saunders eine sehr wichtige Rolle - sie entdeckt, daß Paine Smith hintergeht und klärt diesen darüber auf, nicht zuletzt natürlich auch aus dem Grunde, daß sie eine starke Zuneigung für Smith empfindet. Saunders weiß - im Gegenteil zu Jefferson Smith - über sämtliche Gepflogenheiten in der Politik und im Senat Bescheid, sie ist also in der Lage, ihren Chef in alles einzuführen und ihn über die Korruptionen, die an der Tagesordnung zu sein scheinen, aufzuklären. Dabei ist sie keineswegs eine harte, unsentimentale Frau; im Gegenteil, Saunders wird als attraktive, sympathische Frau dargestellt, die ,,das Herz auf dem rechten Fleck" hat, die intelligent und tough ist und zudem über das nötige Wissen verfügt, ohne jedoch überheblich zu wirken. Saunders ist also in vielen Dingen Jefferson Smith um einiges voraus, beruflich wie auch im Umgang mit anderen Menschen, was ihr natürlich auch mehr Durchblick verschafft, Durchblick, der dem etwas gutmütig-vertrottelten Smith zunächst fehlt. Über die Wahl der Schauspieler für diesen Film schreibt Capra: ,, Jimmy Stewart und Jean Arthur waren ein maßgeschneidertes natürliches Team - der typische Idealist und die zynische Washingtoner Sekretärin, die von der Politik die Nase voll hat, in deren Brust aber ein goldenes Herz schlummert. Sie wurden gleich bei Projektbeginn engagiert." 9 Diese Frau - Mann - Konstellation ist in weiten Teilen dieselbe, wie sie häufig in den Screwball-Komödien zu finden ist (als einprägsamstes Beispiel in diesem Zusammenhang mag das Paar Katharine Hepburn - Cary Grant in Bringing Up Baby gelten). Dennoch sind in diesem Fall nicht die sonst genreüblichen Wortspiele und - gefechte zu sehen, die in vielen anderen Filmen vertreten sind, so daß die Beziehung Saunders - Smith den leicht ironisch-komischen Charakter nicht durch verbale Gefechte bekommt, ein Element, das so typisch für die reine Screwball-Komödie ist, sondern vielmehr dadurch, daß genau zu erkennen ist, daß hier eine doch selbstbewußte Frau an einem Mann interessiert ist, dem sie in vielem überlegen ist, und der ihr Interesse nicht zu bemerken scheint, ja der sich eher wie ein unbeholfener Junge verhält und froh darüber ist, daß ihn jemand wirklich ernst nimmt und ihm hilft. Smith hat in Saunders zunächst eine Freundin gefunden, die ihn unterstützt und mit deren Hilfe er es durch seine von ihr initiierte 23-stündige Marathonrede im Senat schafft, die Machenschaften Paines aufzudecken.
Jefferson Smith endet also nicht als tragische Figur sondern er geht als Sieger aus der gesamten Affäre hervor - beruflich wie privat.
Daß Capra trotz der offenen Kritik, die er in diesem Film aufstellt, keine Probleme mit der Zensur bekam, mag sicher auf die Tatsache zurückzuführen sein, daß der Protagonist ein grundanständiger, patriotischer Amerikaner ist, der im Gegensatz zu den Medien und der Politik doch ganz die amerikanischen Ideale verkörpert, die auf diese Weise im Film stark propagiert werden. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Szene, in der Smith sich nach seiner Ankunft in Washington das erste Mal umschaut; gezeigt werden unter anderem das Weiße Haus und Lincolns Statue, untermalt mit der immer wieder eingeblendeten amerikanischen Flagge sowie mit Musik, in der immer wieder Melodien der Nationalhymne wiederholt werden. Die komischen Elemente treten in Mr. Smith Goes to Washington eindeutig in den Hintergrund. Ein Einschnitt ist ab dem Moment zu verzeichnen, als Smith die Verdorbenheit seiner Umgebung erkennt und daran beinahe zerbricht - wären da nicht Saunders und ihre Unterstützung.
Dem Film fehlt aus diesen Gründen trotz der komischen Elemente eine gewisse Leichtigkeit, wie sie die typische Screwball-Komödie ausmacht.
Eine etwas andere Machart weist im Vergleich dazu der Film You Can't Take It With You (1938) auf. Auch hier werden wieder grundverschiedene Personen und Lebenseinstellungen gegenübergestellt, auch hier wird dadurch Komik erzeugt und - nicht ganz so plakativ wie in Mr. Smith Goes to Washington - Kritik geübt, diesmal am Geldadel, der wirtschaftliche Macht besitzt und meint, alles kaufen zu können. Am Beispiel zweier Familien, die kontrastiert werden, wird abgewägt, welche Werte im Leben letztendlich wichtiger sind.
James Stewart und Jean Arthur sind wieder als Paar zu sehen; Stewart in der Rolle des Tony Kirby jr., Arthur in der Rolle der Alice Sycamore. Beide entstammen Familien, wie sie grundverschiedener kaum sein könnten: Die Familie Sycamore / Vanderhoff lebt in einem Haus, in dem alles drunter und drüber zu gehen scheint; jeder tut das, was er meint, gerade tun zu wollen. So bastelt Alices Vater im Keller Feuerwerkskörper, ihre Mutter schreibt Theaterstücke, weil ,,irgendwann einmal eine Schreibmaschine in dem Haus gelandet ist", und ihre Schwester ist ständig am Tanzen.
Großvater Vanderhoff, das eigentliche Familienoberhaupt, gibt zu allem seine Statements ab und spielt, wann immer er will, Mundharmonika. Einzig Alice geht in dieser Familie einer geregelten Arbeit nach - in Kirbys Büro.
Im Gegensatz dazu steht die Familie Kirby, bestehend aus Vater, Mutter, Sohn. Das, was hier zählt, ist Macht, sei sie politisch oder finanziell. Anthony Kirby sr.`s einziges Bestreben im Leben scheint zu sein, immer mehr Macht und Geld zu bekommen, egal auf wessen Kosten. Das Leben der Kirbys ist nur von Zwängen geprägt, es muß sich den gesellschaftlichen Normen untergeordnet werden, und der einzelne Mensch als eigenständiges Individuum zählt kaum, es sei denn, er kann irgendeinen (geschäftlichen) Erfolg verbuchen. Tony Kirby jr. hat seine Jugendträume begraben, da er sowieso keine andere Wahl zu haben schien als in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, denn die Kirbys sind ,,seit 9000 Jahren Bankiers", wie er sagt. Zusammengebracht werden diese beiden Familien durch die Beziehung zwischen Alice und Tony, die zunächst ohne Zukunftsaussichten zu sein scheint, da Alice in den Augen der Kirbys nicht gut genug für Tony ist. Auffällig ist, daß sowohl Alice als auch Tony jeweils ein wenig von der anderen Seite haben; bei Alice ist es die Tatsache, daß sie völlig normal berufstätig ist, das working girl, bei Tony schimmert vom Beginn des Films an durch, daß er seine berufliche Tätigkeit nur halbherzig ausübt (so sitzt er sehr gelangweilt in einer Besprechung, läßt sie mehr oder weniger über sich ergehen). In einem Gespräch mit Alice macht er zudem deutlich, daß er den Lebensstil ihrer Familie sehr bewundert, es scheint, als fühle er sich im Vergleich dazu richtig feige - zu feige, um nach seinen persönlichen Vorstellungen zu leben. In einem Gespräch mit Alice erwidert er auf ihre Worte, daß ihr Vater sie dazu erzogen habe, vor nichts Angst zu haben, das zu machen, was man wolle; ,,Es gehört viel Mut dazu. Was ist meine Entschuldigung? Die Kirbys sind schon immer Bankiers, diese Tradition darf nicht durchbrochen werden, es ist mir eingehämmert worden bis zur Gehirnerweichung."
Dreht sich zwar vordergründig zunächst alles um die Probleme, die die Liebesbeziehung der beiden aus so unterschiedlichen Verhältnissen stammenden Menschen mit sich bringt, so wird doch schnell deutlich, daß nicht sie die eigentlichen Protagonisten sind, sondern Großvater Vanderhoff und Anthony Kirby sr. Diese Parts übernehmen. Nur durch Großvater Vanderhoffs Einfluß vollzieht sich ja letztendlich die Wandlung Kirbys. Zwar ist sicher auch die Tatsache, daß sein Sohn Tony kündigt, anstatt neuer Präsident der Bank zu werden, mit ein Grund für seine Bemühungen, jedoch wohl eher ein sekundärer. Capra selber sah Anthony P. Kirby als den wichtigsten Charakter des Films an. Über Edward Arnold, den Darsteller Kirbys, schreibt er: ,, Seine Darstellung des Dschungelkönigs von Wall Street, der aus Liebe zu seinem Sohn von seinem Thron herabsteigt, war genau die philosophische Würze, die eine ansonsten groteske Komödie brauchte, um aus You Can't Take It With You den allseits gefeierten ,,besten Film des Jahres zu machen."10
Gerade mit der Gegenüberstellung der beiden Familienoberhäupter macht Capra ganz deutlich den Standpunkt klar, den der Film einnimmt und der ganz ohne Zweifel auch seinem persönlichen Standpunkt entspricht. Wichtig ist hierbei die Tatsache, daß Großvater Vanderhoff einst selber ein Leben geführt hat, das dem Kirbys ähnlich war - und dies von einem auf den anderen Tag aufgegeben hat. Vanderhoff kennt also diese Lebensumstände , so daß er wohl kaum als ,,eigensinniger Spinner" abgetan werden kann.
Großvater Vanderhoff steht für das Individuum, das sich von der Masse abhebt, im weitesten Sinne vertritt er die typischen amerikanischen Werte wie die Freiheit des Einzelnen und das Recht auf freie Entfaltung. Er zahlt nicht nur keine Steuern, weil er ,,keinen Sinn darin sieht", wie er sagt, er legt sich auch mit dem Kirby-Imperium an, da er als einziger in einem ganzen Häuserblock sein Haus nicht an Kirby verkaufen will, was diesem wiederum die Möglichkeit nimmt, auf dem besagten Areal seine Vorhaben zu verwirklichen. Vanderhoff und Kirby sind also auch geschäftlich Konkurrenten. Zunächst nimmt Kirby Vanderhoff nicht ernst, meint der Überlegene zu sein, doch der Überlegene ist Vanderhoff, der, der von ihm lernt ist Kirby. Ganz deutlich wird hervorgehoben, daß die ,,Lebenskünstler" (so auch der deutsche Titel) die Stärkeren sind, auch wenn ihnen nicht die materiellen Dinge des Lebens zur Verfügung stehen wie den Kirbys; doch von ihnen kann man lernen, welche Prioritäten man im Leben setzen sollte. Großvater Vanderhoffs Meinung zu Menschen, die Kirbys Lebensauffassung teilen unterstreicht er mit seinem Kommentar über Abraham Lincolns Worte ,,Ohne Boshaftigkeit gegen irgendeinen, mit Nächstenliebe zu allen": ,,Heutzutage heißt es: Willst du nicht mein Bruder sein, schlag ich dir den Schädel ein!"
Das Leben der Vanderhoffs/Sycamores wird durchweg als das positivere dargestellt, das der Kirbys als ein solches, bei dem man Gefahr läuft, eines Tages völlig alleine dazustehen - eine Tatsache, die Großvater Vanderhoff in der Gefängnisszene Kirby auch deutlich ins Gesicht sagt. Kurze Zeit später sieht man auch, daß er nicht unrecht hat: Es dauert nur einige Minuten, und sämtliche Freunde der Vanderhoffs/Sycamores haben die Kaution zusammengesammelt, so daß Kirbys Angebot, sie zu bezahlen nicht in Anspruch genommen werden muß.
Eine wichtige Bedeutung für die Annäherung Kirbys an Vanderhoff hat zudem eine Mundharmonika. Vanderhoff, der ständig Mundharmonika spielt, steckt sie Kirby während der Gefängniszene zu, da er weiß, daß Kirby einst selbst gespielt hat. Schiebt Kirby diese Mundharmonika in seinem Büro zunächst weit von sich, sieht sie regelrecht wütend an, so beginnt doch nach und nach eine Annäherung; zuerst nimmt er sie in die Hand, dann beginnt er zaghaft auf ihr zu spielen, und in der Schlußsequenz sieht man ihn fröhlich mit Vanderhoff musizieren. Diese Annäherung geschieht parallel zur Annäherung an Vanderhoffs Lebensphilosophie, so kann die Mundharmonika auch als Synonym für diese Lebensphilosophie angesehen werden. Neben dieser doch sehr ausgeprägten Schwarz-Weiß-Malerei weist der Film einige typische Screwball-Elemente auf. Da ist zunächst die Szene im Club ,,Stammbaum", die für Alice und Tony relativ chaotisch endet: Das Schild an Alices Kleid, auf dem NUTS steht, dann das plötzliche wilde Schreien beider, mit der Begründung, es seien Mäuse im Raum, was einen allgemeinen Tumult verursacht. Beides zusammen - Alices und Tonys Verhalten und die anderen Gäste, die das Paar entgeistert anstarren, zeigt sehr temporeich und komisch, wie schnell sich doch die High Society durch ungeplante Kleinigkeiten aus der Fassung bringen läßt, ja wie verklemmt sie im Grunde ist. Alice ist die Situation zunächst auch peinlich, doch letztendlich kann sie zusammen mit Tony darüber lachen.
Eine weitere Szene, in der eindeutig die Elemente der Screwball-Komödie aufgenommen werden, ist der Besuch der Kirbys bei Alices Familie: Tonys Eltern sind offiziell eingeladen,doch er weiß, daß Alice an diesem Abend versuchen wird, ihre Familie möglichst ,,normal" erscheinen zu lassen, und das will er verhindern. Er teilt seinen Eltern absichtlich ein falsches Datum für den Besuch mit und erzählt auch Alice nichts davon. So tauchen die Kirbys unverhofft bei Vanderhoffs/Sycamores auf und bekommen diese Familie genauso zu sehen, wie sie tagtäglich ist. Weist schon allein die Darstellung der Familie Vanderhoff/Sycamore gehäuft komische Elemente auf, so treibt diese plötzliche Konfrontation alles auf die Spitze. Diese Szene, die relativ früh im Film zu sehen ist, ist natürlich auch ein Verweis auf das, was noch folgt und macht den Unterschied zwischen den beiden Familien innerhalb weniger Minuten auf eine schon grotesk-übersteigerte Weise deutlich.
Eine weitere Szene, die Screwball-typisch ist, ist auch die Explosion der von Alices Vater gebauten Feuerwerkskörper im Keller des Hauses just zu dem Zeitpunkt, als Kirbys sich noch gerade dort befinden. Die Verhaftung aller Beteiligten ist schließlich der Höhepunkt dieser Szene.
Trotz dieser bewußt sehr überzogenen Szenen, die auch wirklich zum Lachen bringen können, verliert der Film nie den roten Faden bezüglich seines moralischen Anspruches - denn dieser zieht sich ebenfalls nur allzu deutlich durch den gesamten Film, gepaart mit einem schon fast aufdringlichen Optimismus. Dieser hat seinen Höhepunkt natürlich am Schluß: Kirby sr. konnte ,,bekehrt" werden, Alice und Tony werden keine Steine mehr in den Weg gelegt, und Großvater Vanderhoff meint, schließlich auch noch Tonys Mutter auf den richtigen Weg bringen zu können - früher oder später.
Über den Nachkriegsfilm It's a Wonderful Life schreibt Capra : ,, Er war weder für die ach so gelangweilten Kritiker noch für die ach so abgestumpften Literaten gemacht. Es war einfach meine Art von Film für meine Art von Leuten; [...] Ein Film, der den Unterdrückten, den Armen sagte: `Kopf hoch, mein Junge! Kein Mensch, der einen Freund hat, ist wirklich arm. Drei Freunde - und du bist steinreich!`"11 Wieder spielt James Stewart den Protagonisten, George Bailey, wieder werden den Eigenschaften Menschenfreundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Bescheidenheit Geldgier, Reichtum und Unmenschlichkeit gegenübergestellt:
Schon als Zwölfjähriger ist George selbstlos - hilfsbereit; er rettet seinen Bruder vor dem Ertrinken und wird dadurch auf einem Ohr taub. Als Schüler arbeitet er später aushilfsweise im kleinen Laden von Mr. Gower. Der füllt aus Versehen Gift in medizinische Kapseln, da ihn der plötzliche Tod seines Sohnes sehr mitgenommen hat. George bemerkt dies und kann so ein schweres Unglück verhindern. Auch als Erwachsener hat George ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern und zu seinem Bruder. Sein Vater ist der Inhaber der Bailey Building Bank Corporation, er unterstützt Menschen, indem er ihnen hilft, ein Haus zu bauen; Arbeitern ermöglicht er so, ihren Elendsquartieren zu entfliehen. Diese Tätigkeit ist der Lebensinhalt des Vaters, den George als den ,,gütigsten Menschen, den ich kenne" bezeichnet. Ebenfalls in dem Unternehmen vertreten ist Mr. Potter, der als völliger Gegenpol zu Georges Vater dargestellt wird: Er ist geld - und machtgierig, reich und unmenschlich und aus Georges Sicht deshalb sehr arm. George, der sich nach längerem Arbeiten im Büro eingeengt fühlt, hat nun den Wunsch, zu reisen und auch ein Studium aufzunehmen; mit dem Tod des Vaters werden alle diese Pläne zunichte gemacht - er wird der neue Geschäftsführer. Für sein Schulgeld läßt er nun seinen Bruder Harry aufs College gehen, mit dem Plan, daß dieser ihn nach Abschluß des Studiums als Geschäftsführer ablöst, was jedoch nie der Fall sein wird. George heiratet schließlich seine Jugendliebe Mary - das Reisegeld für die Flitterwochen benutzen die beiden dafür, um den Menschen Geld zu zahlen, bis die Bank , die wegen Bankrotts eine Woche schließen muß, wieder öffnen kann - Potter hatte vorher denjenigen, die investiert haben, pro eingezahlten Dollar eine Auszahlung von 50 Cent angeboten.
Mit seiner nächsten ,,guten Tat", der Gründung des ,,Bailey Park", einer Anlage mit Häuschen für Ärmere, tritt George als ganz offensichtlicher Konkurrent Potters auf: Dem, mittlerweile Leiter der einflußreichen National Bank, gehören die verwahrlosten Mietwohnungen, die vorher von diesen Menschen bewohnt wurden und von denen nun eine nach der anderen verlassen wird und nicht wieder vermietet werden kann. Um seinen Konkurrenten auszuschalten, bietet Potter ihm eine Stellung als Prokurist mit sehr guter Bezahlung an, die George jedoch ablehnt, obwohl es ihm finanziell immer schlechter geht und er mittlerweile vier Kinder hat.
Die zentrale Handlung, die dem Film seinen eigentlichen Sinn gibt, spielt sich an einem einzigen Tag ab, bezeichnenderweise am 24. Dezember: Georges Bank steht vor dem Konkurs, eine Rettung aus dieser Situation scheint nicht in Sicht. Katastrophalerweise läßt Georges Onkel Billy das verbliebene Firmengeld in Höhe von $ 8000 in der Bank liegen, was der dort anwesende Potter beobachtet und dieses Geld stiehlt, wohlwissend, George damit endgültig in den Ruin treiben zu können. Er erreicht damit sogar, daß George ihn um Hilfe bittet - Potter kann nun endlich triumphieren, will Sicherheiten, die George natürlich nicht vorzuweisen hat. Potter geht schließlich so weit, daß er George androht, einen Haftbefehl wegen Unterschlagung und Veruntreuung gegen ihn erwirken zu wollen. In Potters Augen ist George ,,tot mehr wert als lebendig", eine Meinung, aus der er George gegenüber keinen Hehl macht.
So steht George an Heiligabend auf einer Brücke und denkt über Selbstmord nach, will ins Wasser springen, als urplötzlich direkt neben ihm jemand anderes ins Wasser fällt. Wieder einmal zögert George nicht, sondern er springt sofort hinterher, um den Mann zu retten - seinen Schutzengel, der gesprungen ist, um ihm das Leben zu retten.
In diesem Falle genügt es Capra nicht, lediglich Georges Wohltätigkeiten und Menschenfreundlichkeit darzustellen. Auf Georges Ausruf ,,ich wünschte, ich wäre nie geboren" hin führt ihm der Engel Clarence vor Augen, was tatsächlich aus seiner Heimatstadt Bedford Falls geworden wäre, hätte es ihn nie gegeben: George findet sich in der Stadt Pottersville wieder, in der nur Geld zu regieren scheint, keine Menschlichkeit. Dieses Pottersville ist ein lauter, greller Moloch, in dem sich Spielhöllen und Nachtclubs aneinanderreihen. Die Menschen, denen George im Laufe seines Lebens geholfen hat, sind hier meist gescheiterte Existenzen, die gesamte Atmosphäre hat etwas Furchteinflößendes, Düsteres. Capra zeigt dem Zuschauer auf diese Weise schon zuviel Moral; daß George ein guter Mensch ist, der immer zuerst an andere denkt, ist an diesem Punkt der Handlung schon ganz deutlich gemacht worden - zu zeigen, was ohne George aus dessen Mitmenschen geworden wäre, scheint eine Übersteigerung des Ganzen zu sein, auch, um noch einmal ganz deutlich hervorzuheben, was geschehen würde, gäbe es keine Menschen, die den Potters dieser Welt etwas entgegenzusetzen hätten.
George ist nicht nur der nette Junge aus einer freundlichen kleineren Stadt, der, wie schon Jefferson Smith und Tony Kirby Gefahr läuft, von seiner so gegensätzliche denkenden Umwelt zerstört oder zumindest eingeschränkt zu werden, nein, er er wird zudem als eine Art selbstloser ,,Retter" für seine Mitmenschen dargestellt, was ihn noch etwas abhebt. Dies ist also eine weitere Darstellung Capras These, daß Menschlichkeit auf lange Sicht stärker ist als Machthunger oder Geldgier. Durch diese doch aufdringlichere Darstellungsweise überschreitet Capra in It`s a Wonderful Life ohne Zweifel den schmalen Grat zum moralinsauren Kitsch. Abgeschwächt wird dies jedoch durch die leicht komischen Elemente, die, wie auch in Mr. Smith Goes to Washington und You Can`t Take It With You, durchaus vorhanden sind. In It`s a Wonderful Life treten diese zwar stärker in den Hintergrund, doch in den Figuren des Onkel Billy und des Clarence sie sind eindeutig vorhanden und auch sehr wichtig für den Charakter des Filmes. Diese beiden Charaktere weisen wiederum starke Ähnlichkeiten mit Figuren wie zum Beispiel Alice Sycamores Vater auf; sie wirken kindlich - naiv, was ihnen Sympathie einbringt.
Speziell über Onkel Billy und den Engel Clarence schreibt Raymond Carrey:
,,A world made up of Clarences and Uncle Billys would be a world in which none of the houses that George`s bank builds would be constructed. Both Clarence and Uncle Billy significantly depend on George to get them out of the trouble into which their naivetè keeps leading them."12
Raymond Carrey geht so weit, daß er die Meinung vertritt, Onkel Billy und Clarence würden sich gegenseitig vertreten; ist der eine nicht da, nimmt der andere seinen Platz ein und umgekehrt. Diese Auffassung ist durchaus nachvollziehbar, da sich die beiden auch äußerlich äußerst ähnlich sehen. So existiert der eine in Georges wahrem Leben, der andere in der Irrealität, dem Part der Handlung, der für George ein Alptraum ist:
,,The equivalence of the two is suggested by the fact that Clarence appears at the exact point in the narrative at which Billy disappears after having been repudiated by George, and Billy subsequently reappears as soon as Clarence is accepted by George and departs from the narrative."13
Capras Wahl, gerade den Schutzengel auf diese Weise darzustellen, wirkt sich positiv auf den gesamten Film aus, da so verhindert wird, daß er allzu melodramatisch wirkt. Clarence tritt in der schlimmsten Phase in Georges Leben in Erscheinung, er zeigt George das brutale Pottersville und nimmt durch seine bloße Anwesenheit dem Ganzen ein wenig das allzu Ernste und den erhobenen Zeigefinger - ist Clarence doch selber ein Mensch, der es mit seiner freundlich-gutmütigen Art im wahren Leben nicht einfach haben würde, der aber deswegen nicht unglücklich ist. Interessanterweise wird Clarence völlig menschlich dargestellt; auf eine liebenswerte Art weise. Die Darstellungsweise des Clarence ist dabei kein Stilbruch, fügt sich der Engel doch völlig in die Reihe der positiven, menschlichen Charaktere Capras ein, die dem Protagonisten freundlich gesonnen sind und zu den Sympathieträgern zählen..
Wie auch in den anderen Capra - Filmen siegt auch in It`s a Wonderful Life das Gute über das Böse: George wird von Clarence in sein wahres Leben ,,entlassen", er kommt nach Hause, wo schon die Polizei mit einem Haftbefehl auf ihn wartet - aber auch seine Freunde, die für ihn gesammelt haben, um das von Potter gestohlene Geld zu ersetzen, was bewirkt, daß einer der Polizisten schließlich den Haftbefehl zerreißt, was eine starke Parallele zur Gefängnisszene in You Can`t Take It With You aufweist. Zum guten Schluß erreichen George die Zeilen von
Clarence: ,,Jemand, der Freunde hat, ist kein Versager."
Fast scheint es, als habe Capra in diesem Film seine Botschaft an das Publikum noch einmal ganz deutlich zu machen versucht; von den drei hier behandelten Filmen ist It`s a Wonderful Life sicherlich der, bei dem der Zuschauer am direktesten auf den Kontrast Gut - Böse gestoßen wird. Er wirkt wie eine Essenz aus den Vorkriegsfilmen, wie ein großes Ausrufezeichen, das Capra setzen wollte. Zu kritisieren wäre sicherlich, daß in diesem Film die Schwarz-Weiß-Malerei am deutlichsten ausgeprägt ist, hat doch Potter keinen einzigen freundlichen Charakterzug, er zeigt keinerlei Skrupel noch macht er den Eindruck, irgendwann einmal in seinem Leben etwas ändern zu wollen - außer noch reicher und mächtiger zu werden natürlich! Eine detailliertere Differenzierung wie sie in Mr. Smith Goes to Washington und You Can ´ t Take It With You bei der Darstellung der negativeren Figuren vorhanden ist, fehlt im Falle Potter völlig, was im Gegenzug George Bailey, Onkel Billy, Clarence und Bedford Falls noch sympathischer, Potter und Pottersville noch abstoßender macht.
Clarences Worte fassen ohne Zweifel genau das zusammen, was Capra mit seinen Filmen ausdrücken wollte. Es läßt sich natürlich nicht verleugnen, daß alle diese Filme nach einem ähnlichen Schema aufgebaut sind und daß sie sich im Tenor überhaupt nicht unterscheiden. Immer ist der junge Mann aus der Provinz der Protagonist, der seine positiven Ideale gegen Korruption und Menschenverachtung verteidigen muß, daran beinahe scheitert aber letztendlich doch als Sieger aus allem hervorgeht. Ganz kritiklos sind diese Filme - gerade aus heutiger Sicht - sicher nicht hinzunehmen, doch Capra mag mit den Filmen, die er kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges drehte, den Nerv der Zeit getroffen haben - bezeichnenderweise war It`s a Wonderful Life seinerzeit kein kommerzieller Erfolg; hätte Capra diesen Film zehn Jahre früher gedreht, wäre dies sicher anders gewesen. Was ganz klar für seine Filme spricht, ist die Tatsache, daß er immer wieder komische Elemente und skurril - liebenswerte Personen eingebaut hat. Ein weiterer ausschlaggebender Aspekt ist die Darstellungsweise der Protagonisten. Auch wenn sie noch so ehrenwert, so uneigennützig sind, Jefferson Smith, Tony Kirby und George Bailey wirken niemals abgehoben, sie haben ganz offensichtliche Probleme, was sie, und das war sicher auch ganz besonders Capras Anliegen, zu Identifikationsfiguren macht. Personen, die, soweit es das Medium Film erlaubt, so weit wie möglich aus dem Leben gegriffen sind.
Diese Punkte entschädigen dafür, daß sich in Capras Darstellungsweise die Botschaft des Filmes recht häufig mit aller Kraft in den Vordergrund zu drängen versucht; so sind die Filme auch sechzig Jahre nach ihrem Entstehen noch sehenswert.
Literaturangaben
Byrge, Duane/Miller, Robert Milton : The Screwball Comedy Films. A History and Filmography 1934 - 42. London, 1991.
Capra, Frank: Autobiographie. Aus dem Amerikanischen von Sylvia Höfer. Zürich, 1992.
Carrey, Raymond: American Vision: The Films of Frank Capra. Cambridge University Press, N.Y., USA, 1986.
Davis , The Glamour Factory. Southern Methodist Press, Dallas, 1993.
Gehring, Wes. D.: Screwball Comedy. A Genre of Madcap Romance. Westport, Conn., 1986. Harvey, James: Romantic Comedy in Hollywood. From Lubitsch to Sturges. New York, 1987. Poague, Leland: Another Frank Capra.. Cambridge University Press, N.Y., USA, 1994. Reichelt, P./Menningen, J.: One Man, One Film. Interview mit Frank Capra. 1986. 30 min.
[...]
[1] Grob, Norbert: Klappentext Frank Capra. Autobiographie. Zürich, 1992.
[2] Capra, Frank : Autobiographie. Aus dem Amerik. Von Sylvia Höfer. Zürich, 1992. S. 447
[3] Capra, Frank: Autobiographie. S. 447.
[4] Capra, Frank: Autobiographie. S. 449.
[5] Reichelt, P./Menningen, J.: One Man, One Film. Interview mit Frank Capra. 1986. 30 min.
[6] Reichelt, P./Menningen, J.: One Man, One Film.
[7] Reichelt, P./Menningen, J.: One Man, One Film.
[8] Reichelt, P./Menningen, J.: One Man, One Film.
[9] Capra, Frank : Autobiographie. S. 703.
[10] Capra, Frank. Autobiographie. S. 460.
[11] Capra, Frank: Autobiographie. S. 703.
[12] Carrey, Raymond: American Vision: The Films of Frank Capra. Cambridge University Press, N.Y., USA, 1986. S. 386.
[13] Carrey, Raymond : American Vision. S. 386.
- Arbeit zitieren
- Julia Heinig (Autor:in), 1999, Frank Capra und die moralische Komödie am Beispiel von "You can´t take it with you" "Mr.Smith goes to Washington" "It´s a wonderful life", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100156
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