Multiple Sklerose
Def.: Multiple Sklerose, auch Encephalomyelitis desseminata / Polysklerose / Pleosklerose genannt, ist eine entzündliche Erkrankung des ZNS mit herdförmiger Entmarkung. Häufigste organische Erkrankung des ZNS.
Prävalenz: 60 - 100 Fällen pro 100 000 Einwohner
Frauen erkranken doppelt so häufig an der schubweisen Verlaufsform Männer, aber gleich häufig an chron. progredienter MS.
Prädilaktionsalter: zw. 20. - 40. Lebensjahr
Nach dem 45 Lebensjahr sinkt die Häufigkeit von Neuerkkrankungen kontinuierlich ab.
Die Ursache der MS ist nicht bekannt. Bei MS sind genetischen Faktoren in der Prädisposition wirksam, wobei mehrere Gene beteiligt sein müssen. Die Konkordanzrate ist bei monozygoten Zwillingen 25 % , bei dizygoten 3 %.
Pathophysiologie:
- Autoreaktive T - Lymphozyten werden z. B. durch einen Virusinfekt, in die Peripherie des Körpers aktiviert.
- Sie docken an bestimmten Rezeptoren von Endothelzellen an u. wandern unter chemotaktischen Einflüssen durch die Blut - Hirn - Schranke ins Hirngewebe.
- Hier kommt es zu einer klonalen Proliferation der T - Zellen, die nach erneuter Aktivierung bestimmte Strukturen des ZNS irrtürmlich als Antigene erkennen.
- Unter diesen Strukturen ist besonders das Myelinprotein zu nennen, eine Komponente des Myelins, aber auch andere Proteine im ZNS sind an der Reaktion beteiligt.
- Die Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen aktiviert andere zelluläre Bestandteile des Immunsystems, z. B. Makrophagen.
- B - Zellen werden aktiviert.
- Zusammenwirken von T.- u. B - Zellen führt zu der entz. Markscheidenschädigung, die neben der gliösen Vernarbung ( ,, Sklerose ,, ) das Charakteristikum der MS ist.
- MS bezieht sich auf die weisse Substanz des gesamten ZNS
- Lipoide Substanzen der Markscheiden werden aufgelöst, wobei Achsenzylinder und Axon zunächst erhalten bleiben.
- Grosse Herde · Funktionsstörung
- Kleine Herde · in stummen Regionen, klinisch unerkannt
- Herde / Plaques: unterschiedlich gross ( Stecknadel - Markstück ), unterschiedlich verteilt
- Frühes Stadium: rötlich geschwollene u. aufgelockerte Markscheiden; Rückbildung mögliche
- Spätes Stadium: Zerfall der Markscheiden u. Ersatz durch Glia · Verhärtung u. Narbenbildung = Sklerose
Bevorzugte Stellen:
- Sehnerven
- Balken
- Hirnstamm
- Insbes. Brücke mit Augenmuskelkernen
- Kleinhirn u. Kleinhirnstiele
- Pyramidenbahn auf jedem Niveau
- Der Boden des IV. Ventrikels
- Hinterstränge des Rückenmarks
Seltener:
- Hirnrinde
- Basaiganglien
- Rückenmarksgrau
Verlaufsformen:
1. Schubweise; mit wachsender Symptomatik
Schubdauer: wenige Tage bis 1 - 2 Wochen
Darauffolgende, meist unvollständige Rückbildung ( Remission )
Intervall bis zum nächsten Schub normalerweise: 1 - 2 Jahre
Möglich auch: wenige Monate - 10-15 J.
2. Chronisch progredient: anfangs Schübe, dann ständig anhaltend o. Rückbildung mit schubartiger Verschlimmerung, häufig bei Patienten mittleren Alters
3. Foudroyante ( plötzlich einsetzende ) Schübe mit schnellem Tod wenige Wochen nach der
1. Manifestation ( SEHR SELTEN!!! )
Äthiologie: vier mögliche Thesen:
1. Virusinfektion im Kindesalter ( Masern - Antikörper / Titer erhöht )
2. Neuroallergische Hypothese ( Plasmazellen im Liquor )
3. Genetische Faktoren ( erhöhte Wahrscheinlichkeit zu erkranken )
4. Myelinvulnerabilität ( Enzymhaushalt gestört )
Symptome:
- Retrobulbäre Neuritis ( Entzündung des hinter dem Augapfel liegenden Teil des N. opticus · Visusabfall ( Sehschärfenabfall ) bis zur völligen Erblindung ( Amaurose ) innerhalb einer Stunden oder Tage, wobei der Fundus ( Augenhintergrund bzw. Augenoberfläche ) unauffällig bleibt
- Restsymptome: totales / relatives Zentralskotom ( Gesichtsfeldausfall )
- Atrophie ( Gewebsrückbildung ) der temporalen Papillenhälfte ( Papille = Diskus n. optici = blinder Fleck = Austrittsstelle der Sehnervenfasern aus der Netzhaut )
- Drehschwindelattacken ohne akustische Begleiterscheinung
- Flüchtige Doppelbilder ( Diplopie = Doppeltsehen )
- Trigeminusneuralgie ( sekundenlange, spontan auftretende Schmerzattacken im Versorgungsgebiet des N. trigeminus )
- Motorische Symptomatik: Zentrale Paresen, Steifigkeit des Ganges, Spastik mit Reflexkloni
- Sensibilitätsstörungen: Taubheit, Pelzigkeit oder Kribbeln vorallem an Händen und Füssen, Nackenbeugezeichen häufig nach Lehrmitte positiv.
- Blasenstörungen: Retention oder Dranginkontinenz.
- Kleinhirnfunktionsstörungen: Charcot - Trias: Nystagmus, Intensionstremor, skandierendes Sprechen
- Psychisches Veränderungen: Euphorie
Typische Symptomkombinationen
- Gefühlsstörungen an den Händen und spastische Paraparese der Beine,
- Spastisch - ataktischer Gang mit Missempfindungen und Blasenstörungen,
- Inkomplettes Querschnittssyndrom mit Nystagmus und skandierendem Sprechen
- Rezidivierende, flüchtige Lähmungen wechselnder Augenmuskelnerven.
Diagnostik:
- Liquoruntersuchung· Lumbalpunktion
- Erhöhtes Gesamteiweiss
- Erhöhtes IgG
- Plasmazellen im Liquor
- Gesamtzellzahl im Liquor etwas erhöht
- Fehlender Bauchhautreflex
- Positives Lhermittesches Zeichen ( auf kräftiges Kopfbeugen nach vorne,
Missempfindungen von Schulter bis zu den Armen ziehend oder über gesammte Wirbelsäule abwärts bis zu den Beinen
- Evozierte ( hervorgerufene ) Potentiale · visuelle E.P.: über der Sehrinde abgeleitete Reizantwort auf optischen Reiz zeigt verlängerte Latenz · auditive E.P- mit Herd im Hirnstamm
- Computeromographie
Röntgenstrahl wird in Abhängigkeit der vorhandenen Struktur innerhalb der Körperschicht, die durchstrahlt wird, verschieden stark abgeschwächt · Sichtbarmachen von Entmarkungsherde
- Magnet - Resonanz - Imaging ( MRI ) Kernspintresonanz
Protonen, im Magnetfeld ausgerichtet, absorbieren elektromagnetische Wellen von bestimmter Frequenz, wodurch ihre Ausrichtung zum äusseren Feld gestört wird; bei Rückkehr in ihren ursprünglichen Zustand senden sie messbare elektromagnetische Strahlung aus
- Auffinden von Plaques von 4*3mm Grösse
- Auffinden von verminderten Hirnvolumen - schmälere Rindenwindungen, verbreiterte Furchen
Differentialdiagnose und Kombination verschiedener Untersuchungen sind nötig, da einzelne Symptome auch auf andere Entmarkungskrankheiten hinweisen könnten. Erst die Kombination verschiedener Symptome sichert die Diagnose MS.
Therapie:
Eine ursächliche Therpie ist bisher nicht möglich. Da die Entzündung wahrscheinlich ( auto- ) immunogen mitbedingt ist, werden Medikamente eingesetzt, die entzündungshemmend wirken und / oder das Immunsystem unterdrücken.
- Hochdosiertes Cortison oder ACTH ( Adreno - corticotropes Hormon )· ( 500 mg i. v. (oder oral ) über 5 Tage dann Ausschleichung ); hierdurch wird die Rückbildung der Symptome beschleunigt, der Krankheitsverlauf insgesamt aber nicht beeinflusst. Daher ist eine Glukokortikoiddauerbehandlung nicht angezeigt · KEINE Dauersteroide
- Beta 1 a Interferon ( Immunmodelatoren ) 1 mal wöchentlich ( regulierend auf Immunsystem)
- Immunsuppression mit Azathioprin ( z. B. Imurek ) oder
- Zytostatische Therapie mit Cyclophosphamid ( z. B. Endoxan )· Da sich hierdurch, wenn auch erst nach Jahren, die Krebsgefahr erhöht, ist die Indikation um so strenger zu stellen, je jünger der Patient ist.
Symptomatische Behandlung:
- Gabe von Baclofen ( z. B. Lioresal ) gegen die Spastik
- Antidepressiva bei reaktiver Depression
- Carbachol ( z. B. Doryl ) bei Blasenentleerungsstörungen
- Carbamazepin ( z. B. Tegretal ) bei Trigeminusneuralgie
Lektüre:
- Poeck - Neurologie
- Pschyrembel
- Pflege heute
- Mitschrieb Dr. Ehrle Anhalt
- Quote paper
- Stephanie Weigel (Author), 2001, Multiple Sklerose, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100082
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