In der gegenwärtigen Renaissance der Johannesforschung204 bin ich von
der Annahme ausgegangen, daß die hoch reflektierte Theologie des vierten Evangeliums keineswegs den Schluß erzwingt, die johanneischen Überlieferungen müßten vom irdischen Jesus weit entfernt sein. Statt vom Vorstellungsmuster der Entfernung ließ ich mich von demjenigen der Hineinführung in ausgewählte Jesusüberlieferungen leiten. Diese Kategorie scheint dem Evangelium angemessener zu sein, denn nach 16,13 besteht das Werk des Geistes und somit der nachösterlichen Verarbeitung in der Einführung in die ganze Wahrheit. Was vor Ostern noch sehr im Banne des Sichtbaren stand, konnte erst nach dem Verlust der sichtbaren Gegenwart durchdrungen und in seiner bleibenden Bedeutung erfahren und verstanden werden. Da die Einführung in die ganze Wahrheit auf der Grundlage authentischer Jesuserinnerungen geschah und nicht, losgelöst von ihnen, in geschichtsunabhängige, gnostische Deutungen abdriftete, sprach ich von Transparenz, denn dieser Begriff schien mir geeignet, die spezifisch johanneische Form der Bindung der Erkenntnis an die Geschichte auszudrücken. Im Sichtbaren gab es etwas Unsichtbares zu entdecken, im Sohn den Vater.
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Positionierung in der Forschungsgeschichte
- Die johanneische Frage
- Kein Konsens nach 200 Jahren kritischer Johannesforschung
- Standortbestimmung im Anschluß an Tendenzen der neueren Forschung
- Die Verfasserfrage
- Der alttestamentlich-jüdische Hintergrund
- Die Endgestalt des Johannesevangeliums als Gegenstand der Interpretation
- Zur Transparenz der johanneischen Sprache (Überleitung zu Punkt 2)
- Zur Transparenz der johanneischen Sprache
- Beispiel Kreuzigung - Was sieht das johanneische Auge?
- Die symbolische Lektüre nach Paul Ricoeur und Jean Zumstein
- Die Transparenz des johanneischen Jesus und ihr Fortwirken in der Transparenz der johanneischen Sprache
- Der johanneische Dualismus
- Die Elemente des impliziten Kommentars (Culpepper)
- Mißverständnis
- Ironie
- Symbolik
- Die Zeichen oder die Transparenz der Wunder
- Der Lieblingsjünger
- Zum Ursprung der Transparenz im vierten Evangelium
- Die Lieblingsjüngerstellen
- Der Geliebte und die Liebe im vierten Evangelium
- Die beiden Kolpos-Stellen
- Der Lieblingsjünger und Petrus oder: Zum Profil der Liebe gegenüber dem Glauben
- Das Gesicht des Unsichtbaren (Zur Christologie)
- Vorbemerkung
- Die Göttlichkeit Jesu
- Käsemanns Vorwurf eines naiven Doketismus
- Prozeßchristologie
- Vorbemerkung
- Die Sendungschristologie
- Ihre Kernaussage
- Kein präexistenter Sohn
- Zum johanneischen Sohnbegriff
- Die Sendungs- und Präexistenzaussagen des Sohnes
- Die Ich-bin Worte
- Die Verherrlichungschristologie
- Zur Terminologie
- Die Herrlichkeit
- Die Verherrlichung als Vorgang
- Du hast Worte des ewigen Lebens (Zur Soteriologie)
- Das Leben von oben in Worten von unten
- Die Schöpfung des Lebens
- Geburt, Leben und Licht
- Die Geburt
- Das Leben
- Das Licht
- Wasser, Wein und Brot
- Wasser und Wein
- Brot
- Rückblick und Ausblick
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Johannesevangelium mit dem Ziel, die Transparenz des faktischen Christus und seiner Sprachwelt zu analysieren. Sie befasst sich mit der Frage, wie das Evangelium die historische Wirklichkeit Jesu interpretiert und wie diese Interpretation in seiner Sprache zum Ausdruck kommt.
- Die johanneische Frage und die Suche nach dem verlorenen Ort des vierten Evangeliums
- Die Bedeutung der symbolischen Sprache im Johannesevangelium
- Die Rolle des Lieblingsjüngers als Interpret der Person und Lehre Jesu
- Die dynamische Prozeßchristologie des Johannesevangeliums
- Die Schöpfung des Lebens als zentrale Botschaft der Soteriologie
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die johanneische Frage und die Herausforderungen, die sich der Forschung durch die Andersartigkeit des vierten Evangeliums stellen. Es diskutiert die Verfasserfrage und den alttestamentlich-jüdischen Hintergrund des Evangeliums, bevor es die Endgestalt des Werkes als Gegenstand der Interpretation betrachtet.
Das zweite Kapitel analysiert die Transparenz der johanneischen Sprache am Beispiel der Kreuzigung Jesu. Es stellt die symbolische Lektüre nach Paul Ricoeur und Jean Zumstein vor und untersucht die Auswirkungen des johanneischen Dualismus auf die Sprache des Evangeliums.
Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Lieblingsjünger, der als Garant der Traditionen und Verfasser des Evangeliums gilt. Es untersucht die Bedeutung der Lieblingsjüngerstellen im Evangelium und die Rolle der Liebe als Schlüssel zum Verständnis der johanneischen Theologie.
Das vierte Kapitel analysiert die Christologie des Johannesevangeliums und diskutiert die Frage, ob Jesus in diesem Evangelium als "der über die Erde schreitende Gott" dargestellt wird. Es stellt die Sendungschristologie, die Ich-bin-Worte und die Verherrlichungschristologie des Evangeliums vor.
Das fünfte Kapitel untersucht die Soteriologie des Johannesevangeliums und die Bedeutung von Leben, Geburt und Licht in der johanneischen Theologie. Es analysiert die Rolle von Wasser, Wein und Brot als geistige Lebensmittel für das ewige Leben.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den johanneischen Christus, die Transparenz der Sprache, die symbolische Lektüre, den Lieblingsjünger, die Liebe, die Prozeßchristologie, die Verherrlichung Jesu, das ewige Leben, die Schöpfung, Wasser, Wein und Brot.
- Citation du texte
- Thomas Noack (Auteur), 2002, Das Gesicht des Unsichtbaren. Zur Transparenz des Faktischen im Johannesevangelium, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10002
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