Diese Arbeit untersucht, wie Apps und Internetseiten die Partnerwahl und den Kennenlernprozess beeinflussen. Ist es trotz der Suche nach der Liebe auf Tinder und Co. möglich die romantische Liebe aufrechtzuerhalten? Hierfür ist es notwendig zunächst die wesentlichen Grundzüge und Aspekte der romantischen Liebe nach Mabel Elliot und Francis Merrill zu beleuchten.
Nach Elliot und Merrill ist die romantische Liebe eine soziale Erfindung und ein sozial und kulturell bedingtes Geschehen. Menschen müssen lernen, sich zu verlieben. Alleine würden sie nicht auf die Idee kommen, sich zu verlieben, wenn sie nie davon gehört hätten. Das Konzept der romantischen Liebe ist demnach ein gesellschaftlicher Sozialisationsprozess. Ziel der romantischen Liebe ist es, dass man die vollkommene Glückseligkeit und Erfüllung findet.
Wir Menschen leben in einer stark digital vernetzten Welt. Die Abhängigkeit von mit dem Internet vernetzten Computern, Tablets und Handys ist mittlerweile sehr stark geworden. Vor allem in der Kommunikation mit unseren Mitmenschen, aber auch beim Suchen und Finden von PartnerInnen für den Rest unseres Lebens haben das Internet beziehungsweise Online-Plattformen und sogenannte Dating-Apps einen hohen Bedeutungsgrad.
Wir Menschen leben in einer stark digital vernetzten Welt. Die Abhängigkeit von mit dem Internet vernetzten Computern, Tablets und Handys ist mittlerweile sehr stark geworden. Vor allem in der Kommunikation mit unseren Mitmenschen, aber auch beim Suchen und Finden von Partnern oder Partnerinnen für den Rest unseres Lebens haben das Internet bzw. Online-Plattformen und sogenannte Dating-Apps einen hohen Bedeutungsgrad.
Doch wie beeinflussen uns Apps und Internetseiten in der Partnerwahl und dem Kennenlernprozess? Und ist es trotz der Suche nach der Liebe auf Tinder und Co. möglich die romantische Liebe nach Mabel Elliot und Francis Merrill aufrecht zu erhalten?
Auf diese Fragen werde ich im folgenden Text näher eingehen.
Zuallererst gilt es die wesentlichen Grundzüge und Aspekte der romantischen Liebe zu beleuchten. Nach Elliot und Merrill ist die romantische Liebe eine „soziale Erfindung“ und ein „sozial und kulturell bedingtes Geschehen“ (Elliot/Merrill 1934, S.340). „Menschen müssen lernen, sich zu verlieben; sie würden gar nicht auf die Idee kommen, sich zu verlieben, wenn sie nie davon gehört hätten“ (Elliot/Merrill 1934, S.340).
Das Konzept der romantischen Liebe ist demnach also ein gesellschaftlicher Sozialisationsprozess. Ziel der romantischen Liebe ist es, dass man die vollkommene Glückseligkeit und Erfüllung findet. Diese findet man, indem man seinen Partner fürs Leben, sein persönlich schicksalhaft vorherbestimmtes Gegenstück, findet. Zusammen wird man alt und empfindet immer noch wie am ersten Tag füreinander (vgl. Elliot und Merrill 1934, S.338 ff.). Hinter dem Finden des perfekten Partners verbirgt sich “ein Bündel sozialer Erwartungen“ (Elliot und Merrill, 1934 S. 341). Dieses Bündel an Erwartungen macht den Findungsprozess der großen Liebe nicht leichter, wie Elliot und Merrill im Text beschreiben und sorgt dafür, dass viele Menschen überzogene Erwartungshaltungen an die Liebe und eine Partnerschaft haben. Die Film- und Werbeindustrie verstärken diese Erwartungshaltung noch einmal. Ein von den Menschen selbst aufgebauter Druck entsteht, der wie eine Wolke über den sich Liebenden schwebt. Teil dieser Wolke sind Erwartungen wie die Liebe auf den ersten Blick, dem gerecht werden von emotional bedeutsam aufgeladenen Tagen wie dem Jahres- oder dem Hochzeitstag, die Gefahr des Infantilismus bezüglich den ewig anhaltenden, viel zu überzogen, kitschig romantischen Erwartungen an die Liebe, die individuelle Partnerwahl, sowie die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Beziehung.
All diese Aspekte sind wünschenswert, doch nicht immer der Realität entsprechend.
Die Vorstellung der romantischen Liebe bedeutet also die sogenannte rosarote Brille, die einem die Gesellschaft aufsetzen will, für das restliche Leben erwartungsvoll aufzubehalten. Im Namen der Liebe akzeptiert die Gesellschaft irrationales Handeln, begleitet durch ein Auf und Ab intensiver Gefühlsschwankungen.
Nach Elliot und Merrill wird man letztlich aber nur glücklich in der Liebe, wenn man individuell realistisch bleibt und nicht versucht, eine nahezu kitschig perfekte Beziehung à la Hollywood herbeizuzwingen. Das Leben ist schließlich kein Film.
Im 21. Jahrhundert haben sich im Zuge der Digitalisierung immer mehr Online-Partnerbörsen gesellschaftlich etabliert. Noch nie war Kommunikation so einfach. Gleichzeitig prägt der Prozess der Individualisierung unsere Gesellschaft seit mehreren Jahren. Wir leben in einer offeneren, emanzipierteren und schnell vernetzten Welt, wo jeder nach eigenen Vorstellungen sein persönliches Glück sucht. „Klassischere“ Paarbeziehungen und Rollenverteilungen haben es schwer, denn One-Night-Stands oder Freundschaft Plus sind keine Seltenheit mehr. Unterstützt wird dies auch durch Online-Dating und dementsprechende Apps. Das Wort App kommt aus dem Englischen und ist die Kurzform des Wortes „Application Software“ und bezeichnet Anwendungsprogramme auf mobilen Endgeräten. Die Zahl der Alleinlebenden ist so hoch wie noch nie, jeder fünfte in Deutschland ist Single (vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 272 vom 16. Juli 2019). Der Wunsch nach Zweisamkeit und Bestätigung ist jedoch nach wie vor vorhanden, genau das wollen Dating-Portale wie Tinder bedienen (vgl. Stern, Printausgabe Nr.2 vom 20.01.2015).
Im Jahr 2019 nutzten rund 50 Millionen Menschen die Dating-App Tinder (vgl. blog.wiwo.de). Über das soziale Netzwerk Facebook holt sich die Anwendung relevante Nutzerdaten, wie Alter und Geschlecht, die Anzahl gemeinsamer Freunde oder Interessen. Pro Tag kommt es zu 12 Millionen Matches (vgl. blog.wiwo.de).
Ein Match bedeutet noch nicht, dass man den Partner fürs Leben gefunden hat, sondern lediglich, dass man miteinander chatten und sich näher kennenlernen darf. Hauptsächlich bedeutet es aber, dass man sich gegenseitig äußerlich attraktiv findet, denn Tinder zeigt einem lediglich Bilder von potenziellen Partnern an, welche ebenfalls die App nutzen. Das Prinzip von Tinder ist ganz einfach: Man bekommt die Profilbilder potenzieller Partner, die sich in der Umgebung aufhalten, angezeigt und daraufhin muss man auf dem Handy nur nach rechts wischen, wenn man die Person auf dem Bild interessant findet oder vielleicht sogar näher kennenlernen will; wischt man nach links, wird man die Person wahrscheinlich nie wiedersehen. Also nicht anders als im echten Leben, oder?
Beim Ausgehen in eine Bar zum Beispiel entscheidet man auch mit einem ersten Blick aus der Entfernung, wer interessant und attraktiv aussieht und wer nicht. Bei Tinder aber kann man keinen zweiten Blick auf die Person werfen und soll sich innerhalb weniger Sekunden entscheiden. Dieses Vorgehen passt irgendwie in eine Welt, wo alles schnell und zeitoptimiert geschehen soll. Tinder spiegelt also irgendwie auch den Geist unserer Zeit wieder.
Doch hilft Tinder bei der Suche nach der romantischen Liebe? Viele nehmen Tinder eher als „Sex-App“ wahr, somit unterstützt die App ein kurzes Vergnügen zu zweit und den Sprung zum nächsten Sexualpartner.
Diese These vertritt auch die Soziologieprofessorin Eva Illouz aus Jerusalem. Für sie funktioniere Online-Dating nach Marktmechanismen. Die Darstellung auf Tinder entspreche nicht der Realität, da wir gar nicht die Chance bekommen würden, alle Facetten von unserem Gegenüber zu sehen. Somit befördere diese Art, seinen Partner zu wählen, extrem starre Standards aus der Mode- und Schönheitsindustrie.
Emotionale Entscheidungen würden wie am Fließband getroffen werden. Die Abflachung von Romantik und Gefühlen, sowie eine Unterstützung von konventionellen Schönheits- und Körperstandards seien die Folge (vgl. Eva Illouz im Interview mit Daniela Gassmann von der Süddeutschen Zeitung, Heft 24/2019).
Ein positiver Effekt von Dating-Apps kann allerdings ein Enthemmungseffekt sein. Das Internet ist ein geschützter Raum, wird man von potenziellen Partnern nach links gewischt, also abgelehnt, ist dies vermutlich emotional weniger verletzend als im echten Leben. Es besteht keine Pflicht sich dem Gegenüber zu erklären, warum man ihn oder sie nicht weiter kennenlernen will. Die Hemmung des ersten Kontaktversuchs wird genommen. Zudem können wir beim Chatten, also der digitalen Konversation mit unserem potenziellen Partner, abwarten und sorgfältig überlegen, was und wie wir es mitteilen wollen. Schüchterne Menschen könnten also einen Vorteil aus dieser Art des Datings ziehen. Allerdings sorgt das Internet als geschützter Raum auch für Anonymität. Bilder und Äußerlichkeiten können durch Filter und Photoshop schnell verändert werden, außerdem fällt es einem leichter sich zunächst anders darzustellen, als man im echten Leben wirklich ist, um eventuell interessanter zu wirken. Aspekte, die bei einem realen Kennenlernen wegfallen. Gestik und Mimik fehlen in der Kommunikation und sind durch Emoticons nur schwer zu ersetzen.
Am Ende wollen wir unserem Partner schließlich auch in der realen Welt begegnen und dort genauso überzeugen wie bereits online. Sich zu verstellen oder nach Tipps beim Chatten zu suchen ist offline nicht möglich.
Eine weitere Gefahr stellt die riesige Auswahl an Menschen auf Tinder dar.
Klappt es beim ersten Versuch nicht, dann beim zweiten oder dritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit mehr als einer Person ein Match hat und mit dieser zu schreiben beginnt ist nicht gering. Das ständig neue Wischen und eine vielfache Auswahl an potenziellen Partnern machen wählerischer und verführen zu idealisierten Erwartungen, die von Bekannten und Gesellschaft gestreut werden.
Es wird schwieriger zufrieden mit der Wahl seines Partners zu sein.
Ein solch rationalisierter Prozess der Partnerwahl kann zu einem Bruch mit der traditionellen Romantik führen, da die klassische romantische Liebe vor allem durch Irrationalität geleitet wird.
Objektiv betrachtet beschleunigen Dating-Apps den Prozess der Partnerauswahl, teilweise unter nicht ganz realen Bedingungen (z.B. unter Photoshop bearbeitete Bilder).
Es gilt zu unterstellen, dass Dating-Apps wie Tinder mit Sicherheit zur Liebe verhelfen können, aber Romantik und das Teilen von Gefühlen findet immer noch offline statt. Diese gewisse Magie und Anziehungskraft, welche sich zwischen zwei Menschen beim ersten Aufeinandertreffen entfalten kann, entsteht nach wie vor nicht auf dem Smartphone.
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- Niclas Kaehlert (Author), 2020, Partnersuche über Tinder. Verlust der romantischen Liebe durch Dating-Apps?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1000191
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