Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Autorschaft von Regisseuren in deren Filmen konstituiert. Konkret untersucht wird die Thematik anhand der Filme "Vertigo" von Alfred Hitchcock, "Pulp Fiction" von Quentin Tarantino und "Festen" von Thomas Vinterberg.
Innerhalb des Diskurses um den Autor eines Werks finden sich sowohl in der Literatur als auch in der Filmwissenschaft seit den 1940er Jahren zahlreiche Debatten und theoretische Ansätze, wobei sich beobachten lässt, dass „Autorenauftritte […] in den letzten Jahrzehnten nicht nur im Literaturbetrieb an Bedeutung gewonnen [haben], sondern auch im Kino-, Fernseh- und Internetfilm“.
In der Filmwissenschaft wird jedoch nicht grundsätzlich von Autoren gesprochen, sondern von Regisseuren, Produzenten, Drehbuchautoren und vielen Beteiligten mehr. Schließlich handelt es sich trotz des – umstrittenen – künstlerischen Hintergrunds um eine Kollektivproduktion, wobei sich in den seltensten Fällen sämtliche Funktionen in einer Person vereinen. Dennoch scheint es der Regisseur zu sein, dem die Rolle eines Autors zukommt und dessen Stellung innerhalb eines filmischen Werks in dieser Arbeit behandelt werden soll.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung - Autorschaft im Film
2 Star Personas - Die Handschrift des Autors im Film
2.1 Historisch-kultureller Hintergrund des Filmautors
2.1.1 Von den ,Autorenfüms’ zur ,auteur theory’
2.1.2 Der Tod des Autors
2.1.3 „Ein Film von...“
2.2 Definitionen
2.2.1 Filmautor
2.2.2 Star Personas
3 Untersuchung filmischer Werkzeuge zur Markierung des Filmautors und seiner Handschrift
3.1 Hitchcock - Vertigo
3.1.1 Der Cameo
3.1.2 Merkmale von Hitchcocks Handschrift
3.1.3 Die Auferstehung des Autors
3.2 Tarantino - Pulp Fiction
3.2.1 independent Cinema’
3.2.2 Merkmale von Tarantinos Handschrift
3.2.3 Der Einfluss des Autors
3.3 Vinterberg - Festen
3.3.1 Dogma 95
3.3.2 Merkmale von Vinterbergs Handschrift
3.3.3 Der unsterbliche Autor
4 Fazit - Manifestation des Filmautors als theoretisches Konstrukt durch Performancestrategien von Star Personas
5 Literaturverzeichnis
6 Filmverzeichnis
7 Internetquellen
1 Einleitung - Autorschaft im Film
Innerhalb des Diskurses um den Autor eines Werks finden sich sowohl in der Literaturals auch in der Filmwissenschaft seit den 1940er Jahren zahlreiche Debatten und theoretische Ansätze (Wexman 2003, 2), wobei sich beobachten lässt, dass „Autorenauftritte [...] in den letzten Jahrzehnten nicht nur im Literaturbetrieb an Bedeutung gewonnen [haben], sondern auch im Kino-, Fernseh- und Internetfilm“ (avldigital 2019). Von Alexandre Astruc und den ,Cahiers du Cinéma’-Autoren über Roland Barthes und Michel Foucault bis hin zu Gerard Genette und vielen weiteren wird der Fokus zwischen Werk und Rezipient immer wieder verschoben. Während Barthes 1968 im Zuge des Poststrukturalismus den Autor als Person für tot erklärt, bezeichnet Michel Foucault den Autor ein Jahr später als ein durch den Leser interpretatives Konstrukt eines Textes, das diesem erst Bedeutung gebe (Foucault 2000, 206). Auch Umberto Eco betont 1979 eine Art Zusammenarbeit von Text und Leser sowie dem im Text repräsentierten realen Autor. In den 1980er Jahren macht schließlich Christian Metz ein ähnliches Konzept in Erweiterung des Ansatzes von Francesco Casetti für den Film fruchtbar, während unter anderen Jürgen Felix ohnehin behauptet, dass im Gegensatz zur Literatur „das Kino [den Tod des Autors] anscheinend weitgehend unbeschadet überstanden [hat]“ (Felix 2003, 13).
Allerdings unterliegen auch das Kino und der Film einer dualen Auseinandersetzung, bei welcher der poststrukturalistische Pol dazu neigt, den Filmautor „[...] als Quantité négligeable eines anonymen semiotischen Prozesses [zu marginalisieren]“ (Nitsche 2000, 128), wohingegen die konträre Haltung „die Instanz des Regisseurs als exklusive Schöpferfigur auratisiert“ (ebd.). Verantwortlich für Letzteres sind das Autorenkino - nach Tuffaut ,cinéma d’auteurs’ genannt (Nitsche 2000, 128) - und insbesondere die in den 1960ern in ,auteur theory’ umbenannte ,politique des auteurs’ (Nitsche 2002, 23), welche den Film auch außerhalb Frankreichs und Europas erfolgreich von seinem Ruf als Massenproduktion1 befreit und als wertige Kunstform, als „true art“ (Benshoff 2016, 64), etabliert hat, indem sie auf den kreativen Charakter von Filmen und den Autor als Künstler dahinter hingewiesen hat (ebd.).
In der Filmwissenschaft wird jedoch nicht grundsätzlich von Autoren gesprochen, sondern von Regisseuren, Produzenten, Drehbuchautoren und vielen Beteiligten mehr (Mittel 2015, 88). Schließlich handelt es sich trotz des - umstrittenen - künstlerischen Hintergrunds um eine Kollektivproduktion, wobei sich in den seltensten Fällen sämtliche Funktionen in einer Person vereinen (Felix 2003, 14). Dennoch scheint es der Regisseur zu sein, dem die Rolle eines Autors zukommt (Benshoff 2016, 63) und dessen Stellung innerhalb eines filmischen Werks in dieser Arbeit behandelt werden soll. Virginia Wright Wexman, Herausgeberin des Sammelbands Film and Authorship, kommentiert dieses Phänomen einleitend wie folgt:
The assumption that directors hold the keys to a film’s quality is accepted as a given in most movie reviews. [...] Even film theorists continue to speak of directors, though they frequently reformulate the role of these figures by positing them as the source of an unconscious process of textual writing (Wexman 2003, 1).
Gleichwohl Wexman sowie sämtliche Barthes-Gegner die Existenz eines Autors im Filmkontext, oder besser die Existenz eines nicht-industriellen Urhebers eines filmischen Werks, nicht infrage stellen, scheint die genaue Zuweisung eines einzelnen Individuums als Autor beziehungsweise die Definition der Tätigkeiten eines Filmautors nicht eindeutig festzustehen. Deshalb ist es das Ziel, innerhalb einer kulturwissenschaftlichen Analyse vom Werk ausgehend die Positionierung des Regisseurs im filmischen Werk zu untersuchen und zu evaluieren, welche Strategien und Werkzeuge es gibt, die den Filmautor als theoretisches Konstrukt im Werk sichtbar machen und diesem eine Signatur verleihen. Die oben genannten Theorien dienen dabei als methodische Grundlage und sollen gegeneinander abgewogen und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit und Aktualität anhand von verschiedenen Filmbeispielen betrachtet werden.
Ausgehend von der These, dass Regisseure in ihrer Existenz als Star Personas ihre Werke mit einer spezifischen Handschrift versehen und dadurch vor ihren Werken stehen, soll mithilfe einer theoretischen Filmanalyse der Leitfrage nachgegangen werden, wie sich Autorschaft im Film konstruiert. Konkret soll die Thematik anhand der Filme Vertigo von Alfred Hitchock, Pulp Fiction von Quentin Tarantino und Festen von Thomas Vinterberg untersucht werden.
2 Star Personas - Die Handschrift des Autors im Film
Die vorliegende Arbeit ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil sollen die wichtigsten theoretischen Modelle genauer beschrieben und aufeinander bezogen werden, um ein möglichst präzises Fundament für die nachfolgende Filmanalyse zu gewährleisten. Dazu gehören grundlegend die historische Entwicklung des Autorenfilms und die des Filmautors, wozu insbesondere Alexandre Astrucs Theorie des Autorenkinos und Roland Barthes Modell zur Autorschaft miteinander verknüpft beziehungsweise einander gegenübergestellt werden. Innerhalb dieser Diskussion kommen in dem theoretischen Teil der Arbeit neben dem zeitspezifischen Ansehen von Autorenfilmen ebenso die jeweils gegebenen Produktionsbedingungen ins Spiel. Als fundamentale Grundlage erweist sich dabei das von Lutz Nitsche verfasste und publizierte Buch Hitchcock - Greenaway - Tarantino. Paratextuelle Attraktionen des Autorenkinos. Ebenso stellen der Sammelband Film and Authorship von Virginia Wright Wexman und Richard Dyers Stars wichtige Bestandteile dieser Arbeit und der Diskussion um den Filmautor und dessen Star Persona dar.
Aus den daraus erworbenen grundlegenden theoretischen Hintergründen wird dann die Definition des Filmautors hervorgehen, dessen Erläuterungen zwangsläufig zu einer näheren Auseinandersetzung mit Star Personas überleiten. Wenn der Regisseur es ist, der in der bestehenden Literatur als Autor eines Gemeinschaftswerks betitelt wird, muss es eine Ursache dafür geben, dass er als Einzelperson vor alle anderen Mitwirkenden gestellt wird. Diese Gründe scheinen einen ebenfalls noch zu begutachtenden strategischen Marketinghintergrund zu haben, welcher in der Bekanntheit und dem Image der Figur des Regisseurs wurzelt (Benshoff 2016, 72). Es ist bereits hier zur Verdeutlichung absichtlich die Rede von einer ,Figur’, da sich im Zuge der Definition von Star Personas einem Phänomen angenähert werden wird, welches das Wesen von Autoren ebenso beschreibt wie das von Schauspielern und Regisseuren: Es handelt sich um medial konstruierte Fremdbilder realer Personen, an die der Konsument nicht herankommt - folglich um die Figur des Regisseurs (ebd.). Aufgrund quantitativer Eingrenzungen und einer anderweitigen Fokussierung der dargelegten Arbeit kann innerhalb derer nicht genauer auf die Rolle des Publikums und die Wirkung auf den Rezipienten bei der Formung solcher Starbilder eingegangen werden. Eine grundlegende Definition wird aber als ausreichend erachtet, da der Fokus auf der vom Werk ausgehenden Image-Prägung liegt.
Zur Evaluierung der Inszenierung von Autorschaft sollen später verschiedene Techniken wie die narrative Struktur eines Films, seine Montage, vorhandene Motive, das Genre und filmische Stilmittel und Praktiken wie beispielsweise der Cameo ausfindig gemacht und hinsichtlich ihrem Beitrag zum Star-Image und vor allem der dem Werk verliehenen Handschrift beurteilt werden. Dazu ist zu Beginn der VertigoAnalyse ebenfalls eine kurze Definition des für das Autorenkino und insbesondere für Hitchcocks Star Persona höchst bedeutungsvollen Cameos notwendig, bevor zur filmtheoretischen Anwendung der erläuterten Grundlagen übergegangen werden kann.
Im zweiten, anwendungsorientierten Teil der Arbeit werden die diskutierten Theorien unter Berücksichtigung ihrer praktischen Umsetzung in einer mehrgliedrigen Filmanalyse untersucht. Dazu werden drei im 20. Jahrhundert produzierte Autorenfilme dreier höchst divergierender, doch jeweils sehr paradigmatischer Regisseure aus unterschiedlichen Genres herangezogen. Während Alfred Hitchcock das Thriller-Genre bedient, schließt sich Thomas Vinterberg als Mitbegründer dem Dogma 95- Manifest an und Quentin Tarantino kann als Gründer eines eigenen und neuen Genres gewertet werden. Es stehen also ein traditioneller, ein unabhängiger und ein Autorenfilm, der sich eigentlich vom Individualismus lösen will, einander gegenüber. Diese Auswahl wurde bewusst getroffen, um herausarbeiten zu können, ob sich Differenzen zwischen den unterschiedlichen Star Personas, ihrer Vermarktung und Handschrift finden lassen und, ob es möglich ist, ein Filmwerk ohne Autor zu erschaffen.
Ebenso wie der Cameo der Analyse von Vertigo vorangestellt wird, soll das independent cinema’ im Zusammenhang mit Tarantino erläutert werden und das Dogma 95-Manifest im Vinterberg-Kapitel eingangs vorgestellt werden. Wichtig ist der Hinweis, dass es sich bei der Filmanalyse um keine ganzheitlich inhaltliche oder ästhetische handelt, sondern um eine, die sich mit der Funktion des Regisseurs im Autorenkino beziehungsweise der Bedeutung spezifischer Techniken zur Markierung des Autors im Film beschäftigt. Keiner der Filme wird in seiner Gänze und unter Berücksichtigung sämtlicher filmpraktischer, narrativer und technischer Produktionselemente analysiert, sondern viel mehr dienen sie als stellvertretende Gegenstände des Autordiskurses zur Veranschaulichung eines vielschichtigen und umstrittenen Theoriekomplexes. Dementsprechend werden nur solche Szenen und Elemente herausgefiltert und in die theoretische Diskussion eingefügt, anhand welcher sich der handschriftähnliche Einfluss des Autors mithilfe der grundlegenden Theorien belegen lässt.
2.1 Historisch-kultureller Hintergrund des Filmautors
„Filmgeschichte wird heute, nicht ausschließlich, aber insbesondere in ihren populären Varianten, als Geschichte eines Kinos der Regisseure geschrieben, produziert, rezipiert [und] historisiert“ (Felix 2003, 16). Dieses Zitat beschreibt recht anschaulich den Status, den der Regisseur als Film-Autor in der aktuellen Filmwissenschaft und -Forschung hat, welche sich aus zahlreichen Kritiken und teils miteinander in Einklang stehenden, teils divergierenden Modellen entwickelt hat und zusammensetzt. Grundlegend für diese Arbeit sind zwei als Gegenspieler fungierende Theorien: die poststrukturalistische Theorie vom ,Tod des Autors’ von Roland Barthes und die ihr vorausgegangene ,politique des auteurs’ von Alexandre Astruc.
Um das Zusammen- beziehungsweise Gegenspiel dieser beiden Positionen zu erläutern, müssen einige Differenzierungen vorgenommen werden, die als Eingrenzung für das in dieser Arbeit verwendete Vokabular und Verständnis der Theorien dienen. Beide Theorien gehören einer komplexen Entwicklung an, die sich ständig im Wandel befindet (Sarris 2003, 22) und unter dem Oberbegriff des ,Autorenkinos’ zusammengefasst sowie durch die sogenannte ,auteur theory’ beziehungsweise ,politique des auteurs’ beschrieben werden kann. Dabei lässt sich keiner der drei Termini auf eine Formel herunterbrechen (49), weshalb eine insofern vereinfachte Erläuterung vorgenommen wird, als diese der Kontextualisierung für weitere Untersuchungen in Verbindung mit Star Personas dient.
Der ,auteur’ ist das von Astruc geprägte „Amalgam von Regisseur und literarischem Autor, der allein zu einer fundamentalen Befreiung der Filmsprache befähigt sein soll“ (Nitsche 2002, 7). Dieser ,auteur’ stellt innerhalb des soeben genannten Komplexes eine wertende Kategorie (Felix 2003, 16) dar, weshalb es sich im Gesamten „eher um eine persönliche Haltung als um eine ausgearbeitete Theorie“ (17) handelt. Innerhalb dieser Theorie des Autorenkinos haben sich verschiedene Denkrichtungen herausgebildet, deren ähnliche Bezeichnungen für Verwirrung sorgen können und hier deshalb voneinander abgegrenzt werden sollen.
2.1.1 Von den ,Autorenfilms’ zur ,auteur theory’
Grundsätzlich ist die ,auteur theory’ die 1962 von Andrew Sarris ins Amerikanische übertragene ,politique des auteurs’ von Alexandre Astruc aus dem Jahr 1948 (Felix 2003, 31). 2 Letzterer rief im Sinne der französischen ,Cahiers du Cinéma’-Autoren eine Politik ins Leben, die ein Kino beschreibt, dessen Autoren nicht Literaten, sondern Filmemacher sind (23). Ihr zentrales Anliegen der Betonung filmischer Autorschaft basiert auf ihrem Vorbild André Bazin, der 1943 proklamierte, dass der Wert eines Films auf seinen Autor zurückzuführen sei (Nitsche 2002, 19). Dazu metaphorisiert Astruc den Autor-Begriff für den Regisseur (Nitsche 2002, 6), indem er die Kamera mit einem Federhalter gleichsetzt und somit den Akt der Regieführung als Akt des Schreibens versteht (7). Damit möchte er den Film vom rein Visuellen befreien und ihn parallel zur gesprochenen Sprache als ausdrucksfähiges Mittel der Schrift verstehen (ebd.).
Vorgänger dieser Theorie waren die in Deutschland schon während der Weimarer Republik aufgekommenen ,Autorenfilms’ (Nitsche 2002, 6), welche demgegenüber voraussetzten, dass der „Regisseur zugleich der Drehbuchautor“ sein [musste], um als ,auteur’ zu gelten“ (Felix 2003, 26). Es wurden dementsprechend bekannte literarische Werke verfilmt und von den Autoren solcher Schriften die Drehbücher für den jeweiligen Film geschrieben (19). Es handelte sich um ein frühes Produktionsmodell, durch welches der Film seine Anerkennung in den gehobenen Gesellschaftsschichten erhielt. Diese verdankte er den etablierten Künsten wie insbesondere der Literatur, welche er sich durch die Einbettung in diese symbiotisch zunutze machte (ebd.). Während dadurch nämlich auch die Literatur Anfang des 20. Jahrhunderts mitsamt ihren Autoren von einem größeren Publikum profitierte, gewann der Film in ebendiesen literaturinteressierten Publikumsreihen hohes Ansehen und wurde von dem zum proletarischen Massenmedium für die einfachen Bürger degradierten Gegenstand zu einer anerkannten Kunstform erhoben (19-20).
Noch heute beeinflussen sich Literatur und Film gegenseitig, wobei der Film großen Einfluss auf die öffentliche Vorstellung des Autors hat. Denn „[d]as Bild, das sich eine breitere Öffentlichkeit ebenso wie die professionell mit Literatur Beschäftigten vom literarischen Schreiben und dessen Protagonisten machen, ist ganz erheblich von Filmen geprägt“ (avldigital 2019). So ist der Film ein richtungweisender Indikator für Autorschaft. Lutz Nitsche fasst den Sachverhalt folgendermaßen zusammen:
Hier ist der Begriff ,Autorenfilm’ also insofern buchstäblich zu verstehen, als er weniger auf die Figur des Regisseurs zielte, denn auf das kulturelle Kapital, das sich mit den Namen literarischer Schriftsteller verband (Nitsche 2002, 6).
Diese frühen als ,Autorenfilms’ bezeichneten Autorenfilme fungierten dementsprechend als Strategie, die Buchliteratur durch einen neuen Einflussbereich aus der Krise zu holen sowie dem kunstbewanderten Bürgertum den als technisches, massenproduziertes Konstrukt abgewerteten Film auf eine neue Weise nahe zu bringen, indem auf ein Individuum als Schöpfer hingewiesen wurde (Felix 2003, 20). Dabei diente jedoch eher die Existenz eines Autors an sich als eine Art Qualitätsmarke, während das namentliche Individuum noch nicht im Fokus stand.
In den Anfängen der Kinogeschichte Ende des 19. Jahrhunderts wusste das Publikum weder, wer die Filme hergestellt hatte noch wie die Schauspieler hießen (Benshoff 2016, 64). Ab Anfang des 20. Jahrhunderts bildete sich allmählich eine erste Form des Starkults heraus, wobei der Star-Status allerdings zunächst den Schauspielern vorbehalten war, was den Effekt mit sich brachte, dass sie Autoren, Regisseure und Produzenten überschatteten und diese fürs Publikum weiterhin unsichtbar machten (ebd.). Ebenfalls im Vordergrund standen außerdem die Signaturen und Logos der Filmfirmen, welche teilweise sogar in die Mise en Scène integriert wurden. Innerhalb der 1920er und 1930er Jahre etablierten sich in der Filmindustrie eine Hand voll bekannter Filmproduktionsfirmen, die ein gefestigtes und anerkanntes Image genossen (64-65).
Dennoch konnten sich in den 1930er und 1940er Jahren einige wenige Einzelpersonen wie beispielsweise Walt Disney, Samuel Goldwyn, David O. Selznick und Irving Thalberg als Produzenten einen Namen machen (66). Sie bildeten den Anfang eines Autor-fokussierten Marketing-Kinos, bei welchem die anderen Mitwirkenden im Filmabspann nicht einmal erwähnt und stattdessen als Entschädigung für die Streichung aus den Credits ausgezahlt wurden (Felix 2003, 15). Derzeit war es jedoch noch der Produzent und nicht der Regisseur, der als wichtigster Funktionär in der Filmproduktion angesehen wurde. Bis heute besteht eine konfliktbehaftete Dynamik zwischen Produzent und Regisseur im Hollywood-Kino. Während in den 1920ern nur dem Produzenten nachgesagt wurde, oftmals Genres prägen zu können, sämtliche Fäden eines Projekts in den Händen zu halten und alles zu überblicken, kommt dem Regisseur mittlerweile ebenfalls dieser Ruf zu (Benshoff 2016, 66). Obwohl der Regisseur ebenso wenig wie der Produzent oder sonst ein Individuum für sämtliche performative, technische, bildliche, auditive und viele weitere Bestandteile eines Films direkt verantwortlich sein kann, wird er als Entscheidungsträger und demzufolge letzte Instanz angesehen (Mittel 2004, 88). Zwar kreiert er nicht selbst die Farbe der Möbel, die genaue Performance eines Schauspielers oder die Tonabmischung, doch trägt er die Verantwortung für die kollektive Kreativität und entscheidet am Ende, ob eine Szene aufgenommen wird oder nicht (ebd.). Mittel bezeichnet diese bevollmächtigte Position des Regisseurs als “authorship by responsibility“ (ebd.).
Bis zum Erreichen einer solchen Position hat der Filmautor eine dynamische historische Entwicklung durchlaufen, deren Anfänge beim literarischen Autor liegen. Viele Epochen haben die unterschiedlichsten Definitionen mit sich gebracht. Die Idee des Autors als ein vom Alltag abgeschnittenes Wesen mit einer außergewöhnlichen Auffassungsgabe stammt aus der Romantik und Moderne (Benshoff 2016, 67). Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts ansässigen Stilrichtungen des Impressionismus, Expressionismus und Surrealismus verfolgten allesamt den Ansatz, mehr Wert auf den kreativen Stil zu legen, mit welchem der Autor als Künstler die objektive Realität darstellt, denn auf die ausgewählten Objekte und Subjekte selbst (67). Daraus resultiert schließlich, dass auch in der Filmwissenschaft ausschließlich ebensolche Filme als Kunst angesehen wurden und andere nicht (68).
Um dieser vagen Klassifizierung entgegenzuwirken, begannen französische Kritiker sich zu regen. Allen voran erklärte Alexandre Astruc 1948 die Filmkamera zum Äquivalent des Federhalters beziehungsweise Stifts, doch es waren die Kritiken aus der einflussreichen Filmzeitschrift ,Cahiers du Cinema’, welche den Autorenbegriff nachhaltig prägten und die vereinheitlichende ,auteur theory’ - im Französischen ursprünglich die ,politique des auteurs’ - als bis heute anerkannte „Schnittstelle zwischen den akademischen und den populären Diskursen über das Kino“ (Felix 2003, 10) einführten. Das bewirkte die Wendung, dass auch das bis dato als Nicht-Kunst degradierte Hollywood-Kino Autoren per definitionem besitzen konnte:
[...] auteurs could and did exist even within studio systems such as Hollywood. This was a shocking idea when many critics of the era still thought of Hollywood film as debased cookie-cut products of a mind-numbing culture industry (Mittel 2004, 69).
Schuld an der Überraschung, die diese Feststellung bei vielen auslöste, war die Frankfurter Schule, deren Mitbegründer Theodor W. Adorno ist. Er, als auch die Denkrichtung, kritisieren die zunehmende Verwertungslogik der Kulturwaren und - produkte, welche in Produktion und Konsumtion standardisiert seien und auf diese Weise den auflehnenden und rebellischen Charakter von Kunst ablegen würden. Dadurch würde unter anderem Walter Benjamins Aura in einer sterbenden Form konserviert (Adorno 2004, 205). Individualität weiche laut Adorno so der Fügung in die Masse innerhalb etwas, das man auch ,Massenkultur’ nennen kann. Massenkultur beschreibt in diesem Sinne die Kultur der Masse, nicht die Kultur aus den Massen heraus. Die von ihm so genannte ,Kulturindustrie’ suggeriert laut Adorno stets Neues (Adorno 2004, 202), obwohl sie nur Umformulierungen von Altem sei und so letztlich den Menschen nur eine Ersatzbefriedigung ihrer Bedürfnisse biete, gleichwohl sie den Eindruck erwecke, die Welt sei so in Ordnung, wie sie ist. Dadurch propagiere sie außerdem eine Anti-Aufklärung und bringe lediglich unmündige Bürger hervor (208).
Es handelt sich bei Adornos Theorie um eine recht absolute, innerhalb welcher sicherlich einige Differenzierungen hätten vorgenommen werden müssen. Jedoch resultiert Adornos Haltung wohl aus dem Eindruck, dass Film und Fernsehen, viel mehr produziert als verfasst sind (Mittel 2004, 95). Jason Mittel bringt es auf den Punkt, indem er sagt: „[...] production evokes a corporate factory following formulas to mass manufacture a product [...].” (ebd.) Adornos Kritik veranschaulicht, warum es sich bei dem oben beschriebenen Ansatz um eine „shocking idea“ (Benshoff 2016, 69) handelte, als die Zeitschrift ,Cahiers du Cinema’ Hollywood-Regisseure wie John Ford, Howard Hawks und Alfred Hitchcock - der im weiteren Verlauf noch genauer behandelt werden wird - als Autoren verfocht.
Grund für die eingetretene Anerkennung von Filmemachern als Autoren war die Fähigkeit der Regisseure, eigene stilistische Elemente3 mit Wiedererkennungswert in die Produktion einzubringen (ebd.). Nicht mehr wichtig im Zuge der ,politique des auteurs’ war, ob der Regisseur ebenfalls der Drehbuchautor war oder nicht (Felix 2003, 26). Deshalb wurde „der Autorenpolitik der Auteuristen eine Wertschätzung des Hollywood-Kinos entgegengestellt, die den Blick nicht auf das Talent dieses oder jenen Filmemachers richtet, sondern auf die Filme und deren Produktionskontext [...]“ (Felix 2003, 28-29). Die somit ins Leben gerufene neue Autorentheorie festigte sich nachfolgend im Zuge kultureller Bewegungen der Nachkriegszeit, die ein wachsendes Interesse an Filmen aus anderen Kulturen und die bewusste Betrachtung des Kinos als Kunstform mit sich brachte (Benshoff 2016, 69).
2.1.2 Der Tod des Autors
Von dort aus war es kein großer Schritt mehr, den wie in der Romantik und der Moderne begriffenen Genie-Autor als einsames Individuum aus Fleisch und Blut in ein theoretisches Konstrukt zu verwandeln. Man stellte sich in der Literaturwissenschaft die Frage, was übrig bliebe, wenn dieses kreative Talent des Autors aus der Gleichung entfernt würde, und stellte fest, dass der Autor letztlich nichts anderes als ein Katalysator sei, der die bereits bestehende Arbeit anderer zitiere und zu etwas neuem mache (Benshoff 2016, 71). Ein strukturalistisches Denken hatte eingesetzt, das sich auch auf die Filmwissenschaft und den Filmautor übertrug. Das bedeutet, dass sich in den 1960er und 1970er Jahren Strukturalisten und Poststrukturalisten schließlich von der Praxis lösten, einen Sinn und eine Autorintention im Text4 zu suchen und stattdessen den ,Tod des Autors’ proklamierten (Benshoff 2016, 64).
Die berühmteste und gleichnamige Theorie ist die des französischen Philosophen Roland Barthes. Seine Theorie geht davon aus, dass ein Text, die ,écriture’ (182), nach dem von Julia Kristeva benannten literaturwissenschaftlichen Intertextualitätsprinzip immer schon auf verschiedene andere Texte verweist und je nach Hintergrundwissen und historischem und kulturellem Kontext des Lesers jeweils neue Bedeutungen hervorbringt (Barthes 2000, 182). Somit erhält der Text seine Bedeutung erst im Leser und hat keinen Ursprung, ergo keinen Autor (ebd.). Barthes spricht an dieser Stelle gegenüberstellend zum ,Tod des Autors’ von der ,Geburt des Lesers’ (193). Im Leser entstehe ein multidimensionaler Textraum, was die Sprache selbst zu etwas Autonomen mache. Der traditionell als geistiger Urheber und Verfasser eines Textes erfasste Autor, wird von Barthes deshalb als tot begriffen, weil er als historisches Individuum der Vergangenheit seines Textes angehört und infolgedessen im Moment des Lesens keine Bedeutung mehr vorgeben kann (192). Dementsprechend ist er während der Rezeption nicht mehr relevant. Es gibt zwar einen Verfasser - oder wie Barthes ihn nennt: den ,scripteur’ (189) - eines Textes, jedoch ist dessen Schreiben ebenfalls nur solange von Bedeutung, solange der Akt des Schreibens tatsächlich vollzogen wird, es sich also um einen Vollzug im Hier und Jetzt handelt. Denn der ,scripteur’ wird nach Barthes im selben Moment geboren wie der Text, weshalb beim Verfassen eines Textes von einem rein performativen Konzept die Rede ist (182-183). Somit stellt der Text nach Barthes keine neue Kreation eines kreativen Individuums, dem Genie, dar (186). Das führt zu der zeitprägenden Haltung, eine autorenbiografische Rezeption und Interpretation abzulehnen. Der ,scripteur’ als Nachfolger des Autors ist nach Barthes ein reines Wörterbuch ohne Gefühle, Eindrücke, Stimmungen oder Passionen (189). Im Film würde das bedeuten, dass dem Regisseur als Filmautor die Fäden aus der Hand genommen werden müssten, indem er zum ,scripteur’ degradiert wird, der nur während der Produktion die Verantwortung über die einzelnen Zuständigen vom Licht über den Ton bis zum Dialog trägt, nach Vollendung der Filmproduktion jedoch sämtliche Macht und Bedeutung verliert.
Auch Foucault positioniert sich als Gegner des subjektiven Autors, lehnt dabei aber dessen Substitution durch einen ,scripteur’ zusätzlich ab. Stattdessen lenkt er den Fokus auf den durch ein Werk ausgelösten Diskurs in der Gesellschaft und unterstreicht dessen Dominanz mit der Frage „Wen kümmert’s, wer spricht?“ (Foucault 2000, 199). Diese Frage veranschaulicht ziemlich drastisch ein vermeintliches Desinteresse am Urheber eines literarischen Werks. Im populären Filmdiskurs ist der Autor dennoch bedeutsam geworden, gleichwohl Barthes und Foucaults Positionen vor allem in Frankreich und Angloamerika „zur rigorosen Ablehnung jener Isolierung des Regisseurs, die Astrucs Programmschrift anbahnte“ (Nitsche 2002, 8), führte. Ein praktischer Versuch, den Filmautor aus dem Diskurs zu nehmen, ist das sogenannte Dogma 95-Manifest. Dessen Erfolg und Bedeutung im Rahmen der Autorschaft werden in Kapitel 3.3 untersucht. An sich muss jedoch bereits festgestellt werden, dass bei der Interpretation von Filmen bis heute an dem Ausdruck eines Individuums festgehalten worden ist (ebd.). Denn trotz des neuen Impulses, den der Strukturalismus im Diskurs über den Filmautor mit sich bringt, behält die ,auteur theory’ in den Köpfen der großen Mehrheit die Oberhand.
Auteur-structuralism was an important theoretical shift in thinking about the auteur filmmaker, but its ideas rarely reached into the minds of the average filmgoer or journalistic critic. Even to this day most journalistic critics understand auteur theory [...] as a way to judge the quality or artistry of individual films or individual film artists (Benshoff 2016, 71-72).
Es handelt sich bei Autorenfilmen folglich um ein duales Zusammenspiel von dem Diskurs um das Werk an sich und der Bedeutung des Regisseurs darin, wobei letzteres offenbar in der Öffentlichkeit die Oberhand behält, was nicht zuletzt an der Vermarktung dahinter liegt, die dafür sorgt, dass es das Publikum sehr wohl interessiert, wer spricht und der Regisseur zum Aushängeschild eines Films gemacht wird. Wäre dem nicht so, hätte ein Allen Smithee (Nitsche 2002, 3) überhaupt nicht ins Leben gerufen werden müssen. Es muss also eine Balance geschaffen werden zwischen der Auratisierung der „Instanz des Regisseurs als exklusive Schöpferfigur“ (Nitsche 2000, 128) und der Marginalisierung des Regisseurs durch einen anonymen semiotischen Prozess (ebd.).
2.1.3 „Ein Film von...“
Dadurch, dass der Autor innerhalb des Strukturalismus’ im Kontext von Film und Kino demzufolge lebendig bleibt, verschiebt sich der Interessensschwerpunkt in den 1960er und 1970er Jahren insbesondere im Hollywood-Kino vom künstlerischen Wert zu einer Marketingstrategie.
This new Hollywood “corporate auteur” was recognized primarily for making films - and film franchises - that made enormous amounts of money regardless of their quality or artistry. Increasingly, auteurism in Hollywood has become a marketing strategy - just another way to maximize profits by selling not only the film itself, but also the idea of the person who made it. [...] The author or producer may encode meanings into a text, but readers or audiences also decode meanings, and all of those meanings are situated within multiple contexts of industry, economy, history, and ideology (Benshoff 2016, 72).
Der Autor ist zwar nicht tot - weder als Mensch noch als theoretisches Konstrukt -, doch wird er auf lediglich eine Seite der Bedeutungsgenerierung innerhalb eines komplexeren Gefüges reduziert. Dieses besteht auf der Seite des Autors außerdem aus Elementen wie Form und Stil, während auf der anderen Seite vor allem das Publikum steht, welchem dieselbe bedeutungsgenerierende Rolle wie schon bei Barthes zukommt, jedoch ohne Ausschluss des Autors (ebd.). Umberto Eco erklärt diese Relation in seinem 1979 erstveröffentlichten Werk Lector in Fabula anhand eines Modells, welches davon ausgeht, das ein Text - in diesem Fall ein Film - beidseitig Arbeit von dem Leser beziehungsweise Rezipienten sowie dem Autor erfordert (Eco 1987, 61). Die literaturbezogene Theorie soll hier auf den Film angewendet und entsprechend modelliert werden. Grundlegend bei Eco ist eine Trennung von empirischem, sprich realem Autor, und Modell-Autor (76-78). Letzterer entspricht einem Autor-Bild, ähnlich der Star Persona, welches der empirische Leser aufgrund der im Text enthaltenen Codes entwirft. Als Pendant dazu etabliert Eco den empirischen, also tatsächlichen, Leser und den Modell-Leser (67). Dieser ist das Leser-Bild, also das potentielle Publikum, für das der Autor schreibt beziehungsweise für das der Regisseur einen Film macht. Um Ecos Modell in stark vereinfachter Form weiterhin anhand des Films zu verdeutlichen, kreiert der empirische Regisseur dabei den Modell-Leser spekulativ, während der empirische Leser den Modell-Autor deduktiv kreieren kann, also anhand der Codes, die er aus einem fertigen Werk, hier dem Film, herausfiltert. Während der Produktion versucht der empirische Regisseur sich an einen Code zu halten, den das Modell-Publikum aufgrund seiner angenommenen Kompetenz verstehen kann. Ecos Theorie beschreibt außerdem variierend viele Leerstellen, die in einen Text eingebaut sein können und die es vom Leser zu füllen gilt (64). Wie bei Barthes fließen bei der so generierten Bedeutung die jeweils unterschiedlichen Erfahrungswerte des jeweiligen Rezipienten mit hinein. Anders als bei Barthes allerdings spielt bei Eco der empirische beziehungsweise reale Autor eine ebenso wichtige Rolle wie der reale Leser.
Dementsprechend geht nicht jegliche Bedeutung ausschließlich aus einem Austausch zwischen Rezipient und Werk hervor, wobei der Rezipient aufgrund der fehlenden Präsenz des Autors nur die Gegenwärtigkeit der Leinwand wahrnimmt, sondern das Werk wird als eine Art vermittelndes Medium zweier Subjekte an den jeweiligen Enden der Leinwand ergo der Botschaft aufgefasst (Metz 199, 11).
Zur Verdeutlichung soll an dieser Stelle das soeben bereits angeschnittene Konzept von Christian Metz - heruntergebrochen auf das für die Arbeit Wesentliche - Erwähnung finden, dessen Konzept von der anthropoiden Enunziation die Existenz des empirischen Autors nach Umberto Eco bereits im Namen trägt. Es stellt die pragmatischen Beziehungen zwischen dem Film, dem Filmemacher und dem Zuschauer in den Mittelpunkt, wobei es sich letztlich um ein Kommunikationsmodell handelt (Metz 1994, 12-14). Dieses knüpft an die für die Arbeit relevanten Institutionalisierung und Funktionsweise semiotischer und signierender Strukturen an, die für die Verkörperung des Autors im Regisseur zuständig sind. Dabei werden die von Metz verwendeten Begriffe, ,Enunziator’, ,Enunziat’ und ,Enunziatär’ im Folgenden zwar aufgrund des Werktitels angebracht, sind im Rest der Arbeit aber nicht relevant und werden kaum Verwendung finden. Da sich die Fragestellung der vorliegenden Arbeit explizit nach der ,Autorschaft’ im Film ausrichtet, darf und soll dementsprechend der Begriff des Autors nicht durch den ,Enunziator’ ersetzt, sondern synonym mit dem Regisseur verwendet werden. Das linguistische Enunziationskonzept in seiner Gesamtheit beinhaltet neben der Produktion und dem medialen Übergang in Form des Enunziats, sprich des Films, als Drittes die Anwesenheit von Subjekten an den beiden Enden des Übergangs (11). In einer kinoähnlichen Rezeptionssituation lässt sich die Präsenz eines Autors beziehungsweise offensichtlichen Sprechenden, des ,Enunziators’, nicht direkt nachweisen. Denn im Kino ist zwar die Subjektseite des Ziels, das Publikum beziehungsweise der ,Enunziatär’ (ebd.), nicht aber die Quelle, der Autor/’Enunziator’, körperlich anwesend (18).5 Dennoch macht diese Konstellation den Autor nicht zunichte und das Werk zu einem semiotisch autonomen Konstrukt. Denn Metz’ an Casetti angelehntes Modell erweitert das klassische aus Zuschauer und Leinwand bestehende Kino-Dispositiv dennoch um die Autor-Seite, indem davon 5 Es gibt filmische Praktiken, die zu einer Art von Verhältnis zwischen Aussage und Rezeption von Autor und Publikum führen. Allerdings wird die Rezeptionsseite wie bereits betont in dieser Arbeit nicht behandelt, sondern der Fokus auf die filmischen Mittel selbst gelegt, die zur Kennzeichnung des Autors führen.
ausgegangen wird, dass alles, was der Zuschauer auf der Leinwand sieht und für sich individuell dekodiert, zuvor von einem Autor-Subjekt in das Werk eingeschrieben wurde. Trotz fehlender Präsenz eines Autors während der Rezeption ist die Existenz eines Enunziators innerhalb des Films - sprich des Enunziats als Mittler - nachweisbar. Letztlich könnte man sagen, dass Metz’ Theorie als Pendant zu Ecos Modell gesehen werden kann, indem es denselben zweiseitig ausgerichteten Ansatz unter Berücksichtigung der bedeutungsrelevanten Verantwortung des Autors verfolgt und von der Literatur auf den Film überträgt, was beide relevant für die vorliegende Arbeit macht.
Ende des 20. Jahrhunderts wird diese Idee erneut aufgegriffen und vertieft, indem der soziale und kulturelle Hintergrund eines Autors ebenso wie sein Geschlecht, seine Rasse und ethnische Herkunft und weitere Subjekteigenschaften als ausschlaggebend für dessen Weltsicht und somit seine Filme angesehen werden (Benshoff 2016, 72-73). Infolgedessen sind viele Regisseure dank ihrer eigenen Persönlichkeit zu Stars geworden, die sich selbst vermarkten: „A director’s entire body of work can be reduced to a sound bite and used to promote his or her newest work” (74). Dabei spielt es im Rahmen der Filmvermarktung nicht immer eine Rolle, wie berühmt der Regisseur tatsächlich ist, sondern allein das Label „Ein Film von...“ impliziert einen Autor und dessen Existenz wiederum impliziert Qualität (ebd.), weil die Kategorie ,Autorenkino’ wie die Kategorisierung durch beispielsweise Genres die menschliche Wahrnehmung und Beurteilung der jeweiligen Filme lenkt (Felix 2003, 15). Demzufolge sind es die medialen Erscheinungsformen von Autorschaft, die ein Fremdbild der eigentlichen Person formen. Der Autor-Regisseur, wie das Publikum ihn kennt, ist ein medial konstruiertes Bild eines Autors, sprich ein Autorenbild und keine reale Person. Viel mehr dient dessen Selbstdarstellung als strategisches Konzept den Studios sowie dem Marketing ihrer Filme. Die Etikettierung der Filme durch den Namen des Regisseurs dient aber nicht nur als Verkaufsargument, sondern auch als Genrehinweis für ein Publikum, das sich in einer vielfältigen Angebotssituation orientieren muss (Nitsche 2000, 134). Eine Unterscheidung zwischen der ,Star Person’ des Regisseurs und dem Regisseur als realem Autor ist dabei unwichtig und dem Publikum dementsprechend nicht bewusst. Der Name des Filmautors dient letztlich nur der Authentisierung eines Werks, welche auch insofern im Sinne des Publikums ist, als es die Handschrift des Autors erkennen und die Stimme eines Individuums vernehmen will (ebd.). Nitsche schlussfolgert: „Michel Foucaults antisubjektivistische Differenzierung der Autorfunktionen besaß offenkundig nicht die Durchschlagskraft, um im Autorenkino mit einer Künstlermythologie aufzuräumen [...]“ (ebd.).
2.2 Definitionen
Im nächsten Schritt soll aus den soeben erläuterten kulturellen und historischen Hintergründen eine Definition des Filmautors herausgefiltert werden. Darauf basierend sollen auch der Begriff der ,Star Persona’ und des ,Cameos’ erläutert werden.
2.2.1 Filmautor
Der Autor an sich ist schon lange nicht mehr nur Teil der Literatur-, sondern auch der Filmwissenschaft sowie deren Praxis (avldigital 2019). Die Vorstellung von Autorschaft wurde über einen langen Zeitraum hinweg von der Literatur- sowie der Filmwissenschaft geformt, wobei insbesondere Alexandre Astruc „die folgereiche Engführung von Regisseur und Schriftsteller zum filmischen Autor [...]“ (Nitsche 2002, 7) vorgenommen hat.
[...]
1 Das Zusammenspiel von standardisierter Massenproduktion und Massenkonsum wird insbesondere von Theodor W. Adorno als wichtiger Vertreter der Frankfurter Schule unter dem Kernbegriff der „Kulturindustrie“ (Adorno 2004, 202) beschrieben. Durch die dieser Arbeit inhärenten Ausrichtung auf den Autor kann diese Theorie im weiteren Verlauf leider nicht tiefgründiger behandelt werden, wird aber noch einmal in Kapitel 2.1.1 Erwähnung finden.
2 Die präzise Übertragung der französischen Theorie ins Amerikanische, deren Theorieanspruch und Kritik werden an dieser Stelle nicht näher erläutert, da sie wenig zur Geschichte des Autors an sich beitragen, als viel mehr die Entwicklung und Folgen einer Rezeption beschreiben.
3 Was für Elemente genau das im Einzelnen sind, wird in Kapitel 3 anhand dreier Beispiele ausführlich analysiert.
4 Als ,Text’ werden sämtliche Formen von medialer Vermittlung zwischen einem Autor und einem Rezipienten bezeichnet, sprich: sowohl Schrift als auch Film sind involviert.
5 Es gibt filmische Praktiken, die zu einer Art von Verhältnis zwischen Aussage und Rezeption von Autor und Publikum führen. Allerdings wird die Rezeptionsseite wie bereits betont in dieser Arbeit nicht behandelt, sondern der Fokus auf die filmischen Mittel selbst gelegt, die zur Kennzeichnung des Autors führen.
- Citar trabajo
- Lynn Schwamberg (Autor), 2020, Autorschaft im Film. Zu den Signaturen von Regisseuren in ihren Werken, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1000118
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