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24. Mai 2023 • Lesedauer: 5 min

„Seegeister“ von Ilse Aichinger verstehen in 5 Minuten

Wir haben euch die wichtigsten Infos zur fiktionalen Erzählung „Seegeister“ von Ilse Aichinger zusammengefasst.

Was dich erwartet

Das Wichtigste vorweg:

  • „Seegeister“ ist eine Kurzgeschichte der österreichischen Autorin Ilse Aichinger
  • erschienen 1952 in dem Sammelband „Klassische deutsche Kurzgeschichten“
  • es werden drei geisterhafte Episoden beschrieben, die an einem See stattfinden

Die Handlung

Ilse Aichinger erzählt von einem See, der im Sommer durchaus gut besucht ist. So gut, dass man nicht mal die Geister, die dort spuken, von den Touristen unterscheiden kann. Erst im Herbst, wenn sich der See langsam leert, entpuppen sie sich als „die Anderen“. Drei Geistergeschichten werden episodenhaft erzählt.

Der Mann und das Motorboot

Die erste Episode handelt von einem Familienvater, der den Motor seines Bootes nicht mehr abstellen kann. Anstatt auf seine Notsituation aufmerksam zu machen, täuscht er Freunde und Familie mit Ausreden und Lügen darüber hinweg. So fährt er hilflos von einem zum anderen Ufer, selbst als niemand mehr an den Ufern auf ihn wartet und der Benzintank längst leer ist. Der Tank wird nun von Seewasser angetrieben. Der Nebel wird dichter, seine Kinder und Bekannten kehren in die Stadt zurück, nur er bleibt mit seinem Boot auf dem See zurück. Verzweifelt fährt er schließlich auf Schotter auf, aber seine Fahrt nimmt trotzdem kein Ende. Stattdessen tankt das Boot nun Luft.

Die Frau und die Sonnenbrille

Episode Zwei erzählt von einer Frau, die sich in Luft aufzulösen scheint, wenn sie ihre Sonnenbrille abnimmt. Ein Autounfall, der dadurch ausgelöst wurde, weil sie die Sonnenbrille nicht abnehmen wollte, wird als mögliche Ursache ihres geisterhaften Zustands benannt. Nach zwei Experimenten, die immer wieder zum Zustand einer Auflösung führten, beschließt sie, die Brille nicht mehr abzunehmen, selbst im Schlaf nicht. Sie hält sich abseits, wenn es keinen erklärbaren Grund für das Tragen einer Sonnenbrille gibt und mischt sich unter die anderen Touristen und hat mit ihnen Spaß, wenn das Wetter gut ist. Aber jetzt, wo es langsam auf den Herbst zugeht und auch der Winter immer näher rückt, weiß sie nicht, wie es weitergehen soll.

Die drei Mädchen und der Matrose

In der letzten Episode treiben drei Mädchen mit ihrem Gelächter einen Matrosen in den Tod. Obwohl er trotz des großen Lärms auf dem Dampfer nicht hört, worüber sie lachen, geht er davon aus, dass er der Grund für die Belustigung sei. Bei jeder Fahrt von der einen zur anderen Seite des Ufers, egal ob Sommer oder Winter, steigen sie zu und lachen, wodurch er fortan verunsichert ist. Als es bei einer Überfahrt stark gewittert, möchte er ihnen sein Können beweisen, sodass er nicht länger ihrem Spott ausgesetzt ist, und klettert übermütig wieder und wieder an der Reling entlang, bis er schließlich ins Wasser fällt und dort ertrinkt. Er selbst spukt nicht am See, da man seinen Körper bergen konnte. Aber die drei Mädchen sieht und hört man noch immer mit dem Dampfer von einer zur anderen Seite fahren.

Motive und Interpretationsansätze

Die Figuren

Die Figuren verbindet, dass sie den Bezug zur Realität verlieren und schließlich selbst zu Geistern des Sees werden. Sie beginnen als Touristen im Urlaub. Dieser Zustand wird aber, im Ilse Aichinger-typischen Stil, ins Absurde gezogen – der Mann im Motorboot fährt so lange, bis er Teil der Szenerie des Sees ist; die Frau nimmt ihre Sonnenbrille nicht ab, bis diese dann Teil ihrer eigenen Existenz wird; in der dritten Episode scheint der Matrose zunächst derjenige, der sich schlussendlich als Geist entpuppt – stattdessen sind es die drei lachenden Mädchen, denen das Geisterhafte angehängt wird.

Keine der Geisterfiguren scheint sich bewusst darüber zu sein, dass sie nicht mehr länger der Welt der Lebenden angehören.

Schauerliteratur

Wenn Geister spuken, die einem den Schauer über den Rücken laufen lassen, befinden wir uns eindeutig in der Gattung der Schauerliteratur. Kennzeichen für diese Gattung ist eine Verknüpfung von realistischen mit fantastischen Elementen.

Grenzphänomene

Als Grenze und Übergang von Naturerfahrung zu Geistergeschichte treffen wir bei Aichinger gleich auf mehrere Phänomene:

  • Der See: Der See ist Schauplatz und Zentrum aller Handlungen. Die Geister, die sich unter die Menschen mischen, sind untrennbar damit verbunden. An diesem Ort treffen Konsum in Form der Touristen und das (Über-)Natürliche aufeinander. Zudem kehren die Menschen in die Stadt zurück, während die Seegeister zurückbleiben.
  • Nebel: Ein Motiv, das im Horrorfilm gerne verwendet wird, ist der Nebel. Dieser schafft sofort eine verwunschene Atmosphäre. Aus einem harmlosen Badesee wird so plötzlich ein Ort zum Gruseln.
  • Herbst: Auch der Herbst lässt sich als Grenze interpretieren. Der helle, strahlende Sommer wird vom melancholischen Herbst abgelöst. Zum Ende des Sommers hin verlassen immer mehr Menschen den Ort, sodass die Übriggebliebenen sich immer mehr als Geister herauskristallisieren.

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Außenseiter und Grenzgänger

Alle drei Geschichten erzählen von Figuren, die sich von der Gesellschaft abgekapselt haben. Der Familienvater tut dies, indem er die einsame Fahrt auf dem See der Gesellschaft von Familie und Freunden vorzieht. Die Frau unterscheidet sich vom Rest durch ein äußeres Merkmal, nämlich die Sonnenbrille. Auch die drei Mädchen bleiben unter sich, anstatt mit dem Matrosen direkt zu interagieren, was schließlich dazu führt, dass er sein Leben lassen muss.

Urban Legends

„Wer sie sieht, sollte sich von ihnen nicht beirren lassen. Es sind immer dieselben.“

Mit diesem Satz schließt Ilse Aichinger ihre Kurzgeschichte, die schon fast wie eine moderne Sage klingt. Etwas, das man sich eben nachts am Lagerfeuer erzählt, um sich zu gruseln.

Einen Interpretationsansatz auf textanalytischer Basis findest du hier:

Textanalytische Übung zu Ilse Aichinger: Seegeister

Textanalytische Übung zu Ilse Aichinger: Seegeister

5.99 €

Gut zu wissen:

  • Ilse Aichinger wurde 1921 in Wien geboren und ist 2016 ebenda gestorben
  • Sie gilt als bedeutende Repräsentantin der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur
  • Sie war mit Günter Eich verheiratet
  • Ihre Texte zeigen alle eine ausgeprägte Tendenz zur Verknappung, sodass vieles nicht auserzählt wird, sondern der Interpretation des Lesers überbleibt

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