Geschichte und Funktionen des Baus von Burgen und Festungen


Ausarbeitung, 2000

14 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

1. Zeitliche und Räumliche Gliederung

2. Gründe für den Burgenbau

3. Funktionen der Burgen

4. Der Burgplatz - die ,,Assiette"

5. Entwicklung der Architektur

6. Schlussfolgerung und Fazit

Literaturangaben

1. Zeitliche und Räumliche Gliederung

Mit dem Aufruf zum ersten Kreuzzug 1095 durch Papst Urban II. in Clermont begann in Europa die Kreuzzugszeit. Ihren ersten Höhepunkt hatte sie im Juli 1099 mit der Eroberung Jerusalems durch Gottfried IV. von Niederlothringen. In der Folge unterwarfen die Franken große Teile des Landes und begannen es zu befestigen. Die Zeit der fränkischen Herrschaft dauerte nur knapp 200 Jahre an. 1291 fiel als letzte europäische Stellung Akkon1 und die Templerburg Chastel Pèlerin südlich Akkons wurde evakuiert.2

Die nördliche Grenze stellte das armenische Königreich Kilikien, welches sich südlich an den Taurus anschließt, dar. Das Königreich war insofern wichtig, als dass es nicht weniger als fünf Pässe beherrschte. Dies bedeutete, dass eine Verbindung zwischen Kleinasien und Syrien auf lange Zeit in der Hand der Christen sein würde.3 Die Grafschaft Edessa stellte die Nordostgrenze dar. Ihre Lage war für die sich südlich anschließenden Gebiete des Fürstentums Antiochia und die Gebiete des Königreiches Jerusalem außerordentlich wichtig, stellte sie doch einen natürlichen Puffer zwischen den arabischen Staaten im Nordosten und denen in der Levante und Kleinasien dar.4 Jedoch soll nur ihre politische und militärische Funktion genannt werden, da dort nur wenige Zeugnisse des fränkischen Festungsbaus erhalten sind, weil sie schon 1144 wieder verloren ging. Damit ging auch ein großes Getreideanbaugebiet und Einzugsgebiet für die Franken verloren.5

Nördlich von Aleppo verlief die Grenze Richtung Süden entlang des Orontes durch die Schlucht zwischen Libanon- Gebirge und Antilibanon, östlich des See Genezareth entlang des Jordan zum Toten Meer. Die östlichsten Punkte lateinischer Herrschaft waren die Burgen Kerak, Montreal und Petra in der Moabiter Wüste. Den südlichsten Zipfel stellte die Burg auf der Ile de Graye im Roten Meer dar.

Vom Taurus bis zum Golf von Aqaba streckte sich das Gebiet der Kreuzfahrer über eine Länge von 800 Kilometern. Nur selten erreichte das Gebiet der Kreuzfahrerstaaten eine Breite von 100 Kilometern. Dies war Norden der Fall. Die schmalste Stelle war in der Grafschaft Tripolis mit 40 Kilometern zu finden.6 ( siehe hierzu die Karte im Anhang)

2. Gründe für den Burgenbau

Für die Kreuzfahrer bestanden drei Gründe Burgen zu bauen. Der erste war die seltsame Gestalt der lateinischen Staaten, der zweite der Mangel an kampffähigen Männern und der dritte die Bedürfnisse der Lehnsverwaltung.7 Das Gebiet der Kreuzfahrer hatte, wie im ersten Abschnitt beschrieben, eine sehr seltsame Form. Da es sich nur um einen schmalen Küstenstreifen handelte, war der Bau von Burgen unbedingt notwendig, um die Existenz ihrer Staaten zu sichern. Plötzliche Überfälle waren an der Tagesordnung und die Burgen sollten nicht nur Schutz geben vor den Angreifern, sondern waren auch als Basen für Rückeroberungszüge gedacht.8 Um diesen Streifen Land zu schützen, war der Bau von großen Festungen notwendig. Sie stellten den Schlüssel zum Land dar. Sie sicherten erst das Land um es dann von dort aus weitere Gebiete zu erobern. Die Burgen und ihre Besatzungen waren während der gesamten Kreuzzugszeit eine Demonstration der physischen Präsenz der Franken.9

Der Mangel an Kriegern war einer der Gründe, warum das Heilige Land verloren ging. Schon auf dem Wege nach Jerusalem blieben viele kleine Anführer zurück, um sich eine Herrschaft zu sichern.10 Nach der Einnahme Jerusalems im Jahre 1099 zogen viele Franken wieder zurück nach Europa, weil sie ihre Aufgabe in der Befreiung des Heiligen Grabes erfüllt sahen. Mit einer kleinen Streitmacht von 300 Rittern blieb Gottfried von Bouillon zurück, eine viel zu geringe Anzahl um ein Königreich von der Größe des Königreiches Jerusalem zu halten oder zu behaupten.11 Was den Kreuzfahrern an Rittern fehlte, ersetzten ihre Baumeister durch Burgen.12

Von den Burgen verwalteten sie das Land. Sie waren Zentren der ökonomischen Entwicklung, der Kolonisation und dienten auch als Handelsplatz.13

Für die Gegner der Franken, die Araber, waren die Gründe für ihren Burgenbau dadurch gegeben, dass sie ihrerseits ihre Grenzen gegen fremde Eindringlinge schützen mussten. Die Grenze zum Fürstentum war bereits vor dem Einfall der Kreuzfahrer stark befestigt, verlief doch hier die Grenze zum Byzantinischen Reich. Aleppo, Hama, Homs und Shaizar waren die Burgen auf denen das Hauptaugenmerk der Araber lag, sie waren konzentriert auf den nördlichen Teil der Grenze. Weiter im Süden schlossen sich der Libanon und die Wüste an, in welcher die Araber ohne Festungen lebten, da sie ein Wüstenvolk waren.

3. Funktionen der Burgen

Die Funktionen der Kreuzfahrerburgen unterlagen den Entwicklungen im Heiligen Land während der Zeit der Kreuzzüge. Mit Beginn der Kreuzzüge waren die Burgen vorwiegend als Stützpunkte gedacht, von denen die weitere Eroberung des Landes ausgehen sollte. Die Burgen wurden in drei Befestigungsringe oder Gürteln angelegt(siehe Karte). Es waren also leichte Festungen, Offensivburgen.14 Die Franken nutzten hier bereits vorhandene Burgen der Byzantiner oder deren befestigte Städte, die sie aber nach ihren Bedürfnissen im Laufe der Zeit umgestalteten. Viele byzantinische Stadtbefestigungen waren so stark, dass ihnen die Belagerungen der Franken wenig Schaden zufügen konnte. Hervorzuheben ist hier Tripoli. Die Stadt hielt ihren fränkischen Belagerern sehr lange stand, 2000 Tage.15 Sie brauchten nur einige Ausbesserungsarbeiten vorzunehmen um diese Schäden zu beseitigen.16 Eine der berühmtesten Stadtbefestigung ist die Antiochias. Sie war sehr stark befestigt, da sie einst eine byzantinische Grenzbastion gegen die Araber darstellte. Das Gegenstück dazu bildeten die arabischen Festungen Aleppo, Hama, Homs und Shaizar.17 Von diesen lag Aleppo in etwas größerer Entfernung zum Krak, die anderen jedoch nur 50 Kilometer entfernt. Damit lagen sie in sehr mittelbarer Nähe zum Krak, was dessen Bedeutung und Befestigung unterstrich. Aleppo dagegen war der Ausgangspunkt für den Widerstand der Araber.18

In dieser Phase gab es verschiedene Gebiete in denen die Kreuzfahrer hauptsächlich ihre Festungen errichteten. Die oben genannten drei Befestigungsgürtel hatten jeweils unterschiedliche Aufgaben. Den äußeren stellten die Burgen entlang der Grenze dar. Sie waren zur Überwachung derselben gedacht. Sie zeichneten sich durch ihre Größe und damit Machtausstrahlung aus. Im Norden sind das der Krak und Beaufort und im Süden Kerak und Montreal. Da waren die Küstenburgen, sie sollten Hafenstädte wie Askalon und Tyros blockieren und sie so bezwingen. Von Askalon gingen vor dessen Eroberung viele Angriffe auf das Gebiet der Franken aus. Die Stadt diente als Sammelpunkt für die Krieger aus Ägypten. Deshalb legten die Franken großen Wert auf ihre Eroberung. Die Burg auf dem Pilgerberg nahe der Stadt Tripoli, gebaut 1103, diente Graf Raymond als Basis zur Belagerung, (Abb.1).Solche Sperrburgen sollten die Versorgungswege in die Städte unterbrechen.19 Zwischen der Grenze nach Osten und der Küste lag das Kerngebiet der fränkischen Eroberungen. Im Zentrum natürlich Jerusalem. Hier finden wir vor allem einfache Festungen, die als Sammelpunkte fungierten und deren Besatzungen bei Notfällen ausgesandt wurden. Ein weiteres Gebiet lag östlich des Jordan. Die hier errichteten Burgen Kerak (Abb. 10; Anhang 1), Montreal und Petra stellten die äußersten Punkte fränkischer Eroberungen dar und zeugen vom Optimismus der Franken, möglichst rasch das Land in ihre Hände zu bringen. Sie waren dazu angedacht die Wüstengrenze und die Handelswege vo n Damaskus nach Ägypten zu kontrollieren, denn die Einnahmen aus Überfällen auf Karawanen waren für die Lateiner nicht zu verachten, als grausames Beispiel für Karawanenplünderei wird oft Rainald von Chatillon angeführt. Sein Verhalten führte mit zur Katastrophe von Hattin 1187.20

Dem größten Gegner der Kreuzfahrer, Saladin, war es bis Hattin gelungen, die Kräfte der Araber zu bündeln und zu vereinigen. Diese Tatsache und die Uneinigkeit der Franken, auch in Europa, führte zur Katastrophe und letztendlich zum Scheitern der Kreuzzüge.

Die Burgen, die nach 1187 gebaut oder übernommen wurden, sind dadurch gekennzeichnet, dass sie keine leichten Burgen mehr waren, sondern Bollwerke gegen die Anstürme der Sarazenen. Ihre Funktion lag jetzt hauptsächlich in der Verteidigung des Landes und dem Schutz der Kreuzritter. Denn die Ritterorden waren es, die die Burgen der Feudalherren übernahmen und dort ihre Garnisonen stellten, da die Fürsten sich solch kostspielige Festungen nicht mehr leisten konnten.21 Nach Hattin war die Zahl der Krieger so stark zurückgegangen, dass man davon ausging, nie wieder einen Eroberungszug ins Land der Sarazenen zu unternehmen. In dieser Zeit werden große Burgen noch mehr verstärkt oder beschädigte Burgen für Verteidigungszwecke wieder aufgebaut. In der sogenannten Periode des Rückzuges entwickelten die Kreuzfahrer die größten Energien beim Burgenbau22,doch der ständige Mangel an kampffähigen Menschen beeinflusste die Anstrengungen.

4. Der Burgplatz - die ,,Assiette"

Assiette ist die französische Bezeichnung für den Burgplatz. Wörtlich übersetzt heißt es Teller und bezeichnet das Plateau eines Hügels, auf denen die meisten Kreuzfahrerburgen errichtet waren. Die Plätze für den Bau einer Burg unterlagen verschiedenen Kriterien.23 Die Kreuzfahrer suchten sich Gebirgsvorsprünge, die von drei Seiten von steil abfallenden Berghängen umgeben waren aus, oder wählten Hügel, die nahezu freistehend eine erhabene Position innehatten. (Abb. 2 und 3) Dabei durften die Plätze nur schwer zu belagern und zu erstürmen sein, aber gleichzeitig mussten sie für die Besatzung noch leicht zu erreichen sein.24 Gleichzeitig mussten die Plätze aber auch strategisch günstig liegen und einer gewissen Machtdemonstration dienen. So wurden an den wichtigsten Straßen, den wichtigsten Bergpässen, an Flüssen und Furten und den wichtigsten Straßenkreuzungen Burgen errichtet, um diese Punkte zu kontrollieren. Ein gutes Beispiel ist die Burg Montfort östlich von Tyrus. Sie liegt an der Strasse, die Tyrus mit dem Jordan- Tal und Jerusalem verbindet.25 Allein um die Macht der Kreuzfahrer zu demo nstrieren, wurden Burgen als Drohung für die Sarazenen gebaut. Von hier aus unternahm man auch selbstverständlich Raubzüge in Feindesland.26 So beschrieb ein arabischer Chronist, dass der Krak des Chevaliers ,,über anderthalb Jahrhunderte wie ein Knochen in der Kehle der Sarazenen steckte."27

5. Entwicklung der Architektur

Die Entwicklung der Festungsarchitektur geht einher mit der politischen Entwicklung in den Kreuzfahrerstaaten. Die Burgen, die in der Zeit vom Fall Jerusalems 1099 bis zur großen Niederlage bei Hattin 1187 errichtet wurden, waren, wie eingangs schon erwähnt, offensiver Natur. Zu dieser Zeit gingen die Kreuzfahrer davon aus, dass ständig durch Nachschub- unternehmen der anfängliche Mangel an kampffähigen Männern ausgeglichen sein würde. Die Burgen aus dieser Zeit sind zum Teil auf Ruinen byzantinischer oder arabischer Burgen entstanden. Die Franken und Armenier übernahmen ausgedehnte Anlagen.28 Genannt sei hier wiederum der Krak. Er entstand auf einem Berg, auf dem vor der Kreuzzugszeit die ,,Burg der Kurden" stand. Von ihr ist aber heute keine Spur mehr zu sehen.29

Die Kreuzfahrer übernahmen eine Reihe wichtiger Elemente des Burgenbaus von den Byzantinern. Auf diese soll in diesem Abschnitt näher eingegangen werden.

Die Byzantiner konnten einen hochentwickelten Burgenbau vorweisen. Dieser entsprang aus der Antike, wurde von ihnen erweitert und verbessert. Dies ergab sich daraus, dass sie häufige Einfälle in ihr Gebiet abwehren mussten.30

Die Franken lernten in Syrien und Byzanz eine Bauweise kennen, die in Europa erst im Entstehen war, die Steinbauweise. In Europa sind erste Steinburgen Ende des 10. Jahrhunderts nachgewiesen. Die Ablösung des Baustoffes Holz fand zuerst im französisch-normannischen Raum statt. Wenig später setzte sich die Bauweise auch im übrigen Mitteleuropa durch. Die neue Bauweise hatte in Europa wie in Byzanz spätantike Befestigungen als Vorbild. Zunächst bestand die sogenannte Adelsburg aus einem wehrhaften Turmhaus, meist auf einem Hügel stehend. Der Wehrturm wurde von einem umgräfteten und wehrhaft umhegten Wohnbau und Wirtschaftsgebäuden als Vorburg umgeben.31 Dominantes Gebäude war der Turm. Im französischen donjon vom vulgärlateinischen dominatio abgeleitet und im englischen keep bezeichnet. Er diente nicht nur als Zufluchtsgebäude, sondern mit weiterschreitender Entwicklung auch als Repräsentationsgebäude.32 Bei den Kreuzfahrern diente er aber auch ,,als Aufbewahrungsort für Waffen, Rüstungsmaterialien und Lebensmittelvorräte".33 Eine erste große Veränderung tritt im 12. Jahrhundert ein. Der Turm wird jetzt mehr und mehr in die aktive Verteidigung einbezogen. Von daher wird er in neu errichteten Burgen an deren schwächsten Stellen platziert. Zudem setzte sich die runde Bauweise durch, da diese auf der Außenseite des Turmes dem Beschuss besser standhielt.34

Mit dem Verlust Edessas 1144 war der Schutzschild für die südlichen fränkischen Feudalstaaten zerstört und die Angriffe der Sarazenen konnten nun ungehindert auf sie niederfallen. Die langsame Einkreisung der Kreuzfahrerstaaten durch die Araber, durch Nur- eddin und seinen Sohn Saladin begann. Die Folge war eine verstärkte Befestigung der nördlichen Grenze. Netze von Burgen, wie Safed, der Krak des Chevaliers, die best erhaltene Kreuzfahrerburg, Tortosa dem Hauptquartier der Templer, im Norden und zwischen den Festungen Beaufort, Subeibe, Toron, und Sidon im Süden, die alle untereinander Sichtkontakt hatten, wurden zu diesem Zweck gebaut.35 Der Sichtkontakt war notwendig, weil es an Kriegern mangelte, um Nachrichten- und Spähtrupps zwischen diesen Burgen verkehren zu lassen.36

Ein weiteres Merkmal, das von den Kreuzfahrern übernommen wurde, sind die Pechnasen. Dies sind kleine Vorsprünge in der Mauer, deren Boden eine Öffnung aufweist, um von dort aus Feinde zu beschießen oder mit Pech zu begießen. Eine Pechnase bot nur selten genug Raum für mehrere Verteidiger. Daher wurde auf dem Krak des Chevaliers der ganze Umzug mit solchen Gusslöchern ausgestattet.37 Jedoch ergibt sich hier ein Widerspruch. Waren nicht die Burgen ständig knapp bemannt um eine Besetzung aller Gusslöcher durchgehend zu gewährleisten? Von daher erscheint es logisch, dass Piper hier erwähnt, dass laut Reys «Études sur les monuments de l´architecture militaire des croisés en Syrie et dans l'ile de Chypre» nicht alle Vorsprünge eine Öffnung vorweisen.38

Die Burgen der christlichen Ritterorden wurden in zwei Gruppen eingeteilt, jedoch basieren die Unterscheidungsmerkmale nur auf der Behauptung, die Templer benutzten eckige Türme in der Wehrmauer und die Johanniter runde Türme. Des weiteren springen die Türme der Johanniter vor und schützen somit die Mauern von deren Flanken aus und bei den Templern nicht.39 Dass die Türme in den Wehrmauern vorspringen und dies mit der weiteren Entwicklung der christlichen Architektur fortschreitet, ist nicht zu widerlegen. Die Burge n der Ritterorden aber danach einzuteilen, ist sehr vage. Eher sollte hier die Entstehungszeit der jeweiligen Burgen betrachtet werden. So ist der Hauptsitz der Templer, die Burg Tortosa bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstanden. Damit konnten die Kreuzfahrer noch keine neuen Elemente übernommen oder gar selbst entwickelt haben, da sie erst kurze Zeit im Heiligen Land waren. Die Anlagen der inneren Mauer auf dem Krak, die um 1142 erbaut wurde, weisen ebenso eckige Türme auf, wie die Tortosas.40 Selbst bei der im frühen 13. Jahrhundert erbauten Pilgerburg findet man eckige Türme, als die Vorzüge der runden bereits bekannt waren. Bei solchen aus der Mauer ragenden Türmen muss erwähnt werden, dass es wichtiger ist, dass sie aus der Mauer hervorragen und dies mit der weiteren Entwicklung immer stärker ausgeprägt wird.41 Der Zweck solch vorgezogener Türme lag darin, das Feuer auf die Feinde außerhalb der Burg auch von den Flanken der Mauer zu ermöglichen. Das Resultat war eine aktivere Verteidigung, wie sie mit dem wandernden Hauptturm begann und mit den Türmen in der Mauer weiterging. Eine Besonderheit stellt mit Sicherheit die Burg Montfort dar. Die Burg der Deutschritter war durch einen Turm geschützt, der vollständig außerhalb der Burg stand. Von hier aus war es möglich dem Feind, war er zu nah an der Burgmauer, in den Rücken zu fallen. Seine Funktionen sind sehr verschieden. So wurde er als Signalturm für andere Burgen verwendet, aber auch zur Warnung der eigenen Besatzung vor Überfällen.(Anhang 2) Er sollte einen Feind hindern sich auf dem Platz vor der Burg niederzulassen.42 Sicher war auch, dass er zur aktiveren Verteidigung mit beitrug. Diese war mit Sicherheit auch im Interesse der christlichen Krieger, deren Lebensinhalt der Krieg war. Die Türme wurden in ihrer Form noch weiter entwickelt. Die Bauweise effektivste war die Hufeisenform, die auf vielen Burgen in Kilikien und in Palästina zu finden ist.43 ( Abb. 6; Anhang 3)

Die aktive Verteidigung wurde noch intensiviert, indem am Fuße der Mauern Schießscharten eingelassen wurden.(Abb. 4) Von hier aus konnten die Sarazenen nicht nur von der Mauer beschossen werden, sondern auch aus anderen Höhen, was bei vielen recht unscheinbaren Schießscharten für die Angreifer sehr überraschend gewesen sein muss.

Die Sicherheit der Tore war für die Franken von größter Wichtigkeit. Somit war bei einem Ausfall das Tor gefährdet. Um aber eine r solchen Gefahr auszuweichen, wurden an manchen Türmen in der Wehrmauer Ausfalltore eingebaut.44

Der für die Verteidigung wichtigste Teil, die Mauer, wurde von den Kreuzfahrern immer wieder verstärkt, da die Araber ihre Belagerungsmaschinen verbesserten. Sie benutzten Schleudermaschinen, um mit schweren Steinen die Mauern zu erschüttern. Um diese Erschütterung zu umgehen, wurde die Mauer im unteren Teil gezielt verstärkt. Dieser sogenannte Talus stellt eine schiefe Ebene dar, die die Mauer gleichzeitig gegen Unterminierung schützt. Prallte ein Geschütz auf den Talus, so wurde nur das Außenwerk angegriffen und die Stützfähigkeit der Mauer blieb zum größten Teil erhalten. Besonders hervorzuheben ist der Talus am Krak. (Abb. 5; Anhang 4) Er sollte nicht nur gegen feindliche Angriffe schützen, sondern die Mauer auch bei Erdbeben abstützen.45

Mit der zunehmenden Zurückdrängung der Franken aus dem Heiligen Land wurden auch die Burgen zunehmend befestigt. Sie übernahmen mehr und mehr reine Verteidigungszwecke. Neuerbaute Burgen wie die Pilgerburg hatten anstatt der inzwischen üblichen zwei Verteidigungslinien jetzt bereits drei.(Abb. 7; Anhang 5) Ihren Namen erhielt sie, weil Pilger den Bau der Burg tatkräftig unterstützten.46 Ihre natürliche Lage ermöglichte nur den Bau einer Verteidigungsanlage. Da sie von drei Seiten von Wasser umgeben war, wurde nur der Zugang vom Land im Osten sehr stark befestigt. Die erste Linie bestand aus einem Glacis mit anschließendem Graben, der zudem auch noch überflutbar war. Darauf folgte eine Mauer mit drei Türmen mit je 15 m Höhe. Diese Mauer erstreckte sich über die ganze Breite des Zugangs vom Land. Sie war mit einem durchgehenden Rundgang versehen und in regelmäßigen Abständen waren Kasematten für Bogeschützen eingebaut. Diese Türme reichten neun Meter vor die Mauer, um deren Flanken zu schützen. Die dritte Linie bestand aus einer weiteren Mauer mit zwei noch größeren Türmen als auf der vorhergehenden. Aber sie waren so gebaut, dass sie zwischen den drei Türmen der vorderen Mauer standen. Somit ergab sich eine breite Front, gegen die die Araber vergeblich anrannten, denn die Pilgerburg wurde nie von ihnen eingenommen. Sie wurde durch die Templer nach dem Fall Akkons im Jahre 1291 freiwillig geräumt.47

Diese genannten Elemente übernahmen die Kreuzfahrer von der östlichen Bautradition. Es entwickelte sich aber auch ein eigenständiger Stil der Franken und es kam zu einer unausweichlichen Stilvermischung in der Festungsarchitektur. Die Elemente, die die Kreuzfahrer mitbrachten, waren lediglich das Fallgitter am Haupttor. Bekannt war bereits der Graben, der durch die Erfahrungen im Heiligen Land seine Vollendung findet. Als herausragendes Beispiel wird der Graben der Burg Saone genannt, den die Kreuzfahrer aus dem gewachsenen Fels schlugen. Er ist mit einer Tiefe von 30m und 150m Länge ein herausragendes Beispiel für die Grabenentwicklung der Christen.(Abb.8 u.9; Anhang 6) Die Burgen, die gegen Ende der Lateinerherrschaft errichtet wurden, weisen alle verstärkte Verteidigungsanlagen auf. Sie wurden eindeutig aus reinen Verteidigungsgründen gebaut. Den Kreuzfahrern wurde deutlich, dass sie nie mehr einen Angriff auf das Land unternähmen , geschweige denn, dass sie verlorene Burgen zurückgewännen. Die Mauern wurden immer dicker und massiver. Die Burgbesatzungen waren nach Hattin beängstigend gering, sodass für die wenigen verbliebenen Krieger umso aufwendigere Verteidigungsanlagen gebaut wurden. Die Burgen wirkten aber trotz ihrer massiven Bauweise noch immer elegant. Deshalb werden viele dieser Bauwerke heute noch als Musterbeispiele für europäische Festungsarchitektur angeführt.48 Die fränkischen Baumeister übernahmen vieles von den Arabern, Byzantinern und den Armeniern und kreierten einen eigenen Stil, dem der französische Geist innewohnen sollte. Was die Franken nicht kannten, übernahmen sie und paarten es mit ,,liebevoller Sorgfalt und Überlegung"49, dies war ihr Anteil, den sie einbrachten.

6. Schlussfolgerung und Fazit

Die Kreuzzüge stellten eine Epoche dar, in der die Europäer in eine bis dahin unbekannte Welt vordrangen. Dass die Eroberer in der islamischen Welt viel Neues sahen und kennenlernten, davon zeugen die vielen erhaltenen Reste ihrer Bauwerke, die heute noch in diesem Raum zu sehen sind. Die weithin bekanntesten Zeugnisse der Lateinerherrschaft waren ihre Burgen, die bis heute Bestand haben, freilich im Ruinenzustand. Viele blieben uns erhalten, weil selbst die Gegner der Franken die Burgen aus Ehrfurcht nicht berührten. Diese Ehrfurcht zeigt die Anerkennung der Leistung der Franken durch die Araber. Viele der fränkischen Burgen wurden von ihnen nach der Eroberung wieder aufgebaut und sind dadurch erhalten. Andere wiederum wurden verlassen und dem natürlichen Verfall durch Witterung und Erdbeben überlassen.

Die Franken waren auf dem Gebiet der Steinbauweise völlig unerfahren, was eine Übernahme vieler stilistischer Mittel logisch erscheinen lässt. Die Kreuzfahrer durchliefen einen Lernprozess, der beispiellos ist. Sie perfektionierten den Festungsbau in einem Maße, der seines gleichen sucht. Die Einflüsse waren in Europa nicht zu übersehen. Sie waren ein Entwicklungsschub für das Abendland, der sich nicht nur auf den Festungsbau beschränkte, sondern sich in nahezu allen Lebensbereichen in Europa bemerkbar machen sollte und in vielen Bereichen des heutigen Lebens heute noch nachwirkt. Dass der Festungsbau aber einer der größten Einflüsse des Orients sein sollte, ist heute noch in vielen Burgen und Schlössern Europas zu erkennen. Waren die Einflüsse zu Beginn der Kreuzzüge noch eindeutig zu erkennen und zu unterscheiden, so verschwammen die Grenzen mit zunehmender Perfektion der Kreuzfahrer. Diese brachten im Zuge des weiteren Verlaufs der Kreuzzüge ihre eigenen Elemente ein und so ist in einigen Festungen heute nicht mehr zu erkennen, aus welcher Bauperiode einzelne Abschnitte stammen.

In Arbeit zu diesem Thema, die einen begrenzten Umfang hat, kann weitaus nicht alles untersucht werden. Die Forschungen zu jeder Burg, nicht nur der genannten, können sehr große Umfänge haben. Hier sollte nur versucht werden, eine Entwicklung herauszufinden und diese zu beweisen. Mit ausreichend Bildmaterial ist dies hoffentlich gelungen.

Literaturangaben

Fedden, Robin; Thomson, John: Kreuzfahrerburgen im Heiligen Land. Brockhaus, Wiesbaden, 1959

Marshall, Christopher: Warfare in the Latin East, 1192-1291. Cambridge University Press 1992

Runciman Steven: Geschichte der Kreuzzüge. München 1995

Wolfgang Müller-Wiener: Burgen der Kreuzritter im Heiligen Land, auf Zypern und in der Ägäis. Deutscher Kunstverlag München Berlin

Hannes Stekl: Architektur und Gesellschaft von der Antike bis zur Gegenwart. In: Geschichte und Sozialkunde Band 6. Salzburg 1980

Otto Piper: Burgenkunde. Bauwesen und Geschichte der Burgen. Neue, verbesserte und Erweiterte Auflage. Frankfurt/Main 1967

Hans Prutz: Kulturgeschichte der Kreuzzüge. Hildesheim 1994

Alain Demurger: Die Templer. Aufstieg und Untergang 1120-1314. München 1999

Kenneth M. Setton: A history of the Crusades Vol.IV. Wisconsin University Press 1977 Hans-Werner Goetz: Proseminar Geschichte: Mittelalter. Stuttgart 1993

Amin Maalouf: Der Heilige Krieg der Barbaren. Die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber. 2. Auflage München 1997

Propyläen Weltgeschichte Band 5 Islam, Die Entstehung Europas. Berlin 1963

[...]


1 Propyläen Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte. Hrsg. Go lo Mann, August Nitschke, Propyläen-Verlag Berlin 1963; Bd. 5, S. 485

2 Fedden, Robin; Thomson, John: Kreuzfahrerburgen im Heiligen Land. Brockhaus, Wiesbaden 1959, S. 84

3 ebenda, S. 10f.

4 ebenda, S.10

5 ebenda, S. 10ff.

6 ebenda, S. 9

7 ebenda, S. 9

8 ebenda, S, 9

9 Marshall, Christopher: Warfare in the Latin East. Cambridge University Press 1992, S. 94

10 Müller-Wiener, Wolfgang: Burgen der Kreuzritter im Heiligen Land, auf Zypern und in der Ägäis. Deutscher Kunstverlag München Berlin. S. 7 hier wird eine Absicht vieler kleiner Fürsten und Knechte hervorgehoben, dass es nicht nur religiöse Antriebe waren, die eine solche Anzahl Menschen nach Palästina trieb

11 Fedden, Thomson, S. 13

12 ebenda, S. 13

13 Marshall, S. 122 vgl. Runciman, Steven: Geschichte der Kreuzzüge. München 1995, S.1149

14 Fedden, Thomson, S. 15

15 Maalouf, Amin: Der Heilige Krieg der Barbaren: die Kreuzzüge aus der Sicht der Araber. 2. Auflage München 1997, S. 74ff. und S. 294

16 Fedden, Thomson, S. 15 vgl. Runciman, S. 1143

17 Runciman Karte IV, S: 1343

18

19 Fedden, Thomson, S. 20

20 ebenda, S. 22

21 Marshall, S. 97

22 Fedden, Thomson, S. 17

23 Marshall, S. 99

24 ebenda, S. 98

25 ebenda, S. 98, vgl. dazu Müller-Wiener, S. 8

26 ebenda, S. 94

27 Fedden, Thomson, S. 78

28 Fedden, Thomson, S. 16 dazu auch: Müller-Wiener, S. 8

29 ebenda, S. 77

30 Runciman, S.1148

31 Stekl, Hannes: Gesellschaft und Architektur. In: Geschichte und Sozialkunde Bd. 6; Salzburg 1980, S. 110

32 ebenda, S. 110

33 Runciman, S. 1148f.

34 ebenda, S. 1151

35 Fedden, Thomson, S. 47

36 Runciman, S. 1149

37 Piper, Otto: Burgenkunde, Bauwesen und Geschichte der Burgen. Neue verbesserte und erweiterte Auflage. Frankfurt/Main 1967, S. 357/362

38 ebenda, S. 357 vgl. Rey «Ètudes sur...» , S. auch: Fedden , Thomson, S. 23

39 Prutz, Hans: Kulturgeschichte der Kreuzzüge. S. 199f.

40 Müller-Wiener, S. 53f. bzw. 61f.

41 Fedden-Thomson, S. 41

42 Piper, S. 255f.

43 Fedden-Thomson, S. 43

44 Marshall, S. 107f.

45 Fedden-Thomson, S. 43

46 Fedden-Thomson, S.82

47 Demurger, Alain: Die Templer. Aufstieg und Untergang. 1120-1314. München 1999. S.218 vgl. Fedden-Thomson, S. 86 und Marshall, S. 101

48 Fedden-Thomson, S. 81

49 ebenda, S. 50

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Geschichte und Funktionen des Baus von Burgen und Festungen
Autor
Jahr
2000
Seiten
14
Katalognummer
V99938
ISBN (eBook)
9783638983716
Dateigröße
482 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Festungen
Arbeit zitieren
Christoph Wagner (Autor:in), 2000, Geschichte und Funktionen des Baus von Burgen und Festungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99938

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