Entdecken Sie die faszinierende Welt der Tetracycline, einer der am häufigsten eingesetzten Antibiotikagruppen, deren Geschichte bis ins Jahr 1947 zurückreicht. Diese Breitspektrum-Antibiotika, ursprünglich aus Streptomyces-Arten isoliert, umfassen Substanzen wie Tetracyclin, Chlortetracyclin und Doxycyclin, die sich durch ein gemeinsames Grundgerüst aus vier annelierten Sechsringen auszeichnen. Tauchen Sie ein in die detaillierte Struktur und das breite Wirkungsspektrum dieser Medikamente, die sowohl grampositive als auch gramnegative Bakterien bekämpfen und insbesondere bei intrazellulären Erregern wirksam sind. Erforschen Sie den komplexen Wirkungsmechanismus, der auf der Hemmung der Proteinbiosynthese durch Bindung an die Ribosomen der Bakterienzellen beruht, und verstehen Sie, warum Tetracycline trotz ihrer breiten Anwendung relativ wenig toxisch für Säugetiere sind. Ein besonderer Fokus liegt auf den vielfältigen Resistenzmechanismen, die die Wirksamkeit von Tetracyclinen zunehmend einschränken, von aktiven Auswärtstransportmechanismen bis hin zu Strukturänderungen der ribosomalen Bindungsstelle, die durch Resistenzplasmide und Transposons vermittelt werden. Erfahren Sie, wie sich diese Resistenzen entwickeln und ausbreiten, und welche Auswirkungen dies auf die klinische Anwendung von Tetracyclinen hat. Abschließend werden die Indikationen für den Einsatz von Tetracyclinen beleuchtet, wobei insbesondere auf ihre Bedeutung bei der Behandlung intrazellulärer Infektionen und bestimmten Hauterkrankungen eingegangen wird, sowie auf die Vorsichtsmaßnahmen, die bei der Anwendung während der Schwangerschaft und bei Kindern zu beachten sind. Dieses Buch bietet einen umfassenden Überblick über Tetracycline, von ihrer Entdeckung und Struktur bis hin zu ihren Wirkmechanismen, Resistenzen und klinischen Anwendungen, und ist somit eine unverzichtbare Ressource für alle, die sich mit Antibiotika und bakteriellen Infektionen auseinandersetzen.
Tetracycline und deren Resistenzmechanismen
1. Struktur von Tetracyclinen
Nach Cephalosporinen und Penicillien sind Tetracyclin derzeit die meistgebrauchten Antibiotika. Tetracyclin war die erste Hauptgruppe von Antibiotika, zu den der Ausdruck "Breitspektrum"-Antibiotikum gebraucht wurde.
Die aus vier Streptomyces-Arten (deren Stoffwechselprodukte) isolierten Antibiotika der Tetracyclin-Gruppe:
a) Tetracyclin
b) Chlortetracyclin
c) Oxytetracyclin
d) Demeclocyclin sowie deren partialsynthetisch gewonnenen Derivate
e) Doxycyclin und
f) Minocyclin
besitzen ein gemeinsames Grundgerüst aus vier annelierten Sechsringen (polyzyklisches Naphthacen) und unterscheiden sich in ihrer chemischen Struktur nur durch verschiedene Substituenten an C5, C6 und C7.
Das erste Tetracyclin (Chlortetracyclin, auch im medizinischen als Aureomycin genannt) wurde 1947/48 aus Streptomyces aureofiens isoliert. Zwei Jahre später folgte das Oxytetracyclin (Terramycin) und das Tetracyclin. Doxycyclin wurde im Jahre 1966 und Minocyclin 1972 eingeführt.
Tetracycline verteilen sich im gesamten Organismus und reichern sich in tiefen Kompartimenten wie Knochen und Zähnen an. Sie bilden Tetracyclin-Metall-Chelate.
2. Wirkungsspektrum
Tetracycline wirken bakteriostatisch (hemmen nicht abtöten!) auf grampositive (Streptokokken, incl. Pneumokokken) und zahlreiche gramnegative Bakterien (Neisseien, Francisella, Haemophilus,...) sowie Spirochäten (Borrelien, Treponemen). Klinisch relevant ist insbesondere ihre Wirkung gegen intrazelluläre Keime (z.B. Mykoplasmen).
Die Empfindlichkeit verschiedener Erreger ist dabei verschieden.
Mykobakterien weisen dabei meist nur eine geringe Empfindlichkeit gegen Tetracycline auf, so dass Tetracycline bei der Tuberkulosebehandlung allenfalls als Reserveantibiotika gelten können.
3. Wirkungsmechanismus
Tetracycline sind Hemmstoffe der Proteinbiosynthese (Inhibitoren). Sie binden an die kleine (30S) Ribosomen-Untereinheit des 70S-Ribosoms der Prokaryonten und verhindern die Anlagerung des Aminoacyl-tRNA-Komplexes an die ribosomale Akzeptorstelle (A-Site). Dies führt zur Hemmung der Elongation wachsender Peptidketten. Daneben bewirken Tetracycline eine Hemmung der Zellwand- Biosynthese.
Sobald das Tetracyclin an das Ribosom bindet ändert sich die chemische Reaktivität innerhalb des Ribosoms, so dass es nicht weiterhin Aminoacyl-tRNA aufnehmen kann (Funktion eines Inhibitors).
T. sind vom Wirkungsmechanismus her relativ wenig toxisch für Säugetiere, da ihre Affinität zur Hemmung der bakteriellen Proteinbiosynthese höher ist als die zu entsprechenden Reaktionen eukaryontischer Zellen.
Mit Ausnahme von Minocyclin besteht innerhalb der Tetracycline Kreuzresistenz. Dies bedeutet eine Resistenz gegen zwei oder mehr Antibiotika, die untereinander chemisch verwandt sind und/oder den gleichen Wirkungsmechanismus besitzen. Bei der Gruppe der Tetracyclin beruht dies auf beidseitiger Kreuzresistenz.
4. Resistenzmechanismen
Das große Spektrum der Wirkungen wird allerdings durch das Vorliegen primär resistenter Stämme (bis zu 60%) erheblich eingeengt. Die Entwicklung einer sekundären Resistenz ist selten.
Auf einem Bauernhof vor Boston wurde eine Hälfte der 3-monate alten Küken mit Oxytetracyclin (200g/Tonne Futter) gefüttert. Zwei Befunde waren nach einer Weile offensichtlich: (1) Die Eingeweideflora der Küken wechselte rasch von Tetracyclin- sensitive zu Tetracyclin-resistent, obwohl es keine offensichtlichen Änderungen in den Arten von Bakterien gab. (2) Während fortgesetzter täglicher Tetracyclin-Fütterung schieden die Küken Bakterien aus, die sowohl gegen andere Antibiotika als auch gegen Tetracyclin immun sind. Am Ende der 12. Woche wurden Resistenzen gegen Streptomycin, Sulfonamid, Ampicillin, Carbenicillin und auch Tetracyclin nachgewiesen. Etwa 5 Monate nach Einführung des Antibiotikums auf dem Bauernhof wurde auch eine hohe Anzahl von beständigen fekal-Bakterien bei den etwa 500 Fuß von der Küken-Scheune entfernten Menschen gefunden. Keine dieser Personen nahmen ein Antibiotikum.
Tetracyclin-resistente Bakterien wurden zum ersten Mal 1953 von Shigella dysenteriae isoliert. Seitdem wurden Tetracyclin-resistente Bakterien in einer wachsenden Zahl von Arten und Gattungen gefunden. Dies hat über die Zeit zu reduzierter Wirksamkeit von Tetracyclin-Therapien geführt. Spezifische Tetracyclin-Resistenzgene wurden in 32 Gram-negativen und 22 Gram-positiven Gattungen identifiziert.
Für einen antimikrobiellen Effekt ist eine intrazelluläre Anreicherung von Antibiotika in den Bakterienzellen erforderlich.
Diese wird bei resistenten Bakterien durch einen aktiven Auswärtstransport verhindert.
Daneben kann Tetracyclin-Resistenz auf einer Strukturänderung der ribosomalen Bindungsstelle beruhen. Die genetischen Informationen dazu sind auf Resistenzplasmiden (kleine Ringe zusätzlichen Erbmaterials aus doppelsträngiger DNA für Gene) kodiert, die die Resistenz chromosomal und auch extrachromosomal übertragen. Vielfach wird einfach ein Plasmid als Spende von einer Zelle zur anderen weitergegeben.
In anderen Fällen übert ragen auch Viren solche Gene. gelegentlich kommt es zudem vor, dass Bakterien sich freigewordenes Erbmaterial von toten, zerfallenden Mikroben einverleiben. Für den zweiten und dritten Mechanismus ist entscheidend, dass das fremde Gen entweder ins Chromosom oder in ein Plasmid fest eingebaut wird. Dies geschieht häufig, weil Resistenzgene oft in Transposons eingebaut sind: kleine DNAEinheiten, die dazu neigen, auf andere Erbmoleküle zu springen, und sich dort leicht einfügen. Bestimmte Transposons scheinen neue Gene geradezu gierig einzufangen und dann beim Wechsel auf ein anderes Plasmid mit sich zu tragen.
Ein bekanntes Tetracyclin-resistentes Gen ist auf einem zusammengesetzten Transposon (Tn10) codiert. Zusammengesetzte Transposons beinhalten mehrere verschiedene Gene und sind 2000 bis 4000 bp lang. So enthält zum Beispiel der Tn3 -Transposon das Resistenzgen für Ampicillin (ampR) und der Tn10-Transposon u.a. ein Resistenzgen für Tetracyclin (tetR).
Jedes dieser Transposons enthält ein Gen, das für eine Transposase codiert, ein Enzym, das die Reaktionen zur Öffnung und Verbindung von DNA durchführt, die für das Springen des Transposons nötig sind. Jedes Transposon trägt auch DNA-Sequenzen (rot), die nur von der von diesem Transposon codierten Transposase erkannt werden und ebenfalls für das Springen nötig sind. Man nimmt an, dass Tn10 dadurch entstanden ist, dass zufällig zwei kleine Transposons auf jeder Seite eines Tetracyclin- Resistenzgens gelandet sind.
Viele Tetracyclin-Resistenzen (auch auf Minocyclin und Doxycyclin) von Gram- negativen Bakterien werden oft als Erworben gemeldet. Dies tritt v.a. dann auf, wenn Bakterien auf Plasmide treffen, die ein aktives Abflusssystem codieren, was allerdings nicht bei allen Tetracyclinen funktioniert. Es ist zum Beispiel auch möglich, dass Tetracyclin normal transportiert wird und dann rasch aus dem Bakterium herausgepumpt wird.
5. Indikationen
Die Anwendbarkeit der Tetracycline - vor allem in der Klinik - hat aufgrund der Resistenzzunahme bei zahlreichen Bakterienstämmen abgenommen, doch sind sie noch immer Mittel der Wahl zur Behandlung intrazellulärer Infektionen. Tetracycline sind säurestabil und können daher oral verabreicht werden. Sie sind indiziert zur Therapie von akuten Schüben chronischer Bronchitiden (häufige Beteiligung von ß-Lactamasebildern) sowie bestimmten Hautkrankheiten (z.B. Akne, Rosacea).
Darüber hinaus sind T. eine Alternative, wenn Penicilline aus verschiedenen Gründen (Resistenz, Unverträglichkeit) nicht verordnet werden können.
Wegen irreversiblen Veränderungen der Zähne und eventueller Störungen des Längenwachstums sollen Tetracycline während der Schwangerschaft sowie Kindern bis zum 8. Lebensjahr nicht gegeben werden. Dies beruht darauf, dass Tetracycline mit Ca++ Chelate bilden könne n.
Sie überqueren jedoch die Blutgehirnbarriere nicht, so dass sie nicht verwendet werden können, um Meningitis zu behandeln.
Neben der human- und veterinärmedizinschen Anwendung werden v.a. Chlortetracyclin und Oxytetracyclin immer noch in vielen Ländern in großem Umfang als nutritive Antibiotika in der geflügel- und Schweinezucht eingesetzt, in einigen Ländern außerdem zur Konservierung von Fisch, Fleisch und Geflügel. Wegen der Resistenz- und Rückstandsproblematik ist der Einsatz für diese Zwecke in de r BRD verboten.
Quellennachweis
- FEMS Microbiology Reviews 19 (1996)
- Antibiotics I - Mechanism of Action, David Gottlieb und Paul D. Shaw, Springer Verlag
- Antibiotic Resistance Genes: Ecology, Transfer and Expression, Cold Spring Harbor Laboratory, 1986
- Arzneimittelwirkungen; Ernst Mutschler; Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart (4. und 7. Auflage)
- Pharmakologie und Toxikologie; Oberdisse, Hackenthal und Kuschinsky; Springer-Verlag
- Spektrum der Wissenschaft, Mai 1998 und Juli 1997
- Microbiology - Essentials and Applications; Larry Mc/Kane/Judy Kandel; 2.Edition, 1996
- Lehrbuch der molekularen Zellbiologie; B. Alberts et al.; Wiley-VCH, Weinheim 1999
Häufig gestellte Fragen zu Tetracyclin und deren Resistenzmechanismen
Was sind Tetracycline?
Tetracycline sind eine Gruppe von Breitspektrum-Antibiotika, die aus Streptomyces-Arten isoliert oder partialsynthetisch gewonnen werden. Bekannte Beispiele sind Tetracyclin, Chlortetracyclin, Oxytetracyclin, Demeclocyclin, Doxycyclin und Minocyclin. Sie haben ein gemeinsames Grundgerüst aus vier annelierten Sechsringen (polyzyklisches Naphthacen) und unterscheiden sich in ihren Substituenten an C5, C6 und C7.
Wie wirken Tetracycline?
Tetracycline wirken bakteriostatisch, indem sie die Proteinbiosynthese in Bakterien hemmen. Sie binden an die 30S-Ribosomen-Untereinheit des 70S-Ribosoms und verhindern die Anlagerung des Aminoacyl-tRNA-Komplexes an die Akzeptorstelle (A-Site), was die Elongation wachsender Peptidketten hemmt. Zusätzlich können sie die Zellwandbiosynthese hemmen.
Gegen welche Bakterien sind Tetracycline wirksam?
Tetracycline wirken gegen grampositive (z.B. Streptokokken) und gramnegative Bakterien (z.B. Neisseien, Francisella, Haemophilus) sowie Spirochäten (z.B. Borrelien, Treponemen). Besonders relevant ist ihre Wirkung gegen intrazelluläre Keime (z.B. Mykoplasmen).
Was sind die Hauptresistenzmechanismen gegen Tetracycline?
Es gibt mehrere Resistenzmechanismen. Ein wichtiger Mechanismus ist der aktive Auswärtstransport von Tetracyclin aus der Bakterienzelle, der eine intrazelluläre Anreicherung des Antibiotikums verhindert. Ein weiterer Mechanismus ist die Strukturänderung der ribosomalen Bindungsstelle. Diese Resistenzen werden oft durch Resistenzgene auf Plasmiden oder Transposons übertragen.
Was bedeutet Kreuzresistenz bei Tetracyclinen?
Kreuzresistenz bedeutet, dass eine Resistenz gegen ein Tetracyclin in der Regel auch eine Resistenz gegen andere Tetracycline zur Folge hat (mit Ausnahme von Minocyclin). Dies liegt daran, dass die Resistenzmechanismen oft gegen mehrere Tetracycline gleichzeitig wirken.
Wann werden Tetracycline eingesetzt (Indikationen)?
Trotz zunehmender Resistenzen werden Tetracycline noch immer zur Behandlung intrazellulärer Infektionen eingesetzt. Sie können oral verabreicht werden und sind indiziert bei akuten Schüben chronischer Bronchitiden und bestimmten Hautkrankheiten (z.B. Akne, Rosacea). Sie sind auch eine Alternative, wenn Penicilline nicht verordnet werden können.
Wann dürfen Tetracycline nicht eingesetzt werden?
Tetracycline sollten während der Schwangerschaft und bei Kindern unter 8 Jahren nicht angewendet werden, da sie irreversible Veränderungen der Zähne und Störungen des Längenwachstums verursachen können. Dies beruht darauf, dass Tetracycline mit Ca++ Chelate bilden.
Wie verbreitet sich Tetracyclin-Resistenz?
Tetracyclin-Resistenzgene können durch Plasmide, Transposons und sogar Viren zwischen Bakterien übertragen werden. Häufig sind Resistenzgene in Transposons eingebaut, die leicht auf andere Erbmoleküle "springen" und sich dort einfügen können.
- Quote paper
- Nicole Forster (Author), 2000, Antibiotika - Tetracycline und deren Resistenzmechanismen beim Menschen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99936