Mobbing und Gewalt stellen ein Phänomen dar, das für Kinder und Jugendliche von großer Bedeutung ist und zudem auch auf mediales Interesse stößt, insbesondere dann, wenn dies sehr drastische Formen annimmt. Daher soll sich die vorliegende Arbeit mit der Frage beschäftigen, inwieweit die Auseinandersetzung mit diesen Themen anhand von Jugendliteratur und Jugendmedien in den Deutschunterricht integriert werden kann.
Um sich der Thematik anzunähern, wird zunächst das Phänomen der Jugendgewalt untersucht, da hieran ersichtlich wird, dass dies ein ernstzunehmendes Problem darstellt. Hierfür wird eine Definition des Gewaltbegriffes vorgenommen, bei dem auch verbale Aggressionen als eine Form von Gewalt angesehen wird, da dies aufgrund der Häufigkeit für den schulischen Alltag und somit für das Leben der Kinder und Jugendlichen als besonders relevant gilt. Daran anknüpfend sollen zunächst Mobbing und Cybermobbing hinsichtlich ihrer Verbreitung unter Jugendlichen, aber auch deren Formen und Auswirkungen untersucht werden.
Anschließend wird die wohl drastischste Form schulischer Gewalt, der Amoklauf, thematisiert. Hierbei sind übereinstimmende Persönlichkeitsmerkmale vergangener Täter insofern von Bedeutung, als dass sie als Warnsignale für andere Schüler fungieren können und somit einen präventiven Wert aufweisen.
Darauf aufbauend wird diskutiert, inwieweit sich das Fach Deutsch für eine Thematisierung dieser Phänomene im Unterricht eignet, wobei sowohl curriculare Vorgaben, als auch fachwissenschaftliche Ansätze berücksichtigt werden. Im Fokus der Betrachtung steht dabei die literarische Gattung des Jugendromans, aber auch die Bedeutung audiovisueller Medien für den Deutschunterricht. Nachdem das Fach Deutsch grundsätzlich für Thematisierung von Mobbing und Gewalt in ihren unterschiedlichen Formen als geeignet betrachtet wird, erfolgt die dahingehende Analyse von Werken der Jugendliteratur und Jugendmedien. Die Werke wurden ausgewählt, da sie sowohl unterschiedliche Formen von Mobbing und Gewalt als Schwerpunkt aufweisen, aber auch für unterschiedliche Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I verwendet werden können. Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, dass sich sowohl Jugendliteratur als auch Jugendmedien dafür eignen, Mobbing und Gewalt im Deutschunterricht zu thematisieren und Möglichkeiten der Prävention bieten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Jugendgewalt
2.1 Der Gewaltbegriff
2.2 Mobbing
2.3 Cybermobbing
2.4 Amoklauf
3. Die Thematisierung von Mobbing und Gewalt im Deutschunterricht
4. Morton Rhue – Ich knall euch ab!
4.1 Inhalt und Aufbau
4.2 Mobbing und Gewalt innerhalb des Jugendromans
4.3 Suizid-, Rache- und Tötungsfantasien
4.4 Der Aspekt der Untätigkeit
4.5 Der Amoklauf und die Motivation der Täter
4.6 Morton Rhues Jugendroman als Appell für ein Ende der Jugendgewalt?
4.7 Ich knall euch ab! im Deutschunterricht
5. Raquel J. Palacio - Wunder
5.1 Inhalt und Aufbau
5.2 Beleidigungen und soziale Isolation aufgrund von Andersartigkeit
5.3 Mut zur Akzeptanz und Toleranz von Andersartigkeit und die Fokussierung der inneren Werte
5.4 Freundlichkeit und ein gutes Miteinander
5.5 Die Verfilmung des Jugendbuches
5.6 Wunder im Deutschunterricht
6. Homevideo
6.1 Inhalt
6.2 Formen und Auswirkungen des Cybermobbings
6.3 Die Darstellung des Suizids
6.4 Homevideo im Deutschunterricht
7. Fazit
Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Mobbing und Gewalt stellen ein Phänomen dar, das für Kinder und Jugendliche von großer Bedeutung ist und zudem auch auf mediales Interesse stößt, insbesondere dann, wenn dies sehr drastische Formen annimmt. Daher soll sich die vorliegende Arbeit mit der Frage beschäftigen, inwieweit die Auseinandersetzung mit diesen Themen anhand von Jugendliteratur und Jugendmedien in den Deutschunterricht integriert werden kann.
Um sich der Thematik anzunähern, wird zunächst das Phänomen der Jugendgewalt untersucht, da hieran ersichtlich wird, dass dies ein ernstzunehmendes Problem darstellt. Hierfür wird eine Definition des Gewaltbegriffes vorgenommen, bei dem auch verbale Aggressionen als eine Form von Gewalt angesehen wird, da dies aufgrund der Häufigkeit für den schulischen Alltag und somit für das Leben der Kinder und Jugendlichen als besonders relevant gilt. Daran anknüpfend sollen zunächst Mobbing und Cybermobbing hinsichtlich ihrer Verbreitung unter Jugendlichen, aber auch deren Formen und Auswirkungen untersucht werden. Dabei wird auf eine Beschreibung klassischer Opfer-/ Tätermerkmale verzichtet, da dies für die Prävention von Mobbing nicht als relevant erachtet wird, sondern durch Stereotypenbildung Mobbing vielmehr begünstigt werden könnte.
Anschließend wird die wohl drastischste Form schulischer Gewalt, der Amoklauf, thematisiert. Hierbei sind übereinstimmende Persönlichkeitsmerkmale vergangener Täter insofern von Bedeutung, als dass sie als Warnsignale für andere Schüler fungieren können und somit einen präventiven Wert aufweisen.
Darauf aufbauend wird diskutiert, inwieweit sich das Fach Deutsch für eine Thematisierung dieser Phänomene im Unterricht eignet, wobei sowohl curriculare Vorgaben, als auch fachwissenschaftliche Ansätze berücksichtigt werden. Im Fokus der Betrachtung steht dabei die literarische Gattung des Jugendromans, aber auch die Bedeutung audiovisueller Medien für den Deutschunterricht. Nachdem das Fach Deutsch grundsätzlich für Thematisierung von Mobbing und Gewalt in ihren unterschiedlichen Formen als geeignet betrachtet wird, erfolgt die dahingehende Analyse von Werken der Jugendliteratur und Jugendmedien. Diese Werke wurden ausgewählt, da sie sowohl unterschiedliche Formen von Mobbing und Gewalt als Schwerpunkt aufweisen, aber auch für unterschiedliche Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I verwendet werden können.
Der Einstieg hierfür erfolgt mit Morton Rhues Jugendroman Ich knall euch ab!, der einen Amoklauf thematisiert . Nach einer kurzen Darstellung des Inhalts sowie des Aufbaus des Romans werden exemplarisch Textstellen untersucht, die für eine unterrichtliche Auseinandersetzung relevant sind. So soll zunächst der Fokus auf der Darstellung von Mobbing und Gewalt innerhalb des Jugendromans liegen, bei der besonders auch die Auswirkungen verbaler Gewalt berücksichtigt werden. Des Weiteren werden von den späteren Tätern ausgehende Fantasien über Rache, Suizid und Tötung Anderer herausgearbeitet sowie die diesbezügliche Untätigkeit ihrer Umwelt. Da die Motive der Täter innerhalb des Textes nicht klar benannt sind, werden diese gesondert nachvollzogen. Letztlich wird überprüft, ob die vom Autor intendierte Wirkung des Buches als ein Appell für ein Ende der Jugendgewalt erreicht wird und daran anschließend die Eignung des Jugendromans für den Deutschunterricht diskutiert, wobei auch zu hinterfragende Botschaften nachweisbar sind.
Das von Raquel J. Palacio verfasste Jugendbuch Wunder bildet den Gegenstand der darauffolgenden Untersuchung. Nach einem inhaltlichen Überblick werden werkimmanente Formen des Mobbings vor dem Hintergrund der Andersartigkeit des Protagonisten aufgezeigt und besonders die Aspekte der Toleranz und Akzeptanz sowie die Bedeutung eines guten und freundlichen Miteinanders betont, da diese als Ideal den Mehrwert eines Miteinanders ohne Mobbing verdeutlichen.
Auch die auf dem Jugendbuch basierende Verfilmung wird aufgegriffen, wenngleich dabei auf eine detaillierte Untersuchung verzichtet wird, um den Umfang dieser Arbeit einzuhalten. Darüber hinaus orientiert sich der Film nah am Text, was eine erneute Analyse der wesentlichen Aspekte überflüssig macht. Nach einer abschließenden Überprüfung der Eignung für den Deutschunterricht wird als letztes Werk der Film Homevideo thematisiert, der zentral das Phänomen des Cybermobbings behandelt. Auch hierbei soll der Inhalt kurz dargelegt werden, um dann die im Film ersichtlichen Formen von Cybermobbing und deren Auswirkungen zu untersuchen. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Suizid des Protagonisten am Ende des Films zu. Aufgrund der Risiken, die eine Visualisierung einer suizidalen Handlung mit sich bringt, soll diese abschließende Szene genauer betrachtet werden, um letztlich auch die Eignung von Homevideo für den Deutschunterricht zu diskutieren.
Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, dass sich sowohl Jugendliteratur als auch Jugendmedien dafür eignen, Mobbing und Gewalt im Deutschunterricht zu thematisieren und Möglichkeiten der Prävention bieten.
2. Jugendgewalt
In der Bundesrepublik Deutschland handelte es sich bei 177.431 Straftaten im Jahr 2018 um tatverdächtige Jugendliche, was einem Anteil von 8,6% an allen erfassten Straftaten entspricht. Werden noch Kinder im Alter zwischen zehn bis 14 Jahren (2,7%) und junge Heranwachsende im Alter zwischen 18 und 21 (9%) berücksichtigt, ergibt sich ein Anteil von 20,3%1. Diese Zahlen belegen, dass Jugendkriminalität und jugendliche Gewalt ein zentrales Thema einnehmen. Ein Blick auf die begangenen Straftaten verstärkt dies noch: bei 14,3% handelte es sich um einfache, vorsätzliche, bei 10% um gefährliche und schwere Körperverletzung2. Somit ist knapp jedes vierte strafrechtliche Vergehen Jugendlicher auf Körperverletzung zurückzuführen, der wohl offenkundigsten Form jugendlicher Gewalt. Die Dunkelziffer dürfte hierbei noch drastisch höher ausfallen. Martin Kohn betont, dass etwa 80% der Gewaltvorfälle aus Scham oder Selbstzuweisung der Schuld nicht angezeigt würden3. Auch wenn die polizeiliche Kriminalstatistik einen stetigen Rückgang jugendlicher Straftaten in den vergangenen Jahren verzeichnet4, bleibt das Thema Gewalt, nicht zuletzt aufgrund der medialen Präsenz, von großer Bedeutung für das Leben Jugendlicher. Oertel und Melzer beschreiben Gewalt, Mobbing und Ausgrenzung als wichtige Probleme der Schüler, wenngleich diese medial aufgebauscht seien. Vor allem Gewalt sei ein Jungenphänomen und je härter die Gewalt, desto größer seien die Unterschiede zwischen den Geschlechtern5. Auch Kohn beschreibt Geschlechterunterschiede bei Gewalttaten und führt dies darauf zurück, dass Jungen ihre Aggressionen eher nach außen transportieren, während Mädchen zu Autoaggression gegen den eigenen Körper tendierten. Er betont allerdings einen Anstieg der von Mädchen begangenen Gewalthandlungen und erwähnt, dass die Dunkelziffer hierbei noch höher sei6.
Sich im schulischen Kontext allerdings nur auf rein körperliche Gewalt zu fokussieren, wäre fatal, da dies zwar ebenfalls einen wichtigen Teil (negativer) Schüler-Schüler-Interaktion ausmacht, die verbalen Angriffe und Beleidigungen im Schulalltag jedoch häufiger auftreten. Aus diesem Grund soll zunächst der Gewaltbegriff, der dieser Arbeit zugrunde liegt, genauer definiert werden.
2.1 Der Gewaltbegriff
Der Gewaltbegriff kann unterschiedlich eng definiert werden. Nach Tillmann ist eine minimale Definition des Begriffes, der Gewalt als körperliche Attacke mit physischen Folgen beschreibt, nicht ausreichend, da zum einen Beschimpfungen wesentlich häufiger im schulischen Kontext stattfänden als körperliche Auseinandersetzungen, aber auch der Schaden, welchen verbale Attacken anrichten können, außer Acht gelassen werde. Deshalb müsse im schulischen Umfeld sowohl körperliche als auch verbale Gewalt berücksichtigt werden, die zielgerichtet mit einer Schadensabsicht ausgeführt werde7. Auch die Tatsache, dass gewaltsamen Auseinandersetzungen häufig verbale Konflikte vorausgehen, spricht für eine Berücksichtigung dieser im Gewaltbegriff.
Allerdings umfasst dies lediglich Situationen, in denen ein Opfer direkt von einem Täter angegangen wird, und lässt Handlungen, die dem Opfer indirekt schaden, unberücksichtigt. Da jedoch auch systematisches Ausgrenzen, Ignorieren oder das Verbreiten von Gerüchten häufig in der Schule praktiziert werden8, sollten auch diese berücksichtigt werden. Daher wird die Erweiterung des Gewaltbegriffs nach Kohn befürwortet, der Mobbing, Cybermobbing, Prügeleien und Amokläufe subsumiert9, da dies sowohl physische, verbale als auch psychische Gewalt umfasst.
2.2 Mobbing
Mobbing ist „eine wiederholte, aggressive Verhaltensweise, die darauf abzielt, Schaden zu verursachen und gegen jemanden gerichtet ist, der körperlich oder psychisch schwächer ist“10. Dabei müsse zwischen direktem Mobbing, also offenen Angriffen, die verbal oder physisch erfolgen und indirektem Mobbing, versteckten Handlungen, wie das Verbreiten von Gerüchten und das systematische Ausschließen von Aktivitäten oder sozialen Gruppen, unterschieden werden. Dieses Phänomen sei von der Grundschule bis hin zur Oberstufe vorzufinden11. Auffallend an dieser Definition des Mobbingbegriffes ist insbesondere die Tatsache, dass ein Machtgefälle zwischen Täter und dem unterlegenen Opfer vorliegt, welches sich häufig auch durch körperliche Über-/ Unterlegenheit auszeichnet. Typologien etwaiger Mobbingopfer, wie diese Kohn anführt12, sind allerdings nicht als zielführend zu erachten, da dies nicht hinreichend pauschalisierbar ist.
Nolting beschreibt Mobbing in der Schule als Gruppenphänomen, bei dem es zwar einen Antreiber gäbe, meist aber in einer Clique gemobbt werde13.
Zu Formen des Mobbings gehören nach Kohn körperliche Gewalt, Diebstahl, Erpressung, Zerstörung von (schulrelevantem) Eigentum, Ausgrenzung, Auslachen und das Verbreiten von Gerüchten. Dabei ließen sich beim Mobbing verschiedene Stufen skizzieren, wenngleich nicht alle Stufen durchlaufen werden müssten: Die Schädigung des Ansehens des Opfers, das Unterbinden der Kommunikation mit anderen Kindern und Jugendlichen, die Beschädigung sozialer Beziehungen und der körperliche Angriff14.
Weltweit gaben etwas mehr als ein Drittel der Schülerinnen und Schüler15 an, von Mobbing betroffen gewesen zu sein und etwa genauso viele, in körperliche Konflikte verwickelt gewesen zu sein16. Eine PISA-Studie aus dem Jahr 2015 gibt an, dass in Deutschland etwa 16% der Schülerinnen und Schüler berichteten, wenigstens einige Male im Monat Opfer von Mobbing gewesen zu sein, weitere 9% sagten aus, dass andere sich wiederholt über sie lustig gemacht hätten17. In der Forschungsliteratur ist die Zahl der von Mobbing betroffenen Schüler mit etwa 4% häufig geringer beziffert18. Die Unterschiede lassen sich meist auf die zugrunde liegende Definition von Mobbing zurückführen. Dennoch bedeutet auch dieser vergleichsweise geringe Prozentsatz betroffener Schüler, dass bereits ab einer Klassengröße von 25 Schülern durchschnittlich ein Schüler betroffen ist. Somit wird deutlich, dass Mobbing nicht nur ein Randphänomen darstellt, sondern ein ernstzunehmendes Thema im Alltag der Schüler ist.
Dies bestätigt auch der Forschungsbericht von Baier et al.. Nachfolgend sollen die daraus hervorgegangenen Ergebnisse von Schulgewalt sowohl aus der Perspektive der Täter als auch der Opfer dargestellt werden. Befragt wurden die Schüler nach ausgeübter und erfahrener Gewalt im vergangenen Schulhalbjahr.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Vgl. Baier, Dirk et al.: Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt. Erster Forschungsbericht zum gemeinsamen Forschungsprojekt des Bundesministeriums des Innern und des KFN. Hannover: KFN 2009, S. 87.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Vgl. ebd., S.58.
Auffällig ist, dass verbale Gewalt den größten Teil einnimmt und auch am häufigsten mehrmals pro Woche erfolgt. Diese Häufung von mehreren Übergriffen in der Woche weist bereits auf Mobbing hin. Wenngleich die Zahlen über einmaliges Auftreten im vergangenen Schulhalbjahr nicht gleichzusetzen mit Mobbing sind, da die Komponente der Wiederholung nicht gegeben ist, belegen sie dennoch die alltägliche Präsenz sowohl physischer als auch psychischer Gewalt an deutschen Schulen. Auch Oertel und Melzer weisen darauf hin, dass psychische und verbale Gewalt in Form von Beleidigungen und Herabwürdigungen entgegen der landläufig geltenden Meinung deutlich häufiger vorkommen, als physische Gewalt19, was sich durch die zuvor angeführten Zahlen bestätigen lässt.
Dies erlangt insbesondere dadurch Bedeutung, dass bei Beleidigungen und verbalen Aggressionen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede existieren20. Somit lässt sich auch Mobbing als Phänomen beschreiben, von dem sowohl Jungen als auch Mädchen gleichermaßen betroffen sind.
Die Folgen können für die betroffenen Personen drastische Ausmaße einnehmen. Kohn beschreibt psychosomatische Beschwerden, den Verlust des Selbstvertrauens, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Schlafstörungen als Folgen von Mobbing, die auch erst Jahre später bei den Opfern auftreten könnten. Darüber hinaus seien auch depressive Tendenzen möglich21. „Man geht davon aus, dass jeder fünfte Selbstmord durch Mobbing ausgelöst wird.“22 Zwar gäbe es nach Bründl keinen kausalen Zusammenhang zwischen Suizid und Mobbing, allerdings könne Mobbing oder Kränkungen durch Mitschüler Suizidgedanken hervorbringen23.
Auch wenn sich kein kausaler Zusammenhang zwischen Mobbing und Suizid aufzeigen lässt, bleibt die Schwere der (psychischen) Folgen für das Opfer bestehen. Diese können dauerhafte und ernstzunehmende Auswirkungen auf das Leben der jeweiligen Personen mit sich bringen.
2.3 Cybermobbing
„Lächerlich gemacht und ausgegrenzt zu werden, bedroht und beleidigt zu werden - das ist schon auf dem Schulhof oder im Klassenzimmer schwer zu ertragen. Geschieht das in sozialen Netzwerken, entzieht sich dieses Verhalten zum einen der Aufmerksamkeit von Lehrern, wirkt zum anderen hundertfach weiter und ist überdies mit dem Ende des Schultages nicht abgeschlossen.“24
Cybermobbing stellt gewissermaßen eine Erweiterung des traditionellen Mobbings dar. Wie auch das traditionelle Mobbing lässt sich Cybermobbing nach Peter und Petermann in direkt (privat) und indirekt (öffentlich) unterteilen25. Neu am Cybermobbing ist allerdings, dass sich das Opfer diesem nur sehr schwer entziehen kann. Dies ist zwar auch bei traditionellem Mobbing der Fall, allerdings ist dies stark auf den schulischen Raum begrenzt und endet häufig mit dem Verlassen der Schule nach Unterrichtsschluss. Durch die weite Verbreitung neuer Medien, der Vielzahl der Schüler, die ein Smartphone besitzen, sowie die Verwendung sozialer Medien, sind die Opfer diesem nahezu immer und überall ausgesetzt. Das Argument, dass man sich Cybermobbing durch das Löschen sozialer Netzwerke oder internetbasierter Kommunikationsdienste entziehen könne, ist nicht vertretbar, da hierüber ein großer Teil der Interaktion zwischen Kindern und Jugendlichen stattfindet. Daran nicht teilzunehmen verstärkt vor allem die soziale Isolation einzelner und kann keinesfalls als zielführend für die Beendigung von Cybermobbing sein. Dahingehend argumentieren auch Peter und Petermann, die anführen, dass „viele Kinder und Jugendliche Mitglied der sozialen Netzwerke sind, ‚weil es alle machen‘ und dadurch ein sozialer Druck entsteht.“26
Cybermobbing kann verschiedene Formen annehmen, die teilweise dem traditionellen Mobbing stark ähneln. So können auch Beleidigungen, Schikane und Ausgrenzung bei der Nutzung moderner Kommunikationsmittel auftreten. Darüber hinaus sind allerdings auch Identitätsdiebstahl und damit einhergehend das Auftreten unter falscher Identität möglich sowie das Verlinken, das sog. Photoshopping und auch das Happy Slapping27. Das Photoshopping gelte als beliebte Methode des Cybermobbings, bei der der Täter Fotos des Opfers mit beleidigenden Kommentaren versieht, bearbeitet oder verunstaltet und anschließend veröffentlicht, um dem Opfer zu schaden28. Das Happy Slapping (zu Deutsch: belustigendes Schlagen) sei hingegen eine speziellere Form des Cybermobbings, welche allerdings immer häufiger auftrete. Dabei wird ein Opfer von einem oder mehreren Tätern körperlich angegriffen, der Angriff gefilmt und im Internet veröffentlicht29.
Die Zahlen zur Auftretenshäufigkeit von Cybermobbing variieren stark, was überwiegend auf unterschiedliche Definitionskriterien zurückzuführen ist. „Eigene Studien […] zeigten, dass rund 20% der befragten SchülerInnen der Klassenstufen 7 bis 10 in Cybermobbing involviert waren. Das heißt, rund jeder fünfte Schüler war entweder Opfer, Täter oder sog. Täter-Opfer von Cybermobbing.“30 Aufgrund dieser angeführten Zahlen wird ersichtlich, welche Bedeutung Cybermobbing im Alltag der Jugendlichen besitzt.
Eine Studie aus Großbritannien zeigt, dass nur wenige Cybermobbing erfahren haben, ohne auch offline gemobbt zu werden31. Die starke Verbindung zwischen Online-Mobbing und Personen-Mobbing lässt sich auch anderweitig aufzeigen32. Wenngleich traditionelles Mobbing etwa doppelt so häufig aufträte wie Cybermobbing, skizzieren auch Peter und Petermann eine Überlappung beider Phänomene. Darüber hinaus seien häufiger auch Opfer von Mobbing selbst Täter, da eventuell die Komponente der Körperkraft in der virtuellen Welt keine Rolle spielt und sich ihnen somit die Möglichkeit biete, sich zu rächen33. Dahingehend argumentiert Kohn, dass etwa die Hälfte der Verursacher von Cybermobbing Mitschüler des Opfers seien34, was das gleichzeitige Auftreten beider Formen des Mobbings begünstigt.
Allerdings kommt beim Cybermobbing nach Peter und Petermann den Zuschauern/Mitschülern eine große Bedeutung zu, wenn es um die Aufrechterhaltung oder die Beendigung von Cybermobbing geht35, da diese dem Täter überhaupt erst den Raum eröffnen, um insbesondere das indirekte (öffentliche) Mobbing in digitalen Medien auszuüben. Dies betonen auch Schultze-Krumbholz et al., da Cybermobbing nur durch das Verbreiten und Weiterleiten von Inhalten andauere. Die durch das Internet potenziell unendliche Verbreitung stelle für das Opfer einen belastenden Faktor dar, der zu Unsicherheit und sozialem Rückzug führen könne36.
Obwohl sich aufgrund der Mängel an Längsschnittstudien keine kausalen Zusammenhänge für die Folgen von Cybermobbing aufzeigen ließen, können dennoch depressive Symptome, das Gefühl von Wut und Traurigkeit, eine hohe emotionale Belastung sowie Angst, Einsamkeit und Stress als mögliche Folgen von Cybermobbing hervorgehoben werden und auch Suizidgedanken seien möglich37. „Diese teils massiven Folgen von Cybermobbing zeigen deutlich, dass konkreter und akuter Handlungsbedarf besteht. […] Cybermobbing [kann] starke Auswirkungen auf die psychosoziale und emotionale Entwicklung von Jugendlichen haben.“38
2.4 Amoklauf
Die wohl drastischste und verheerendste Form schulischer Gewalt stellen Amokläufe dar. Bründel verweist auf die Diskrepanz zwischen Amokläufen und sogenannten School Shootings. Amokläufe seien spontane, blindwütige Taten, bei denen der Täter wahllos töte. School Shootings hingegen seien Gewalttaten, die von Schülern an ihrer aktuellen oder ehemaligen Schule begangen werden. Der Unterschied liegt insbesondere in der Tötungsabsicht. Während bei Amokläufen die Gewalt ungezielt ausgeübt werde, geschehen School Shootings in voller Absicht, bestimmte Schüler, Lehrer oder den Schulleiter zu töten39. Wenngleich sich die Gewalttaten, die als Amokläufe benannt werden, weitestgehend per Definition als School Shootings beschreiben lassen, wird im Folgenden weiterhin der Begriff Amoklauf verwendet, da dieser landläufig für eben diese Taten verwendet und auch in der Forschungsliteratur aufrechterhalten wird.
Kohn hebt hervor, dass ein Amoklauf meist akribisch vorbereitet sei und dann durch ein Ereignis ausgelöst werde, dass der Täter mit der Schule in Verbindung bringe, wie bspw. eine Nichtversetzung, Mobbing oder der Verweis40. Da hierbei auch Mobbing als möglicher Auslöser angeführt ist, besteht auch hier eine gewisse Verbindung, wenngleich nur eine sehr geringe Zahl gemobbter Schüler einen Amoklauf begeht.
Daran anknüpfend betont auch Bründel die Tatsache, dass Amokläufe häufig plötzlich durch ein auslösendes Ereignis hervorgerufen werden, wenngleich die Tat selbst nicht spontan sei, sondern teils über Jahre hinweg geplant werde und eine in der Biografie des Täters verankerte Entwicklungsgeschichte aufweise41. Retrospektiv beschreibt sie die Täter der elf vergangenen Amokläufe an deutschen Schulen von November 1999 (Meißen) bis Februar 2010 (Ludwigshafen), welche 43 Todesopfer forderten, als überwiegend männlich im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter42. Während sie in vielen Fällen auf eine psychische Erkrankung beim Täter verweist, bei der allerdings das Krankheitsbild nicht eindeutig zu definieren sei43, beschreibt Kohn diese als nicht zwangsläufig44.
Wie Hoffmann und Steffens-Enn darlegen, gehen einer zielgerichteten Gewalttat an Schulen mehrere Phasen voraus. Zunächst steht am Anfang ein subjektiv empfundener Missstand, der dem Schüler ausweglos erscheint, woraus das Motiv der Rache resultiere. Darauf folgt die Beschäftigung mit dem Begehen einer schweren Gewalttat, wobei Rache- und Gewaltfantasien dazu genutzt würden, die empfundene Ohnmacht in ein Machtgefühl umzuwandeln und sich der Schüler an bereits vergangenen Amokläufen orientiere und deren Täter bewundere. Anschließend käme es zur Tatplanung sowie der Vorbereitung, wie das Beschaffen von Waffen und das Verfassen von Abschiedsvideos. Die letzten beiden Stufen bestünden darin, dass sich der Täter zunächst seinem Ziel annähert und letztlich die Gewalttat, den Amoklauf, ausübt45.
Besonderer Bedeutung kommt der Tatsache zu, dass Amokläufe meist angekündigt werden. Um diese Ankündigungen erkennen zu können, sind Präventionsprogramme unerlässlich.
Als Warnsignale können unter anderem direkt oder indirekt geäußerte Gewaltandrohungen, die Beschäftigung mit dem Suizid, der Zugang zu Waffen, Rückzug und Isolation gelten46. Darüber hinaus wird den Tätern ein Interesse an militärischen Themen und das Bevorzugen gewalthaltiger Medien nachgesagt47. Wie Bründel aufzeigt, ist eine frühzeitige Prävention von Bedeutung, die darauf abzielt, Kränkungen zu verringern. Wenngleich sie es als fragwürdig erachtet, Amokläufe gänzlich zu verhindern, sollten dennoch gute Entwicklungsmöglichkeiten für Kinder bereitgestellt werden sowie Konfliktlösungsstrategien gestärkt werden, um dem Begehen schwerer Gewalttaten entgegenzuwirken48.
3. Die Thematisierung von Mobbing und Gewalt im Deutschunterricht
„Vor allem Schulen müssen sich immer wieder mit dieser Thematik auseinandersetzen. Traditionelles Mobbing unter Schülerinnen und Schülern ist nicht nur auf vereinzelte Klassenstufen zu begrenzen, sondern tritt von der Grundschule über die Mittel- bis zur Oberstufe hin auf.“49
Das Thema ist für die unterrichtliche Auseinandersetzung als relevant zu erachten, da es einen Lebensweltbezug für die Schüler besitzt und Mobbing stark mit dem schulischen Kontext verbunden ist. Gleiches gilt auch für das Cybermobbing, da Täter das Opfer häufig aus der Schule kennen.
Weil es keine festzulegende Altersgruppe bzw. Jahrgangsstufe gibt, sondern die Themen Mobbing und Gewalt nahezu über die gesamte Schullaufbahn von Bedeutung sind, ist sowohl eine frühzeitige als auch eine wiederholte Thematisierung dessen wichtig. Für diese Thematisierung ist vor allem der Deutschunterricht geeignet. Dies wird vor allem am im Kerncurriculum definierten Bildungsbeitrag des Fachs Deutsch ersichtlich:
„In der Auseinandersetzung mit Texten und Medien […] entwickeln sie Verstehens- und Verständigungskompetenzen, die ihnen helfen, […] eigene Positionen und Werthaltungen begründet einzunehmen. Das Fach Deutsch trägt damit zur Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen und Schüler bei. Die Ausbildung umfassender sozialer und personaler Kompetenzen ist für die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler von elementarer Bedeutung. Der Erwerb von Sozialkompetenz ist darauf gerichtet, mit Verantwortungsbewusstsein für sich selbst und andere in wechselnden sozialen Situationen handeln zu können sowie Kooperations- und Konfliktfähigkeit auszubilden. Personale Kompetenz […] bildet sich in kritischer Selbstwahrnehmung und Auseinandersetzung mit der Umwelt aus, schließt moralische Urteilsfähigkeit […] ein. Insbesondere die literarische Bildung fördert die Entwicklung der Identität von Schülerinnen und Schülern […].“50
Bei der Persönlichkeitsbildung und der Entwicklung sozialer Kompetenz ist es wichtig, für die Themen Gewalt und Mobbing zu sensibilisieren. Nur so ist es möglich, dass sich die Schüler der Auswirkungen und Folgen ihres Handelns bewusst werden, Konfliktlösungsstrategien erlernen und sich bei Mobbing-Vorfällen oder Gewalthandlungen angemessen verhalten. Dazu zählt auch, verbale Gewalt als solche zu verstehen und den eigenen Gewaltbegriff über physische Angriffe hinweg auszudehnen.
Eine Möglichkeit, sich dieser Thematik im Deutschunterricht anzunähern, besteht in der gemeinsamen Lektüre von Kinder- und Jugendbüchern, die von Mobbing und Gewalt handeln. Wie Al Dahouk und Böhmann aufzeigen, sind gewaltorientierte Themen nicht nur in der Lebenswelt der Schüler allgegenwärtig, sondern auch in der Kinder- und Jugendliteratur werden die unterschiedlichen Formen von Gewalt häufig aufgegriffen. Ihnen zufolge ist insbesondere der Umgang mit literarischen Texten gut für eine unterrichtliche Auseinandersetzung mit Gewalt geeignet, da das Lesen und der Austausch über solche Bücher Perspektivwechsel ermögliche und zu Empathie anrege51. Daher seien Kinder- und Jugendromane ein geeignetes Unterrichtsmaterial, „um die zu ächtenden und dennoch faszinierenden Phänomene, wie Mobbing, […] Amoklauf oder Rechtsradikalismus, mit Schülerinnen und Schülern anzusprechen.“52 Peter und Petermann plädieren dafür, Präventionsprogramme bezüglich Cybermobbing vor der 7. Jahrgangsstufe anzusiedeln, da Cyberviktimisierung im 7. und 8. Schuljahr ihren Höhepunkt erreiche53. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es in den weiterführenden Jahrgängen nicht thematisiert werden sollte, da Gewalt und Mobbing auch weiterhin Teil des schulischen Alltags der Jugendlichen bleiben. Am Ende von Schuljahrgang 6 sieht das Kerncurriculum vor, dass die Schüler unter anderem exemplarische Werke der Gegenwartsliteratur sowie Merkmale von Jugendbüchern kennen54, sodass sich bereits in den Jahrgängen 5 und 6 ein Jugendbuch zum Thema Mobbing oder Gewalt im Unterricht realisieren ließe. Auch das Analysieren inhaltlicher, sprachlicher und formaler Elemente literarischer Texte ist anhand eines Jugendbuches möglich55.
Die Thematisierung von Mobbing und Gewalt anhand eines Jugendbuches lässt sich auch für die anderen Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I anhand des curricularen Lehrplans ermöglichen. So sollen die Schüler am Ende der Klasse 10 einige Kompetenzen erworben haben, die eine gemeinsame Lektüre eines Jugendbuches anbieten. Insbesondere die Fähigkeit, Bezüge zwischen der fiktionalen Welt und der eigenen Lebenswelt herzustellen und sich mit dargestellten Wertvorstellungen auseinanderzusetzen und somit das eigene Weltbild zu erweitern56, lässt sich anhand eines Jugendbuches zum Thema Mobbing und Gewalt realisieren. Hierdurch können Schüler sowohl eigene Konfliktbewältigungsstrategien erlernen, aber auch den Umgang mit Mobbing und Gewalt und den Auswirkungen des eigenen Handelns reflektieren.
Dennoch verweisen Al Dahouk und Böhmann auf die Gefahr, die ein Einsatz von Jugendbüchern im Unterricht mit sich bringt, nämlich dann, wenn der thematische Aspekt dominiert. Darüber hinaus sei nicht jede Lerngruppe für die Thematisierung von Gewalt geeignet, da einige Schüler durch besonders gewalthaltige Inhalte schockiert werden könnten57. Letzteres lässt sich allerdings durch die Wahl altersgerechter Literatur in gewisser Weise eindämmen. Zudem gibt es zahlreiche Bücher, die Gewalt thematisieren, ohne explizite Gewaltdarstellungen zu verwenden. Für den Einsatz im Unterricht schlagen sie insbesondere handlungs- und produktionsorientierte Verfahren vor, wie bspw. Rollenspiele, das Dialogisieren einzelner Szenen sowie das Umschreiben einzelner Figuren und deren Biografien58. Paralleltexte in Form innerer Monologe oder Rollenbiografien, werden auch im Kerncurriculum vorgesehen59 und bieten somit eine gute Möglichkeit, durch Perspektivwechsel und das Hineinversetzen in eine literarische Figur, Empathie zu fördern und Verhaltensmuster sowie Handlungszusammenhänge, insbesondere auch die Motivation dahinter, herauszuarbeiten.
Jedoch ist es ratsam, das Thema Mobbing und Gewalt nicht nur anhand eines Jugendbuches zu behandeln, wenngleich sich dieses dafür sehr gut eignet. Ein multimedialer Deutschunterricht, der sich nicht lediglich auf das Medium Buch fokussiert, ist wünschenswert, da Medienkompetenz eine wichtige Komponente schulischer Bildung darstellt. „Medienbildung gehört zum Bildungsauftrag der Schule, denn Medienkompetenz ist neben Lesen, Rechnen und Schreiben eine weitere wichtige Kulturtechnik geworden.“60 Daher sollten auch neue Medien in den Deutschunterricht eingebunden werden. Diese sind in der Lebenswelt der Schüler omnipräsent und sollten daher nicht aus den Geschehnissen im Klassenraum ausgeschlossen werden. Darüber hinaus stellt ein Wechsel zwischen den verschiedenen Medien auch einen motivationalen Aspekt dar, der sich positiv auf das Lernverhalten der Schüler auswirken und den Unterricht für sie interessant gestalten kann. So sprechen sich auch Frederking und Krommer für eine vielfältige Verwendung verschiedener Medien im Deutschunterricht aus61.
Auch audiovisuelle Medien wie Filme lassen sich in den Deutschunterricht einbeziehen. Im Kompetenzbereich Umgang mit Medien sieht das niedersächsische Kerncurriculum vor, dass die Schüler bereits am Ende von Schuljahrgang 6 filmische Gestaltungsmittel und deren Wirkung kennen, dieses Wissen in den nachfolgenden Jahrgängen um weitere Gestaltungsmittel erweitern und am Ende von Schuljahrgang 10 filmische Gestaltungsmittel mit denen literarischer Texte vergleichen62. Daher ist eine Verwendung audiovisueller Medien in allen Jahrgangsstufen der Sekundarstufe I wünschenswert.
Aufgrund der Präsenz digitaler Medien im Alltag „müssen Kinder und Jugendliche darin unterstützt werden, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Medien (Medienkompetenzen) zu entwickeln, […] um Medieninhalte kritisch bewerten […] zu können“63.
Weitere didaktisierte Präventionsprogramme, wie bspw. Medienhelden, lassen sich an eine Thematisierung von Mobbing und Gewalt anhand von Jugendbüchern oder audiovisuellen Medien anschließen.
4. Morton Rhue – Ich knall euch ab!
4.1 Inhalt und Aufbau
Morton Rhues Jugendroman Ich knall euch ab!, welches 2000 unter dem Titel Give a boy a gun erschien, handelt von einem Amoklauf zweier Schüler, die zuvor von angesehen Schülern der Schule schikaniert wurden.
Der Jugendroman gliedert sich in kurze Aussagen verschiedener Personen zu dem Amoklauf selbst als auch zu Geschehnissen zuvor sowie Ausschnitte aus Chatverläufen, den Abschiedsbriefen der beiden Täter und einem Tagebucheintrag. Diese Dokumentationen wurden von der fiktiven Herausgeberin, Denise Shipley, der Stiefschwester von Gary Searle, einem der Täter, gesammelt und werden dem Leser chronologisch aufbereitet dargeboten.
[...]
1 Vgl. Bundeskriminalamt (Hg.): Polizeiliche Kriminalstatistik. Jahrbuch 2018, Bd. 3: Tatverdächtige. 2019, S. 27.
2 Vgl. ebd., S. 41.
3 Vgl. Kohn, Martin: Tatort Schule: was tun bei Mobbing, Erpressung, Körperverletzung, Beleidigung oder sexuellen Angriffen?: so kann Ihr Kind mit Gefahr und Gewalt in der Schule umgehen. Hannover: Humboldt 2012, S. 10.
4 Vgl. Bundeskriminalamt: Polizeiliche Kriminalstatistik. 2019, S. 32.
5 Vgl. Oertel, Lars u. Wolfgang Melzer: Immer schlimmer, immer mehr? Wie viel und welche Gewalt an Schulen stattfindet. In: Heidrun Bründel et al. (Hrsg.): Schüler. Wissen für Lehrer 2012. Gewalt. Seelze: Friedrich 2012, S. 5
6 Vgl. Kohn: Tatort Schule. 2012, S. 17f.
7 Vgl. Tillman, Klaus-Jürgen: Was verstehen wir unter Gewalt? Präzisierung eines schwierigen Begriffs., In: Heidrun Bründel et al. (Hrsg.): Schüler. Wissen für Lehrer 2012. Gewalt. Seelze: Friedrich 2012, S. 9-12.
8 Vgl. Oertel und Melzer: Immer schlimmer, immer mehr?. 2012, S. 5.
9 Vgl. Kohn: Tatort Schule. 2012, S.12.
10 Peter, Ira-Katharina u. Franz Petermann: Cybermobbing im Kindes- und Jugendalter, Göttingen: hogrefe 2018 (Klinische Kinderpsychologie), S. 11, Z. 6-8.
11 Vgl. ebd., S. 11.
12 Vgl. Kohn: Tatort Schule. 2012, S.32f.
13 Vgl. Nolting, Hans-Peter: Psychologie der Aggression: warum Ursachen und Auswege so vielfältig sind. Reinbek: Rowohlt 2015, S. 237.
14 Vgl. ebd., S. 28f.
15 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden das generische Maskulinum verwendet
16 Vgl. Nasirova, Mamura (Hg.): An Everyday Lesson - #ENDviolence in Schools, UNICEF, 2018, S. 3.
17 Vgl. OECD u. PISA: Results from PISA 2015, students well-being, Germany, Country Note, 2017, S. 1.
18 Vgl. Tillman: Was verstehen wir unter Gewalt?. 2012, S. 12 und Oertel und Melzer: Immer schlimmer, immer mehr?. 2012, S. 6.
19 Vgl. Oertel und Melzer: Immer schlimmer, immer mehr?, S. 4.
20 Vgl. Tillman, Klaus-Jürgen: Was verstehen wir unter Gewalt?, S. 12.
21 Vgl. Kohn: Tatort Schule 2012, S. 30.
22 Ebd., S. 30, Z. 20-21.
23 Vgl. Bründel, Heidrun: Notfall Schülersuizid. Risikofaktoren, Prävention, Intervention. Stuttgart: Kohlhammer 2015, S. 39f.
24 Franke, Sabine: Zielscheibe kann jeder werden. Gespräch mit Sabine Franke über eine mobbingfreie Schule. In: Heidrun Bründel et al. (Hrsg.): Schüler. Wissen für Lehrer 2012. Gewalt. Seelze: Friedrich 2012, S. 22, Z. 11-23.
25 Vgl. Peter und Petermann: Cybermobbing im Kindes- und Jugendalter. 2018, S. 18.
26 Ebd., S. 53, Z. 30-32.
27 Vgl. ebd., S. 21f.
28 Vgl. ebd., S. 27.
29 Vgl. ebd. S. 31.
30 Schultze-Krumbholz, Anja et al. (Hrsg.): Medienhelden: Unterrichtsmanual zur Förderung von Medienkompetenz und Prävention von Cybermobbing ; mit zahlreichen Vorlagen und Arbeitsblättern auf CD-ROM, München: Reinhardt 2012, S. 14, Z. 13-16.
31 Vgl. UNICEF (Hrsg.): Children in a digital world. New York (The state of the world’s children 2017), S. 80.
32 Vgl. Nasirova, Mamura (Hrsg.): An Everyday Lesson - #ENDviolence in Schools, UNICEF, 2018, S. 9.
33 Vgl. - Peter und Petermann: Cybermobbing im Kindes- und Jugendalter. 2018, S. 48f.
34 Vgl. Kohn: Tatort Schule 2012, S. 90f.
35 Vgl. Peter und Petermann: Cybermobbing im Kindes- und Jugendalter. 2018, S. 48.
36 Vgl. Schultze-Krumbholz et al.: Medienhelden. 2012, S. 15.
37 Vgl. ebd. S.16.
38 Ebd., S. 17, Z. 13-18.
39 Vgl. Bründel, Heidrun: Wenn Schüler um sich schießen. Amok an Schulen. In: Heidrun Bründel et al. (Hrsg.): Schüler. Wissen für Lehrer 2012. Gewalt. Seelze: Friedrich 2012, S. 48.
40 Vgl. Kohn: Tatort Schule. 2012, S. 54.
41 Vgl. Bründel: Wenn Schüler um sich schießen. 2012, S. 49.
42 Vgl. ebd. S. 48.
43 Vgl. ebd., S. 49.
44 Vgl. Kohn: Tatort Schule. 2012, S. 55.
45 Vgl. Hoffmann, Jens u. Rita Steffes-Enn: Zielgerichtete Gewalt und Amok an Schulen - Aktueller Erkenntnisstand und Ansätze der Prävention. In: Jugendhilfe, 48, 3, 2010, S. 121f.
46 Vgl. Kohn: Tatort Schule. 2012, S. 56.
47 Vgl. Bründel: Wenn Schüler um sich schießen. 2012, S.49.
48 Vgl. ebd., S. 50f.
49 Peter und Petermann: Cybermobbing im Kindes- und Jugendalter. 2018, S. 11, Z. 17-21.
50 Niedersächsisches Kultusministerium: Kerncurriculum für das Gymnasium Schuljahrgänge 5-10. Deutsch, Hannover: Unidruck 2015, S. 5, Z. 2-13.
51 Vgl. Al Dahouk, Vivien u. Marc Böhmann: Gemeinsam von Amok, Mobbing und Prügeln lesen. Klassenlektüre als Gewaltprävention. In: Heidrun Bründel et al. (Hrsg.): Schüler. Wissen für Lehrer 2012. Gewalt. Seelze: Friedrich 2012, S. 98.
52 Ebd., S. 98, Z. 26-31.
53 Vgl. Peter und Petermann: Cybermobbing im Kindes- und Jugendalter. 2018, S. 47.
54 Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium: Kerncurriculum Gymnasium. 2015, S. 23.
55 Vgl. ebd., S. 24.
56 Vgl. ebd., S. 23.
57 Vgl. - Al Dahouk und Böhmann: Gemeinsam von Amok, Mobbing und Prügeln lesen. 2012, S. 98.
58 Vgl. ebd., S. 99.
59 Vgl. ebd., S. 24.
60 Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 8. März 2012: Medienbildung in der Schule, S. 9, Z. 7-8.
61 Frederking, Volker und Axel Krommer: Deutschunterricht und mediale Bildung im Zeichen der Digitalisierung. In: Volker Frederking, Axel Krommer und Thomas Möbius (Hrsg.): Digitale Medien im Deutschunterricht, Baltmannsweiler: Schneider 2016 (=Deutschunterricht in Theorie und Praxis 8), S. 155, Z. 15-24.
62 Vgl. Niedersächsische Kultusministerium: Kerncurriculum Gymnasium. 2015, S. 26.
63 Schultze-Krumbholz: Medienhelden. 2012, S. 23, Z. 5-9.
- Quote paper
- Julian Pelser (Author), 2019, Die Thematisierung von Mobbing und Gewalt im Deutschunterricht anhand der Jugendliteratur und Jugendmedien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/998005
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