Was bedeutet es wirklich, nach Hause zu kommen? Diese tiefgründige Analyse entführt den Leser in die beklemmende Welt von Franz Kafkas "Heimkehr", einer Parabel, die den Begriff von Heimat und Familie auf verstörende Weise neu definiert. Anders als die idyllische Vorstellung von Geborgenheit und Akzeptanz, die der Titel suggeriert, offenbart sich hier ein beklemmendes Szenario der Entfremdung, Isolation und des unüberwindbaren Unbehagens. Der heimkehrende Sohn, geplagt von Unsicherheit und Selbstzweifeln, findet sich nicht in den erhofften Armen der Familie wieder, sondern steht vor einer verschlossenen Tür, einem Symbol seiner inneren Zerrissenheit. Die Erzählung wird in diesem Buch einer schonungslosen literarischen Sezierung unterzogen und mit dem biblischen Gleichnis vom verlorenen Sohn aus dem Lukasevangelium kontrastiert, um die fundamentalen Unterschiede in ihrer Darstellung von Vergebung, Akzeptanz und familiärer Bindung herauszuarbeiten. Während das biblische Gleichnis die bedingungslose Liebe und Gnade des Vaters hervorhebt, präsentiert Kafka ein düsteres Bild von unerfüllten Erwartungen, Kommunikationsunfähigkeit und der quälenden Frage nach der eigenen Identität innerhalb der Familie. Die Analyse ergründet die expressionistischen und surrealistischen Einflüsse auf Kafkas Werk, die die Darstellung von Angst, Entfremdung und der inneren Welt des Protagonisten prägen. Dabei werden auch die biographischen Bezüge zu Kafkas schwierigem Verhältnis zu seinem Vater beleuchtet, die sich in der Parabel widerspiegeln könnten. Dieses Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die sich für Kafka, expressionistische Literatur, Parabeln und die tiefgreifenden psychologischen Aspekte von Familie und Identität interessieren. Es bietet neue Perspektiven auf Kafkas "Heimkehr" und regt zum Nachdenken über die eigene Definition von Heimat und Zugehörigkeit an. Die detaillierte Interpretation der Sprache, der Symbolik und der Erzählstruktur ermöglicht ein tiefes Verständnis von Kafkas komplexer und beunruhigender Welt. Entdecken Sie die verborgenen Schichten dieser rätselhaften Erzählung und stellen Sie sich der Frage: Was bedeutet es wirklich, zu Hause zu sein, wenn das Zuhause selbst zur Quelle der Entfremdung wird? Tauchen Sie ein in eine Welt der existenziellen Fragen, der psychologischen Abgründe und der literarischen Meisterleistung, die Kafka zu einem der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts gemacht hat.
Alexander Keil
Literarischer Vergleich zwischen Franz Kafkas " Heimkehr " und dem "Gleichnis vom verlorenen Sohn" aus dem Lukasevangelium
Material :
- Franz Kafka : " Heimkehr "
- Lukasevangelium 15, 11 ff. " Gleichnis vom verlorenen Sohn "
Aufgabenstellung :
Interpretieren Sie Kafkas " Heimkehr ". Vergleichen Sie die Erzählung mit dem Lukasevangelium.
Die Erzählung Franz Kafkas ist 1920 entstanden und wurde nach dem Tode Kafkas, entgegen seinem Willen, von Max Brod veröffentlicht. Kafka wählte in seiner " Heimkehr " ein besonderes Genre epischer Literatur, die Parabel. Er persönlich nutzte eine moderne Form der Parabel, um seine eigene Problembewältigung zu verschlüsseln und dem Vater unzugänglich zu machen. Die Parabel enthält keine direkte Verbindungsstelle zu dem zu erörternden Sachverhalt und ist damit eine vom Gegenstand abgelöste Erzählung. Sinn dieses Genres ist es, daß der Rezipient selbst die Verbindungsstelle und die Vielschichtigkeit der Problematik erkennt und versteht und auf die Bildebene der Erzählung überträgt.
Franz Kafka ist ein bedeutender Vertreter des Expressionismus, tendenziell aber eher der Strömung des Surrealismus zuzuschreiben. Im Expressionismus sollten nicht mehr die nuancierten Eindrücke der Außenwelt sondern vielmehr der künstlerische Ausdruck der eigenen Innenwelt verbildlicht werden. Auf die anfängliche Kriegsbegeisterung zu Beginn des
1. Weltkriegs folgte eine völlige Umorientierung des Bewußtseins der Bevölkerung. Sie litt psychisch unter der Kriegsschuldzuweisung und den überhöhten Reparationsforderungen durch den Versailler Vertrag und auch die wirtschaftliche Ungewißheit Deutschlands bedingt durch Ruhrbesetzung und Inflation trug nicht gerade zu einer positiven Grundstimmung dieses Zeitraumes dar. Ein nicht unwesentlicher Bestandteil des unsicheren Gefühls war, nach der friedlichen Abdankung des Kaisers, der den Deutschen völlig unbekannte Umgang mit der Wahrnehmung der neuen Demokratieform in Deutschland. Im Blickpunkt der Expressionisten steht die Darstellung ihrer Existenzängste im Bezug auf die Zukunft. Sie wollten ihre Realität verändern und die Wirklichkeit ihrem Ideal angleichen. In diesem Aktivismus wurden alte tradierte Formen aufgegeben. Die naturalistisch und impressionistisch geprägte Lyrik rückte immer mehr in den Vordergrund, denn angeblich wurde sie als literarische Kurzform am ehesten der Schnelllebigkeit dieses Zeitalters gerecht. Epische Großformen treten während dieser Zeit zurück und Erzählungen werden aus gleichem Grund bevorzugt verwendet. Berlin als kulturelles Zentrum Deutschlands war damit auch der Lebensraum der Expressionisten. Großstadt, Lärm, Hektik, Streß und Anonymität - alles Schlagworte dieser und anderer Großstädte in Deutschland. Deshalb war natürlich auch die Großstadt ein beliebtes Thema expressionistischer Literatur. Die Menschen sollten in ihrem neuen Lebensbereich in all ihrer Unerfahrenheit mit dem Moloch Stadt dargestellt werden.
Die Überschrift Kafkas Parabel evoziert beim Rezipienten ein positives Gefühl. Der Begriff der Heimkehr ruft bei mir sofort eine anheimelnde Stimmung hervor. Eine Heimkehr ist meines Erachtens immer ein Zeichen von Reife und Überlegung, von Rückbesinnung und Wertschätzung der Familie. Sie stellt einen festen Bezugspunkt oder auch Bezugsraum dar und beruht auf Gegenseitigkeit in allen Ebenen, auf Gleichberechtigung. Eine intakte Familie gibt Geborgenheit und Halt und ist ein wichtiger Bestandteil unserer Selbstwertschätzung. Doch diese eben beschriebene Geborgenheit wird in der " Heimkehr " Kafkas nicht dargelegt. Sie wandelt sich vielmehr ins Gegenteil, in Fremdheit, Abstoßung und Kälte. Die Suche nach dem Kontakt der Familie geht hier aber nur vom Erzähler aus.
Der Ich - Erzähler dieser Parabel kehrt voller Erwartungen zurück auf den Hof seiner Eltern. Doch unmittelbar nach seiner Ankunft wird ihm bewußt, daß sich seine hohen Erwartungen nicht erfüllen können. Seine anfängliche Aktivität wandelt sich zur Passivität, sein Handeln immer zögerlicher bis er letztlich vor der geschlossenen Küchentür des Elternhauses stehenbleibt und sich nicht traut, einzutreten. An dieser Stelle endet die Parabel. Meines Erachtens ergibt sich eine Vierteiligkeit des Erzähltextes. Der erste Abschnitt, bis zur Zeile 5, berichtet über die Ankunft des Erzählers und gibt einen Überblick über den alten Hof. Der folgende zweite Teil endet am Anfang der 11. Zeile und hier wird die Erwartungshaltung des Erzählers formuliert. Der dritte Textabschnitt, der bis zum Anfang der Zeile 16 geht, stellt die Situation des Ichs an der Küchentür dar und im Folgenden wird die anfängliche Heimkehr in eine Verfremdung umgekehrt. Die Struktur des Textes läßt sich demnach durch zwei verschiedene Möglichkeiten so darstellen : Die Vorfreude des Erzählers auf die Heimkehr wandelt sich kontinuierlich über die Erinnerungen an die alte Zeit, evoziert durch " [e]in zerrissenes Tuch [ ... ] " ( Zeile 3 f. ) und " [a]ltes, unbrauchbares Gerät [ ... ] " ( Zeile 2 ), in eine Verfremdung, eine Ankunft des Ichs im äußeren Sinne. Eine weitere Möglichkeit der Strukturierung wäre die, der Analysierung der Ebenen der Ankunft. Der Erzähler kommt hier in drei verschiedenen Ebenen an, daß heißt, er nimmt den Hof optisch war, stellt sich anschließend die Hauptfrage : " Ist dir heimlich, fühlst du dich zu Hause ? " ( Zeile 6 f. ) und erhört dann die Situation an der Küchentür, vollzieht aber die Begegnung mit der Familie nicht. Der Handlungsverlauf dieser Parabel erfolgt linear - progressiv und nur kurz reflektierend, denn das Ich bewegt sich zielgerichtet auf die Küchentür zu. Kafka wählt in der " Heimkehr " die Erzählperspektive des Ich - Erzählers, weil ausgedrückt werden soll ,daß der Erzähler selbst unmittelbar am Geschehen beteiligt ist und der Situation passiv gegenübersteht. Er äußert sich über seine eigenen Gefühle und Erfahrungen auktorial, gibt aber die sonstige Umgebung nur äußerlich wieder. Die Ich - Perspektive des Erzählers unterliegt in der Zeile 16 des Werkes auch einer formalen Verfremdung zum " man ". Im inneren Monolog stellt der Erzähler im zweiten Abschnitt seine Fragen direkt an den Leser. Er fragt danach, wer ihn empfangen und wer hinter der verschlossenen Küchentür warten wird und versucht damit, eine Person, in diesem Fall den Rezipienten, die neutral ist, direkt in das Geschehen einzubinden, um seine Empfindungen bestätigt zu wissen, auch ohne, daß die Möglichkeit besteht, daß der Leser antworten kann. In diesen Fragen wird klar, wie sehr der Erzähler auf Grund seiner Unsicherheit nach Bestätigung sucht.
Zu Beginn von Kafkas " Heimkehr " erzählt der Ich - Erzähler in zeitdeckender Erzähltechnik, die aber gegen Ende immer stärker in die dehnende Darstellung übergeht. Auch an dieser Gegebenheit kann man die Fragen, das Zögern vor der Tür und die Reflexionen über die Kindheit und seine allgemeine Unsicherheit wieder bestätigen. Die Erzählung erfolgt in einer Art Bewußtseinsstrom. Deshalb ergibt sich für den Leser auch keine logische oder chronologische Abfolge der Beschreibung. Alle Einflüsse werden daher durch ihre Komplexität ungeordnet, spontan und emotional so wahrgenommen, wie der Heimkehrende sie aufnimmt. Trotz der Aneinanderreihung seiner rhetorischen Fragen löst sich das Ich nicht aus der grammatikalischen Form.
Der Hof des Vaters und damit die frühere Heimat des Heimkehrenden, seine frühere Wirklichkeit, werden in der Parabel als Lebensraum dargestellt. Trotz dem kommt es zu einer Synthese mehrerer verschiedenartiger Räume. So bilden alle wahrgenommen Gegenstände, wie das alte Tuch, das alte ineinander verfahrene Gerät den Stimmungsraum des Erzählers. Sie versinnbildlichen seinen inneren Zustand, zeigen die Kälte und Unwirtlichkeit des Hofes auf. Der Heimkehrer hat keine Beziehung mehr zu seiner früheren Heimat. Ein weiteres Element der Raumgestaltung Kafkas ist das des Symbolraumes. Geht man von einer eher biographisch bezogenen Interpretation des Textes aus, so könnte man jene Kälte symbolisch in Zusammenhang mit der fehlenden Beziehung Kafkas zu seinem Vater stellen. Alle Elemente, die in dem komponierten Raum auftreten, daß heißt, " [d]ie Pfütze in der Mitte [ ... ] " ( Zeile 2 ) des Hofes, " und [a]ltes, unbrauchbares Gerät [ ... ] "( Zeile 2 ) verstellen, rückblickend betrachtet, dem Erzähler den Weg, stellen sich nun als Hindernis heraus. Auch die lauernde Katze auf dem Geländer ( Zeile 3 ) ist ein Zeichen von Unwirtlichkeit und Nicht- Willkommenseins auf dem Hof. Das zerrissene Tuch ( Zeile 4 ) könnte man im weitesten Sinne auch als bestätigendes Symbol für die Fehlende Beziehung Kafkas zu seinem Vater sehen, dazu aber an späterer Stelle mehr. In Kontrast dazu setzt Kafka die wohnliche Küche der Familie. Da " Rauch [ ... ] aus dem Schornstein [ kommt ] [ ... ] " ( Zeile 6 ), wird gleichzeitig bestätigt, daß der Hof noch bewohnt ist. Meines Erachtens setzt Kafka hier bewußt die Funktion der Küche der damaligen Zeit ein, als zentralen Ort der Zusammenkunft, als Ort, an dem ein großer Teil des Familienlebens zelebriert wurde, wo am Abend Unterhaltungen stattfanden, es Abends immer warm war.
Über einzelne Personen der Familie erfährt man direkt im Text nichts. Die Familie wird eigentlich genaugenommen vom Erzähler nur durch den Vater personifiziert, der laut Zeile 10 ein " alte[r] Landwirt [ ... ] " ist oder war. Trotz dem wird der fehlende Bezug zur Familie des Heimkehrenden durch seine Verhaltensweisen deutlich. Der Erzähler selbst wird durch seine persönliche Passivität zureichend charakterisiert. Er ist als Sohn der Dreh - und Angelpunkt der Erzählung und führt sich sofort im ersten Satz seines inneren Monologs durch " Ich bin zurückgekehrt [ ... ] " ( Zeile 1 ) ein. Seine gesamten Gedanken kreisen darum, daß er einerseits in die Familie integriert werden möchte, andererseits die Begegnung mit dem Vater scheut. Hinter seinen Fragen " Wer wird mich empfangen ? Wer wartet hinter der Tür der Küche ? " ( Zeile 5 ) stecken noch weitere, die er nicht direkt artikuliert, die ihm dennoch Probleme und Ängste bereiten. Denn er weiß nicht, wie ihn der Vater begrüßen wird, welcher Verfassung er ist, ob er den Kontakt mit dem Erzähler überhaupt wünscht oder sofort abbricht. Sicherlich fragt er sich auch, ob sich gegenüber der früheren Zeit etwas verändert hat. Seine ohnehin große Unsicherheit wächst stetig. Der vermeintliche Entschluß des Sohnes, sich der Vergangenheit und dem Jetzt zu stellen schwindet. Die innere Anspannung steigt ständig und sein " [ ... ] [I]ch bin sehr unsicher. " ( Zeile 7 ) hindert ihn letztlich am Eintritt in die Küche, denn " [j]e länger man vor der Tür zögert, desto fremder wird man. " ( Zeile 16 ). Der anfängliche Optimismus des Vorhabens mit der Wandlung in eine Starre drückt sich auch in anfänglichen Verben der Aktivität ( zurückkehren, durchschreiten, umblicken, ankommen ) und späteren Verben der Passivität ( warten, stehen, horchen, zögern ) aus. Dem Vater als Sinnbild für die Familie des Heimkehrers kommt hiermit die Stellung als Konfliktpotential zu.
Der Ich - Erzähler fragt sich während seiner Ankunft nach seiner Bedeutung oder auch Position in der Familie, denn er will wissen : " Was kann ich ihnen nützen, was bin ich ihnen [ ... ] " ( Zeile 9 f. ). Sein fehlendes Selbstbewußtsein, die fehlende Bestätigung seiner Persönlichkeit werden wiederum daran deutlich, daß er seine Funktion in der Familie als sehr geringfügig und minderwertig schätzt. Formal betrachtet fallen bei dieser Interpretation dann auch die Adjektive und Adverbien der Erzählung auf, die die im Hof befindlichen Geräte und das Haus selbst beschreiben. Sie symbolisieren wiederum den Bewußtseinszustand in der Familie. Er stellt sich mit dem " alten unbrauchbaren [ ineinander verfahrenem ] Gerät [ ... ] " ( Zeile 2 f. ) auf eine Ebene. Er selbst schätzt sich als nutzlos ein und wertet sich zum Gerät ab, daß wenn es nicht funktionstüchtig ist, in einer dunklen Ecke abgestellt wird. Diesen Zusammenhang äußert er nicht so deutlich, meines Erachtens lassen sich diese Parallelen aber durchaus ziehen. Außerdem ist mir bei der Analyse des Erzählers aufgefallen, daß er ausschließlich passiv der Situation gegenüber steht. Selbst das " Horchen " von der Ferne führt ihn nicht zum eigentlichen Kontakt mit seiner Familie. Er befindet sich zwar im Raum Heimat, also auf dem Hof seines Vaters, ist aber bis zur Familie selbst nicht vorgedrungen. Die trotz dem vorhandene Sehnsucht nach einer Begegnung spiegelt sich in der Reflexion über seine Kindheit wieder. Der Erzähler glaubt, " [ ... ] einen leichten Uhrenschlag [ ... ] herüber aus den Kindertagen [ zu hören ] " ( Zeile 13 f. ) sieht sich selber nicht in der Lage, hereinzutreten und wirklich zurückzukehren. Die Familie stellt für den Heimkehrer eine scheinbar unüberwindbare psychologische Barriere dar. Die geschlossene Tür, die den Eintritt ohne Probleme ermöglicht versinnbildlicht die räumliche Trennung. Er nimmt diese Möglichkeit durchzubrechen nicht wahr, da er " [ ... ] das Geheimnis der [ in der Küche ] Sitzenden [ ... ] " ( Zeile 13 ) fürchtet. Er wird sich seiner Lage bewußt, denn eigentlich ist auch er derjenige, der sein Geheimnis wahren und sich nicht öffnen will. Er stellt sich selbst die entscheidende Frage, die letztlich für den Rezipienten offen bleibt : " Wäre ich dann nicht selbst wie einer, der sein Geheimnis wahren will. " ( Zeile 16 f. ). Auch hier kommt dem offenen Schluß wieder die Funktion zu, die Haltlosigkeit und Beziehungslosigkeit des Heimkehrers aufzuzeigen.
In diesem Sinne arbeitet Kafka auch im Bereich der Sprache und des Stiles. Mir ist aufgefallen, daß die Parabel zwischen dem Perfekt : " Ich bin zurückgekehrt [ ... ] " ( Zeile 1 ) in der Reflexion des Erzählers, dem Futur : " Wer wird mich empfangen ? " ( Zeile 5 ) für die Ängste, Befürchtungen und Zweifel des Heimkehrers und dem Konjunktiv : " Wie wäre es, wenn [ ... ] " ( Zeile 16 ) schwankt. Trotz dem dominiert in dieser Erzählung das Präsens, da ja das augenblickliche Geschehen erzählt wird. Besonders im dritten Abschnitt konzentriert sich Kafka auf die Verwendung des " Horchens " und wiederholt dies ständig als einzige Möglichkeit der einseitigen Kommunikation seitens des Sohnes. Letztlich fiel mir noch ein Paradoxon auf : " Und weil ich von der Ferne horche, erhorche ich nichts, nur einen leichten Uhrenschlag höre ich [ ... ] herüber aus den Kindertagen. " ( Zeile 13 f. ).
Wie in der Interpretation schon erwähnt sehe ich der biographischen Interpretation dieser Parabel durchaus eine Begründung, denn meines Erachtens bestehen zwischen dem Autor der " Heimkehr " und dem Ich - Erzähler etliche Verknüpfungspunkte. Die Psyche des 1883 in Prag geborenen und schon 1924 in Wien an Kehlkopftuberkulose gestorbenen Franz Kafkas weist auch eine, sein ganzes Leben determinierende, Unsicherheit im Auftreten, Selbstzweifel, Minderwertigkeitsgefühle, sowie Schuld - und Angstgefühle auf. Der Grund dafür war der Erfolg seines Vaters und Kafka selber, der den hohen Ansprüchen seines Vaters nicht gerecht wurde und damit mehr und mehr geistig aus der Familie ausschied. Kafkas Kindheit war durch die fehlende Nähe zur Mutter, die ständig im Geschäft arbeitete und sein gestörtes Verhältnis zum Vater, das auch auf den unterschiedlichen Charakteren fußte, geprägt. Er fühlte sich zunehmend ausgeschlossen und mißverstanden und flüchtete, wo nur möglich vor der Autorität des Vaters. Kafka selbst war unfähig diese Entfremdung zu überwinden. Seine eigenen Versuche, zu heiraten scheiterten, denn er war psychisch nicht bereit, Beziehungen einzugehen.
Schließlich ist das Bild der Parabel ein geschlossenes. Sowohl die biographischen als auch die werkimmanenten Interpretationsansätze führen zu einem durchdringenden Verständnis von Kafkas " Heimkehr ". Trotz dem sollte man auch den religiös - philosophischen Ansatz nicht außer Acht lassen, der sich im Folgenden auf ein biblisches Gleichnis vom verlorenen Sohn aus dem Lukasevangelium bezieht. Es ist auch Träger des Motivs eines heimkehrenden Sohnes.
Dieser Sohn verläßt seinen Vater, nachdem der Vater ihm seinen zustehenden Erbteil ausgezahlt hat. Er geht in die weite Welt und führt dort ein überschwängliches Leben, gibt sein ganzes Geld aus. Reumütig kehrt er zurück nach Hause und will den Vater um Verzeihung bitten. Der Vater freut sich ausgesprochen über die Rückkehr des Sohnes. " Er eilte ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küßte ihn. " ( Zeile 14 f. ) und feierte ihm zu Ehren ein großen Fest. Der beim Vater gebliebene zweite Sohn kritisiert das Verhalten des Vaters, doch der sieht sein Handeln als Gottes Gnade, Vergebung Gottes allen Menschen gegenüber gerechtfertigt.
Anschließend möchte ich die beiden mir vorliegenden Texte in den wesentlichsten Punkten miteinander zu vergleichen.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Inhalt von Alexander Keils literarischem Vergleich zwischen Kafkas "Heimkehr" und dem "Gleichnis vom verlorenen Sohn"?
Alexander Keil vergleicht in seiner Arbeit Franz Kafkas Parabel "Heimkehr" mit dem biblischen "Gleichnis vom verlorenen Sohn" aus dem Lukasevangelium. Die Analyse interpretiert Kafkas Erzählung im Kontext des Expressionismus und Surrealismus, beleuchtet die psychologischen Aspekte der Heimkehr, insbesondere die Entfremdung zwischen dem Protagonisten und seiner Familie, und vergleicht diese mit der Darstellung der Heimkehr und Vergebung im biblischen Gleichnis.
Welche Aufgabenstellung liegt der Analyse zugrunde?
Die Aufgabenstellung fordert eine Interpretation von Kafkas "Heimkehr" und einen anschließenden Vergleich der Erzählung mit dem "Gleichnis vom verlorenen Sohn" aus dem Lukasevangelium.
In welchem historischen und literarischen Kontext wird Kafkas "Heimkehr" verortet?
Kafkas "Heimkehr" wird im Kontext des Expressionismus und Surrealismus verortet. Die Analyse beschreibt die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, geprägt von psychischer Belastung, wirtschaftlicher Unsicherheit und der Unsicherheit im Umgang mit der neuen Demokratieform in Deutschland. Der Expressionismus wird als Ausdruck von Existenzängsten und dem Wunsch nach Veränderung der Realität dargestellt.
Welche Rolle spielt der Begriff "Heimkehr" in Kafkas Parabel und wie unterscheidet er sich von der gängigen Vorstellung?
Der Begriff "Heimkehr" evoziert zunächst ein positives Gefühl von Geborgenheit und Wertschätzung der Familie. In Kafkas "Heimkehr" wird diese Geborgenheit jedoch ins Gegenteil verkehrt, in Fremdheit, Abstoßung und Kälte. Die Suche nach Kontakt zur Familie geht lediglich vom Erzähler aus.
Wie ist die Struktur von Kafkas "Heimkehr" aufgebaut?
Die Erzählung lässt sich in vier Abschnitte gliedern: Ankunft des Erzählers und Überblick über den Hof, Formulierung der Erwartungshaltung des Erzählers, Darstellung der Situation des Ichs an der Küchentür und die Umkehrung der anfänglichen Heimkehr in eine Verfremdung. Die Struktur kann auch anhand der Ebenen der Ankunft analysiert werden: optische Wahrnehmung des Hofes, innere Frage nach dem Gefühl des Zuhause-Seins und die Situation an der Küchentür ohne tatsächliche Begegnung mit der Familie.
Welche Erzählperspektive wählt Kafka in "Heimkehr" und welche Wirkung hat sie?
Kafka wählt die Erzählperspektive des Ich-Erzählers. Dadurch wird der Erzähler unmittelbar am Geschehen beteiligt und steht der Situation passiv gegenüber. Er äußert seine eigenen Gefühle und Erfahrungen, gibt aber die sonstige Umgebung nur äußerlich wieder. Die Ich-Perspektive unterliegt in Zeile 16 auch einer formalen Verfremdung zum "man".
Wie wird der Raum in Kafkas "Heimkehr" gestaltet und welche Bedeutung hat er?
Der Hof des Vaters wird als Lebensraum dargestellt, wobei verschiedene Räume synthetisiert werden. Wahrgenommene Gegenstände wie das alte Tuch und das alte Gerät bilden den Stimmungsraum des Erzählers und versinnbildlichen seinen inneren Zustand sowie die Kälte und Unwirtlichkeit des Hofes. Der Raum wird auch als Symbolraum interpretiert, der im Zusammenhang mit der fehlenden Beziehung Kafkas zu seinem Vater stehen könnte.
Wie werden die Personen in Kafkas "Heimkehr" charakterisiert?
Über einzelne Familienmitglieder erfährt man direkt nichts, die Familie wird durch den Vater personifiziert. Der fehlende Bezug zur Familie wird durch die Verhaltensweisen des Heimkehrenden deutlich. Der Erzähler selbst wird durch seine Passivität charakterisiert. Seine Gedanken kreisen darum, in die Familie integriert zu werden, scheut aber gleichzeitig die Begegnung mit dem Vater.
Welche sprachlichen und stilistischen Mittel setzt Kafka in "Heimkehr" ein?
Die Parabel schwankt zwischen Perfekt, Futur und Konjunktiv. Das Präsens dominiert, da das augenblickliche Geschehen erzählt wird. Kafka konzentriert sich auf die Verwendung des "Horchens" als einzige Möglichkeit der einseitigen Kommunikation. Es wird auch ein Paradoxon in Bezug auf das Horchen und das Hören eines Uhrenschlags aus der Kindheit festgestellt.
Welche Rolle spielt die biographische Interpretation von Kafkas "Heimkehr"?
Es bestehen Verknüpfungspunkte zwischen dem Autor Franz Kafka und dem Ich-Erzähler. Kafka selbst war von Unsicherheit, Selbstzweifeln, Minderwertigkeitsgefühlen sowie Schuld- und Angstgefühlen geprägt, die auf sein gestörtes Verhältnis zum Vater zurückzuführen waren.
Wie unterscheidet sich Kafkas "Heimkehr" vom "Gleichnis vom verlorenen Sohn" aus dem Lukasevangelium?
In Kafkas "Heimkehr" wird kein Grund für das Verlassen der Familie genannt. Im Gegensatz zum biblischen Gleichnis kommt es nur scheinbar zu einer Heimkehr ohne tatsächlichen Empfang durch die Familie. Kafka wählt ein offenes Ende und es fehlt der Bezug zu einer Gottheit. Die Symbolhaftigkeit des Raumes ist bei Kafka stärker ausgeprägt. Das Lukasevangelium wirkt sachlich und neutral, während der Kafkatext emotional ist. Die Zeitgestaltung ist unterschiedlich angelegt. Kafkas Text ist psychologisch komplexer angelegt und regt zum eigenen Nachdenken an.
Welche Schlussfolgerung wird aus dem Vergleich beider Texte gezogen?
Die Zahl der Unterschiede zwischen beiden Texten überwiegt. Der Grund dafür ist der unterschiedliche Zweck oder die Zielstellung der Texte. Das Lukasevangelium dient als Lehrtext, während Kafkas Text künstlerischen Anspruch erhebt, als Selbstanalyse gedacht ist und zum Nachdenken über Beziehungsprobleme anregt. Dennoch liegt die Vermutung nahe, dass Kafka sich vor dem Schreiben seiner Parabel mit dem biblischen Gleichnis auseinandergesetzt hat.
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- Alexander Keil (Author), 2000, Kafka, Franz - Heimkehr und das Lukasevangelium - Literarischer Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99515