In dieser Arbeit möchte ich von Butlers Konzept der Identitätsbildung ausgehend die Entwicklungen jener Communitys kritisch betrachten, die sich gegen den hegemonialen Diskurs der Geschlechterbinarität wenden, etwa durch die Etablierung von neuen Bezeichnungen wie transsexuell, Intersexuell, non-binary, queer, usw. Diese Bewegungen stellen einen wesentlichen Teil der Identitätsbildung von Personen dar, deren soziales oder biologisches Geschlecht nicht den diskursiven Kategorien der Geschlechtsnormativität entspricht, die der Anforderung nach einer bestimmten Kombination von Sex und Gender nicht entsprechen. In diesen Communitys ist die Namensgebung ein wesentlicher Teil der Identitätsbildung. Jede Art der Kombination von Sex, Gender und Desire, bzw. auch verschiedene Arten der Ablehnung dieser Kategorien hat eine eigene Bezeichnung. Die Frage, der ich mithilfe von Judith Butler nachgehen möchte, ist, ob das der richtige Weg ist, alle diskursiven Normen die Identität von Menschen betreffend zu sprengen, oder ob auch das Wege sind, zwar mehr Identitäten zu schaffen, aber immer noch der Ansicht verhaftet zu bleiben, dass es zwar viele, aber doch nicht unendlich viele Geschlechtsidentitäten gebe, denen sich Personen unterordnen müssen, denen das Verhalten von Personen entsprechen muss und die Personen durch ihr Verhalten wiederum reproduzieren.
Butlers Konzept der Identität und neue Konzepte der Identitätsbildung
In dieser Arbeit möchte ich von Butlers Konzept der Identitätsbildung ausgehend die Entwicklungen jener Communitys kritisch betrachten, die sich gegen den hegemonialen Diskurs der Geschlechterbinarität wenden, etwa durch die Etablierung von neuen Bezeichnungen wie transsexuell, Intersexuell, non-binary, queer, usw. Diese Bewegungen stellen einen wesentlichen Teil der Identitätsbildung von Personen dar, deren soziales oder biologisches Geschlecht nicht den diskursiven Kategorien der Geschlechtsnormativität entspricht, die der Anforderung nach einer bestimmten Kombination von Sex und Gender nicht entsprechen. In diesen Communitys ist die Namensgebung ein wesentlicher Teil der Identitätsbildung. Jede Art der Kombination von Sex, Gender und Desire, bzw. auch verschiedene Arten der Ablehnung dieser Kategorien hat eine eigene Bezeichnung. Die Frage, der ich mithilfe von Judith Butler nachgehen möchte, ist, ob das der richtige Weg ist, alle diskursiven Normen die Identität von Menschen betreffend zu sprengen, oder ob auch das Wege sind, zwar mehr Identitäten zu schaffen, aber immer noch der Ansicht verhaftet zu bleiben, dass es zwar viele, aber doch nicht unendlich viele Geschlechtsidentitäten gebe, denen sich Personen unterordnen müssen, denen das Verhalten von Personen entsprechen muss und die Personen durch ihr Verhalten wiederum reproduzieren.
Geschlechtsidentität
Wie konstituiert sich Identität, bzw. wie wird sie konstituiert und von wem? Daraus ergibt sich die Frage, was als Identität, ferner als Subjekt „zählt“. Grundlegend für Butler ist, dass sie das biologische Geschlecht als ein kulturelles, diskursiv konstruiertes Konstrukt betrachtet, dass aber als vordiskursiv dargestellt wird (vgl. Butler 2014 S.24-29). Daraus schließt Butler, dass es, „wenn also das „Geschlecht“ (sex) selbst eine kulturell generierte Geschlechterkategorie ist, [sinnlos wäre], die Geschlechtsidentität als kulturelle Interpretation des Geschlechts zu bestimmen“ (Butler 2014 S.14), wie das in feministischen und auch queer – emanzipatorischen Debatten lange passierte.
Als sich ständig verschiebendes und kontextuelles Phänomen bezeichnet die Geschlechtsidentität [nämlich] nicht ein substantiell Seiendes, sondern einen Schnittpunkt zwischen kulturell und geschichtlich spezifischen Relationen. (Butler 2014, S.29).
Was heißt das für Personen, die nicht dieser Geschlechterkategorie entsprechen? Wenn Sex und Gender nicht übereinstimmen, sollen sie angepasst werden. Wenn Sex nicht eindeutig einer diskursiven Norm entspricht, wird es angepasst (etwa durch medizinische Eingriffe, vgl. dazu Danielczyk u. Holzleithner, 2006). Die vom Diskurs geschaffenen Kategorien müssen also eingreifen, um die Realität hineinzuzwingen. Um das zu rechtfertigen wird „Die Dualität der Geschlechter in ein vordiskursives Feld“ (Butler 2014, S.24) abgeschoben. Warum passiert das? Weil im herrschenden Diskurs nur bestimmte Geschlechtsidentitäten intelligibel sind.
Geschlechtsidentitäten sind nach Butler dann intelligibel, wenn sie „in bestimmtem Sinne Beziehungen der Kohärenz und Kontinuität zwischen dem anatomischen Geschlecht (sex), der Geschlechtsidentität (gender) der sexuellen Praxis und dem Begehren stiften und aufrechterhalten.“ (Butler 2014, S.38) Das heißt, sie sind intelligibel, wenn sie der vom Diskurs gesetzten Norm entsprechen. Die Fassung anderer Geschlechter (sexes) in Begriffe versucht also, bisher nicht akzeptierte Kombinationen intelligibel zu machen, ihnen eine Geschlechtsidentität zuzusprechen. Das passiert als Reaktion auf die oben beschriebenen Mechanismen, denn “die kulturelle Matrix, durch die die geschlechtlich bestimmte Identität intelligibel wird, schließt die „Existenz“ bestimmter „Identitäten“ aus…“ (Butler 2014, S. 39)
Statt aber mehr biologische Geschlechter zu konstruieren, statt dafür zu sorgen, dass es mehr intelligible Identitäten gibt, sollte es meiner Meinung darum gehen, diese Matrix zu verändern. Dahingehend, dass sex nicht mehr als vordiskuriv dargestellt wird, und so ein Körper als solcher ohne eine Zuweisung eines diskursiv normierten Geschlechtsbegriffes anerkannt werden kann und wird. Warum ist es notwendig, diese Matrix zu verändern und nicht ausreichend, neue Aspekte in sie einzugliedern? Weil genau darin „die Stärke [des] Regulierungsverfahrens liegt […], dass es sowohl die relativen Bedeutungen der Begriffe „Heterosexualität“, „Homosexualität“ und „Bisexualität“ als auch die subversiven Orte ihrer Überschneidung und Resignifikation durch einen ausschließenden Produktionsapparat einzuschränken versucht“ (Butler 2014, S.58) Solange man diesem Verfahren, dieser Matrix verhaftet bleibt, wird die Identitätsbildung von Geschlecht abhängig sein. Das Regulierungsverfahren, von dem Butler spricht, hat die Definitionsmacht über alle auch neu eingeführten Begriffe und sucht so sie zu normieren und den diskursiven Praktiken zugänglich zu machen, statt eben diese Praktiken zu ändern. Deshalb ist die „Destruktion der Kategorie „Geschlecht“ […] die Destruktion eines Attributs, nämlich des Attributs „Geschlecht“…“ (Butler 2014, S.42)
Was „zählt“ als Körper?
Es sind also nur bestimmte Geschlechtsidentitäten intelligibel, solche, die den Normen des Diskurses entsprechen. Wie werden aber Menschen angesehen, die diesen Normen nicht entsprechen? Wie werden Menschen angesehen, deren Körper nicht in eine Geschlechterkategorie einzuordnen ist? In Hinblick auf die Frage was als Körper gilt, argumentiert Butler, dass es im herrschenden Diskurs nicht möglich ist, Körpern eine Existenz zuzusprechen, „die der Markierung ihres Geschlechts vorherginge“ (Butler 2014, S.26). Der Diskurs fordert, dass etwas nur als Körper anerkannt wird, wenn es Geschlecht hat. Wenn das Geschlecht des Körpers nun nicht der diskursiven Norm entspricht, wird oft versucht, das Geschlecht trotzdem zu bezeichnen, etwa als transsexuell, non-binary, intergeschlechtlich usw. um aus dieser Norm auszubrechen, um zu erreichen, dass der Körper anerkannt wird. Der Versuch bleibt aber trotzdem Teil der als vordiskursiv abgeschobenen Vorgabe, dass ein Körper nur als solcher anerkannt wird, wenn er ein Geschlecht hat. Es wird also versucht, eine Beschränkung zu sprengen, das grundsätzliche Problem, das ein Körper ein Geschlecht braucht um als solcher zu gelten, wird aber nicht angetastet. Die Behauptung, dass eine Person heterosexuell und/oder, dass sie eine Frau sei, die auch im feministische Diskurs passiert, tendiert dazu, den Begriff der Geschlechtsidentität dem der Identität unterzuordnen und verleitet so zu der Schlussfolgerung, dass eine Person eine Geschlechtsidentität (gender) –Mann oder Frau- ist, und kraft ihres anatomischen Geschlechts (sex) ihres psychischen Selbstgefühls und den verschiedenen Äußerungen dieses psychischen Selbst, deren hervorstechendste das sexuelle Begehren ist. (Butler 2014, S.44)
Dieses Konzept kann meiner Meinung nach auch auf alle neu definierten Geschlechter angewandt werden, die nicht, wie das männliche, strukturell bevorzugt sind. Diese neuen Bezeichnungen ändern also nichts am grundsätzlichen Problem. Die Möglichkeit durch Konstruktion neuer Normen, die den alten Systemen stark widersprechen und so klar zu ihnen im Widerspruch stehen, den Diskurs grundlegend dahingehend zu verändern, dass ganze Dispositive, wie etwa das Geschlechterdipositiv, aufgelöst werden, und so auch Probleme gelöst werden, die nicht explizit Gegenstand der Antithesen zum hegemonialen Diskurs sind, wie etwa die Notwendigkeit eines Geschlechts zur Konstitution eines Körpers, muss bedacht und sicherlich genauer untersucht werden. Hier soll kritisiert werden, dass wesentliche Aspekte der Matrizen des Diskurses nicht angesprochen werden, eine Kritik die Notwendigkeit dieser Auseinandersetzung betreffend sehe ich als unverzichtbar.
Bezüglich der Etablierung neuer Identitäten muss, wie schon angesprochen, untersucht werden, welche Mechanismen des Diskurses diese betreffen: Versuchen sie neue Kategorien des Sexes zu schaffen, oder wenden sie sich gegen eine Dualität und normative Entsprechung von Sex und Gender? Im ersten Fall wird versucht, die als vordiskursiv dargestellte Dualität des Sex zu überwinden und mehr biologische Geschlechter zuzulassen, im zweiten gegen den hegemonialen Diskurs der biologischen Determination des Genders durch das Sex. Aber keines der beiden bestreitet, dass Sex (auch wenn es vielleicht mehr Kategorien als männlich und weiblich gibt) vordiskursiv ist, und beide, vor allem erstere brauchen auch hier das Sex, um ihren Körper, um sich als Subjekt, zu definieren. Diese als vordikursiv aufgefasste Norm wird nicht infrage gestellt.
In Hinblick auf Versuche feministischer Strömungen die weibliche Geschlechtsidentität zu beschreiben argumentiert Butler: „Die feministische Kritik muss auch begreifen, wie die Kategorie Frau(en), das Subjekt des Feminismus gerade durch jene Machtstrukturen hervorgebracht und eingeschränkt wird, mittels derer das Ziel der Emanzipation erreicht werden soll.“ (Butler 2014, S. 17) In Bezug auf Weiblichkeit geben Engel und Schuster Andrea Bührmann wieder, die argumentiert, dass der „Normalisierungseffekt“ von Weiblichkeit […] in der „Schaffung der diskursiven und nicht- diskursiven Konstruktion wesenhafter Weiblichkeit [liegt], die als authentische Subjektpositionen aus der Verschränkung von Identität und Körperlichkeit konstruiert werden.“ (Engel u. Schuster 2007, S.140) Diese Argumentation kann auch in Bezug auf andere Geschlechtsidentitäten angewandt werden. Es können andere Geschlechter diskursiv geschaffen werden, solange man aber „aus der Verschränkung von Identität und Körperlichkeit“ Subjekte konstruiert, solange es diskursive Muster von Geschlecht, Geschlechtsidentität und Identität gibt, die sich als auf vordiskursiv konstruierten Tatschen basierend darstellen, ist eine völlig freie Identitätsfindung nicht möglich. So wird auch hinsichtlich des Versuches, Lesben- und Schwulenidentitäten zu bilden kritisiert, „dass diese zwar einerseits Sichtbarkeit und Definitionsmacht für Menschen schafft, […] andererseits aber auch normative Zurichtungen und Ausschüsse produziert“ (Engel u. Schuster 2007, S.146). Butler schreibt dazu: „Aus Foucaultscher Perspektive könnte ich sogar behaupten, dass auch die Bekräftigung von „Homosexualität“ bereits eine Verlängerung des homophoben Diskurses darstellt.“ (Butler 1996, S.16)
Soweit zu der grundlegenden Kritik der Kategorisierung. Neben Identitätsfindung hat diese aber auch den Anspruch, Unterdrückung von nicht der Norm entsprechenden Personen durch patriarchale Muster und Systeme, zu bekämpfen. Grundsätzlich stellt Butler dahingehend fest, dass das Feld der Macht, das teilweise durch den Gestus dialektischer Aneignung strukturiert wird, […] die Achse der sexuellen Differenz [überschreitet und umfasst] und […]eine ganze Liste von konvergierenden Unterschieden [darbietet], die sich weder nach Maßgabe des Phallogozentrismus noch irgendeines anderen Anwärters auf die Position „Erste Bedingung der Unterdrückung“ kurzerhand hierarchisch anordnen lassen. Die dialektische Aneignung und Unterdrückung des Anderen ist also weniger die einzige Taktik der maskulinen Bedeutung-Ökonomie als vielmehr nur eine Taktik unter vielen anderen. (Butler 2014, S.33f)
Sexualität ist also eine Art der Unterdrückung, aber nicht die einzige und auch nicht grundlegender als viele andere Arten. Die „Aneignung und Unterdrückung des Anderen“ passiert auch, wenn der Diskurs widerlegende Naturen durch begriffliche Normierung als außerhalb von ihm definiert. Durch die Aneignung wird das Andere unterdrückt, weil es nicht mehr als es selbst, sondern als einer Norm oder Kategorie entsprechend aufgefasst, gleichzeitig aber auch aus dem Diskurs ausgeschlossen wird. Diese Argumentation entspricht etwa dem Konzept des „Othering“.
Sprachliche Aspekte
Die obige Argumentation basiert auf rein sprachlichen Veränderungen, bzw. der Schaffung von neuen Begriffen. Es muss von hier ausgehend also ein Blick auf die rein sprachliche Ebene der Geschlechterbezeichnungen geworfen werden, um verstehen zu können, inwiefern die reinen Begriffe Wirklichkeit schaffen. Hinsichtlich der Geschlechterdualität argumentiert Butler: „Der Akt, die beiden entgegengesetzten Momente der Binarität [männlich und weiblich] zu differenzieren, führt dazu, dass sich jeder der Terme festigt, bzw. jeweils eine innere Kohärenz von anatomischem Geschlecht (sex), Geschlechtsidentität (gender) und Begehren gewinnt.“ (Butler 2014, S.46) Das kann auch dann passieren, wenn es keine Binarität sondern eine Trinität, Vierheit,… der biologischen Geschlechter gibt.
Der Diskurs der Bezeichnung neuer Formen des Sexes ist also fehlgeleitet! Er schafft neue Normen, neue definierende Matrizen, aber es kann nur eine freie Definition der Individualität und der Persönlichkeit geben, wenn sie ohne diskursiv als vordiskursiv konstruierte Normen, denen der Körper entsprechen muss, um als solcher zu gelten, auskommt. Oder wie Butler in Hinblick auf die Sprache sagt:
Sobald wir […] die Priorität von „Mann“ und „Frau“ als bleibende, unvergängliche Substanzen aufkündigen, lassen sich die unvereinbaren Geschlechtsmerkmale nicht mehr als sekundäre und akzidentielle Charakteristika einer im Grunde intakten Geschlechter- Ontologie unterordnen. Erweist sich die Vorstellung von der unvergänglichen Substanz als fiktive Konstruktion, die durch die zwanghafte Anordnung von Attributen in kohärenten Reihen erzeugt wird, so sieht sich die Geschlechtsidentität als Substanz bzw. die „Lebensfähigkeit“ von Mann und Frau als Substantive durch das unvereinbare Spiel der Adjektive, die nicht mehr sequentiellen oder kausalen Intelligibilitätsmodellen entsprechen, infrage gestellt. (Butler 2014, S. 48)
Durch diese Konstruktion werden neue Substantive geschaffen, anstatt dass die vorhandenen bekämpft werden. Butler gibt, auf der sprachlichen Ebene bleibend Wittig wieder: „Die sprachliche Kategorie des „Geschlechts“ wird als Kategorie durch das System der Zwangsheterosexualität erzeugt und in Umlauf gebracht, […] um die Produktion der Identitäten an der Achse des heterosexuellen Begehrens entlang einzuschränken. (Butler, 2014 S.51)
Warum gerade jetzt?
Die Begriffsbildung für verschiedenste Gruppen deren Sex, Gender, und Desire sich nicht auf heteronormative Weise entsprechen wird aktiv weitergeführt. Warum haben aber so viele Menschen gerade jetzt das Bedürfnis, sich zu bezeichnen, sich einzuordnen? Warum aber ist gerade jetzt die Identitätsfindung, die Thematisierung des Selbst so wichtig? Markus Schroer verbindet die Geschichte der Selbstthematisierung mit Individualisierungsprozessen:
Ein verstärkter Bezug auf sich selbst, ein Thematisieren des eigenen Ich, kann nicht gedacht werden, ohne einen strukturellen Prozess, der den Einzelnen aus traditionellen Abhängigkeiten befreit, die ihm weder die Zeit, noch den Raum gelassen haben, sich mit sich selbst reflexiv zu beschäftigen. (Schroer, 2006 S. 44)
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- Quote paper
- Benjamin Bartik (Author), 2020, Butlers Konzept der Identität und neue Konzepte der Identitätsbildung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/993526