Was, wenn die Krise eines einzelnen Landes ein Spiegelbild globaler Fehlentwicklungen ist? Diese Frage steht im Zentrum einer tiefgreifenden Analyse der gegenwärtigen Erziehungskrise, exemplarisch beleuchtet am Beispiel Amerikas. Jenseits oberflächlicher Schuldzuweisungen an nationale Besonderheiten enthüllt diese Untersuchung die universellen Herausforderungen, denen sich moderne Gesellschaften im Umgang mit Bildung und der Heranbildung junger Generationen stellen müssen. Im Fokus steht die Frage, inwieweit politische und gesellschaftliche Ideale, insbesondere das amerikanische Streben nach einer "Neuordnung der Welt" und die Abschaffung von Armut und Knechtschaft, die Erziehung beeinflussen und idealisieren. Die Analyse geht der Frage nach, ob der Enthusiasmus für das Neue und die Fokussierung auf Kinder als Träger dieser Erneuerung nicht zu einer Entmündigung der Erwachsenen und einer Überforderung der Jugend führen. Kritisch hinterfragt werden die Grundannahmen der "progressiven Erziehung" in Amerika, die auf der Eigenständigkeit der Kinderwelt, der Austauschbarkeit von Lehrern und dem Prinzip des "Lernens durch Tun" basieren. Es wird argumentiert, dass diese Prinzipien zu einer Verabsolutierung der Kinderwelt führen, die natürliche Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern untergräbt. Die Untersuchung zeigt, dass die Krise in der amerikanischen Erziehung ein Symptom eines tieferliegenden Autoritätsverlusts ist, der sich sowohl im politischen als auch im privaten Bereich manifestiert. Die Weigerung der Erwachsenen, die Verantwortung für die Welt, in die sie Kinder hineingeboren haben, zu übernehmen, führt zu einer Verunsicherung der jungen Generation. Abschließend wird betont, dass eine konservative Erziehung notwendig ist, damit die Neuen revolutionierend in die alte Welt kommen. Die Schwierigkeit der modernen Erziehung besteht darin, dass sie weder auf Autorität noch auf Tradition verzichten kann, obwohl die Welt heute weder durch Autorität strukturiert, noch durch Tradition gehalten wird. Diese Analyse bietet Denkanstöße für Eltern, Pädagogen und politische Entscheidungsträger, die sich mit den Herausforderungen der Erziehung im 21. Jahrhundert auseinandersetzen und nach Wegen suchen, die nächste Generation auf eine ungewisse Zukunft vorzubereiten. Sie ist eine Aufforderung, die Rolle der Erziehung in einer sich wandelnden Welt neu zu denken und das Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation zu finden, um die Zukunft unserer Gesellschaft zu gestalten. Die Erziehungskrise wird dabei nicht als isoliertes Problem betrachtet, sondern als Lackmustest für den Zustand unserer Gesellschaft und als Chance für einen notwendigen Neuanfang.
Einleitung:
Wenn ein Land eine Krise hat, egal in welchem Bereich, kann man die Probleme leicht auf die national begrenzten spezifischen Probleme des betroffenen Landes abwälzen. Das hat sich in unserer Zeit als Fehler herausgestellt. Es scheint nämlich zu gelten, dass das, was heute in unserem Land möglich und wirklich ist, in fast jedem anderen Land in absehbarer Zeit auch möglich und wirklich werden kann, d.h. wenn z.B. Amerika in einer Wirtschaftskrise steckt, gelangt Deutschland früher oder später auch zu diesem Problem.
Es gibt noch einen weiteren Grund, sich mit einer Krisensituation eines anderen Landes zu beschäftigen: Als Außenstehender hat man die Chance, sich objektiv dem Problem zu nähern. Was ist der Grund, die Wurzel der Krise? Das Einzige, das man verlieren kann, sind Vorurteile, d.h. dass man die Antworten verliert, die man gewöhnlich bei Krisen parat hat. Eine Krise wird erst dann zu einem Unheil, wenn mit schon Geurteiltem, also mit Vorurteilen darauf geantwortet wird. Die Krise wird nicht nur verschärft, sondern man bringt sich um die Chance des Nachdenkens, die gerade durch die Krise gegeben ist.
Auch wenn eine Krise viel Allgemeines zeigt, kann man sie trotzdem nicht aus seinen speziellen Umständen herauslösen.
Amerika
Die Krise der Erziehung kann man am besten in Amerika beobachten. Nur in Amerika konnte die Erziehungskrise zu einer wirklich politischen Sache werden, weil es ein Einwanderungsland gewesen ist. Nur über die Schulen, die Erziehung und Amerikanisierung können die verschiedenen Volksteile zusammenschmelzen. Die Landessprache Englisch ist meist nicht Mutter- sondern Schulsprache. Die Schule muss Funktionen des Elternhauses übernehmen. Wichtig ist die Frage, welche Rolle die ständige Eiwanderung in der Politik und in der Verfassung des Landes spielt. Das Motto Amerikas steht auf jedem Geldschein: Novus Ordo Seclorum, die Neuordnung der Welt. Der Sinn der Neuordnung ist:
1. die Gründung einer Neuen Welt gegen die alte und
2. die Abschaffung von Armut und Knechtschaft.
Das Besondere liegt darin, dass sie alle Armen und Geknechteten der Welt willkommen hießen und so die Neue Welt aufbauen wollten. Dies ist der Grundwille oder das Grundgesetz, nach dem Amerika seine geschichtliche und politische Existenz aufgebaut hat.
Bezug zur Kindheit:
In dem außerordentlichen Enthusiasmus für das Neue liegt der Grund, warum den Kindern in Amerika eine größere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Erziehung wurde ein Mittel der Politik und jede politische Tätigkeit wurde selbst als eine Form von Erziehung verstanden. In allen politischen Utopien soll das Neue mit den Kindern, also den Neuen, erreicht werden. Anstatt selbst seine Meinungen und Einstellungen zu ändern und das Risiko des Scheiterns in Kauf zu nehmen, wird so getan, als sei das Neue schon da. Alle Versuche die Kinder anders zu erziehen und so etwas Neues zu schaffen, sind gescheitert, weil dadurch immer wieder Protesthaltungen bei der neuen Generation ausgelöst werden. Die Neuen haben, sobald sie an die Macht kamen, ihre Eltern politisch ausgeschaltet und sie nach ihrer Gesinnung beeinflusst. In der Politik kann Erziehung keine Rolle spielen, weil wir es im Politischen immer mit bereits erzogenen Menschen zu tun haben. Erwachsene würde man durch Erziehung nur bevormunden und sie daran hindern politisch zu handeln.
Utopie:
Um eine neue politische Ordnung schaffen zu können, müsste man alle älteren Menschen aus der Stadt ausweisen, die man neu gründen will. Aber gleichzeitig schließt man damit die Kinder aus, weil sie so keine Chance haben, selbst das Neue zu entdecken. Sie werden von Erwachsenen nur auf das Neue vorbereitet und werden gleichzeitig aus der aktuellen Politik und allgemein aus dem Leben der Erwachsenen ausgeschlossen.
Amerika:
Es ist eine Illusion, dass man durch Erziehung der Kinder eine neue Welt aufbauen kann. Denn alle neugeborenen Kinder und Einwanderer kommen in die alte Welt und diese Welt ist für sie noch neu. Die neue Welt muss neu erfunden werden, weil die ,,alte" keinen Ausweg gefunden hat für Armut und Knechtschaft. Die Erziehung der Kinder soll die Lösung der politischen Probleme sein. Dazu müsste man aber die Eltern von ihren Kindern isolieren, was ethisch nicht vertretbar ist. Die Kinder werden mit einem Problem konfrontiert, das selbst die Erwachsenen nicht lösen können.
Das neue Erziehungssystem Amerikas:
Die ,,progressive education" ist die radikalste Revolutionierung des gesamten Erziehungssystems. Sie hat vor ca. 25 Jahren in Amerika von einem Tag zum anderen alle Traditionen und alle bewährten Lehr- und Lernmethoden über den Haufen geworfen. Es wurden alle Regeln des gesunden Menschenverstandes beiseite geschoben und ohne Menschenverstand folgt automatisch eine Krise. Bei jeder Krise geht ein Stück Welt zugrunde. In Amerika liegen die Schüler hinter dem durchschnittlichen Standard aller europäischen Länder zurück. Das liegt leider nicht daran, dass dieses Land noch so jung ist und noch nicht die Standards der Alten Welt erreicht hat, sondern im Gegenteil daran, dass es das fortgeschrittenste und modernste der Welt ist: Nirgends waren die modernsten Probleme der Massengesellschaft für den Erziehungsbereich so ernst und nirgends wurden die modernsten Theorien auf dem Gebiet der Pädagogik so kritiklos übernommen. Die ,,progressive educatoin" ist gescheitert und eine Reparatur ist schwer möglich., da die Krise in einer Massengesellschaft entstanden ist.
Es gibt noch einen Faktor, der die Krise in der Erziehung verschärft hat:
Der Begriff der Gleichheit ist im amerikanischen Leben sehr wichtig. Dazu gehört auch die Einebnung der Klassenunterschiede und damit hat jeder ein Recht auf Erziehung. Deshalb gibt es kaum eine höhere Schule im europäischen Sinn. Alle gehen bis zum Alter von 16 Jahren auf die highschool und es wird erst im College auf das Studium vorbereitet. Die Lehrpläne sind infolgedessen übervoll und die zu leistende Arbeit ist kaum zu schaffen. Die Krise wird also durch die politische Verfassung des Landes so ungewöhnlich verschärft. Der Unterschied zwischen Jungen und Alten, zwischen Begabten und Unbegabten, zwischen Kindern und Erwachsenen, vor allem aber zwischen Schülern und Lehrern soll ausgeglichen und verwischt werden. Dieser Ausgleich kann nur auf Kosten der Autorität des Lehrers und auf Kosten der Begabten unter den Schülern zustande kommen.
Diese allgemeinen Faktoren können die Krise aber nicht erklären.
Die Maßnahmen, die so zerstörerisch sind, lassen sich auf drei Grundüberzeugungen zurückführen:
1. Nach der ersten Grundüberzeugung ist die Welt des Kindes eigenständig. Die Kinder sollen sich möglichst selbst verwalten und Erwachsene helfen bei der Verwaltung nur. Die Kinder haben ihre eigene Autorität, der Erwachsene hat dabei nichts zu sagen. Das hat zur Folge, dass der Erwachsene dem einzelnen Kind hilflos gegenübersteht und kein Kontakt zwischen den Beiden entstehen kann. Die Erwachsenen können nur darauf achten, dass den Kindern nichts schlimmes zustößt. Es gibt dann nur noch Altersstufen, die nebeneinander leben, aber nicht mehr miteinander. Das einzelne Kind ist in der Gruppe allerdings schlechter dran als zuvor. Seine Chancen, zu rebellieren oder etwas auf eigene Faust zu tun, sind gleich null, es steht allein gegen alle Anderen. Da das Kind aber aus der Welt der Erwachsenen gewissermaßen ausgestoßen ist, ist es auf sich allein gestellt, oder es wird der Tyrannei seiner Gruppe überantwortet. Die Reaktion ist entweder Konformismus oder Haltlosigkeit.
2. Die zweite Grundüberzeugung bezieht sich auf das Lehren. Ein Lehrer, so meinte man, ist ein Mann der alles lehren kann. Seine Ausbildung ist das Lehren, nicht ein bestimmtes Fach. Das hat zur Folge, dass die Fachausbildung der Lehrer für höhere Schulen sehr vernachlässigt worden ist. Da der Lehrer sein Fach nicht zu kennen braucht, ist er der Klasse nur meist um eine Stunde voraus. Die Schüler sind beim Lernen auf sich gestellt und der Lehrer ist keine Autoritätsperson mehr.
3. Die dritte Grundüberzeugung bezieht sich auf das Lernen. In der modernen Theorie heißt es, man könne nur das wissen und erkennen, was man selbst gemacht habe. Das Lernen wird durch Tun so weit wie möglich ersetzt. Der Lehrer soll das den Kinder täglich vorführen, da er ja selbst den Stoff erst neu gelernt hat. Es soll kein Wissen gelehrt werden, sondern eine Geschicklichkeit eingeübt werden, wie man lernt. Es wird besonderen Wert auf das spielerische Arbeiten gelegt. Nur was spielend erlernbar ist, wird der Lebendigkeit des Spiels gerecht. Das Kind ist von Natur aus aktiv und wird durch das Lernen im alten Sinne gezwungen sich passiv zu verhalten. Durch das Spielen aber, wird das Kind nicht auf die Erwachsenenwelt vorbereitet, sondern die kindliche Welt wird eigenständig.
- Diese Verabsolutierung der Kinderwelt ist künstlich, weil die natürlichen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern, die beim Lehren und Lernen bestehen, unterbrochen werden. Außerdem wird damit geleugnet, dass die Kindheit ein vorübergehendes Stadium ist, im dem sich das Erwachsensein vorbereitet.
Die Krise in Amerika besteht nun darin, dass man die Fehler in diesen Grundüberzeugungen erkannt hat und nun verzweifelt versucht wird, das gesamte Erziehungssystem zu reformieren, bzw. ganz umzustellen. Es soll alles restauriert werden: dabei sollen die naturwissenschaftlichen und technischen Ausbildungsmöglichkeiten erweitert werden, man will wieder im Sinne von Autorität erziehen, die Spielerei soll in den Schulen aufhören und sogar die Lehrer sollen vorher erst etwas lernen, bevor sie die Schülern unterrichten dürfen.
Fragen:
1. Was können wir aus dieser Krise für das Wesen der Erziehung lernen?
2. Welche Aspekte der modernen Welt und ihrer Krise haben sich in der Erziehungskrise gezeigt?
Eine Krise in der Erziehung müßte in jedem Fall zu ernsten Besorgnissen führen, da das Erziehen zu den grundlegendsten und notwendigsten Tätigkeiten der Menschen-Gesellschaft gehört. Diese Gesellschaft ändert sich ständig durch das Hinzukommen neuer Menschen. Die neuen Menschen kommen nicht fertig auf die Welt, sondern sind im Werden. Das Kind hat ein Doppel-Gesicht: es ist ein werdender Mensch und ein neuer Mensch. Der Unterschied besteht darin, dass ein werdender Mensch nur um die Erhaltung des Lebens trainiert werden müsste. Der neue Mensch aber, ist neu in Bezug auf eine Welt, die vor ihm da war, die nach seinem Tod weiterbestehen wird, und in der er sein Leben verbringen soll. Er kennt die Welt noch nicht und muss sich in ihr zurechtfinden.
Eltern übernehmen in der Erziehung für ihr Kind die Verantwortung für das Leben und Werden des Kindes und für den Fortbestand der Welt. Diese beiden Verantwortungen können in einem Widerspruch miteinander geraten.
a) Verantwortung für das Werden des Kindes: Dies ist eine Verantwortung gegen die Welt. Das Kind muss vor der Welt geschützt werden, damit ihm nichts geschieht. Aber auch die Welt muss vor dem Neuen beschützt werden, damit sie nicht von der neuen Generation überrannt und zerstört wird. Das Kind findet in der Familie Schutz gegen die Welt und besonders gegen die Öffentlichkeit der Welt. Ohne diesen Schutz des Privaten und Geborgenen, geht die Lebendigkeit zugrunde. Bei Kindern mit berühmten Eltern ist die Erziehung deshalb so schwierig, weil sie immer dem Licht der Öffentlichkeit ausgesetzt sind. Oft mißraten solche Kinder.
Als man, wie in der ersten Grundüberzeugung, versuchte, eine Welt der Kinder zu errichten, wurden die Kinder dem Licht der Öffentlichkeit preisgegeben. Seit Beginn der Neuzeit rückt die Privatsphäre immer mehr in den Bereich der Öffentlichkeit. Kinder können dann nicht mehr ungestört heranwachsen.
Das passiert jedoch alles völlig unabsichtlich. Im Zentrum aller Bemühungen moderner Erziehung steht das Wohl des Kindes.
Die Erziehungsaufgaben aber, die sich auf den jungen Menschen richten, fallen vor allem der Schule zu. Sie betreffen das Lehren und Lernen. Amerika hat auf diesem Gebiet versagt und das ist heut das größte Problem. Was ist der Grund des Problems?
Die Schule ist speziell für Heranwachsende gemacht. Sie ist die Institution, die zwischen die Privatsphäre des Elternhauses und die wirkliche Welt geschoben wird, um den Übergang von Familie zur Welt überhaupt möglich zu machen. Dort wird zwar die Verantwortung auch wieder von Erwachsenen übernommen, aber die Lehrer sind eher für die freie Entwicklung der Eigenart und der Begabungen zuständig. Dadurch kann sich dann jeder Mensch in seiner Einzigartigkeit unterscheiden und das Kind wird zu einem noch nie dagewesenen Wesen in der Welt. Die Erzieher übernehmen vor den Jugendlichen die Vertretung für die Welt, obwohl auch sie sie nicht gemacht haben. Diese Verantwortung wird nicht wirklich den Erziehern aufgebürdet, aber wer die Verantwortung für die Welt nicht mitübernehmen will, sollte keine Kinder zeugen und darf nicht mithelfen, Kinder zu erziehen.
Die Verantwortung für die Welt äußert sich in der Erziehung in der Autorität. Autorität und Qualifikation sind nicht dasselbe. Allerdings ist ein gewisses Ausmaß von Qualifikation für Autorität notwendig.
Qualifikation: Der Lehrer ist qualifiziert, da er die Welt kennt und über sie belehren kann. Autorität: Die Autorität des Lehrer beruht darauf, dass er für diese Welt die Verantwortung übernimmt und er repräsentiert gleichzeitig die Erwachsenen.
Im öffentlichen Leben spielt Autorität aber entweder keine Rolle, denn wer will schon die Verantwortung für alle anderen übernehmen, oder aber eine höchst umstrittene. Autorität in einem echten Sinne war verknüpft mit der Verantwortung für den Lauf der Dinge in der Welt. Wenn man die Autorität aus dem politischen und öffentlichen Leben entfernt, so kann das heißen, dass von nun an allen die gleiche Verantwortung zugemutet werden soll. Oder, dass man alle Verantwortung für die Welt ablehnt. Im modernden Autoritätsverlust spielen beide Motive eine Rolle.
Autorität in der Erziehung: In der Erziehung kann man von einer Doppeldeutigkeit der Autorität nicht sprechen. Die Autorität ist von den Erwachsenen abgeschafft worden, und das heißt, dass die Erwachsenen sich weigern, die Verantwortung für die Welt zu übernehmen, in die sie die Kinder hineingeboren haben.
Zusammenhang des Autoritätsverlusts in der Politik und in der Erziehung: Um so größer das Misstrauen gegen die Autorität in der Öffentlichkeit wurde, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es dann auch im Privaten zu Anfechtungen kommt. Die Menschen können ihre Unzufriedenheit mit der Welt gar nicht deutlicher zeigen, als die Weigerung, die Verantwortung gegenüber ihren Kinder, zu übernehmen. Denn damit zeigen sie ihnen, dass sie selbst nicht wissen, wie man in diesem Chaos überleben kann und die Kinder müssen selbst lernen, wie sie da durchkommen. So ist die Verantwortung abgelegt. Diese Haltung hat nichts mehr mit dem Willen zur Neuordnung der Welt zu tun, für den Amerika einmal stand. Das Problem besteht darin, dass in Amerika nie daran gedacht wurde, die Neuordnung mit der Erziehung zu beginnen; die Erziehung blieb konservativ. Und auch in der Politik kann die konservative Haltung nur ins Verderben führen, denn Konservativ heißt hier die Welt so wie sie ist zu akzeptieren. Aber die Menschen müssen eingreifen, ändern und Neues schaffen. Die Hoffnung hängt immer an der neuen Generation. Gerade, weil nur hierauf die Hoffnungen gesetzt werden, wird alles verdorben, wenn die Alten versuchen, das Neue nach ihren Vorstellungen zu formen. Deshalb muss die Erziehung konservativ bleiben, damit die Neuen revolutionierend in die alte Welt kommen.
Die Schwierigkeit der modernen Erziehung: Sie besteht darin, dass konservative Erziehung in unserer Zeit kaum möglich ist. Es kann aber weder einfach weitergemacht werden, wie bisher, oder einfach umgekehrt werden. Eine Umkehr würde nur wieder in die jetzige Situation führen.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in diesem Text?
Der Text befasst sich mit der Krise der Erziehung, insbesondere in Amerika, und analysiert deren Ursachen und Auswirkungen im Kontext von Politik, Gesellschaft und Tradition.
Was ist das Hauptproblem, das in dem Text behandelt wird?
Das Hauptproblem ist die Krise der Erziehung, die sich in Amerika manifestiert hat, und die daraus resultierenden Schwierigkeiten, eine neue Generation auf eine Welt vorzubereiten, die sich ständig verändert und weder durch Autorität noch durch Tradition gehalten wird.
Warum wird Amerika als Beispiel für die Krise der Erziehung gewählt?
Amerika wird als Beispiel gewählt, weil die Erziehungskrise dort zu einer politischen Sache geworden ist, insbesondere aufgrund der Notwendigkeit, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen durch Schulen und Amerikanisierung zu integrieren. Auch die ständige Einwanderung spielt eine Rolle.
Was sind die drei Grundüberzeugungen, die zur Krise der Erziehung in Amerika beigetragen haben?
Die drei Grundüberzeugungen sind: (1) Die Welt des Kindes ist eigenständig, (2) Ein Lehrer muss kein Fachwissen haben, sondern nur lehren können, und (3) Man kann nur das wissen und erkennen, was man selbst gemacht hat (Lernen durch Tun).
Welche Rolle spielt der Begriff der Gleichheit in der amerikanischen Erziehungskrise?
Der Begriff der Gleichheit führt zur Einebnung von Klassenunterschieden und dem Anspruch auf Erziehung für alle. Dies führt zu überfüllten Lehrplänen und einem Ausgleich zwischen Begabten und Unbegabten, was die Autorität der Lehrer untergräbt.
Was bedeutet "progressive education" im Kontext des Textes?
"Progressive education" bezeichnet die radikale Revolutionierung des Erziehungssystems in Amerika, bei der Traditionen und bewährte Methoden über den Haufen geworfen wurden. Dies wird als ein wesentlicher Faktor für die Krise der Erziehung angesehen.
Welche Kritik wird an der Verabsolutierung der Kinderwelt geübt?
Die Verabsolutierung der Kinderwelt wird als künstlich kritisiert, da sie die natürlichen Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern unterbricht und leugnet, dass die Kindheit ein vorübergehendes Stadium ist, das auf das Erwachsensein vorbereitet.
Welche Rolle spielt die Autorität in der Erziehung?
Autorität spielt eine wichtige Rolle in der Erziehung, da sie mit der Verantwortung für die Welt verbunden ist, in die Kinder hineingeboren werden. Der Verlust der Autorität der Erwachsenen wird als ein Zeichen dafür interpretiert, dass sie sich weigern, diese Verantwortung zu übernehmen.
Was ist die Schwierigkeit der modernen Erziehung?
Die Schwierigkeit der modernen Erziehung besteht darin, dass sie weder auf Autorität noch auf Tradition verzichten kann, obwohl die Welt heute weder durch Autorität strukturiert, noch durch Tradition gehalten wird.
Was ist die Doppeldeutigkeit der Erziehung, die im Text angesprochen wird?
Die Doppeldeutigkeit der Erziehung liegt darin, dass Eltern einerseits Verantwortung für das Leben und Werden des Kindes tragen, andererseits aber auch für den Fortbestand der Welt, was zu einem Widerspruch führen kann. Das Kind muss vor der Welt geschützt werden und die Welt vor dem Kind.
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- Sandra Bohnert (Author), 2000, Hannah Arendt - Die Krise der Erziehung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99196