Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Candidate Experience in der Bundeswehr, um etwaige Verbesserungspotentiale zu erarbeiten. Bewerber nehmen eine immer relevanteren Rolle für die Reputation und das Branding des Unternehmens als Arbeitgeber ein. Die Candidate Experience hat sich hierbei zu einem wichtigen nachhaltigen Instrument dafür entwickelt, potenzielle, qualitativ wertvolle Talente und Fachkräfte für sich zu gewinnen.
Der Mensch als Humanressource wird für Unternehmen zunehmend bedeutender. Nicht nur als Inputfaktor für die Güter- und Dienstleistungserstellung, sondern auch weil der einzelne Mitarbeiter - und insbesondere Bewerber - eine immer relevantere Rolle für die Reputation und das Branding des Unternehmens als Arbeitgeber einnimmt. Die Candidate Experience hat sich hierbei zu einem wichtigen, nachhaltigen Instrument dafür entwickelt, potenzielle, qualitativ wertvolle Talente und Fachkräfte für sich zu gewinnen.
Ziel dieser Arbeit ist es, sowohl aus Interviews mit studierenden Offizieren und Offiziersanwärtern als auch aus der persönlichen Reflexion des Autors auf die Candidate Experience in der Bundeswehr zu schließen und etwaige Verbesserungspotentiale zu erarbeiten.
Diese Arbeit untergliedert sich in fünf Kapitel. Nach der Einleitung werden im zweiten Kapitel zunächst theoretische Grundlagen vermittelt. Anfangs wird der Begriff der Candidate Experience aus unterschiedlichen Perspektiven definiert und anschließend die thematische und personalwirtschaftliche Adaption aus der Customer Experience erklärt.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Heranführung und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Candidate Experience Management
2.1 Theoretische Grundlagen
2.1.1 Begriffserklärung
2.1.2 Personalwirtschaftliche Adaption
2.2 Candidate Experience Konzepte
2.2.1 Candidate Experience Wheel
2.2.2 Candidate Journey
2.2.3 AIDA-Modell
3 PraktischeRelevanz
3.1 AktuelleTrends
3.2 Handlungsempfehlungen
4 Candidate Experience in der Bundeswehr
4.1 Methodik
4.1.1 Interviewauswertung
4.1.2 Erfahrungen des Autors
4.2 Diskussion
5 Fazit
Anhang
Anhang A: Service Encounter in der Personalgewinnung
Anhang B: Werbeplakat der US Army mit Inhalten des AIDA-Modells
Anhang C: Interviewleitfaden und durchgeführte Interviews (CD)
Anhang D: Grafische Darstellung der Teilnehmerdaten
Anhang E: Werbeplakate der Bundeswehr mit emotionalerer Botschaft
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Candidate Experience Matrix nach Murphy (2010)
Abbildung 2: Candidate Experience Wheel nach Verhoeven (2012)
Abbildung 3: Durch Recruiting zum Employer Brand in Anlehnung an Trost und Verhoeven (2012)
Abbildung 4: Beispielhafte Candidate Journey nach Verhoeven (2012)
Abbildung 5: AIDA-Modell in Anlehnung an Egle (2013)
Abbildung 6: AIDA und die mögliche Rezeption einer Werbeanzeige nach teachSam (s.d.)
Abbildung 7: Human Resources Service Encounter in Anlehnung an Lewis und Entwistle (1990)
Abbildung 8: Werbeplakat der United States Army (2007)
Abbildung 9: Verteilung der Interteilnehmer nach dem Zufriedenheitsgrad
Abbildung 10: Altersverteilung der Interviewteilnehmer
Abbildung 11: PlakatzurvorherigenWerbekampagne derBundeswehr (2012)..
Abbildung 12: Plakat der aktuellen Werbekampagne für den Freiwilligen Wehrdienst (2015)
Abbildung 13: Plakat der aktuellen Werbekampagne für eine Karriere im Soldatenberuf (2015)
Abbildung 14: Plakat der aktuellen Werbekampagne für Ausbildungen im zivilen Bereich (2015)
1 Einleitung
1.1 Heranführung und Zielsetzung
Der Mensch als Humanressource wird für Unternehmen zunehmend bedeutender. Nicht nur als Inputfaktor für die Güter- und Dienstleistungserstellung, sondern auch weil der einzelne Mitarbeiter1 - und insbesondere Bewerber - eine immer relevantere Rolle für die Reputation und das Branding2 des Unternehmens als Arbeitgeber einnimmt (Barbedette, 2005). Die Candidate Experience hat sich hierbei zu einem wichtigen, nachhaltigen Instrument dafür entwickelt, potentielle, qualitativ wertvolle Talente und Fachkräfte für sich zu gewinnen (Carpenter, 2013, S.203).
Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Esch in Kooperation mit der Recruiting-Plattform Softgarden zeigt auf, dass 57% der Bewerber ihr Bewerbungsverfahren als unattraktiv ansehen (Esch und Faber, 2015, S.24). Weitere 52% äußerten ihre Unzufriedenheit über die Prozessqualität. „Lediglich 46 Prozent beurteilen die angewendeten Verfahren als sinnvoll und nur 45 Prozent empfanden den Prozess als Ganzes nachvollziehbar.“ (Esch und Faber, 2015, S.24) Ziel dieser Arbeit ist es, sowohl aus Interviews mit studierenden Offizieren und Offiziersanwärtern als auch aus der persönlichen Reflexion des Autors auf die Candidate Experience in der Bundeswehr zu schließen und etwaige Verbesserungspotentiale zu erarbeiten.
1.2 Aufbau der Arbeit
Diese Arbeit untergliedert sich in fünfKapitel.
Nach der Einleitung werden im zweiten Kapitel zunächst theoretische Grundlagen vermittelt. Anfangs wird der Begriff der Candidate Experience aus unterschiedlichen Perspektiven definiert und anschließend die thematische und personalwirtschaftliche Adaption aus der Customer Experience erklärt. Die Erläuterungen der Candidate Experience Konzepte bilden den Abschluss des zweiten Kapitels.
Das dritte Kapitel zeigt die praktische Relevanz des Themas auf. Aktuelle Trends werden dargestellt und Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche Candidate Experience aufgeführt.
Den Kern der Arbeit bildet das vierte Kapitel mit der Interviewauswertung bezüglich der Candidate Experience innerhalb der Bundeswehr. Zuerst wird die Methodik des Interviews vorgestellt, gefolgt von der Auswertung und den persönlichen Erfahrungen aus differenzierter Sicht des Autors.
Die Arbeit endet mit dem fünften Kapitel in Form eines Fazits, indem Handlungsempfehlungen für eine positive Candidate Experience in der Bundeswehr, auf Basis der Interviewergebnisse, erörtert und mit einer Quintessenz abgeschlossen werden.
2 Candidate Experience Management
2.1 TheoretischeGrundlagen
Dieses Teilkapitel befasst sich mit der Erläuterung des Begriffes der Candidate Experience und seiner thematischen Herkunft. Zunächst wird die Candidate Experience aus Bewerber- und Unternehmerperspektive erläutert und definiert. Daran anknüpfend folgt die Erörterung der personalwirtschaftlichen Adaption aus dem Kundenmarketing.
2.1.1 Begriffserklärung
In der Fachzeitschrift Personalwirtschaft zeigt Gertz (2015, S. 19-21), dass nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven in der Führungsebene der Unternehmen, sondern auch wegen der Neuartigkeit der Thematik in der Literatur, die Candidate Experience differenzierte inhaltliche Interpretationen vorweist und somit keine standardisierte Definition vorliegt. Defmitorisch leitet sie sich aus dem Candidate Experience Management ab. Diese „hat das Zieljede Begegnung einer Bewerberin oder eines Bewerbers mit dem potenziellen Arbeitgeber in ein positives und motivierendes Erlebnis zu wandeln“ (Ferber Personalberatung, s.d.).
Grundsätzlich beschreibt die Candidate Experience das Erleben eines Kandidaten innerhalb des kompletten Bewerbungsprozesses. Diese Erfahrungen basieren maßgeblich auf den persönlichen und nicht-persönlichen Berührungspunkten (auch Touchpoints genannt) mit seinem potentiellen Arbeitgeber (Athanas, 2014). Wichtig ist hierbei zu beachten, dass die einzelnen Touchpoints sich nicht ausgleichen können. Sämtliche Kontaktpunkte müssen positiven Charakters sein, da auch ein einziger negativer Kontakt das Bild des Arbeitgebers beeinflussen kann (Verhoeven, 2012).
Der Kandidat will als Person wahrgenommen und nicht als humaner Inputfaktor nach einem standardisierten Muster abgefertigt werden. Es sollte ihm also ein prägendes, individuelles Erlebnis bereitet werden (Gertz, 2015, S.19-21). Dieses Erlebnis beginnt mit dem eigentlichen Finden der Stellenanzeige und reicht, über die Informationsvermittlung seitens des Arbeitgebers sowie intrinsisch gesteuerte Informationsgewinnung des Arbeitnehmers, und das eigentliche Bewerbungs- und Auswahlverfahren, bis hin zu den ersten Arbeitstagen und der Bindung im Unternehmen (Verhoeven, 2012). Candidate Experience kann auch als Markenerlebnis verstanden werden. Bewerber verbinden mit einem Arbeitgeber bestimmte Werte und erwarten, dass ihnen diese Werte vermittelt und entgegengebrachtwerden (Gertz, 2015, S.21).
Die folgende Johari-Fenster-Matrix, bezugnehmend auf die Candidate Experience, zeigt die vier Typen von Erfahrungen, welche der Bewerber in den jeweiligen Dimensionen sammelt (s. Abb. 1). Diese werden gemessen an der Interaktion und Einbindung (Murphy, 2010).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Candidate Experience Matrix nachMurphy3 (2010).
Unter Interaktion ist der Grad der Teilnahme des Bewerbers zu verstehen. Die Einbindung misst die Intensität seiner kognitiven, physischen und emotionalen Einstellung (Murphy, 2010).
In der lehrenden Dimension sind die Einbindung und Interaktion des Kandidaten sehr gering. Er ist selbstständig, wird jedoch nicht eingebunden, und der Stimulus zum Handeln ist wenig bis gar nicht vorhanden. In diesem Bereich tritt er in Kontakt mit traditionellen Medien wie Zeitungen und dem Web 1.04. Es liegt also ein reines Informationsangebot ohne Interaktion vor, welches er wahrnimmt (Murphy, 2010).
Die begeisternde Dimension beinhaltet ebenfalls eine geringe Interaktion des Kandidaten. Durch Filme mit einer fesselnden und überzeugenden Botschaft erfährt der Bewerber jedoch einen hohen Grad emotionaler, physischer und kognitiver Teilnahme (Murphy, 2010). Ein weiteres Instrument für diesen Bereich ist der Einsatz von Realistic Job Previews (Diercks, 2008). Darunter versteht man die möglichst realitätsnahe Darstellung von Zuständen, Ereignissen und Geschehnissen im Beruf oder des ganzen Berufsbildes. Sie dienen dazu, den interessierten Bewerber in seiner Haltung gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber positiv zu beeinflussen (Diercks, 2008).
Videospiele oder andere vergleichbare interaktive Medien befinden sich in der unterhaltenden Dimension. Sie zeichnen sich durch einen hohen Interaktions-, jedoch geringen Einbindungsgrad aus (Murphy, 2010). Die Lufthansa bietet beispielweise auf ihrer Karriereplattform ein vereinfachtes Piloten-Quiz an, um den Interessenten einen Impuls zum Bewerben zu geben (Lufthansa, 200?).
Die einnehmende und damit letzte Dimension in der Matrix wird durch ihren hohen Grad an Interaktion und Einbindung hervorgehoben. Der Bewerber erfährt nicht nur eine intensive interaktive Teilnahme, sondern wird umfassend eingebunden - insbesondere auf emotionaler Ebene. Dieser Bereich spiegelt sich oft in Auswahlverfahren, in Form von dynamischen Gruppensituationsverfahren und herausfordernden Tests für physische5 oder kognitive6 Fähigkeiten, wider (Murphy, 2010).
Crispin und Mehler (2011, S.13) fügen ergänzend zu Murphys Matrix sogar noch eine dritte Dimension hinzu, welche die Authentizität der Erfahrung misst. So hat auch der Arbeitgeber die Möglichkeit, den Einfluss der Candidate Experience auf den Bewerbungsprozess zu messen. Candidate Experience findet nämlich nicht nur aufBewerberseite statt, sondern auch auf der des Unternehmers.
Sie lässt sich als ein Input-Output-Konstrukt erklären: Der Bewerber gibt seine Erfahrungen weiter und trägt somit einen Teil zum Branding des Arbeitgebers bei. Unternehmensseitig liefert der Arbeitgeber ein besonderes Recruiting-Erlebnis, um sich durch eine würdige und anhaltende Reputation mittels des Bewerbers nach außen repräsentieren zu können (Ferber Personalberatung, s.d.).
Ziel ist also nicht nur, dem Kandidaten einen lehrreichen Bewerbungsprozess zu bieten, sondern auch durch die daraus entstehende positive Reputation eine attraktive Employer Brand7 zu schaffen und somit Talente und gute Fachkräfte anzuziehen (Trost, S.42). Eine besondere Herausforderung hierbei ist, dass der Kandidat selbst bei einer Absage den ganzen Bewerbungsprozess als positiv empfinden sollte (Barbedette, 2005). Welche Handlungsmaßnahmen dazu nötig sind, wird im dritten Kapitel genauer erörtert.
Schrodt8 (2015 zitiert nach Gertz, 2015, S.19) erweitert den Grundgedanken der Candidate Experience und nennt sie Joint Experience. Dies beinhaltet nicht nur die Erfahrungen des Bewerbers im Rekrutierungsprozess, sondern insbesondere auch die Interaktion und Kommunikation mit sämtlichen Mitarbeitern und Akteuren in allen Prozesssegmenten. Die Targobank zum Beispiel setzt dieses vor allem im Bereich Bindung bei ihren neuen Auszubildenden um. Im dritten Ausbildungsjahr leiten diese für zwei Wochen eine Bankfiliale und werden dabei von erfahrenen Kollegen begleitet. Dies soll nicht nur die Fachkompetenz steigern, sondern gleichwohl die Motivation und das Vertrauen in den eigenen Arbeitgeber (Gertz, 2015, S.19).
Auf einen gemeinsamen Nenner lässt sich die Candidate Experience dennoch bringen. Crispin und Mehler (2011, S.ll) bezeichnen sie als Summe aller negativen sowie positiven Wahrnehmungen, Verhaltensweisen und Erfahrungen die der Kandidat in dem vollständigen Konstrukt des Personalbeschaffungsprozesses - vom Finden der Stellenanzeige über den Bewerbungs- und Auswahlprozess bis hin zur Übernahme oder Absage - sammelt.
2.1.2 Personalwirtschaftliche Adaption
Betrachtet man die oben genannten Interpretationen zeigt sich, dass der Ansatz der Candidate Experience als Instrument für die Personalgewinnung aus dem Kundenmarketing stammt, genau genommen aus der Customer Experience bzw. dem CustomerRelationship Management (Diercks, 2014).
Eine Untersuchung der Top-10 deutschen Finanzdienstleister durch Kullmann und Wenzel (Anon., 2014, S.15) zeigt, dass eine positive Customer Experience eine effektive Ressource für das Unternehmenswachstum ist. Unternehmen stehen nicht nur hinsichtlich ihrer Produkte bzw. Leistungen, sondern auch im Bereich der Personalgewinnung vor der Herausforderung, neue Kunden bzw. Talente und Fachkräfte anzuziehen (Weitzel et al., 2015, S.6). Dies bedeutet, es werden neue Alleinstellungsmerkmale benötigt, welche das Unternehmen als besondere Marke auszeichnen. „Positive Kundenerlebnisse gelten heute als das stärkste Differenzierungsmerkmal für Marken und Produkte, [...]“ (König, 2011 zitiert nach Kootz, 2014, S.53). Die Erlebnisse des Individuums hierbei zu analysieren und zu optimieren, ist ein möglicher strategischer Ansatz. Grund dafür ist, dass Erlebnisse sich schwerer kopieren lassen und somit einmalig in ihrer Erscheinung sind (Kootz, 2014, S.45).
Zentrale Bestandteile bilden dabei die Kundenzufriedenheit und die Kundenbindung (Anon., 2014, S.14). So wie im Customer Experience Management der Kunde als König betrachtet wird, wird im Candidate Experience Management der Bewerber als König betrachtet (Verhoeven, 2012). Hierbei stehen beide Managementbereiche kongruent zueinander. Beide befassen sich mit der Untersuchung, Analyse, Planung und Optimierung sämtlicher direkten und indirekten Kunden- bzw. Bewerberkontakte (Meier, 2012). „Ziel ist es, die negativen Erlebnisse zukünftig auf ein Minimum zu reduzieren [...]“ (Meier, 2012), und damit - in Anlehnung an die Customer Experience - zufriedene Bewerber dauerhaft an das Unternehmen als Marke zu binden, um möglichst neue Talente zu gewinnen und eine höhere Weiterempfehlungsrate zu erreichen (Anon., 2014, S.14).
„Die Bedürfnisse des Kunden zu kennen gilt als zentrale Triebkraft für das Handeln im Unternehmen.“ (Kootz, 2014, S.47) Diese Aussage kann damit gleichermaßen auf die personalwirtschaftliche Ebene übertragen werden.
Das Bewerbererlebnis und der Arbeitsplatz sind das Produkt, der Kandidat der Kunde. Nicht nur hohe Absatzzahlen sind maßgeblich wichtig für den Erfolg für das Unternehmen, sondern auch die Orientierung des Managements und die Ausrichtung der Produkte an den Bedürfnissen der Bewerber und Mitarbeiter (Kootz, 2014, S.47).
Der signifikante Unterschied zwischen der Customer und Candidate Experience liegt insbesondere in der Ausprägung des Service Encounter Managements. Unter dem Service Encounter versteht man ,,[...] den Face-to-Face-Kontakt zwischen einem Dienstleister und Kunden beziehungsweise hier dem Kandidaten und Arbeitgeber (Douglas Stiftungslehrstuhl für Dienstleistungsmanagement, 2011, S.l). Die Candidate Experience erfordert ein hohes Maß an persönlichen Kontaktszenarien über multiple Kommunikationskanäle - telefonisch, postalisch und webbasiert (Meier, 2012). Anhang A zeigt dazu ergänzend ein ServiceEncounter-Modell aus personalwirtschaftlicher Perspektive.
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, nicht nur Kunden im Tagesgeschäft, sondern auch Talente und Fachkräfte im Zuge der Nachwuchsgewinnung für sich als Arbeitgeber zu begeistern. Jede Candidate Experience, die zu einer positiven Reputation führen soll, muss - ähnlich wie die Kundenbegeisterung im Marketing - Wohlgefallen beim Kandidaten hervorrufen. Das individuelle Erlebnis geschieht vorwiegend auf affektiver Ebene, weshalb Unternehmen versuchen, emotionale Begeisterung hervorzurufen (Gouthier, Giese und Bartl, 2012, S.66-71). Dies bedeutet: Je stärker der persönliche Kontakt ist, umso mehr kann die Bindung zwischen Kandidat und Arbeitgeber intensiviert werden. So entsteht ein besonderes Vertrauensverhältnis, welches die gewünschte Wertschätzung und Haltung gegenüber Kandidaten gewährleistet (Gertz, 2012, S.20-21). Wie bei einer Hotline für Kunden, fungiert der gleiche persönliche Ansprechpartner als erste Anlaufstelle für Fragen, Sorgen und Nöte aller Art und bildet somit eine optimale Schnittstelle zwischen Kandidat und Arbeitgeberorganisation(LewisundEntwistle, 1990, S.49).
In Anlehnung an Kootz (2014, S.56) lässt sich zusammenfassen, dass das Ziel nicht nur ist, den Bewerber so zu begeistern, dass er das Unternehmen weiterempfiehlt, sondern auch, dass er dem Arbeitgeber als Marke vertraut. Dies gilt insbesondere im digitalen Zeitalter, in dem sich der Arbeitsplatzmarkt einfacher dennje vergleichen lässt. „Es geht letztlich um die Maßnahmen der Kundenzufriedenheit und um echte harte Dissatisfier auszuräumen“ (Kootz, 2014, S.56).
Rückblickend betrachtet ist die personalwirtschaftliche Adaption aus dem Produktmarketing klar zu erkennen, da beide Bereiche den strategischen Ansatz, den Kunden bzw. Kandidaten in den Fokus zu stellen, teilen. Nach Verhoeven (2012) ist eine deckungsgleiche Übernahme klassischer Marketingmodelle jedoch nicht zielführend, „da eine Produkt-Kauf-Entscheidung nicht dieselbe ist, wie eine Arbeitgeber-Wechsel-Entscheidung“. Trotzdem können diverse Marketingkonzepte in die Personalgewinnung und den Ansatz der Candidate Experience übernommen werden (Verhoeven, 2012).
2.2 Candidate Experience Konzepte
Genau wie im Produktmarketing kann das Konzept des Customer Mapping9 in das Candidate Mapping umgewandelt werden und als Instrument für die Findung konkreter Verbesserungspotentiale genutzt werden. Dazu dienen das Candidate Experience Wheel, die Candidate Journey und das AIDA-Modell, welche im Folgenden dargestellt werden.
2.2.1 Candidate Experience Wheel
Das folgende Candidate Experience Wheel nach Verhoeven (2012) stellt die sechs Phasen der Candidate Experience dar, welcher ein potentieller Bewerber idealerweise in seinem vollständigen Bewerbungsprozess durchläuft (s. Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Candidate Experience Wheel nach Verhoeven (2012)
Nach Verhoeven (2012) wird der Kandidat zunächst auf das Unternehmen aufmerksam. Diese Phase beschreibt die Art und Weise, wie der potentielle Arbeitgeber das Interesse des Bewerbers auf sich lenkt. Dies kann durch Eigeninitiative geschehen, aber auch mittels Werbekampagnen seitens des Unternehmens. Die zweite Phase ist die Informationsphase. Hier erkundigt sich der Kandidat via diverser Kommunikationskanäle über das Unternehmen, dessen Jobangebote und Karrierechancen. Hat sich der Bewerber informiert, bewirbt er sich bei dem Unternehmen und nimmt im Fall einer Einladung am Auswahlprozess teil. Wurden die Einstellungstests absolviert und kam es zu einer Zusage, erfolgt die vorletzte Phase, das Onboarding. Unter dem Onboarding versteht man die Zeit von der Zusage bis zum Tag der Einstellung sowie die ersten Arbeitstage. Hat sich der neue Mitarbeiter eingearbeitet und eine Alltagsroutine entwickelt, befindet er sich in der Bindungsphase. Hier obliegt es dem Unternehmen, auf welche Art und Weise es seinen Mitarbeiter weiter an sich bindet und weiterentwickelt (Verhoeven, 2012).
Auch wenn der Bewerber über alle Phasen hinweg Eindrücke sammelt, so findet die eigentliche Kandidatenbindung im Bewerbungs- und Auswahlprozess statt, da dort die häufigsten Kontaktpunkte vorzufinden sind. Gerade hier ist es wichtig, seitens des Unternehmens für eine positive Bewerbererfahrung zu sorgen, um im Falle einer Zu- oder Absage dennoch einen wertvollen Beitrag zum Employer Brand zu erhalten (Trost, 2012). Die folgende Abbildung 3 stellt diesen Prozess grafisch dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Durch Recruiting zum Employer Brand in Anlehnung an Trost und Verhoeven (2012).
2.2.2 Candidate Journey
Wie im Marketing kann die Candidate Experience in Form einer Customer bzw. Candidate Journey dargestellt werden. Die Zyklen aus Verhoevens (2012) Konzept können dafür als Phasen auf die Journey übertragen werden. Die Candidate Journey zeigt sämtliche direkten und indirekten Interaktionspunkte zwischen Bewerber und Unternehmen (s. Abb. 4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Beispielhafte Candidate Journey nach Verhoeven (2012).
Soziale Netzwerke haben sich insbesondere im Rahmen der Anziehung von Bewerbern zur essentiellen Grundlage für den Start und die Verbreitung von Kampagnen entwickelt (Trost, 2012, S.43). Webangebote wie YouTube und Facebook bieten eine perfekte Plattform um Werbung zu schalten, virales Marketing9 durchzuführen und den Bewerber bereits zu Beginn emotional für das Unternehmen als Marke zu begeistern.
Erste Anlaufstelle für Informationen über eventuelle Karrierewege und -chancen ist in der Regel die Website des Unternehmens (Verhoeven, 2012). Zur Informationsgewinnung dienen jedoch nicht nur soziale Netzwerke, Fernseh- und Webauftritte, sondern auch Arbeitgeberbewertungsportale wie Kununu.com und klassische Printmedien wie Zeitungen und Zeitschriften, sowie Plakate und Flyer (Trost, 2012, S.43).
Wurde der Kandidat so eingebunden, dass er das Unternehmen als potentiellen Arbeitgeber betrachtet, gelangt er in die dritte und damit in die Bewerbungsphase (Verhoeven, 2012). Nach Softgarden (s.d.) wird das Erlebnis maßgeblich durch schnelle Rückantworten und Benutzerfreundlichkeit (Usability) geprägt. Hat der Bewerber beispielweise einen hohen Aufwand, eine Bewerbung zu erstellen, da sie postalisch verschickt werden muss, oder besteht die Möglichkeit sich schnell und vor allem unkompliziert online um eine Stelle zu bewerben. Wird der Weg der Online-Bewerbung angeboten, ist auch hier die Usability ein entscheidender Faktor. Sie kann praktisch10 sein oder zeitaufwändig, indem der Bewerber - auch über die wesentlichen Informationen hinaus - vermeintlich überflüssige Angaben händisch eingeben muss (Softgarden, s.d.).
Ein Kandidat entwickelt nicht nur im vollständigen Bewerbungsprozess ein Bild des Unternehmens, sondern hat dieses möglicherweise auch schon im Vorfeld gehabt und verbindet es mit bestimmten Werten (Diercks, 2014). Das bedeutet: Sollte er ein Unternehmen aufgrund seiner Produkte für innovativ halten, so erwartet er dieses Attribut auch von ihm als Arbeitgeber.
Kandidaten verlangen von Recruitern als Personen wahrgenommen zu werden, welche ihre Stärken und Kompetenzen zeigen wollen (Gertz, 2015, S.19). Folglich erfordert es insbesondere im Auswahlverfahren einen hohen Grad an Einbindung und Interaktion, um den nötigen Raum für die Entfaltung der Fähigkeiten eines jeden Bewerbers gewährleisten zu können.
In der Onbaording-Phase findet die Integration des neuen Mitarbeiters statt. Auch hier zeigt sich, ob das Unternehmen ihn als Mensch oder lediglich als humanen Inputfaktor betrachtet. Entweder gestaltet der Arbeitgeber die Integration in das neue Arbeitsumfeld oder er überlässt ihn in der neuen Umgebung seiner selbst (Kaiser, 2009, S.6).
Ist der Kandidat erfolgreich in das Unternehmen integriert, gilt es, ihn an das Unternehmen zu binden und ihn in seiner Haltung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, zu bestätigen (Verhoeven, 2012).
Rekapitulierend zeichnet sich ab: In allen Phasen erfährt der Kandidat mehrere Kontaktpunkte. Das Konzept der Candidate Journey dient dabei dem Unternehmen als Analysetool, um die Candidate Experience des Bewerbers zu verfolgen (Tracking), dadurch negative Touchpoints hervorzuheben und diese zu korrigieren (Kirchner, 2015).
2.2.3 AIDA-Modell
Ursprünglich stammte das AIDA-Modell (auch AIDA-Formel/-Regel/-Schema genannt) aus dem Jahre 1898 von Elmo Lewis und diente zur Gliederung von Verkaufsgesprächen; wurde über Jahrzehntejedoch weiterentwickelt und stellt die Wirkungsabsicht von Werbung sowie die vier Stufen der Werbewirkung dar, welche eine Person in einer bestimmten Reihenfolge durchläuft (Koschnik, 2008; Egle, 2013).
Wie relevant dabei die einzelnen Stufen sind, hängt von der Intensität des Involvements11 sowie der Gestaltung und Wiederholungszahl der Werbung ab (s. Abb. 5). Aufgrund der zwingenden linearen und hierarchischen Struktur dient das Modell eher als Checkliste, um auf dessen Grundlage eine beabsichtigte Werbewirkung gezielt herbeizuführen (Esch, 2015).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: AIDA-Modell in Anlehnung an Egle (2013).
Die AIDA-Formel kann auch auf die Candidate Experience dahingehend angewendet werden, wie man eine Werbekampagne anhand der einzelnen Stufen gestalten kann, um neue Talente und Fachkräfte anzuziehen und zu einer Bewerbung zu bewegen.
Zunächst gilt es in der ersten Stufe die Aufmerksamkeit des Bewerbers zu erregen. Dies kann z.B. in Form von Texten und Bildern geschehen (teachSam, 201?). An erster Stelle haben die über den Sehsinn wahrgenommenen, visuellen Reize wie Logos, Bilder, Farben und Formen die größte Anziehungswirkung (Corporate Senses, s.d.). Der Sehsinn „hat die höchste Aufnahmekapazität von allen Sinnen“ (Corporate Senses, s.d.). Darüber hinaus „unterliegt die visuelle Wahrnehmung nur einer schwachen kognitiven Kontrolle“ (Corporate Senses, s.d.).
Ist die Aufmerksamkeit des Kandidaten erregt, so gilt es sein Interesse für die Stellenanzeige zu wecken und aufrecht zu erhalten. Um dies zu erreichen ist beispielweise eine prägnante, aussagekräftige und attraktive Titelzeile von Nutzen. Somit wird der Betrachter der Anzeige animiert weiterzulesen und führt dazu, dass sein Interesse gefestigt wird. Ein fortführender Text, Slogan und ein Logo runden die antizipierte Wirkung ab (teachSam, 201?).
Der Besitzwunsch baut auf der Anziehung und dem Interesse auf. „Aufmerksamkeit und gewecktes Interesse lösen aber per se noch keinen Besitzwunsch (Desire) aus“ (teachSam, 201?). Dem Bewerber muss klar gemacht werden, dass die angebotene Stelle nicht nur im Allgemeinen gut ist, sondern insbesondere für ihn als Individuum wertvoll, vorteilhaft und von persönlichem Mehrwert ist. Das heißt, dass das vermittelte Bewerberversprechen als Problemlösungseigenschaft fungiert (z.B. innovatives Arbeitsumfeld) und mit dem spezifischen Problem des Bewerbers (z.B. aktuell monotoner Arbeitsalltag) verknüpft wird, sodass er zur Bewertung gelangt, dass die beworbene Stelle die richtige Wahl für ihn ist (Paul, 2015, S.541).
Action baut auf Attention, Interest und Desire auf. Sind alle drei Stufen erfolgreich, aktiviert dies den Stimulus beim Kandidaten, selber Teil des Unternehmens zu werden, und initiiert den Schritt sich zu bewerben. Um den Übergang zur eigentlichen Bewerbungshandlung zu intensivieren, können zusätzliche Informationshilfen bereitgestellt werden (teachSam, 201?).
Die folgende Abbildung 6 stellt den zuvor erläuterten klassischen schematischen Wirkungsablauf einer Werbeanzeige, anhand des AIDA-Modells, dar. Anhang B zeigt dazu exemplarisch ein Werbeplakat der US Army, indem alle Elemente des AIDA-Modells enthalten sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: AIDA und die mögliche Rezeption einer Werbeanzeige nach teachSam (s.d.).
Die Problematik bei der AIDA-Formel besteht darin, dass der wesentliche Aspekt der Emotionen nicht berücksichtigt ist. Die Planung für ein Targeting, also das genau gerichtete Einblenden von Werbung für eine bestimmte Zielgruppe, lässt sich ebenfalls nicht umsetzen (Tropp, 2014, S.348; Koschnik, 2005). Somit ist das AIDA-Modell als Instrument für die Personalgewinnung nicht geeignet, sondern dient dieser eher als vereinfachter Gestaltungsleitfaden für Werbekampagnen zur Anziehung neuer Kandidaten und als grober Ansatz für die Analyse von Werbebotschaften (Egle, 2013; Esch, 2015).
[...]
1 In der vorliegenden Arbeit wird sich der männlichen Sprachform bedient, um eine bessere Lesbarkeit zu ermöglichen. Die Aussagen gelten jedoch stets Ihr Frauen und Männer gleichermaßen.
2 Das englische Wort für Markenbildung; wirdjedoch auch im Deutschen verwendet.
3 Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche durch den Autor. Murphy adaptierte seine Matrix wiederumvonPine und Gilmore (1998, S.102).
4 Die Verbindung von Computern und die Bereitstellung von Informationen (Schürig, 2010).
5 In erster Linie Sporttests.
6 Inbesondere verbale, rechnerische und figurale Tests (Frankfurt School ofFinance, s.d.).
7 Das englische Wort für Arbeitgebermarke; wirdjedoch auch im Deutschen verwendet.
8 Leiter der Personalabteilung bei der Versicherung Direct Line.
9 Virales Marketing ist eine Marketingform, bei der die Werbung als solches durch den Empfänger zunächst nicht erkannt wird, sondern eine subtile Mitteilung über die Marke beinhaltet (Weis, 2015).
10 Beispielweise die Integrationdes Lebenslaufs mittels VerbindenvonXING- oderLinkedln Konten oder auch das Hochladen eigener Bewerbungsdokumente im PDF- oder Word-Format.
11 Unter Involvement versteht man die subjektiv wahrgenommene Relevanz der Beteiligung intrinsischer, persönlicherWerte (Jaritz, 2008, S.18).
- Quote paper
- Fabio Nilgen (Author), 2016, Candidate Experience Management bei der Bundeswehr. Personalwirtschaftliche Adaptionen und Erfahrungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/991720
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