Industrialisierung in Entwicklungsländern
1. Notwendigkeit der Industrialisierung
⇒ Gründe der Industrialisierung in Thesen:
1. Industrialisierung ist der Schlüsselfaktor für die Schaffung eines größeren wirtschaftlichen Wohlstandes (’Vorzeigeeffekt’).
2. Durch Industrialisierung werden Arbeitsplätze bereit gestellt.
3. Die Industrialisierung zieht überschüssige Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft, wodurch dies produktiver wird.
4. Die Industrialisierung erhöht die Produktivität der Landwirtschaft durch die Bereitstellung von maschinen und Düngemitteln.
5. Die Arbeitsleistung der Industrie sorgt in den Städten für neue Nachfrage und bessere Preise bei Nahrungsmitteln und landwirtschaftlichen Rohmaterialien.
6. Die Industrie ist eine sichere Basis für den wirtschaftlichen Fortschritt, da sie weniger von schwankenden Erträgen abhängig ist als die klimatisch anfällige Landwirtschaft.
7. Die Industrialisierung macht unabhängiger von der Landwirtschaft und vom Rohstoffexport.
8. Die Industrie hat positive Nebeneffekte auf andere Wirtschaftsbereiche.
9. Die Industrie ist die Quelle ’moderner’ Einstellungen
2. Hemmnisse der Industrialisierung
- traditionelle internationale Arbeitsteilung umfasst den Export von Roh- und Hilfsstoffen aus den Entwicklungsländern; Export von Industriegütern aus den Industrieländern → 60% des Welthandels entfallen auf die IL → Unausgewogenheit der Handelsbeziehungen → Handelsabhängigkeit → nur vereinzelte Ansätze zur Industrialisierung
- Entwicklung einer eigenständigen und leistungsfähigen Industrie stand dabei nicht im Vordergrund - wichtiger: Produktion von Industriegütern, die bisher importiert werden mussten → vorrangig: Ersetzen von Importen und Sparen von Devisen
- Investitionsgüter mussten in großer Zahl importiert werden → Aufbau der eigenen Industrie scheiterte
- Versuch der Industrialisierung → Verschlechterung der Handelsbilanz,
Verstärkung der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industriestaaten
- zu historischen Gründen kamen interne Schwierigkeiten:
- mangelhafte Infrastruktur: vorhandene Einrichtungen sind zum Teil unzulänglich bzw. für die Erfordernisse der Industrie ungeeignet
- Kapitalmangel → Mittel der Investitionen begrenzt
- Umfang der Absatzmärkte ist begrenzt: breite kaufkräftige Mittelschicht fehlt → Nachfrage nach Industriegütern bleibt gering
- unzulängliche Ausstattung mit Ressourcen: wichtige Grundlage, die eine Industrie initiieren könnte fehlt
- Industrialisierungsmöglichkeiten auch durch soz. Merkmale eingeschränkt (schlechte Gesundheitsverhältnisse, geringer Bildungsstand, Fehlen unternehmerischer Kenntnisse)
3. Wege zur Industrialisierung
-Lohnvorteile:
- 1960: mehr EL exportierten zunehmend Industriegüter in die IL zu historischen Gründen kamen interne Schwierigkeiten Veränderung der internat. Arbeitsteilung deutete sich an
- Weltmarktproduktion wesentlich auf das Lohngefälle zw. IL und EL zurückzuführen
- v.a. lohnintensive Industriebranchen erstellten Fertigungsstätten in den EL
-Nationale Fördermaßnahmen
- EL wollen Tendenzen durch gezielte Fördermaßnahmen in „Freie Produktionszonen“ verstärken → Steuervergünstigungen, Befreiung von Importzöllen auf Maschinen und Halbfabrikate, Gewährung verbilligter Kredite, Bereitstellung von Fabrikgebäuden, Veränderung des Arbeitsrechts - kommen den Investoren entgegen, Verminderung der Umweltschutzauflagen
- zinsgünstige Investitionskredite → Investoren wählen technisch fortschrittliche Produktionsmethoden - entsprechen den Technologien der IL, benötigen wenige Arbeitskräfte → Forderung nach „angemessener Technologie“ für die EL
- deutlich wird die Weltmarktproduktion der EL in der Textilindustrie:
ist lohnintensiv, Produktionsmethoden ermöglichen ungelernte Arbeitskräfte nach einem Monat Anlernzeit als vollwertige Arbeitskräfte einzusetzen - die in den IL benutzen automatischen Maschinen werden durch billige Arbeitskräfte ersetzt
- Ausbau des internationalen Verkehrsnetzes fördert diese internationale Arbeitsteilung
- Ersparnisse an den Lohnkosten betrugen das Mehrfache der Transportkosten
4. Industrialisierung und regionale Disparitäten
- EL: schlechte und ungleichmäßig ausgebaute Infrastruktur → Ausbau der Industrie auf wenige Gebiete beschränkt
- bevorzugt: Hafenstädte (Verbindung zur internationalen Wirtschaft)
- gleichzeitig Hauptstädte: überproportionale Wirtschafts- und Industrieanteile = Pull-Faktoren
5. Strukturelle Probleme
- ungleiche Struktur der Industrie ein weiteres Problem
1. importsubstituierende Industrie
- Förderung der heimischen Industrie → Ersetzen teurer Importe durch eigene Produkte
- Problem: nicht auf den Bedarf der breiten Bevölkerung ausgerichtet; zielt auf die Produktion von hochwertigen und langlebigen Gütern → nur für eine kleine Oberschicht erschwinglich → nachhaltiges Wachstum mit Anregungen für andere Industrien nicht möglich
- Vorschlag: geringerer Kapitaleinsatz mit arbeitsintensiver Fertigung im Interesse der EL
2. Weltmarktproduktion
- Problem: Vorteile kommen nur den ausländischen Investoren zugute
- Vorschlag: Industrie, deren Produktion auf einen breiten
Binnenmarkt gerichtet ist; Fertigungsmethoden müssen dem geringen Kapital und dem übergroßen Arbeitskräfteangebot angepasst sein → Lohnzuwachs möglich, der erst bei ausgeschöpftem Arbeitkräftereservoir eintritt
→ anstelle einer unbefriedigenden Industrialisierung (Probleme: ungleiche Wirtschaftsverteilung, rapide Verstädterung und Slumbildung) → ländliche, angepasste Industrialisierung von größerer Bedeutung
- Vorteile der ländlichen Industrialisierung: größere Beschäftigungs- und Einkommenseffekte; innerregionale Disparitäten und das soziale Entwicklungsgefälle zw. Stadt und Land lassen sich besser bekämpfen
6. Staatliche Einflüsse bei der Industrialisierung
- staatliche Industrialisierungsinitiativen sollen die Gefahren der räumlich unterschiedlichen Entwicklung begrenzen → Einrichtung von Industrieparks (industrial estates)
- protektionistische Maßnahmen: Importverbot für Waren, die auch im Land produziert werden, Ausfuhrsubventionen
Häufig gestellte Fragen zu "Industrialisierung in Entwicklungsländern"
Warum ist Industrialisierung in Entwicklungsländern notwendig?
Industrialisierung wird als Schlüsselfaktor für wirtschaftlichen Wohlstand angesehen, schafft Arbeitsplätze, erhöht die Produktivität der Landwirtschaft, reduziert die Abhängigkeit von klimabedingten Erträgen, fördert wirtschaftlichen Fortschritt, reduziert die Abhängigkeit von Landwirtschaft und Rohstoffexport, hat positive Auswirkungen auf andere Wirtschaftsbereiche und fördert "moderne" Einstellungen.
Welche Hindernisse stehen der Industrialisierung in Entwicklungsländern im Weg?
Traditionelle internationale Arbeitsteilung, Handelsabhängigkeit, Import von Investitionsgütern, mangelhafte Infrastruktur, Kapitalmangel, begrenzte Absatzmärkte, unzureichende Ressourcenausstattung und soziale Merkmale wie schlechte Gesundheitsverhältnisse, geringer Bildungsstand und fehlende unternehmerische Kenntnisse behindern die Industrialisierung.
Welche Wege gibt es zur Industrialisierung von Entwicklungsländern?
Lohnvorteile, nationale Fördermaßnahmen (z.B. in Freien Produktionszonen mit Steuervergünstigungen und verbilligten Krediten), die Förderung "angemessener Technologie" und der Ausbau des internationalen Verkehrsnetzes sind Wege zur Industrialisierung.
Wie beeinflusst die Industrialisierung regionale Disparitäten in Entwicklungsländern?
Die Industrialisierung konzentriert sich aufgrund schlechter Infrastruktur oft auf wenige Gebiete, insbesondere Hafenstädte und Hauptstädte, was zu überproportionalen Wirtschafts- und Industrieanteilen führt.
Welche strukturellen Probleme gibt es bei der Industrialisierung in Entwicklungsländern?
Es gibt Probleme mit importsubstituierenden Industrien, die nicht auf den Bedarf der breiten Bevölkerung ausgerichtet sind, und mit der Weltmarktproduktion, von der hauptsächlich ausländische Investoren profitieren. Eine ländliche, angepasste Industrialisierung wird als wichtiger angesehen.
Welche Vorteile bietet eine ländliche Industrialisierung?
Größere Beschäftigungs- und Einkommenseffekte, Bekämpfung innerregionaler Disparitäten und des sozialen Entwicklungsgefälles zw. Stadt und Land.
Welchen Einfluss hat der Staat auf die Industrialisierung?
Staatliche Industrialisierungsinitiativen sollen räumlich unterschiedliche Entwicklung begrenzen, z.B. durch die Einrichtung von Industrieparks. Protektionistische Maßnahmen wie Importverbote und Ausfuhrsubventionen sowie Regelungen des Niederlassungsrechts können ebenfalls Einfluss nehmen.
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- Juliane Voigt (Author), 2000, Industrialisierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99022