1. Biographie Martin Dibelius
geboren: 14.September 1883 in Dresden
gestorben: 11. November 1947 in Heidelberg
- Studium: Theologie und Philosophie in Leipzig, Tübingen und Berlin
- 1905: theologisches Examen in Leipzig, Doktor der Philosophie in Tübingen
- 1909: Habilitation in Berlin, bis 1915 Privatdozent an der Uni in Berlin
- 1915: Berufung nach Heidelberg; Lehrstuhl NT
- 1919: Dei Formgeschichte des Evangeliums, zweite stark erweiterte Auflage 1933
Der Theologe soll und will Glaubender sein, - und somit einseitig, leidenschaftlich, unkritisch; er soll und will Forscher sein, - und somit besonnen nach allen Seiten, kühl und kritisch. Der „Weg der Theologie“ erscheint so als „schmaler Pfad zwischen Abgründen auf beiden Seiten“, schrieb Dibelius 1941.
2. Verständnis von Formgeschichte:
Kleinliteratur ? keine „literarischen1 Werke“ = Traktate, Manuskripte...
Heute ist die Veröffentlichung solcher Kleinliteratur gut nachzuvollziehen, in der Antiken Welt war es schwieriger.
So wissen wir heute nicht mehr wann ein Paulusbrief, nach der wievielten Abschrift, er vom privaten Schriftstück in die beschränkte Öffentlichkeit der christlichen Gemeinde eintrat.
? synoptische Evangelien ? auf jeden Fall Kleinliteratur;
- können und wollen sich nicht mit „literarischen Werken“ messen; sind aber auch nicht nur private Niederschriften, sondern für eine kleine Öffentlichkeit bestimmt;
- die Verfasser sind mehr Sammler, Redaktoren... als Schriftsteller; sammeln, ordnen, überliefern des Materials, aber nicht ursprüngliche Formung des Stoffes
- Lukas? Apg.; Johannes-Evangelium: mehr Schriftsteller...
- Irrtum: Autoren und ihren Tendenzen eine großer Verantwortung für die Überlieferung zuzuschreiben..., literarische Freiheit
Keine Literatur, die durch den Willen der Schriftsteller geschaffen wird, sondern aus der Notwendigkeit hervorgeht (bei unliterarischen Menschen); eine soziologische Tatsache
Evangelisten übernahmen Stoff, der bereits geformt war, fügten kleine Einheiten zueinander, die vorher schon formale Geschlossenheit besaßen ? Formgeschichte kommt also hier zu ihrem Abschluss, vorher muss die Prägung der Texte geschehen sein.
Formgeschichte: Entstehung der kleinen Einheiten nachspüren und begreiflich machen, Typik herausarbeiten und dadurch zum Verständnis der Überlieferung gelangen.
Sammelgut auf die kleinsten wahrnehmbaren Formen der Überlieferung hin untersuchen, kleinste Einheiten = Gattungen;
Stil kennzeichnet Gattung: ob ein Verfasser Anhängerschaft gewinnen möchte kann man unter Umständen an Wortwahl, Satzbau, Einleitung, Ausleitung... erkennen. Gattung lässt einen Schluss auf den „Sitz im Leben“ hin zu.
3. Konzeption:
Formen der synoptischen2 Überlieferung:
A) Erzählungen: „Sitz im Leben“: Predigt, Zeugnis zum Heil; tragende Bedeutung hat für die Predigt nur die Leidensgeschichte; Rest nur als anschauliche Bsp.
1. Paradigma:
z.B. Kindersegnung (Mk 10, 13-16)
Stilmerkmale:
- geschlossene Sinneinheiten; in sich verständlich (? Rundung); existierten ursprünglich schon als selbstständige Erzählungen;
- einfach erzählt, Details vor allem bei der Schilderung von Personen (? Portrait)
- Jesu Worte deutlich hervorgehoben, am Ende häufig ein „Chorschluss“ an Leser und Hörer
- erbaulicher Stil (Wortwahl)
(Bultmann rechnet Erzählungen, die Worte Jesu enthalten, zum Redestoff!)
2. Novelle:
z. B. Erzählung vom Besessenen und den Schweinen (Mk. 5,1ff) und Speisung der 5000 (Mk. 6,35ff)
Stilmerkmale:
- geschlossene Einzelgeschichten (wie Paradigmen), sind aber breiter angelegt
- mehr Details
Vergleichbar mit antiken Wundererzählungen ? Ziel: Jesus als Wundertäter hervorheben, besondere Technik bei Heilungen wird genau beschrieben.
? wahrscheinlich Erweiterungen von Paradigmen durch profane Motive (mehr der Welt zugewandt)
3. Legende:
z.B. Geschichte vom 12jährigen Jesus im Tempel, Kindheitsgeschichten
Stilmerkmale:
- Personallegende: wunderbare Geburt des Helden, Erkennung des Kindes als zukünftigen Retter, frühe geistige Reife... (entspricht Lebensbeschreibung vieler antiker Persönlichkeiten)
- stark erbaulichen Charakter, unterschied zum Paradigma: nicht die Botschaft der Tat steht im Vordergrund, sondern die Frömmigkeit und Heiligkeit des Helden
4. Mythus:
Taufe, Versuchung und Verklärung (keine weiteren Beispiele vorhanden!)
Stilmerkmale:
- Auftreten überirdischer Personen oder Erzählung eines überirdischen Vorgangs (Unterschied zum Mythus bei Bultmann!?)
5. Leidensgeschichte:
Stilmerkmale:
- feste Abfolge von Szenen (Verhaftung muss vor dem Verhör geschehen...), entspricht dem christologischen Kerygma (1.Kor.15)
Nach Dibelius hat die Leidengeschichte unmittelbaren Heilsinn, keine Berichterstattung sondern Verkündigung
B) Paränese (Lehre Jesu)
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1 Dibelius, Martin: Die Formgeschichte des Evangeliums, Tübingen 61971.
2 Conzelmann, Hans / Lindemann, Andreas: Arbeitsbuch zum Neuen Testament, Tübingen 121998
- Arbeit zitieren
- Sabine Marsch (Autor:in), 2001, Martin Dibelius: Die Formgeschichte des Evangeliums, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99002