Das Essay fragt wie realistisch Marx Thesen heute noch sind. Konkret wird auch gefragt, inwiefern diese heute noch umsetzbar sind.
Das Kommunistische Manifest – Umsetzung Marx Idealvorstellungen heute
«Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts zu verlieren, als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.» (Marx & Engels 1848: 493). Dieses Zitat sollte wohl eines der bekanntesten sein, welche im Kontext des Kommunismus gebraucht werden. Mit Veröffentlichung des vierten Bandes ihres Kommunistischen Manifestes 1848 erfanden Marx und Engels das Rad zwar nicht neu, aber hoben den Klassenkampf als eine Konsequenz der aus dem Kapitalismus resultierenden ungerechten Verteilung von Besitzverhältnissen und Ausbeutung hervor (Marx & Engels 1848: 743) und schufen dadurch ein neues Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge.
Durch die Wandlung Europas von einer Agrar- hin zu einer Industriegesellschaft kam die soziale Frage auf. Das Verdrängen kleinerer Handwerksbetriebe durch grosse, kapitalreiche Firmen hatte zur Folge, dass die Ersten Wohlstand und damit ein grosses Eigenkapital angehäuft hatten, die «letztren» (Marx & Engels 1848: 741) hingegen nichts mehr besassen, ausser ihrer reinen Arbeitskraft, um ihr Überleben zu sichern (Marx & Engels 1848: 741). Erfindungen wie die Dampfmaschine in England und der Eisenbahnbau in Deutschland brachten einen wirtschaftlichen Aufschwung, für deren Realisierung jedoch mehr Arbeitskräfte benötigt wurden, als von in der Stadt Lebenden bis dahin realisierbar war. Die Verstädterungswelle des 19 Jh. war eine Folge der Hoffnung der ländlichen Bevölkerung, in den Städten mehr Geld zu verdienen (Behne & Tippach 2014) und der im Rahmen der strukturellen Entwicklung vertriebenen und enteigneten Bauern, welche in der Stadt eine neue Lebensgrundlage suchten (Marx & Engels 1848: 746).
Die sich bis dahin gebildete, gut situierte Bourgeoisie hatte grosses Interesse an der Erhaltung ihrer herrschenden Position und der Unterdrückung des Proletariats (Zdf.de 2018), denn nur so würde diese ihren erlangten Wohlstand schützen und vergrössern können. So wurde der Staat als primärer Apparat der Sicherstellung der Separierung zwischen ihnen und den Arbeitnehmern instrumentalisiert. Infolgedessen wurde beispielsweise jedem Arbeitgeber zehn Tage Gefängnisstrafe angedroht, der einen höheren Lohn zahlen würde, als zuvor festgesetzt. Der den höheren Lohnbetrag annehmende Arbeitnehmer musste dafür ganze 21 Tage ins Gefängnis (Marx & Engels 1848: 767). Durch die spätere Erlaubnis des Staates gegenüber dem Arbeitgeber, körperliche Gewalt zur Durchsetzung der Ausführung der Arbeit anzuwenden, wurde dem Mitarbeiter die Chance genommen, sich aus dem Hamsterrad der Armut herauszuarbeiten. Der Staat erlaubte dem Arbeitgeber, den Mitarbeiter für einen Lohn zum Arbeiten zu zwingen, der gerade zur Erhaltung des Lebensunterhalts reichte. Folglich verschlechterte sich die Situation des Proletariats im 16. Jh. nicht zuletzt durch die Einstufung von Arbeitnehmervereinigungen als schweres Verbrechen (Marx & Engels 1848: 767). Zwar stiegen die Arbeitnehmergehälter zunächst an, was als Entgegenkommen der Bourgeoisie betrachtet werden konnte, jedoch war dies mehr ein Trugschluss, denn die Lohnanpassung verlief unproportional zum Anstieg der Güterpreise (Marx & Engels 1848: 767). Marx und Engels sahen sich in den aufkommenden Wirtschaftskrisen wie der Handelskrise von 1847 in ihrer Kritik am Kapitalismus bestätigt (Gerber 2018: 2). Sie sollten Recht behalten. Im Jahre 2009 besassen 380 Menschen genauso viel Vermögen, wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung (statista.com 2019). Im Jahre 2018 waren es lediglich noch 26 Menschen, die genau so viel Vermögen vorzuweisen hatten, wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Diese Entwicklung zeigt eine enorme Geldverschiebung und Konzentration - und das trotz zunehmender Bevölkerung von 6.96 Mrd. auf 7.73 Mrd. Menschen im selben Zeitraum, welche potentielle Arbeitskraft darstellen (statista.com 2019). Aber wie könnten die Vorstellungen Marx und Engels einer idealen Gesellschaft in der heutigen Zeit umgesetzt werden und welche Probleme stellen sich dabei?
Die Lösung vielzähliger Krisen sowie der Ungleichverteilung von Vermögen sollte im Kommunistischen Manifest von 1848 erläutert werden. Dabei war der Kerngedanke ein kommunistisches System, welches das ungleichgewichtige vorherige ablösen sollte. Dieser Umwälzungsprozess soll durch eine Revolution, also der Machtergreifung des Proletariats, eingeleitet werden. Demnach würde der anfangs erwähnte Staat der Unterdrückung, der die ,,knechtische Existenz’’ (Marx & Engels 1848: 39) des Proletariats unterstützt, abgesetzt werden. Die Neuausrichtung des ökonomischen Systems zur Sicherstellung von Gleichstellung aller soll nach Marx und Engels mithilfe der Reichensteuer, der Abschaffung von Vererbungen und der Verstaatlichung von Banken und dem Transportwesen gewährleistet werden. Eine zusätzliche Forderung ist der Arbeitszwang, welcher als Hauptfaktor des gemeinschaftlichen Systems in ihrem Manifest gesehen werden soll, denn die durch Arbeitsleistung erbrachten Früchte werden allen zur Verfügung gestellt.
Gleichzeitig soll dadurch verhindert werden, dass besitzende und arbeitende Klassen entstehen. Marx oberste Maxime ist die Gleichstellung der Bevölkerung, in der alle zuvor angeführten Forderungen gipfeln sollen. Die faire Verteilung von Vermögen stellt alle im System gleich und das Leben ohne Besitz verhindert die Unterscheidung in Klassen. Zur Sicherstellung der angestrebten Gleichstellung ist der Arbeitszwang unabdingbar, denn wer nicht arbeitet, scheint zu besitzen und wer nicht besitzt muss zwangsläufig arbeiten. Doch bedarf es einer Revolution durch das Proletariat? Ist eine Gleichstellung der Bevölkerung möglich?
Die Problematik der Umsetzbarkeit der Idealvorstellungen Marx und Engels hat sich bereits in der DDR gezeigt, welche am 9. November 1989 zusammengebrochen ist, da das Wirtschaftssystem nicht auf die Präferenzen der Bevölkerung abgestimmt war. Vielmehr wurden Produktionspläne für Unternehmen mit zu komplexen Verflechtungen aufgestellt, welche die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen sollten. Aufgrund der fehlenden Flexibilität der Wirtschaftsform und der Unterordnung des Individuums, gab es Produktionsengpässe, welche ganze Industriezweige beeinträchtigten (Kuhrt, Buck & Holzweißig, Zit. n. Stingelwagner 1999: 196). Der Kapitalismus beruht auf dem Gedanken, dem in derselben Branche tätigen Betrieb einen Schritt voraus zu sein, damit mehr Produkte von der eigenen Firma verkauft werden. Dies hat zur positiven Folge, dass auf die Nachfrage der Kunden geachtet und basierend darauf Innovationen herausgebracht werden. Innovationen in einem kommunistischen System würden länger dauern oder nicht aufkommen (Kroenen 2017), denn wenn wir annehmen, dass zwei zuvor konkurrierende Bäcker nun ungeachtet wie viele Brote sie verkaufen, das selbe Gehalt erhalten, sich zukünftig nicht um neue Backprozeduren oder zusätzlichen im Brot befindlichen Aromen bemühen, um der ursprünglichen Konkurrenz voraus zu sein.
Folglich benötigt es, um der ungleichen Vermögensverteilung entgegenzuwirken, nicht einer Neuausrichtung einer allgemeinen Wirtschaftsform, sondern eher einer Modifikation der vorhandenen. So sind progressive Steuersätze und eine höhere Besteuerung von Vermögen wichtig. Damit es im Rahmen neuer, höherer Besteuerungsverordnungen zu keiner globalen Steuerflucht kommt, ist ein globales und unabhängiges Finanzregister zu gründen (Jibi.or.at 2018). Durch diese Massnahmen wird die bereits bestehende Schere zwischen Wohlhabenden und in Armut Lebenden zwar nicht geschlossen werden, aber ihre Öffnung zumindest verlangsamt.
Literatur- und Quellverzeichnis
Friedrich Engels, Karl Marx ,,Manifest der Kommunistischen Partei’’, 1848 S.39, Abrufdatum: 24.11.19.
Jeol Behne, Thomas Tippach ,,Industrialisierung’’ https://www.uni-muenster.de/Staedtegeschichte/portal/einfuehrung/geschichte/industrialisierung.html, 01.09.2014, Abruf: 24.11.19. Zdf.de ,,Karl Marx und das Kommunistische Manifest’’ https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/karl-marx-und-das-kommunistische-manifest-100.html, 03.05.2018, Abruf: 24.11.19.
Statista.com ,,Anzahl der reichsten Menschen mit genauso viel Vermögen wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung von 2009 bis 2018, Januar 2019’’, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/502649/umfrage/reichste-menschen-mit-genauso-viel-vermoegen-wie-aermere-haelfte-der-weltbevoelkerung/, 21.01.2019, Abruf: 26.11.19.
Statista.com ,,Entwicklung der Weltbevölkerungszahl von Christi Geburt bis zum Jahr 2020 (in Milliarden)’’, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1694/umfrage/entwicklung-der-weltbevoelkerungszahl/, 06.19, Abruf: 26.11.19.
Eberhard Kuhrt/ Hannsjörg F. Buck/Gunter Holzweißig ,,Die Endzeit der DDR-Wirtschaft’’ 1999 S. 196, Abruf 24.11.19.
Gerd Kroenen ,,Nicht die Spur einer Utopie’’, https://www.zeit.de/2017/43/kommunismus-lenin-bolschewiki-kommunistische-partei-russlands, 18.1.0.17, Abruf: 27.11.19.
Jan Gerber ,,Warten auf den großen Knall’’, https://www.zeit.de/zeit-geschichte/2018/03/karl-marx-kapitalismus-arbeiterklasse-europaeische-revolution/seite-2, 5.5.2018 S.2, Abrufdatum: 27.11.19. Jibi.or.at ,,Neue Daten zur Vermögensverteilung in globaler Perspektive’’ https://jbi.or.at/neue-daten-zur-vermoegensverteilung-in-globaler-perspektive/, 20.03.2018, Abruf: 27.11.19.
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- Quote paper
- Anonymous,, 2019, Marx Idealvorstellungen und Thesen im 21. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/988796