Welchen Einfluss hat der Sport – analysiert am Beispiel des organisierten Sports im Kreis Gütersloh – auf den Integrationsprozess von Flüchtlingen?
Die Aufnahme von Flüchtlingen und der Umgang mit diesen ist ein polarisierendes Thema in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. In der breiten Öffentlichkeit sowie der Politik herrscht allerdings weitestgehend Konsens darüber, dass die in Deutschland mit einem Bleiberecht versehenen Flüchtlinge in die Gesellschaft integriert werden sollen. Dies stellt jedoch in Anbetracht der großen Anzahl von in Deutschland lebenden Flüchtlingen eine Herausforderung dar. Nicht nur rechtliche Regulierungen erschweren den Integrationsprozess, auch kulturelle Unterschiede, sprachliche Barrieren, traumatisierende Fluchterlebnisse sowie belastende Lebensumstände sind problematisch.
Dem gesellschaftlichen Teilsystem „Sport“ wird von der Gesellschaft und der Politik ein gehöriges Potenzial attestiert, um als eine Art Katalysator Integrationsprozesse bei Flüchtlingen zu initiieren und zu unterstützen. Insbesondere der organisierte Sport steht dabei im Fokus; er ist aufgrund seiner flächendeckenden Infrastruktur sowie grundsätzlichen Offenheit für alle Bevölkerungsgruppen leicht zugänglich und daher grundsätzlich hervorragend geeignet, um Menschen unterschiedlicher Herkunft – unabhängig von kulturellen oder finanziellen Voraussetzungen – zusammenzuführen. Die rund 91.000 Sportvereine sind für fast alle Menschen in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld erreichbar.
Nichtsdestotrotz sind Integrationsbemühungen von Sportvereinen und -verbänden nicht obligatorisch. Es scheint kein Konsens bei den Akteuren des organisierten Sports darüber zu bestehen, ob man die Integrationspotenziale des Sports in Bezug auf Flüchtlinge nutzen möchte und des Weiteren, inwiefern Sportvereine überhaupt aktiv Einfluss auf den Integrationsprozess von Flüchtlingen nehmen können. Das wirft einige Fragen auf. In welchem Ausmaß partizipieren Flüchtlinge am Sport? Setzen Akteure des organisierten Sports Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen um? Und wie wirken sich diese Maßnahmen auf den Integrationsprozess aus?
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 EINLEITUNG
1.1 Problem- und Fragestellung
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Integrationsverständnis
1.4 Flüchtlingssituation in Deutschland
2 STAND DER SPORTSOZIOLOGISCHEN INTEGRATIONSFORSCHUNG
2.1 Partizipation von Migrantinnen und Migranten am organisierten Sport
2.2 Integrationsleistungen des organisierten Sports
2.3 Bestimmung des Forschungsdefizits
3 THEORETISCHER ZUGANG
3.1 Das gesellschaftliche Teilsystem „Sport“
3.2 Die Organisation „Sportverein“ als soziales System
3.3 Inklusion und Exklusion im organisierten Sport
3.4 Integration im organisierten Sport
3.5 Sozialintegration durch den organisierten Sport
4 FORSCHUNGSDESIGN
4.1 Leitfragen der empirischen Studie
4.2 Methodischer Zugang
4.3 Datenerhebung
4.4 Datenauswertung
5 DARSTELLUNG DER UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE
5.1 Sportvereinsumfrage
5.1.1 Integration und interkulturelle Öffnung im Vereinssport
5.1.2 Partizipation von Flüchtlingen am Vereinssport
5.1.3 Flüchtlingsarbeit der Sportvereine
5.1.4 Zusammenhänge zwischen den Variablen
5.2 Zusammenfassungen der Interviews
5.2.1 Interview 1 - Hauptamtliche Mitarbeiterin eines Sportvereins
5.2.2 Interview 2 - Ehrenamtlicher Geschäftsführer eines Sportvereins
5.2.3 Interview 3 - Mitarbeiter des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen
5.2.4 Interview 4 - Mitarbeiter des Kreissportbundes Gütersloh
5.2.5 Interview 5 - Flüchtling aus Syrien
5.2.6 Interview 6 - Flüchtling aus dem Iran
6 DISKUSSION DER UNTERSUCHUNGSERGEBNISSE
6.1 Umgang des organisierten Sports mit Flüchtlingen
6.2 Partizipation von Flüchtlingen am Vereinssport
6.3 Auswirkungen auf den Integrationsprozess von Flüchtlingen
7 FAZIT UND AUSBLICK
Literaturverzeichnis
Anhang
Anlage 1: Exkurs - Das Dublin-Abkommen
Anlage 2: Exkurs - Daten und Zahlen
Anlage 3: Fragebogen
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Schutzformen des deutschen Asylrechts
Abbildung 2: Struktur des organisierten Sports in Deutschland
Abbildung 3: Meinung der Sportvereine zur Auffassung, dass Sportvereine eine besonders geeignete Plattform für Integrationsprozesse sind
Abbildung 4: Stellenwert des Themas Integration bei den Sportvereinen
Abbildung 5: Anteil der Vereinsmitglieder mit Migrationshintergrund
Abbildung 6: Meinung der Sportvereine zur Frage, ob man auf kulturelle Besonderheiten von Flüchtlingen eingehen sollte, damit diese dauerhaft im Verein bleiben
Abbildung 7: Angaben der Sportvereine, wie viele Flüchtlinge in ihrem Verein Sport treiben
Abbildung 8: Anteil der Sportvereine, bei denen Flüchtlinge ehrenamtliche Positionen bekleiden
Abbildung 9: Anteil der Sportvereine, die Maßnahmen eingeleitet haben
Abbildung 10: Anteil der Sportvereine, bei denen aufgrund von Integrationsmaßnahmen mehr Flüchtlinge in den Verein kommen
Abbildung 11: Zusammenhang zwischen der Mitgliederzahl eines Sportvereins, der Anzahl inkludierter Flüchtlinge sowie eingeleiteter Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge
Abbildung 12: Zusammenhang zwischen dem Stellenwert des Themas "Integration" und der Anzahl inkludierter Flüchtlinge bei einem Sportverein
Abbildung 13: Zusammenhang zwischen dem Stellenwert des Themas "Integration" und eingeleiteter Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge bei einem Sportverein
Abbildung 14: Zusammenhang zwischen der Anzahl inkludierter Flüchtlinge bei einem Sportverein und dem Anteil von Vereinsmitgliedern mit Migrationshintergrund
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gründe der Sportvereine, Integration als Zielsetzung zu nennen
Tabelle 2: Sportarten, die häufig von Flüchtlingen im Sportverein ausgeübt werden
Tabelle 3: Zugangswege der Flüchtlinge in den Sportverein
Tabelle 4: Schwierigkeiten, die in Zusammenhang mit Flüchtlingen im Sportverein auftreten
Tabelle 5: Von den Sportvereinen umgesetzte Integrationsmaßnahmen
Tabelle 6: Gründe der Sportvereine, keine Integrationsmaßnahmen umzusetzen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Die Aufnahme von Flüchtlingen und der Umgang mit diesen ist ein polarisierendes Thema in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Seit dem Spätsommer 2015 vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht in Form von Talkshows, Zeitungsartikeln, Social-Media-Diskussionen oder Gesprächen in der Familie mit der Flüchtlingsthematik konfrontiert wird. In welchem Ausmaß und nach welchen Kriterien Flüchtlingen in Deutschland ein Bleiberecht gewährt wird, ist oftmals Hauptbestandteil der Diskussionen und mit einer enormen Meinungsvielfalt versehen. In der breiten Öffentlichkeit sowie der Politik herrscht allerdings weitestgehend Konsens darüber, dass die in Deutschland mit einem Bleiberecht versehenen Flüchtlinge in die Gesellschaft integriert werden sollen (vgl. Spiegel Online, 2017; Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2019). In Anbetracht der großen Anzahl von Flüchtlingen in Deutschland ist Integration ein wichtiges gesellschaftspolitisches Ziel. Nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR lebten in Deutschland im Jahr 2018 insgesamt 1.448.000 Flüchtlinge (vgl. UNHCR - The UN Refugee Agency, 2019a, S. 66). Das entspricht etwa 2 % aller Einwohner Deutschlands. Nachdem im Jahr 2015 etwa 890.000 Asylsuchende in Deutschland registriert wurden, hat sich die Zahl der Asylanträge in den darauffolgenden Jahren auf einem Niveau von etwa 10.000 - 15.000 im Monat ein- gependelt (vgl. Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2017; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2019b, S. 4). Angesichts zahlreicher Krisengebiete und des großen Wohlstandgefälles auf der Welt ist davon auszugehen, dass auch weiterhin viele Menschen versuchen werden, nach Deutschland zu fliehen.
1.1 Problem- und Fragestellung
Die Integration von Flüchtlingen stellt eine Herausforderung dar. Nicht nur rechtliche Regulierungen (z. B. zur Arbeitserlaubnis) erschweren eine erfolgreiche Integration, auch kulturelle Unterschiede (z. B. das Gebot der Körperverhüllung bei einer strengen Auslegung des Islams oder traditionelle Geschlechterrollenbilder), sprachliche Barrieren, traumatisierende Fluchterlebnisse sowie belastende Lebensumstände (z. B. die Trennung von der eigenen Familie) sind problematisch. Als Katalysator für Integrationsprozesse könnte der Sport dienen, der von der Öffentlichkeit und der Politik als geeignetes Medium angesehen wird, um Integration anzustoßen und voranzutreiben. So könne der Sport „die Integration von Migranten und Personen fremder Herkunft in die Gesellschaft erleichtern und den interkulturellen Dialog fördern. Sport fördert das Gefühl der Zugehörigkeit und Teilhabe und kann daher ein wichtiges Instrument für die Integration von Zuwanderern sein“ (Europäische Kommission, 2007, S. 14f.). Im Nationalen Integrationsplan der Bundesregierung wird postuliert, dass insbesondere der organisierte Sport leicht zugänglich ist; vor allem aufgrund seiner flächendeckenden Infrastruktur sowie grundsätzlichen Offenheit für alle Bevölkerungsgruppen - unabhängig von kulturellen oder finanziellen Voraussetzungen - sei er hervorragend geeignet, um Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenzuführen (vgl. Bundesregierung, 2007, S. 139). Im 14. Sportbericht der Bundesregierung wird diese Meinung bekräftigt: „Der organisierte Sport birgt großes Integrationspotenzial. Die rund 91.000 Sportvereine sind [...] für fast alle Menschen in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld erreichbar“ (Deutscher Bundestag, 2019, S. 125).
Dieser Aussage trägt die Bundesregierung seit dem Jahr 1989 Rechnung, indem sie über das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat das Programm „Integration durch Sport“1 (IdS) des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) fördert. Der DOSB als Dachverband des organisierten Sports in Deutschland bekräftigt, dass sich „der organisierte Sport [...] in besonderer Weise als Integrationsplattform [eignet]“ (Deutscher Olympischer Sportbund, 2014b, S. 7) und „auch einen wichtigen Beitrag [leistet], gesellschaftliche Integration und Partizipation zu fördern“ (Deutscher Olympischer Sportbund, 2006, S. 4). Um diese Sichtweise in der Gesellschaft zu verankern, führt der DOSB öffentlichkeitswirksam Kampagnen wie „Sport spricht alle Sprachen“ durch. Außerdem teilt eine überwältigende Mehrheit der Gesellschaft diese Auffassung. Laut einer Befragung des „International Social Survey Programme“ stimmen knapp 90 % der Deutschen der Aussage zu, dass Sport zur Annäherung ethnischer Gruppen in Deutschland beitrage (vgl. Mutz, 2012, S. 14). Dem gesellschaftlichen Teilsystem „Sport“, zuvörderst dem Vereinssport, wird also ein gehöriges Potenzial attestiert, um Integrationsprozesse zu initiieren und zu unterstützen. Nichtsdestotrotz sind Integrationsbemühungen von Sportvereinen und -verbänden nicht obligatorisch. Eine empirische Studie von Kleindienst-Cachay, Cachay & Bahlke (2012) zur Integration von Migrantinnen und Migranten im organisierten Sport dokumentiert, dass ein Großteil der Sportvereine das Thema Integration nicht in den Fokus ihrer Arbeit stellt. 77 % der befragten Sportvereine beschäftigen sich nicht mit der Frage, inwiefern die Integration von Migrantinnen und Migranten gefördert werden könne (vgl. ebd., S. 222). Spezifische Integrationsmaßnahmen werden überwiegend als unnötig betrachtet. Damit einher geht ein erhöhter Assimilationsdruck auf Mig- rantinnen und Migranten (z. B. aufgrund differenter Bekleidungsnormen). Wenn es aber keine aktive Auseinandersetzung mit der Thematik „Integration“ gibt, könnte es zur Diskriminierung kulturfremder Personen im Sportverein kommen (vgl. Siegel & Kuhlmann, 2014, S. 89f.).
Im Zuge anhaltend relevanter Flüchtlingszahlen erhält das Thema Integration eine immer wichtigere Bedeutung für die Gesellschaft, zumal bei Flüchtlingen signifikantere Integrationsbarrieren als bei bereits länger in Deutschland lebenden Personen mit Migrationshintergrund2 bestehen. Wie oben bereits dargelegt, liegen dabei große Hoffnungen auf dem organisierten Sport. Allerdings stellt sich die Frage, ob Sportvereine überhaupt entscheidenden Einfluss auf Integrationsprozesse von Flüchtlingen nehmen können. Es gibt Unterstützung aus der Politik, etwa durch das Förderprogramm „IdS“, und zahlreiche Empfehlungen und Hilfestellungen der Sportverbände für die Vereine. Inzwischen hat nahezu jeder Sportbund ein Integrationskonzept veröffentlicht und bietet Förderung sowohl finanzieller Art als auch in Bezug auf Knowhow und Netzwerke an. Auch die Dachverbände haben Hilfestellungen veröffentlicht, z. B. „Flüchtlinge im Sportverein. Ein Wegweiser für Vereine in Nordrhein-Westfalen“ (Landessportbund Nordrhein-Westfalen, 2016) oder „Willkommen im Verein! Fußball mit Flüchtlingen“ (Deutscher Fußball Bund, 2015). In solchen Dokumenten geht es hauptsächlich darum, bürokratische und rechtliche Hürden, etwa zum Versicherungsschutz und zur Vereinsmitgliedschaft, zu klären sowie Tipps zum Umgang mit und zur Ansprache von Flüchtlingen zu geben, die eher als Anregung dienen. Denn des politischen Interesses und den Bemühungen der Sportverbände zum Trotz liegen kaum belastbare Daten zu den realen Verhältnissen der Integration von Flüchtlingen im Sport vor. In Anbetracht ausbaufähiger empirischer Erkenntnisse, wie Sport auf Integrationsprozesse von Flüchtlingen einwirken kann und wie groß die Integrationspotenziale überhaupt sind, fällt es schwer, konkrete Empfehlungen auszusprechen.
Es scheint kein Konsens bei den Akteuren des organisierten Sports darüber zu bestehen, ob man die Integrationspotenziale des Sports in Bezug auf Flüchtlinge nutzen möchte und des Weiteren, inwiefern Sportvereine überhaupt aktiv Einfluss auf den Integrationsprozess von Flüchtlingen nehmen können. Das wirft einige Fragen auf. In welchem Ausmaß partizipieren Flüchtlinge am Sport? Setzen Akteure des organisierten Sports Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen um? Und wie wirken sich diese Maßnahmen auf den Integrationsprozess aus? Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit besteht darin, Antworten auf die zuvor genannten und weitere Fragen zu finden, die sich zu folgender zentraler Fragestellung zusammenfassen lassen: Welchen Einfluss hat der Sport - analysiert am Beispiel des organisierten Sports im Kreis Gütersloh - auf den Integrationsprozess von Flüchtlingen?
1.2 Aufbau der Arbeit
An die bereits dargelegte Problem- und Fragestellung schließen sich das dieser Arbeit zugrunde liegende Integrationsverständnis und eine Erläuterung der Flüchtlingssituation in Deutschland an (Kapitel 1). Daraufhin wird ein Überblick über den Stand der sportsoziologischen Integrationsforschung gegeben und das Forschungsdefizit bestimmt (Kapitel 2). Es folgt die Erläuterung des theoretischen Zugangs (Kapitel 3). Aus der systemtheoretischen Perspektive nach Luhmann wird ein geschärfter Blick auf den (organisierten) Sport im Kontext von Inklusion und Integration gerichtet, ehe Bezug auf die Sozialintegration nach den integrationstheoretischen Überlegungen Essers genommen wird.
Das Forschungsdesign der empirischen Studie erfährt in Kapitel 4 eine Konkretisierung. Zunächst werden die auf dem theoretischen Zugang basierenden Leitfragen erörtert. Dann werden der methodische Zugang und die Vorgehensweise bei der Datenerhebung und -auswertung vorgestellt. Im Anschluss daran erfolgt die Darstellung der Untersuchungsergebnisse, unterteilt nach der Sportvereinsumfrage und den Interviews (Kapitel 5). Anschließend folgt die an den Leitfragen orientierte Diskussion der Untersuchungsergebnisse (Kapitel 6). Den Abschluss der Arbeit bilden ein Fazit und ein kurzer Ausblick (Kapitel 7).
1.3 Integrationsverständnis
Der Begriff „Integration“ als solcher verfügt über eine geringe Trennschärfe und bedarf einer näheren Interpretation, um für das Verständnis dieser Arbeit greifbar zu sein. Im Kontext der soziologischen Integrationsforschung wird „mit einer Vielzahl von Integrations-Konzepten (z. B. Akkulturation, Akkommodation, Assimilation, Inklusion etc.) und diversen Definitionen des Begriffs „Integration“ selbst“ [operiert]. Ein übergreifender Konsens, was unter Integration zu verstehen sei, scheint schwierig, weil Integration sowohl ein normatives als auch ein analytisches Konzept darstellt und die dabei als wichtig erachteten Aspekte und Dimensionen sich im Verlauf der Zeit verändern. Eine allgemein akzeptierte Theorie der Integration zu entwickeln, dürfte kaum möglich sein“ (Bundesregierung, 2007, S. 196).
Im Zuge dieser Arbeit wird Integration dahingehend konkretisiert, dass darunter die Einbindung eines Elements (z. B. eine Person mit Fluchthintergrund) in einen größeren sozialen Gesellschaftszusammenhang (z. B. einen Sportverein oder die Gesellschaft an sich) zu verstehen ist (vgl. Burr- mann, 2014, S. 84). Diese Einbindung vollzieht sich als Prozess und kann sowohl deskriptiv-analytisch betrachtet als auch normativ in Form differenter Integrationskonzeptionen diskutiert werden.
Die analytische Betrachtungsweise nach Esser (vgl. 2001, S. 21ff.) legt dar, dass Integration in die Aufnahmegesellschaft im Grunde genommen nur in Form der Assimilation möglich ist. Der Begriff „Assimilation“ beschreibt in diesem Fall die prozessuale Angleichung verschiedener sozialer Gruppen, beispielsweise im Sprachverhalten oder bei der Einnahme beruflicher Positionen, ohne den Prozess mit einem Werturteil zu versehen. Die Angleichung vollzieht sich nicht als einseitige Anpassung der Minderheit an die Mehrheitsgesellschaft mitsamt politisch gewollter ethnischer Homogenisierung, sondern ist wechselseitig zu verstehen. Auch die Mehrheitsgesellschaft kann sich den zugewanderten Personen anpassen, was unter anderem bei Essgewohnheiten beobachtbar ist. Assimilation beseitigt systematische Unterschiede und löst kollektive Grenzen auf, ohne dass damit eine Gleichheit aller Individuen einhergeht. Auch Mutz & Hans (vgl. 2015, S. 32f.) verwenden den Begriff „Assimilation“ in deskriptiver Weise. So besagt die klassische Theorie der Assimilation, dass die Integration von Einwanderern in Form langfristiger Angleichungsprozesse über mehrere Generationen hinweg geschieht. Damit ist, wie bei Esser, keine Aufforderung zur einseitigen Anpassung gemeint, sondern es wird der Sachverhalt beschrieben, dass Angleichungsprozesse zwischen ethnischen Gruppen über einen langfristigen Zeitraum mit einer hohen Wahrscheinlichkeit stattfinden.
Bei normativen Integrationsansätzen unterscheidet die sozialwissenschaftliche Integrationsforschung zwischen assimilativen, pluralistischen und interaktionistischen Konzepten (vgl. Oppat, 2010, S. 23). Assimilative Integrationskonzepte gehen von dem politischen Ziel aus, dass es zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen keine großen Unterschiede zu geben habe. Durch eine bedingungslose Anpassung der ethnischen Minderheit an die Kultur3 der Aufnahmegesellschaft soll kulturelle Gleichheit erreicht werden (vgl. Thiel, Seiberth & Mayer, 2013, S. 338). Dabei würden zwar kulturelle Feinheiten und Unterschiede verloren gehen, Chancengleichheit jedoch erleichtert werden, weil es bei stärkerer Anpassung und geringeren Unterschieden zu einem faireren Wettbewerb (z. B. in Bezug auf Bildung) kommt. Da die Minderheit dabei ihre Kultur zugunsten der Mehrheit aufgäbe, kämen für Personen mit Zuwanderungshintergrund bei einer konsequenten politischen und gesellschaftlichen Umsetzung dieses Integrationsansatzes lediglich die Möglichkeiten, bezüglich ihrer Werte und Normen „deutsch“ zu werden oder Deutschland zu verlassen, in Frage (vgl. Oppat, 2010, S. 24). Dieser Ansatz steht in der Kritik, da es keine klar identifizierbaren kulturellen Grenzen gibt und kulturelle Werte aufgrund des sozialen Austausches von Individuen verschiedener Gruppen stets im Wandel sind. Zudem lässt sich eine kulturelle Prägung nicht so einfach ablegen (vgl. Köttker, 2011, S. 74). Pluralistische Integrationsansätze sind dagegen von Toleranz bestimmt. Sie erlauben ethnischen Minderheiten die Bewahrung und das Ausleben ihrer Kultur und stellen das Gegenteil einer assimilativen Integrationspolitik dar. Verschiedene Ethnien sollen innerhalb eines Staates ihre Eigenständigkeit bewahren können (vgl. Oppat, 2010, S. 24). Dies kann dazu führen, dass verschiedene Gruppen mit differenten Lebensstilen, Traditionen und Werten in der Gesellschaft nebeneinander und nicht miteinander agieren. Eine solche Gesellschaftsform begünstigt ethnische Konflikte und eine geringe Akzeptanz für kulturelle Unterschiede, sodass Rivalitäten zwischen gesellschaftlichen Gruppen entstehen könnten (vgl. Köttker, 2011, S. 74f.). Bei interaktionistischen Integrationskonzepten sind sowohl Toleranz als auch Akzeptanz gefordert; es handelt sich um wechselseitige Austauschprozesse, eine gegenseitige Übernahme von Kulturelementen und dem Wunsch, Formen des Zusammenlebens zu entwickeln. Daraus folgt, dass Integration nicht einfach von allein passiert, sondern ein aktives Bemühen darum von großer Bedeutung ist. Die richtige Mitte ist in Bezug auf das Verständnis von Integration diejenige, bei der die nötige Integrationsbereitschaft gefördert und gefordert wird, gleichsam aber auch eigene Bereitschaft zum Erlernen eines angemessenen Umgangs mit kulturellen Differenzen besteht (vgl. Oppat, 2010, S. 24f.). Ziel sollte nicht „die Harmonisierung [...] auf einer gemeinsamen, aber letztlich doch eben dem Eigenen entliehenen Folie sein, sondern eher so etwas wie eine Kultur der Differenz durch Kultivierung der Differenz. Also nicht Neutralisierung des Fremden durch Einverleibung, sondern Anerkennung und Respektierung auch der beunruhigenden Facetten des Fremden, das so in seiner Eigenheit bewahrt bleibt“ (Thiele, 1999, S. 28f.).
Früheren soziologischen Forschungsarbeiten wurden oftmals assimilationstheoretische Eingliederungskonzepte zu Grunde gelegt, die aber heutzutage nicht verwendet werden. Der Fortschritt eines Integrationsprozesses wird nicht mehr am Assimilationsgrad der Migrantinnen und Migranten gemessen. In neueren Forschungsarbeiten geht man in der Regel von einem interaktionistischen Integrationsverständnis aus.
Dementsprechend ist das Integrationsverständnis dieser Arbeit vom interaktionistischen Ansatz geprägt und richtet sich nach Kleindienst-Cachay et al. (2012, S. 66f.). Demnach wird gesellschaftliche Integration als ein interaktionistischer, dynamischer Prozess aufgefasst, der auf verschiedenen Ebenen abläuft und vom stetigen Wandel gesellschaftlicher Verhältnisse beeinflusst wird. Die Aufnahmegesellschaft und zugewanderte Personen bewegen sich aufeinander zu, ohne dass es zwangsläufig zu vollständig geteilten Wert- und Normvorstellungen kommen muss, die für jedes Gesellschaftsmitglied zu gelten haben. Integration funktioniert also in beide Richtungen und wird als „offen“ verstanden, da nicht von starren Wertvorstellungen ausgegangen wird. Von daher gibt es keinen objektiven Maßstab, ab wann Integration als gelungen bezeichnet werden kann. Dieses Integrationsverständnis soll nicht politisch, sondern möglichst wertneutral und deskriptiv sein und kommt der von Komplexität und stetem Wandel geprägten sozialen Realität näher als der assimilative Ansatz. Es lässt sich ebenso mit der deskriptiv-analytischen Betrachtungsweise von Esser vereinbaren, der Integration als wechselseitige Anpassung von ethnischer Minderheit und Aufnahmegesellschaft versteht. Insofern scheint das interaktionistische Integrationsverständnis für eine wissenschaftliche Betrachtung von Integrationsprozessen angemessen zu sein. Dies entspricht ebenfalls der Betrachtungsweise des Deutschen Olympischen Sportbundes (2014b, S. 8f.), der von einer heterogenen und vielfältigen Gesellschaftsordnung in Deutschland ausgeht und in kulturellen Differenzen mögliche Bereicherungen für das Sportangebot in Deutschland sieht. Integration wird als langfristiger, wechselseitiger, offener Prozess beschrieben, der Vielfalt fördere. Ziel von Integration sei eine gleichberechtigte Teilhabe aller Personen an gesellschaftlichen Systemen.
1.4 Flüchtlingssituation in Deutschland
Wie funktioniert ein Asylverfahren? Welche Folgen hat es, wenn eine Person nicht als asylberechtigt anerkannt wird, sondern lediglich subsidiären Schutz erhält? Und ab wann gilt man eigentlich als „Flüchtling“? Diese und andere Fragen können im Kontext der Debatte um die Integration von Flüchtlingen aufkommen. Es gilt, begriffliche Klarheit zu schaffen, rechtliche Einordnungen vorzunehmen und die Flüchtlingssituation in Deutschland sachlich darzustellen, bevor in angemessener Art und Weise über den Prozess der Flüchtlingsintegration im Sport diskutiert werden kann.4 Im allgemeinen Sprachgebrauch werden in Deutschland üblicherweise alle Menschen, die eine Flucht aus ihrem Heimatland antreten, als Flüchtlinge, Geflüchtete oder Menschen mit Fluchthintergrund bezeichnet. Vornehmlich wird der Begriff „Flüchtling“ verwendet, da er im politischen Kontext üblich ist (Beispiele: „Bundesamt für Migration und Flüchtlinge“; „Genfer Flüchtlingskonvention“; „UN-Flüchtlingshilfswerk“) und auch von vielen Journalisten sowie Menschenrechtsorganisationen genutzt wird (vgl. Goldmann, 2018). Die Abgrenzung zwischen Flucht und anderen Formen der Migration liegt in der Freiwilligkeit des Verlassens der Heimat; bei einem Flüchtling hat der Druck durch äußere Umstände zu der Entscheidung geführt.
Rechtlich gesehen gilt jedoch lediglich als Flüchtling, wer nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) von 1951 samt ihres ergänzenden Protokolls von 1967 als solcher anerkannt wird. Die GFK wurde bisher von 148 Staaten, unter anderem von Deutschland, ratifiziert (vgl. UNHCR - The UN Refugee Agency, 2019b). Laut Artikel 1A der GFK handelt es sich bei einem Flüchtling um eine Person, die „[...] aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will“.
Wer nach der GFK als schutzbedürftig anerkannt wird, erhält im rechtlichen Sinne den Status „Flüchtling“. Eine Person, die aus ihrem Heimatland geflohen ist und in Deutschland Asyl sucht, wird mit dem Begriff „Asylsuchende“ bzw. „Asylsuchender“ beschrieben. Sobald sich die Person formell um Asyl beworben hat, heißt es korrekterweise „Asylbewerberin“ bzw. „Asylbewerber“. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit ist allerdings mit dem Begriff „Flüchtling“ analog zum allgemeinen Sprachgebrauch ein Mensch mit Fluchthintergrund gemeint, ganz gleich, aus welchem Grund sie bzw. er geflohen ist und ob es sich um eine Asylsuchende bzw. einen Asylsuchenden, eine Asylbewerberin bzw. einen Asylbewerber oder um eine Person handelt, die bereits einen Schutzstatus als Ergebnis des folgend näher beschriebenen Asylverfahrens zuerkannt bekommen hat.
In Deutschland ankommende Asylsuchende werden zunächst registriert und dann in einer Erstaufnahmeeinrichtung versorgt und untergebracht. In diesen Einrichtungen werden sie mit Sachgegen- ständen und Nahrungsmitteln versorgt. Während der Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung sowie generell in den ersten drei Monaten des Asylverfahrens gilt ein Beschäftigungsverbot. Die Erstaufnahmeeinrichtung informiert die nächstgelegene Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), welches über die Aufenthaltsgenehmigungen der in Deutschland Schutz suchenden Personen zu bestimmen hat. Von den Erstaufnahmeeinrichtungen werden sie auf die Bundesländer in Gemeinschaftsunterkünften oder Wohnungen verteilt.5 Daraufhin erfolgt der persönliche Asylantrag bei einer örtlichen Außenstelle des BAMF,6 wodurch Asylsuchende zu Asylbewerberinnen und Asylbewerbern werden (vgl. Die Bundesregierung, 2017). Anhand einer Anhörung mit einem Sachbearbeitenden des BAMF sowie persönlicher Dokumente und Beweismitteln wird die Entscheidung gefällt. Für die Dauer der Prüfung des Asylantrags befinden sich Asylbewerberinnen und Asylbewerber im Status der Aufenthaltsgestattung.7 In diesem Status können Asylbewerberinnen und Asylbewerber weiterhin per Sachleistungen oder mit einem festen Geldbetrag unterstützt werden, der jedoch unterhalb dessen liegt, was deutsche Staatsangehörige beziehen können (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2019c). Bei jedem Asylantrag wird auf Grundlage des Asylgesetzes geprüft, ob eine der im Folgenden näher ausgeführten Schutzformen gestattet oder der Asylantrag abgelehnt wird (s. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Schutzformen des deutschen Asylrechts (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2019c).
Das Asylrecht ist ein in der Verfassung verankertes Grundrecht in Deutschland (Artikel 16a Grundgesetz). Darin heißt es: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Unter politischer Verfolgung versteht man, dass schwere Menschenrechtsverletzungen aufgrund der Rasse, politischen Überzeugung, Nationalität, Religion oder bestimmten sozialen Merkmalen (z. B. Homosexualität) im Heimatland drohen. Darunter fallen keine Gründe wie Armut oder Bürgerkrieg. Das Asylrecht gilt aber nur, wenn die politische Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht und die Asylbewerberin bzw. der Asylbewerber nicht „aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist“ (Artikel 16a Grundgesetz, Absatz 2). Bei einer Einreise über einen sicheren Drittstaat (wie es in Deutschland grundsätzlich der Fall ist, da alle Nachbarstaaten sichere Drittstaaten sind) ist eine Asylberechtigung dementsprechend ausgeschlossen (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2019e).
Der Unterschied zum anerkannten Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention liegt in den höheren Anforderungen. Die Verfolgung muss für eine Asylberechtigung vom Staat selbst ausgehen, beim anerkannten Flüchtlingsschutz nicht. Dies gilt beispielsweise für Syrerinnen und Syrer oder Irakerinnen und Iraker, die vor der Terrorgruppierung „Islamischer Staat“ geflohen sind. Außerdem kann der Flüchtlingsschutz im Gegensatz zur Asylberechtigung auch Personen gewährt werden, die auf dem Landweg durch einen sicheren Staat nach Deutschland eingereist sind (UNHCR - The UN Refugee Agency, 2019d). In der Praxis gibt es aber keinen großen Unterschied. Beide Rechtsstellungen - Flüchtlingsschutz sowie Asylberechtigung - ziehen die gleichen rechtlichen Folgen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber nach sich. Dazu gehört ein unbeschränkter Arbeitsmarktzugang bzw. für Arbeitssuchende die Grundsicherung, wie sie auch deutschen Staatsbürgern zusteht. Es besteht ein Anspruch auf Nachzug der sogenannten Kernfamilie (Ehepartner bzw. Ehepartnerin und minderjährige Kinder). Zudem erhält man eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst drei Jahre; daraufhin kann eine Niederlassungserlaubnis (d. h. unbefristetes Aufenthaltsrecht) gewährt werden, wenn gewisse Voraussetzungen wie ausreichende Deutschkenntnisse erfüllt sind (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2019f). Asylbewerberinnen und Asylbewerber bekommen subsidiären Schutz zugesprochen, wenn im Heimatstaat ein ernsthafter Schaden droht, aber weder das Asylrecht noch der Flüchtlingsschutz gewährt werden kann. Dabei ist es irrelevant, ob Schaden von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Todesstrafe, drohende Folter sowie Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts. Insbesondere Bürgerkriegsflüchtlinge werden unter subsidiären Schutz gestellt. Die Aufenthaltserlaubnis gilt für zunächst ein Jahr, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Eine Niederlassungserlaubnis ist nach fünf Jahren möglich, wenn gewisse Voraussetzungen wie ausreichende Deutschkenntnisse erfüllt sind. Subsidiär Geschützte erhalten einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang bzw. als Arbeitssuchende Grundsicherung. Der Anspruch auf Nachzug der Kernfamilie ist beschränkt (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2019g).
Bei Vorliegen bestimmter Gründe kann eine Abschiebung temporär verboten werden, selbst wenn keine der drei zuvor genannten Schutzformen - Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz - zum Tragen kommt. In diesem Fall wird eine Asylbewerberin bzw. ein Asylbewerber geduldet. Bei einer Duldung halten sich Asylbewerberinnen und Asylbewerber illegal im Land auf und sind weiterhin ausreisepflichtig, aber die Strafbarkeit des illegalen Aufenthalts entfällt zeitweilig. Asylbewerberinnen und Asylbewerber werden geduldet, wenn eine Rückführung in den Heimatstaat eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten darstellt oder wenn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies umfasst rechtliche, persönliche, erhebliche öffentliche sowie dringend humanitäre Gründe. Dazu gehören schwere Erkrankungen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern, der Verlust von Passdokumenten oder die Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung. Eine Duldung kann für den Zeitraum von bis zu einem Jahr ausgestellt und wiederholt verlängert werden. Eine Niederlassungserlaubnis ist nach fünf Jahren möglich, wenn gewisse Voraussetzungen wie ausreichende Deutschkenntnisse erfüllt sind. Nach einer dreimonatigen Wartezeit ist der Arbeitsmarktzugang möglich, sofern die Ausländerbehörde dies erlaubt. Ein Anspruch auf Familiennachzug besteht bei einer Duldung nicht (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2019h; Bundeszentrale für politische Bildung, 2016).
Es hängt vom Stand ihrer Asylbewerbung oder dem ihnen zugewiesenen Schutzstatus ab, welche Rechte und Pflichten Flüchtlinge haben. Für Asylbewerberinnen und Asylbewerber, die einen Schutzstatus als Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Geschützte erhalten, ist die Residenzpflicht aufgehoben. Sie dürfen sich frei in Deutschland bewegen und eine geeignete Wohnung suchen, müssen allerdings innerhalb der ersten drei Jahre einen Wohnsitz in dem Bundesland wählen, welchem sie nach dem Königssteiner Schlüssel zugewiesen wurden. Außerdem kann ihnen ein bestimmter Wohnsitz zugeteilt werden, um die Integration zu fördern und sicherzustellen, dass angemessener Wohnraum vorhanden ist. Mit einem Reiseausweis für Flüchtlinge, der bei deutschen Behörden beantragt werden kann, sind Auslandsreisen für Schutzberechtigte möglich. Ausgenommen sind Reisen in das Heimatland, da daraufhin die Aufenthaltserlaubnis für Deutschland entzogen werden kann. Schutzberechtigte haben einen Anspruch auf medizinische Versorgung, wie sie auch deutsche Staatsangehörige erhalten. Die Kosten werden von den Sozialbehörden getragen, sofern Schutzberechtige nicht über ein eigenes Einkommen verfügen. Während eines laufenden Verfahrens erhalten Asylbewerberinnen und Asylbewerber lediglich eine grundlegende Krankenversorgung gegen akute Erkrankungen und Schmerzen, jedoch nicht Zugang zu den vollen Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Ab dem sechsten Lebensjahr sind Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund schulpflichtig. Dies gilt bereits während des Asylverfahrens. Obendrein haben Schutzberechtigte außerhalb des Schulalters das Recht, an einem Integrationskurs teilzunehmen. Der Kurs enthält einen Sprachkurs sowie Inhalte über die deutsche Geschichte, Kultur und Rechtsordnung. Geduldete Personen können nur bei noch verfügbaren Plätzen teilnehmen, Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern sind von Integrationskursen ausgeschlossen. Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive können zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet werden. Bezüglich eines Studiums gibt es keine Einschränkungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Jede Person darf in Deutschland studieren, sofern die Voraussetzungen der jeweiligen Hochschule erfüllt werden (UNHCR - The UN Refugee Agency, 2019e).
Über den Schutzstatus und damit einhergehende Rechte und Pflichten hinaus befinden sich Flüchtlinge oftmals in besonders herausfordernden Lebensumständen. Einer Analyse des wissenschaftlichen Instituts der AOK zufolge sind rund drei Viertel der in Deutschland lebenden Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan traumatisiert. Größtenteils leiden sie unter Mehrfachtraumatisierungen und berichten über körperliche und psychische Beschwerden (vgl. Deutsches Ärzteblatt, 2018). Sie haben ihre Heimat, teilweise auch ihre Familie hinter sich gelassen und mussten Krieg, Vertreibung, Vergewaltigung, Folter etc. erleben. Solche Erfahrungen gehen mit Gefühlen der Hilflosigkeit und Angst einher und können fatale langfristige Folgen haben, etwa in Form von Flashbacks und Depressionen. Wie ein solches Trauma nach der Ankunft weiterwirkt, hängt ganz entscheidend von den Einflussfaktoren auf die Psyche im Aufnahmeland ab. Ein unsicherer Aufenthaltsstatus und eine eher feindselige Umgebung bis hin zur Diskriminierung verstärken die Traumafolgen, wohingegen klare Lebensumstände (z. B. ein gesicherter Schutzstatus und eine eigene Wohnung) und soziale Teilhabe die Traumaverarbeitung unterstützen können. Eine auf das Trauma folgende sogenannte posttraumatische Belastungsstörung kann den Integrationsprozess entscheidend behindern (vgl. von Denkowski, 2015).
Aber auch ohne Traumatisierendes erlebt zu haben, sind Flüchtlinge großen Belastungen ausgesetzt. Die Lebensumstände in den gemeinschaftlichen Unterkünften sind alles andere als einfach, da viele verschiedene Nationalitäten und Kulturen ohne viel Privatsphäre auf engem Raum miteinander auskommen müssen. Es ist schwierig oder je nach Einzelfall auch gar nicht erlaubt, Arbeit aufzunehmen und sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Zudem sind die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung häufig sehr begrenzt. Viele Flüchtlinge sind von ihrer Familie getrennt und haben, wenn sie nur geduldet sind oder subsidiären Schutz erhalten, nur eingeschränkte Möglichkeiten, ihre Familie nachreisen zu lassen. Diese fehlende familiäre Geborgenheit wirkt sich besonders negativ aus, da sich die deutsche Kultur vom kulturellen Hintergrund vieler Flüchtlinge massiv unterscheidet (vgl. Landessportbund Nordrhein-Westfalen, 2016, S. 13f.).
2 Stand der sportsoziologischen Integrationsforschung
Das Themengebiet „Migration und Integration“ wird aus vielen verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und wissenschaftlich untersucht. Beispielsweise ist es in den Wirtschaftswissenschaften von Interesse, die ökonomischen Kosten und Folgen von Integrationsprozessen zu erforschen, während in den Rechtswissenschaften unter anderem Fragen zum Asyl- und Aufenthaltsgesetz diskutiert werden. Auch die Sportsoziologie nimmt sich der Thematik an und begann in den 80er Jahren, sich für ausländische Mitbürger und deren Partizipation am organisierten Sport in Deutschland zu interessieren. Im Vordergrund stand hierbei die Frage, warum so wenige Menschen mit Migrationshintergrund am organisierten Sport teilnehmen und wie man dies ändern könnte. Die Annahme war, dass sie sich mit Hilfe des Sports besser assimilieren würden. In den 90er Jahren wurden Thesen zur kulturellen Differenz und der Fremdheit im Sport diskutiert, während ab den 2000er Jahren verstärkt die Frage nach den Schließungsmechanismen bzw. Barrieren gestellt wurde, wegen derer Menschen mit Migrationshintergrund weniger stark im Sport repräsentiert sind. An dem Verlauf der Debatte kann man erkennen, dass sich das Integrationsverständnis der Sportsoziologie wandelte: von einem assimilativen hin zu einem interaktionistischen Ansatz (vgl. Kleindienst-Cachay et al., 2012, S. 30f.).
Im Folgenden wird - ohne Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen - die sportsoziologische Perspektive des deutschsprachigen Raums fokussiert und überblicksartig dargestellt, um den Forschungsstand dem Anliegen dieser Arbeit entsprechend zu konkretisieren. Als erster thematischer Schwerpunkt wird die Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund am organisierten Sport beleuchtet, ehe auf die Integrationsleistungen des organisierten Sports eingegangen wird. Abschließend wird der Forschungsstand zusammenfassend bewertet und auf bestehende Forschungslücken zum Themenbereich „Sport und Flucht“ hingewiesen.8
2.1 Partizipation von Migrantinnen und Migranten am organisierten Sport
Da bereits die bloße Teilnahme am Sport der Eintritt in ein gesellschaftliches Teilsystem ist und damit als Schritt in Richtung Integration in die Aufnahmegesellschaft aufgefasst werden kann, stellt die gleichartige Partizipation von Migrantinnen und Migranten am Sport im Vergleich zur autochthonen Bevölkerung einen anzustrebenden Zustand dar. Das Ausmaß der Partizipation von Migrantinnen und Migranten am Vereinssport, der wichtigsten Säule des deutschen Sportsystems,9 stellt dementsprechend einen Schwerpunkt der sportsoziologischen Auseinandersetzung mit der Integrationsthematik dar. Da Sportvereine und -verbände allerdings kaum ausführliche Mitgliederstatistiken zu Merkmalen wie Migrationshintergrund oder Nationalität führen, fällt eine genaue Angabe schwer. Empirische Untersuchungen haben Probleme, das genaue Ausmaß zu beziffern, da man natürlich nicht jedes Sportvereinsmitglied Deutschlands befragen kann und nur begrenzte empirische Daten zur Verfügung stehen. Repräsentative Studien sind Mangelware.
Die empirischen Befunde werden hauptsächlich auf Basis von Sekundäranalysen vorangegangener Untersuchungen erworben. In der Expertise „Die Partizipation von Migrantinnen und Migranten am vereinsorganisierten Sport“ von Mutz (2013) wird für den DOSB die Primärstudie „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ bezüglich der Partizipationsgrade von Migrantinnen und Migranten jeder Altersstufe ausgewertet. Ein Ergebnis der Analyse ist, dass sich der Anteil von Mig- rantinnen und Migranten am organisierten Sport auf etwa 10 % beläuft. Migrantinnen und Migranten im Sport sind demnach deutlich unterrepräsentiert, da der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung zur Zeit der Studie etwa 18,4 % betrug. Weitere Studien stützen diese Erkenntnis. Braun & Nobis (vgl. 2011, S. 13f.) kommen beispielsweise bei ihrer Auswertung des Freiwilligensurveys 2009 zu dem Ergebnis, dass 43 % der autochthonen Bevölkerung, aber lediglich 37 % der Migrantinnen und Migranten im Sport aktiv sind.
Zudem zeigt sich bei vielen Forschungsarbeiten (vgl. Kleindienst-Cachay et al., 2012, S. 33ff.), dass Sozialvariablen wie Alter und Geschlecht bei Menschen mit Migrationshintergrund einen enormen Einfluss auf die Partizipation am Vereinssport haben. So sind ältere Personen sowie Mädchen und Frauen stark unterrepräsentiert, wohingegen junge männliche Personen mindestens ebenso häufig im Sport aktiv sind wie die vergleichbare autochthone Bevölkerung. Bei jungen weiblichen Personen korreliert das Sportengagement stark mit der sprachlich-kulturellen Integration und dem sozioökonomischen Status der Familie. Sind die Voraussetzungen sprachlicher, kultureller und ökonomischer Art günstig, so zeigen sich ähnliche Partizipationsquoten wie bei jungen weiblichen Personen ohne Migrationshintergrund. Einige der zuvor genannten Erkenntnisse - Personen mit Migrationshintergrund sind im organisierten Sport unterrepräsentiert und insbesondere bei Mädchen und Frauen macht sich der Unterschied zur autochthonen Bevölkerung sehr stark bemerkbar - betonen auch Seiberth, Weigelt-Schlesinger & Schlesinger (vgl. 2013, S. 174f), die sich auf Studien zum Sportverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund beziehen. Insgesamt scheint aber die Datenlage für noch detailliertere Untersuchungen recht dünn zu sein, da bei den Primärerhebungen in Form von Jugend- und Freiwilligensurveys oder Ähnlichem nicht differenziert nach dem jeweiligen Sportengagement gefragt und oftmals kein Unterschied zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund gemacht wird. Der Fokus liegt bei Primärerhebungen in der Regel nicht auf migrationssoziologischen Fragestellungen, sodass keine Detailinformationen, z. B. zum Bildungsstand oder der Aufenthaltsdauer, vorliegen. Genauere Differenzierungen und kontextuelle Einordnungen zur Sportvereinspartizipation von Menschen mit Migrationshintergrund können folglich nicht vorgenommen werden (vgl. Braun & Nobis, 2011, S. 22). In Bezug auf das Sportengagement älterer Personen mit Migrationshintergrund ist die Datenlage sogar noch problematischer, da sich „eine Fokussierung des Interesses auf die Gruppe der Kinder und Jugendlichen“ abzeichnet (Kleindienst-Cachay et al., 2012, S. 33f). Insofern sind die zuvor wiedergegebenen Sekundäranalysen lediglich ein Ansatzpunkt, um erste Erkenntnisse über die Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund am organisierten Sport zu erlangen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die Studien von Mutz (2013) sowie Mutz & Hans (2015). Mutz (2013) kommt aufgrund von Partizipationsquoten, die je nach Herkunftsland differieren, zu dem Schluss, dass „Herkunftsländer und ihre (Sport-) Kultur [...] die grundlegenden Sichtweisen auf Sport und Bewegung prägen und damit auch den Zugang zum Vereinssport beeinflussen“ können (Mutz, 2013, S. 26). Mutz & Hans (2015) untersuchen, inwiefern die dritte Einwanderergeneration am organisierten Sport partizipiert und ob es Unterschiede zu den vorherigen Generationen gibt. Die zentrale Erkenntnis ist, dass es kaum noch Unterschiede zwischen den Migrantinnen und Migranten der dritten Generation und der autochthonen Bevölkerung gibt. Vornehmlich bei Migrantinnen ist eine enorme Steigerung der Partizipationsrate von Generation zu Generation zu beobachten. Grund dafür sind die sich von Einwanderergeneration zu Einwanderergeneration verbessernden Rahmenbedingungen und der langfristige und generationenübergreifende Integrationsprozess. Es wird deutlich, dass die Gesamtheit an Personen mit Migrationshintergrund nicht in gleichem Ausmaß am Vereinssport teilnimmt wie autochthone Personen, dieser Unterschied allerdings von Einwanderergeneration zu Einwanderergeneration weiter nivelliert wird. Außerdem gilt es bei der Auseinandersetzung mit der Thematik zu bedenken, dass es sich bei Menschen mit Migrationshintergrund keineswegs um eine homogene Gruppe mit ähnlichen kulturellen Voraussetzungen handelt, sondern um Personen, die von einer Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse geprägt sind.
2.2 Integrationsleistungen des organisierten Sports
Neben der Partizipationsrate von Menschen mit Migrationshintergrund am organisierten Sport ist der Einfluss, den die Teilnahme am Vereinssport auf Integrationsprozesse haben kann, von großem Interesse in der sportsoziologischen Integrationsforschung und wird angelehnt an Klein- dienst-Cachay et al. (vgl. 2012, S. 48ff.) dargestellt.
Viele Forschungsarbeiten attestieren dem Sport starkes integratives Potenzial. Eine Untersuchung zur Bedeutung des Sports auf die Sozialisation und Integration junger Migrantinnen von Klein- dienst-Cachay (2007) betont, dass die sportliche Sozialisation einen enormen Einfluss auf das Frauenbild muslimischer Spitzensportlerinnen hatte, welches dem der Aufnahmegesellschaft ähnlicher wurde. Das Sportengagement hat bewirkt, dass sich die Persönlichkeit den Werten der Aufnahmegesellschaft anpasste, Sprachkenntnisse verbessert wurden, ein interethnisches soziales Netzwerk geknüpft sowie der Grundstein für eine erfolgreiche Berufslaufbahn gelegt werden konnte. Bereits 1984 kam Frogner zu dem Schluss, dass der organisierte Sport auf der Ebene der Interaktion integrierend zu wirken scheint, da durch gemeinsames Sporttreiben im Verein der Kontakt zwischen Migrantinnen und Migranten und der autochthonen Bevölkerung begünstigt wird. Die dadurch entstehenden Netzwerke entfalten über den Sport hinaus ihre Wirkung und können für eine weitergehende Integration in anderen Bereichen sorgen.
Weitere Studien wiederum legen den Schluss nahe, dass das Sporttreiben keine per se integrierende Wirkung hat, sondern auch Fremdheits- und Diskriminierungserfahrungen sowie Konflikte verursachen kann (vgl. u. a. Pilz, 2002; Seiberth, 2012). Teilweise wird die Annahme, dass die Teilnahme am Vereinssport die Sozialintegration unterstützt, widerlegt (vgl. u. a. Mutz, 2009). Gerade bezüglich des Spracherwerbs lautet die Schlussfolgerung, dass es einen negativen Zusammenhang gibt. Trotz des allseits bekannten Slogans „Sport spricht alle Sprachen“ scheint es so zu sein, dass sich Sprachbarrieren negativ auf die Teilhabe am Sport auswirken. Je geringer die Deutschkenntnisse sind, desto schwerer fällt die Inklusion in den und die darauf folgende zunehmende Integration im Sport. Die Integrationspotenziale, die dem Sport in Bezug auf die Vermittlung von Kompetenzen und Kenntnissen zugeschrieben werden, sind demnach keine Mechanismen, die sich automatisch einstellen (vgl. Mutz, 2015c, S. 163ff.). Für das Ausschöpfen der Integrationspotenziale ist es auch von Bedeutung, inwiefern sich Sportvereine interkulturell öffnen und für Veränderungen bereit sind. Forschungsarbeiten, die auf einer organisationstheoretischen Grundlage basieren, attestieren Sportvereinen eine strukturell veranlagte Trägheit, aufgrund der sie nur zögerlich auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse eingehen. Geht es um Veränderungen, reagieren Sportvereine in der Regel erst einmal abwehrend. Anpassungsprozesse können verhindert werden, um die auch in der Satzung festgehaltenen Leitideen und Interessen der Mitglieder zu wahren. Organisationales Lernen hinsichtlich einer interkulturellen Öffnung ist möglich, erfordert aber Durchhaltevermögen und eine aktive und langfristige Auseinandersetzung mit der Thematik (vgl. Rulofs, 2011, S. 84f). Inwieweit dieser Prozess im organisierten Sport bereits fortgeschritten ist, haben Kleindienst-Cachay et al. (2012) anhand einer Befragung von Sportvereinen in Bielefeld und Duisburg eruiert. Viele Vereine sehen das Thema „Integration“ als relevant an und arbeiten nichtdestotrotz dennoch kaum aktiv an einer interkulturellen Öffnung. Lediglich 28,6 % der Vereine haben die Integration von Migrantinnen und Migranten als Ziel angegeben und lediglich 23 % der Vereine befassen sich mit der Frage, wie man die Integration von Migrantinnen und Migranten fördern kann (vgl. ebd., S. 222ff.). Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass das Thema „Integration“, trotz seiner immer größer werdenden Bedeutung ob der zunehmenden Anzahl an Menschen mit Migrationshintergrund sowie des demographischen Wandels, bei vielen Vereinen nicht (ausreichend) auf der Agenda steht.
Auch Migrantensportvereine werden hinsichtlich ihrer Integrationsleistungen untersucht (vgl. Stahl, 2011). Ihr integratives Potenzial wird als ambivalent betrachtet, da sie sowohl integrationsfördernde als auch integrationshemmende Auswirkungen haben können. In einem Migrantensportverein werden Interessen und Bedürfnisse der Mitglieder im Rahmen eines Vereins- und Verbandswesens, welches nach deutschem Recht verfasst wurde und Werte wie demokratisches Verständnis und Pluralität vermittelt, befriedigt. Außerdem stellen Migrantensportvereine der Gesellschaft eine wichtige Leistung zur Verfügung, nämlich die Organisation des Sports. Viele Personen mit Migrationshintergrund wären ansonsten vermutlich gar nicht Teil des Vereinssports:
„Migrantensportvereine sind zugleich eine Bereicherung für den organisierten Sport, vor allem weil sie mit ihren zielgruppenspezifischen Angeboten und Zugangswegen auch Personen in den deutschen Verbandssport integrieren, die andere Vereine wegen Sprachbarrieren und ethnospezifischen Sonderbedürfnissen nicht ohne weiteres für sich gewinnen könnten - zum Beispiel muslimische Frauen und Mädchen, Neuankömmlinge mit schlechten Deutschkenntnissen oder Senioren“ (Stahl, 2011, S. 273).
Dennoch ist die damit zusammenhängende Tendenz zur Segregation von Einheimischen und Zuwanderern kritisch zu beurteilen, da keine interethnischen Kontakte, sondern soziale Distanzen gefördert werden. Mutz und Stahl (2010) kommen zu dem Schluss, dass Mitglieder von Migrantensportvereinen vor allem in die eigenethnischen Gruppen integriert werden und dies negative Folgen für den Integrationsprozess, unter anderem einen langsameren Erwerb von Sprachkennt- nissen, nach sich ziehen kann.
2.3 Bestimmung des Forschungsdefizits
Viele sportsoziologischen Integrationsstudien zielen auf eine deskriptive Analyse der Partizipation zumeist junger Migrantinnen und Migranten am Vereinssport ab, wobei in den letzten Jahren eine vermehrte Schwerpunktsetzung zu beobachten ist. Einerseits wird der Amateurfußball im Herrenbereich als Resonanz auf die zunehmenden, teils öffentlichkeitswirksamen Konflikte bei Beteiligung eigenethnischer Sportvereine kritisch untersucht.10 Da dieses Themengebiet jedoch keine direkte Relevanz für die Fragestellung dieser Arbeit besitzt, wird darauf nicht näher eingegangen. Andererseits steht die Gruppe der muslimischen Mädchen und Frauen (als besonders benachteiligte Gruppe) besonders im Fokus. Ein weiterer Schwerpunkt sind die über die Teilnahme am Vereinssport hinausgehenden Integrationseffekte für Menschen mit Migrationshintergrund auf persönlicher, interaktionistischer und organisationaler Ebene. Neben der reinen Partizipationsquote von Menschen mit Migrationshintergrund werden häufig kulturelle (religiöse Vorgaben, familiäre Rollenerwartungen etc.), individuelle (Prioritätensetzung, fehlendes Interesse am Sport) und sozialstrukturelle (niedrigeres Bildungsniveau, fehlende Sprachkenntnisse etc.) Aspekte in den Blick genommen, die für die Unterrepräsentanz von - insbesondere weiblichen - Personen mit Migrationshintergrund im Vereinssport verantwortlich sein können. Die organisationale Sichtweise der Vereine hingegen wird eher selten eingehender betrachtet und wenn, dann zumeist in deskriptiver Art und Weise, ohne die jeweilige organisationale Logik zu untersuchen (vgl. Klein- dienst-Cachay et al., 2012, S. 59ff.; Seiberth et al., 2013, S. 175ff.).
Alles in allem beziehen sich die existierenden Studien in der sportsoziologischen Integrationsforschung zuvörderst auf seit langer Zeit in Deutschland lebende oder sogar in Deutschland geborene und sozialisierte Migrantinnen und Migranten. Diese Gruppe unterscheidet sich erheblich von der Gruppe der Flüchtlinge, die weniger vertraut mit den Charakteristika der deutschen Gesellschaft ist. Zum Themenfeld „Sport und Flucht“ liegen erste Studien vor. Nobis, Barth & Borth (2017) befassen sich mit der interkulturellen Öffnung von in der Flüchtlingsarbeit engagierten Vereinen und der Frage, wie diese Vereine interkulturelle Öffnungsprozesse gestalten und darüber Flüchtlinge erreichen. Daraus leiten sie Handlungsempfehlungen zu den Perspektiven interkultureller Öffnung für Vereine und den Gelingensbedingungen interkultureller Öffnungsprozesse ab. Braun, Albert, Alscher & Hansen (2017) untersuchen anhand von in der Flüchtlingsarbeit engagierten Vereinen, wie sie Angebote zugunsten von Flüchtlingen erstellen, welche Herausforderungen dabei bewältigt werden müssen und welche Folgen das Engagement für die Vereine hat. Daraus werden Handlungsempfehlungen für Vereine und Engagierte in Bezug auf Flüchtlingsarbeit im Sportverein abgeleitet. Auch Seiberth, Thiel & Hanke (2018) gehen explorativ vor und diskutieren anhand fünf exemplarisch ausgewählter Sportvereine die Frage, wie Integrationsprojekte für Geflüchtete in Sportvereinen entstehen. Sie kommen zu dem Schluss, dass Sportvereinsmaßnahmen einen wichtigen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen leisten können, aber grundsätzlich vom Engagement einzelner Personen abhängig sind. Strategische Konzepte zur lokalen Flüchtlingshilfe sind bei Sportvereinen nicht zu erwarten. Zudem geben Breuer, Feiler & Nowy (vgl. 2017, S. 47f.) im Rahmen des Sportentwicklungsberichts 2015/2016 an, wie das Engagement der Sportvereine und -verbände für Flüchtlinge nach eigenem Ermessen ausgeprägt ist. 29 % der Vereine und 75 % der Kreis- und Stadtsportbünde stimmen der Aussage zu, dass sie sich für Flüchtlinge engagieren; 18 % der Vereine geben an, Maßnahmen oder Initiativen für Flüchtlinge anzubieten, vor allem in Form spezifischer Sportangebote sowie einer besonderen Beitragspolitik.
Allerdings bestehen weiterhin beträchtliche Forschungslücken, „wenn es um das Themenfeld „Sport und Flucht“ [...] geht“ (Nobis et al., 2017, S. 119). Eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration bekräftigt, dass zur „Einbindung von Flücht- lingen in Vereine, Initiativen und Organisationen [...] keine systematischen Untersuchungen“ vorliegen (Robert-Bosch-Stiftung, 2016, S. 40). Es lässt sich keine empirische Studie dazu identifizieren, in welchem Ausmaß Flüchtlinge am Sport partizipieren, inwiefern Sportvereine Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen umsetzen und wie sich die Partizipation am Vereinssport auf den gesellschaftlichen Integrationsprozess auswirkt. Anders ausgedrückt: Welchen Einfluss der Sport auf die Integration von Flüchtlingen hat.
3 Theoretischer Zugang
Um der Fragestellung dieser Arbeit gerecht zu werden, wird ein aus der systemtheoretischen Perspektive nach Luhmann geschärfter Blick auf den (organisierten) Sport im Kontext von Inklusion11 und Integration gerichtet. Die soziologische Systemtheorie unterscheidet verschiedene Gesellschaftsebenen („Gesellschaftliche Teilsysteme“, „Organisationen“, „Interaktionen“) sowie Gesellschaftsbereiche (Teilsysteme wie „Wirtschaft“, „Politik“, „Sport“), die sich primär an einer bestimmten Funktion orientieren und auf die Lösung eines gesellschaftlichen Problems abzielen. Jedes Teilsystem ist auf eine andere Funktion ausgerichtet, die für die Gesellschaft erfüllt werden soll, und agiert dabei relativ autonom. Das System der Wirtschaft kümmert sich beispielsweise um die Sicherung zukünftiger Bedürfnisbefriedigung, das System der Wissenschaft um die Produktion von Wahrheiten. Damit ein Teilsystem dauerhaft bestehen kann, muss es sich als relevant für die Gesellschaft erweisen und darauf ausgerichtet sein, die gesamte Bevölkerung zu inkludieren.12 Die Teilsysteme stehen von daher grundsätzlich jedem Gesellschaftsmitglied jederzeit in der Komplementärrolle offen. Die Übernahme einer Leistungsrolle ist hingegen an systemspezifische Qualifikationen gebunden. Um es am Beispiel des Gesundheitssystems zu veranschaulichen: Jeder kann ein Patient sein, aber nicht jeder Arzt. Im Sport können beide Rollenverständnisse sehr eng beieinanderliegen, da im Breitensport teilweise nur äußerst geringe Qualifikationen zur Übernahme einer Leistungsrolle notwendig sind (vgl. Kleindienst-Cachay et al., 2012, S. 69f).
Nachfolgend wird zunächst das gesellschaftliche Teilsystem „Sport“ näher dargestellt, ehe der Organisationstypus „Sportverein“ als soziales System betrachtet und anhand von Entscheidungsprämissen und seiner konstitutiven Merkmale illustriert wird. Daraufhin werden mit dem Begriffspaar Inklusion/Exklusion die Mechanismen, die zu der formalen Teilnahme einer Person am Vereinssport führen oder sie behindern, beschrieben. Anschließend wird erläutert, inwiefern sich einer Inklusion im Sportverein Integrationsprozesse im Sport selbst anschließen können. Schließlich wird Bezug auf die vier Dimensionen der Sozialintegration (Interaktion, Kulturation, Platzierung, Identifikation) nach den integrationstheoretischen Überlegungen Essers genommen, um die Möglichkeiten einer Integration durch den Sport in die Gesellschaft darzustellen.
3.1 Das gesellschaftliche Teilsystem „Sport"
Beim Sport ist der Körperbezug kennzeichnend wie in keinem anderen gesellschaftlichen Teilsystem. Jede Handlung im Sport ist eine Handlung des Körpers, welche im sportlichen Kontext auch eine Leistung ist. Diese Leistungen haben keinen weiter verwendbaren Sinn, sondern dienen der Kommunikation. Systemtheoretisch betrachtet bestehen soziale Systeme aus Kommunikationen und deren Zurechnung als Handlung (vgl. Meier et al., 2016, S. 7). Im Sport wird mit dem Körper kommuniziert. Insofern scheint Sport ideal zu sein, um trotz vorhandener Sprachbarrieren an der Gesellschaft teilnehmen zu können. Dem Sport werden eine gewisse Universalität und ein einfacher Zugang zugeschrieben. Er orientiert sich an weltweit gültigen Werten und Normen und beruht in den jeweiligen Sportarten auf Regeln und Praktiken, die weltweit angewandt werden (vgl. Pfaff- Czarnecka & Kleindienst-Cachay, 2016, S. 152).
Nach Stichweh (1990, S. 379f.) ist Sport „jenes Funktionssystem, das aus allen Handlungen besteht, deren Sinn die Kommunikation körperlicher Leistungsfähigkeit ist.“ Der binäre Code des Sports lautet Leisten/Nicht-Leisten (vgl. ebd., S. 384). Leistung darf in diesem Zusammenhang allerdings nicht mit Wettkampf gleichgesetzt werden; eine bestimmte Strecke beim Joggen zu absolvieren, gilt als sportliche Leistung, auch wenn keine Kontrahenten anwesend waren. Eine solche Kommunikation körperlicher Leistungsfähigkeit besitzt außerhalb des Sports keinen Sinn und ist unabhängig von anderen Merkmalen des Joggers, z. B. dem Bildungsstand oder der äußerlichen Erscheinung (vgl. Thiel, 1997, S. 26). Die enormen Unterschiede physischer Voraussetzungen werden im Wettkampfsport durch sportarteninterne Differenzierung kompensiert. Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass jeder in den Wettkampfsport inkludiert werden kann. Eine umfassende Inklusion in den Sport ist eher im nicht-kompetitiven Bereich (z. B. Gesundheitssport) realisierbar (vgl. Meier et al., 2016, S. 5f.). Bei der Inklusion möglichst aller Gesellschaftsmitglieder orientiert sich der Sport an der zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft. Die Bedürfnisse und Motive sportinteressierter Gesellschaftsmitglieder werden immer heterogener und der Sport reagiert darauf, indem sich seine Organisationen (hauptsächlich in Form von Breitensportvereinen) sozial öffnen. Das bedeutet, dass sie ihre Strukturen und Angebote an die unterschiedlichen Bedürfnisse Sportinteressierter anpassen, da sie auf Mitglieder angewiesen sind. Gerade für eine zunehmende Inklusion von Flüchtlingen scheint die soziale Öffnung eines Sportvereins von großer Wichtigkeit zu sein, da sie oftmals andere Bedürfnisse haben als die autochthone Bevölkerung (vgl. Cachay & Thiel, 2000, S. 117ff).
Das Sportsystem beinhaltet weiterhin einige besondere Elemente, die die Organisation „Sportverein“ nicht unberührt lassen. Es hat einen schwach ausgeprägten Problembezug, da es auf ein Problem ausgerichtet ist, dessen Bearbeitung gesellschaftlich nicht unverzichtbar zu sein scheint. Schließlich haben Gesellschaften bereits vor der Entstehung des Sports funktioniert. Es ist jeder Person selbst überlassen, ob sie - sei es in der Leistungsrolle als die körperliche Leistung ausübender Athlet, in der Publikumsrolle als körperliche Leistungen beobachtende Person oder unabhängig voneinander in beiden Rollen - am Sportsystem partizipiert. Diese Wahlfreiheit existiert bei anderen Teilsystemen, etwa dem Bildungssystem, nicht. Von daher kann niemand zu einem Engagement im Sport gezwungen werden, sondern muss sich freiwillig dafür entscheiden, sportlich tätig zu werden. Abseits dessen tritt das Sportsystem als Leistungsträger für viele andere Teilbereiche auf, was seine gesellschaftliche Rolle legitimiert (vgl. Borggrefe et al., 2012, S. 313f.). Der Sport agiert dabei relativ autonom, sodass Ereignisse der gesellschaftlichen Umwelt (z. B. des Politik- oder Bildungssystems) nicht direkt anschließbar sind. „Der Sport ist, tautologisch formuliert, wie er ist. Er ist nicht, wie er nicht ist“ (Bette, 1999, S. 39). Damit geht einher, dass der Sport weder ein Spiegelbild der Gesellschaft darstellt noch von anderen Teilsystemen determiniert wird. Dennoch bestehen natürlich Wechselwirkungen, der Sport existiert nicht abgeschottet von anderen Gesellschaftsbereichen. So könnte das Sportsystem in Deutschland ohne die massive staatliche Förderung nicht in seiner heutigen Form existieren und ist durchaus abhängig von anderen Gesellschaftsbereichen wie der Politik und der Wirtschaft. Dies betrifft insbesondere den Leistungssport. Demgegenüber bewahrt er seine Freiräume, da er, wie zuvor bereits angedeutet, auch als Leistungsträger für andere Teilsysteme auftritt; beispielweise für die Politik, indem er in Form einer sozialen Öffnung der Breitensportvereine bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund behilflich ist (vgl. Bette, 1999, S. 39ff.).
Das Sportsystem fußt in Deutschland auf drei Säulen - staatlichen Sportanbietern, kommerziellen Sportanbietern sowie dem (freiwillig) organisierten Sport. Der Staat spielt in Deutschland in Bezug auf Sport eine weitaus geringere Rolle als in vielen anderen Ländern. In erster Linie ist der Schulsport zu nennen, der von staatlichen Institutionen angeboten wird. Unter kommerziellen Sportanbietern versteht man privat organisierten Sport mit einer Gewinnerzielungsabsicht. Dazu zählen beispielsweise Sportreisenanbieter, Tanzschulen, private Tennisanlagen und Fitnessstudios (vgl. Digel, 2018). Die wichtigste Säule des Sports in Deutschland stellt jedoch der organisierte Sport mit seinen Vereinen und Verbänden dar (s. Abb. 2). Im organisierten Sport ist ein Großteil des Breitensports und nahezu der komplette Wettkampfsport Deutschlands beheimatet. Sportvereine bilden die Basis des organisierten Sports und damit auch für Sportverbände und Sportbünde. Sportverbände sind sportartspezifisch und umfassen die Sportvereine einer Sportart. Sportbünde agieren sportartübergreifend und organisieren den Sport auf regionaler Ebene. Sowohl Sportverbände als auch Sportbünde sind dem DOSB als größte Sportorganisation Deutschlands, die prinzipiell alle Sportvereine unter ihrem Dach vereint, angeschlossen. Ihr Zweck liegt in der Förderung, Koordination und Vertretung des deutschen Sports (vgl. Thiel et al., 2013, S. 207ff.). Der organisierte Sport ist durch seine flächendeckende und vielseitige Infrastruktur leicht zugänglich. Es gibt in Deutschland 90.000 zumeist gut erreichbare Sportvereine und 27 Millionen Sportvereinsmitglieder (vgl. Deutscher Olympischer Sportbund, 2019). Damit stellt der organisierte Sport das größte zivilgesellschaftliche Netzwerk Deutschlands dar und wird aufgrund seiner festen Verankerung in allen sozialen Milieus von Politik und Gesellschaft als geeignetes Medium angesehen, um Integrationsprozesse in der Gesellschaft anzustoßen und voranzutreiben. Sportvereinen wird eine besondere Rolle im Zusammenhang mit Integrationsprozessen zugesprochen. Dementspre- chend wird die Fragestellung dieser Arbeit am Beispiel des organisierten Sports - in einen regionalen Kontext eingebettet - beantwortet. Staatliche und kommerzielle Sportanbieter werden nicht fokussiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Struktur des organisierten Sports in Deutschland. Eigene Darstellung in Anlehnung an Digel (2018).
3.2 Die Organisation „Sportverein" als soziales System
Organisationen - und damit auch Sportvereine - treten, systemtheoretisch betrachtet, als soziale Systeme auf, die aus Entscheidungen bestehen. Die Struktur einer Organisation, die sich aus Entscheidungsprämissen ergibt, besteht sozusagen aus Entscheidungen über nachfolgende Entscheidungen, um eine völlige Beliebigkeit im Entscheidungsprozess einschränken zu können. Entscheidungsprämissen bestimmen die Entscheidungsspielräume und geben die Richtung für alle in einer Organisation stattzufindenden Entscheidungen vor; die grundsätzlich nahezu unendlichen Entscheidungsmöglichkeiten werden dadurch begrenzt. Die Organisation erhält einen klaren Rahmen, sodass Unsicherheit sowie Komplexität von Entscheidungsprozessen reduziert werden. Die Entscheidungsprämissen lassen sich dahingehend unterscheiden, ob über sie entschieden werden kann. Die entscheidbaren Entscheidungsprämissen (Entscheidungsprogramme, Kommunikationswege, Personal) kennzeichnen sich dadurch, dass sie das Resultat bewusster Entscheidungen und damit gestaltbar sind. Unentscheidbare Entscheidungsprämissen, welche sich zusammenfassend als Organisationskultur bezeichnen lassen, beeinflussen die Entscheidungsprozesse einer Organisation, sind jedoch nicht gestaltbar. Sie wirken unbewusst und latent an Entscheidungen mit (vgl. Kleindienst-Cachay et al., 2012, S. 94; Meier & Thiel, 2017, S. 151 f).
„Entscheidungsprogramme definieren Bedingungen der sachlichen Richtigkeit von Entscheidungen“ (Luhmann, 2011, S. 257). Sie ermöglichen einer Organisation, Entscheidungen entsprechend ihrer Richtigkeit interpretieren zu können. Von daher lässt sich anhand der Entscheidungsprogramme feststellen, ob eine Entscheidungsoperation im Sinne der Organisation ist, oder nicht. Entscheidungsprogramme werden von Organisationen in Zweck- und Konditionalprogramme angelegt. Zweckprogramme beschreiben den Zweck einer Organisation und darauf aufbauende Ziele.
Der Sinn von Zweckprogrammen besteht darin, Entscheidungsspielräume einzuschränken und damit Entscheidungen zu vereinfachen. Bei Sportvereinen ist der primäre Organisationszweck in der Vereinssatzung formuliert (vgl. Meier & Thiel, 2017, S. 152f). Ein typisches Beispiel stellt die Formulierung „... dient der Förderung des Sports“ dar. Gegebenenfalls wird zudem die Wichtigkeit spezifischer Abteilungen, Sportarten oder Zielgruppen betont. Damit geht einher, dass alle Entscheidungen dazu dienen, den Organisationszweck zu erfüllen; d.h., den Sport (bzw. spezifische Bereiche des Sports) zu fördern (vgl. Borggrefe et al., 2012, S. 316). Dieser für Sportvereine typische, recht vage gehaltene Organisationszweck lässt sich kaum in konkrete Handlungsempfehlungen überführen. Wann ist der Zweck eines Sportvereins erfüllt? Um dies zu überprüfen, ziehen Sportvereine in verschiedenen Bereichen Bilanz. Dies können operativ messbare Teilziele wie sportlicher Erfolg, Mitgliederzahlen und eine stabile finanzielle Lage sein. Allerdings ist nicht eindeutig zu konstatieren, inwiefern damit der Vereinszweck erfüllt wird. So kann ein Mitgliederzuwachs bedeuten, dass der Verein Sport für mehr Menschen ermöglicht und über bessere Ressourcen verfügt, um seinen Mitgliedern ein gutes Sportangebot bereitzustellen. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass es vielen langjährigen Mitgliedern lieber wäre, die Mitgliederzahlen gering zu halten, um sich auf traditionelle Sportinhalte konzentrieren zu können. Es lässt sich dementsprechend schwer messen, in welchem Ausmaß der Zweck eines Sportvereins erfüllt wird. Nun ließe sich einwenden, dass der Zweck eines Sportvereins bereits mit der Bestandserhaltung erreicht sei, da damit automatisch der Sport gefördert werde. Trotzdem kann ohne über die Bestandserhaltung hinausgehende Teilziele kaum festgestellt werden, ob Entscheidungen dem Vereinszweck dienlich oder eher hinderlich sind (vgl. Meier & Thiel, 2017, S. 153f). Sportvereine haben sich bei der Zweckprogrammierung an den Bedürfnissen ihrer bereits inkludierten Mitglieder zu orientieren, da sie Interessensorganisationen darstellen. Zugleich müssen Erwartungen äußerer Organisationen (unter anderem zur Wahrung der Gemeinnützigkeit oder Lösung gesellschaftlicher Probleme) beachtet werden, da man in finanzieller und/oder infrastruktureller Hinsicht von ihnen abhängig ist (vgl. Borggrefe et al., 2012, S. 316f.). Das Themengebiet „Integration“ findet in den Zweckprogrammen der Sportvereine eher wenig Beachtung, da der Vereinszweck grundsätzlich die Befriedigung der sportiven Mitgliederinteressen in den Vordergrund stellt. Es besteht keine Notwendigkeit, Integration strukturell in den Zweckprogrammen zu verankern. Sportverbände und die Zivilgesellschaft können dahingehend zwar Anreize schaffen und einen gewissen Druck aufbauen; Sportvereine sind jedoch nicht in der Pflicht, darauf reagieren zu müssen. Allerdings kann sich das Verhalten eines Sportvereins auch von allein ändern, wenn der Fortbestand aufgrund zurückgehender Mitgliederzahlen als Folge des demographischen Wandels gefährdet ist und Menschen mit Migrationshintergrund dadurch verstärkt als neue Zielgruppe wahrgenommen werden (vgl. Seiberth et al., 2013, S. 180f.). Um Integrationsbemühungen im Verein langfristig etablieren zu können, „gehört die Konkretisierung von Integrationszielen zu den zentralen Schritten bei der formalen Verankerung des Themas in den vereinsspezifischen Zweckprogrammen“ (ebd., S. 181).
Die Bearbeitung der in Zweckprogrammatiken festgehaltenen Ziele erfolgt über Konditionalprogramme. Durch die insgesamt zumeist vagen Zweckprogramme der Sportvereine haben Vereinsmitglieder in der Regel keine klaren Vorstellungen von ihren Aufgaben und demzufolge Schwierigkeiten, Konditionalprogramme zu determinieren. Diese legen im Sinne einer Wenn-Dann-Regel fest, wie auf bestimmte Auslösebedingungen reagiert wird. Sie können in der Satzung oder in Planungsdokumenten hinterlegt sein. Für Sportvereine ist es aber charakteristisch, dass ausformulierte und auf formaler Grundlage stehende Konditionalprogramme, z. B. die Vorgehensweise bei einer Mitgliederversammlung, eher selten sind. Die bei einem Sportverein nach einem „auslösenden“ Ereignis zu ziehenden Konsequenzen sind oftmals informeller Natur und münden in Routinen, die aufgrund der zu erfolgenden Koordination erhebliche Zeitverzögerungen nach sich ziehen (vgl. Borggrefe et al., 2012, S. 318).
„Kommunikationswege haben [...] nur den Sinn des [...] Transports von Kompetenz“ (Luhmann, 2011, S. 319). Kompetenzen sind in Organisationen fachlich und hierarchisch differenziert, an Stellen gebunden und miteinander gekoppelt; der Kompetenztransport ist typischerweise verlustreich. Von daher sollte es das Ziel einer Organisation sein, Kommunikationswege kurz zu halten und die vorhandenen Kompetenzen möglichst gut auszunutzen (vgl. ebd., S. 319). In Sportvereinen, gerade des Breitensports, sind Kompetenzen im Gegensatz zu Wirtschaftsorganisationen nicht an Stellen, sondern an Ämter gebunden. Auch bei Ämtern findet man eine hierarchische Ordnung sowie eine fachliche Differenzierung. Die damit vordergründig einhergehende Zuteilung von Kompetenzen an die jeweiligen Amtsinhaber unterliegt jedoch einem ständigen Austauschprozess. Die Amtsinhaber sind meist ehrenamtlich tätig und haben keine ausgeprägte fachliche Qualifikation für das jeweilige Amt, sodass die dem Amt zugewiesenen Kompetenzen eher lose an dem Amtsinhaber gekoppelt sind (vgl. Meier & Thiel, 2017, S. 157f.). Anders ausgedrückt: es gibt keine klaren Aufgabenverteilungen und Zuständigkeiten. Entscheidungen werden klassischerweise gemeinsam mit anderen Amtsinhabern getroffen, was konzeptionelle Planungen erschwert und mit einem hohen Maß an Unsicherheit über Entscheidungen verbunden ist. Wenn das Thema Integration als Vereinsziel in den Entscheidungsprogrammen verankert ist, sollte sich dies auch auf der Ämterebene in Form spezifischer Aufgabenbereiche und Funktionsrollen strukturell widerspiegeln. Die fachliche Zuständigkeit solcher für die Integrationsarbeit zuständigen Ämter (z. B. als Integrationsbeauftragter) und deren Einordnung in der Vereinshierarchie haben einen großen Einfluss auf das Integrationspotenzial eines Vereins (vgl. Seiberth et al., 2013, S. 184). Kommunikationswege in Sportvereinen sind von unten, also durch die Mitglieder im Sinne einer Bot- tom-Up-Hierarchie, konstituiert. Die Mitglieder treten ihre Rechte im Rahmen der Mitgliederversammlung teilweise an gewählte Vertreter ab, die daraufhin die Ämter ehrenamtlich bekleiden. Die Befugnisse dieser Vertreter sind ebenso wie deren Legitimation beschränkt, da die Mitgliederversammlung als Kontrollinstanz fungiert und die größte Entscheidungsgewalt innehat. Sie haben keine souveräne Entscheidungsfreiheit, sondern müssen sich an den in der Satzung oder Geschäftsordnung zum Ausdruck gebrachten Mitgliederinteressen orientieren, was den Entscheidungsprozess verkompliziert. So kann der Vorstand beispielsweise kein Integrationsamt schaffen, wenn die Mitgliederversammlung dies blockiert. Außerdem sind die Kommunikationswege von strukturellen Problemen gekennzeichnet. Die Anwesenheit von ehrenamtlichen Mitarbeitern kann nicht eingeklagt werden. Es gibt lediglich turnusmäßige Sitzungen und der Hauptberuf eines Sportvereinsmitglieds genießt grundsätzlich Vorrang. Dies führt dazu, dass Entscheidungen immer wieder vertagt werden müssen, da kein Treffen zustande kommen kann. Sportvereine sind folglich träge in ihrer Entscheidungsfindung. Von daher folgen Entscheidungen des Öfteren, vorzugsweise bei einem engen Zeitfenster, informellen Kanälen, was zu Klüngelei und einer großen Unsicherheit bei der zukunftsorientierten Planung führen kann (vgl. Borggrefe et al., 2012, S. 314f.). Im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen, bei denen die Kommunikationswege klar definiert sind, besteht bei Sportvereinen „durch die Flüchtigkeit, die Spontanität, die Variabilität und den informellen Charakter der Kommunikationswege [...] eine große Unsicherheit bei der Verknüpfung von Entscheidungen“ (Meier & Thiel, 2017, S. 159).
„Mit Personalentscheidungen wird über Stellenbesetzungen und damit Entscheidungsprämissen entschieden“ (Luhmann, 2011, S. 288). Dabei ist es für Organisationen von zentraler Bedeutung, dass die definierten Stellenanforderungen zu dem spezifischen Fähigkeiten- und Einstellungsprofil des Stelleninhabers passen (vgl. ebd., S. 287). Allerdings ist die Besetzung einer Stelle für die Organisation mit Unsicherheit behaftet, da Qualifikation und Charakter einer Person nicht zweifelsfrei zu beurteilen sind und die Anforderungen an eine Stelle im Laufe der Zeit variieren (vgl. ebd., S. 290). Nun geht es bei Sportvereinen im Vergleich zu anderen Organisationen jedoch nicht um Stellen, sondern, wie bei den Kommunikationswegen bereits ausführlicher dargestellt, um Ämter. Der damit verbundene informelle Charakter und die Trägheit der Kommunikationswege von Sportvereinen haben Konsequenzen auf das Personal. Den Amtsinhabern werden deutlich größere Entscheidungsspielräume ermöglicht, da Vereine ansonsten gerade bei komplexen Entscheidungsprozessen mit der Entscheidungsfindung überfordert, bisweilen auch handlungsunfähig wären. Dementsprechend machtvoll sind Amtsinhaber eines Sportvereins, da dieser Personalisierung von Entscheidungsprozessen eine sogenannte Informationsoligarchie innewohnt. Das Personal im Verein teilt viel Wissen und es obliegt ihrer Entscheidung, inwiefern sie andere Vereinsmitglieder an diesem Wissen teilhaben lassen. Insofern hat die Besetzung der Ämter mit den passenden Personen bei Sportvereinen im Vergleich zu anderen Organisationen eine besondere Bedeutung (vgl. Meier & Thiel, 2017, S. 160). Das Ausmaß der Integrationsbemühungen eines Sportvereins hängt demnach stark davon ab, in welchem Maße sich die Führungspersönlichkeiten des Vereins der Thematik annehmen möchten und ob sie integrativen Maßnahmen eine hohe Bedeutung beimessen. Sofern kein spezifisches Amt für die Integrationsthematik eingerichtet wird, bleibt die Aufgabenverteilung unklar und die Integrationsfähigkeit des Vereins unter seinen Möglichkeiten (vgl. Sei- berth et al., 2013, S. 186). Fachliche Qualifikationen spielen bei der Amtsbesetzung eine untergeordnete Rolle, da der Kreis potenzieller Kandidaten sehr klein ist. Schließlich erfolgt die Übernahme eines solchen Ehrenamts in Abwesenheit monetärer Anreize aus der Motivation, um Vertretungsrechte für die Mitglieder wahrzunehmen. Zudem soll gesichert sein, dass die Organisationskultur weiterhin erhalten bleibt und dem Verein kein Umsturz bevorsteht. Überraschendes und abweichendes Verhalten bei der Amtsausübung ist nicht erwünscht. Das Personal von Sportvereinen rekrutiert sich üblicherweise aus (langjährigen) Mitgliedern, die ihre Loyalität zum Verein bereits unter Beweis gestellt haben und aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur dafür in Frage kommen; deren Eignung also durch eine entsprechende Vereinskarriere dokumentiert ist. Dieser Umstand besitzt Konfliktpotential, da die hierarchische Stellung nicht mit der Fachkompetenz übereinstimmen muss. Die jeweilige Ausübung eines solchen Amtes ist in der Regel stark von dem individuellen Charakter der Person geprägt und weniger von den spezifischen Amtsanforderungen. Aufgrund dessen sind Personalentscheidungen die Entscheidungsprämissen, die den höchsten Grad an Unsicherheit darstellen (vgl. Borggrefe et al., 2012, S. 318f.).
Entscheidbare Entscheidungsprämissen repräsentieren die Struktur einer Organisation. Die Entscheidungsprämissen, über die nicht explizit entschieden wird (ergo unentscheidbar sind), werden als Organisationskultur bezeichnet. Diese wird „als Selbstverständlichkeit angesehen [...], die jeder versteht und akzeptiert, der mit dem System erfahren und vertraut ist“ (Luhmann, 2011, S. 145). Man findet sie „in der Form von Werten, untermalt durch und gestützt auf die Geschichte des Systems. Werte sind Anhaltspunkte in der Kommunikation, die nicht direkt kommuniziert werden“ (ebd., S. 244). Die Organisationskultur mit ihren informellen Regeln bindet Entscheidungen unterschwellig an gemeinsam geteilte Werte und Vorstellungen. Sie wirkt so latent an allen Entscheidungen mit, schränkt die Entscheidungsvielfalt der entscheidbaren Entscheidungsprämissen ein und trägt somit zur Systembewahrung bei. Entstanden ist sie im Laufe der Zeit durch Entscheidungen in der Vergangenheit (vgl. Meier & Thiel, 2017, S. 164). Bei Sportvereinen sorgt die passende Auswahl von Personen mit entsprechender Persönlichkeitsstruktur und einer Vereinskarriere für die zu besetzenden Ämter dafür, dass die Wahrung der Organisationskultur und der damit einhergehenden Traditionen und Werte langfristig gesichert wird. Das zementiert den Bestand des Vereins sowie sein Selbstverständnis in seiner aktuellen Form und sorgt so für die Verbundenheit ihrer Mitglieder, erschwert allerdings Modernisierungen und Änderungen. Sportvereinsstrukturen bewirken folglich eine risikoaverse Organisationskultur. Von daher werden tiefgreifende Änderungen mit Konsequenzen für die Organisationskultur in der Regel nur von Persönlichkeiten durchgesetzt, die ein großes Vertrauen der Mitgliederbasis genießen. Sie können verhindern, dass durch die als Folge der Änderungen ausgelösten Unsicherheiten die allgemeine Vereinsidentität in Frage gestellt wird (vgl. Borggrefe et al., 2012, S. 319f.). Die Verankerung des Themas „Integration“ im Sportverein ist nicht zwangsläufig anschlussfähig an die jeweilige Organisationskultur und könnte eine solche, Unsicherheit auslösende, Änderung sein. Dies ist der Fall, wenn bei den Vereinsmitgliedern ein integrationshemmendes, assimilatives Integrationsverständnis dominiert, da bestimmte ethnische Stereotype in Form geteilter Wertvorstellungen Bestandteil der Organisationskultur sind. Um Integrationsprozesse im Verein gelingen zu lassen, ist es wichtig, dass der Gedanke der kulturellen Vielfalt positiv besetzt ist und die Vereinsmitglieder sich nicht als kulturelle Bewahrer sehen. Denn integrative Maßnahmen, die nicht zur Vereinskultur passen, können ansonsten kaum gelingen. Von dementsprechend hoher Bedeutung ist die Vereinskultur für die Integrationsfähigkeit eines Sportvereins (vgl. Seiberth et al., 2013, S. 189ff.).
Die Entscheidungsprämissen haben Auswirkungen auf das Modernisierungspotenzial der Organisation „Sportverein“. Sportvereine neigen aufgrund ihrer strukturell verankerten Trägheit dazu, informelle Kommunikations- und Entscheidungswege zu wählen.
„In einer Organisation „Sportverein“ wird die strukturell angelegte Problematik „vager“ Zweck- und „träger“ Konditionalprogramme sowie „undurchsichtiger“ Kommunikationswege vor allem mittels eines Vertrauensüberschusses gegenüber Merkmalen von Personen in operative Kontinuität überführt“ (Borggrefe et al., 2012, S. 320).
Aufgrund dieser Personalisierung von Entscheidungen erweist sich in besonderem Maße die Organisationskultur als strukturgebend. Das bedingt allerdings auch, dass Veränderungen schwer zu implementieren sind und somit die Verankerung der Integrationsthematik in den Vereinsstrukturen als Folge eines organisationalen Lernprozesses einer gewissen Anstrengung und vor allem Akzeptanz der Mitglieder bedarf (vgl. Borggrefe et al., 2012, S. 320f.). Im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen können Entscheidungsträger im Verein Veränderungen schließlich nicht top-down durchsetzen. Lernen gilt in der Organisationssoziologie als ein Prozess der Anpassung an bestimmte Zielvorstellungen. Organisationen können lernen, indem die einzelnen Mitglieder etwas lernen und diese individuellen Lernergebnisse im kollektiven Gedächtnis der Organisation gespeichert werden, bei Sportvereinen vorrangig in der Satzung oder dem Sportprogramm. Entscheidend ist dabei, dass dieses Gedächtnis unabhängig von Personalwechseln in der Organisation bestehen bleibt und in den Vereinsstrukturen in Form von Entscheidungsprämissen festgehalten wird (vgl. Thiel et al., 2013, S. 244f.). Eine besondere Bedeutung bei Sportvereinen hat dabei das AbwehrLernen. Hierbei wird eine organisationale Lernbarriere erschaffen. Man möchte seine Identität bewahren und lernt, Forderungen aus der Organisationsumwelt erfolgreich abzuwehren. Die Bestandserhaltung und nicht die Modernisierung der Organisation steht für Sportvereinsmitglieder grundsätzlich im Vordergrund. Ein solches Verhalten steht nicht zwingend für Rückständigkeit, sondern bildet lediglich den traditionsorientierten Wunsch ab, die Kernstruktur ihres Vereins zu erhalten (vgl. ebd., S. 248). Schließlich sind Sportvereine als Interessensorganisationen angelegt, deren originärer Organisationszweck es ist, die Interessen der Mitglieder, die aufgrund der aktuellen Satzung Mitglied geworden sind, zu befriedigen - und nicht das Gemeinwohl. Insofern besteht kein Zwang, Integration als Ziel des Sportvereins strukturell zu verankern, wenn es sich nicht mit den Mitgliederinteressen und der Vereinskultur deckt (vgl. Seiberth et al., 2013, S. 192). Das Abwehr-Lernen als besondere Lernleistung von Freiwilligenorganisationen ist funktional für den Fortbestand von mit der Organisationskultur im Einklang stehenden traditionellen Strukturen im Sportverein, erschwert allerdings Modernisierungen und somit auch eine Implementierung der Integrationsthematik.
Die vier Entscheidungsprämissen sind bei Sportvereinen anders ausgeprägt als bei „professionellen“ Organisationen wie Wirtschaftsunternehmen. Sportvereine gehören zum Typus der Freiwilligenorganisation, ebenso wie etwa Parteien, Kirchen oder Gewerkschaften. Freiwilligenorganisationen unterscheiden sich von anderen Organisationen in ihrer Struktur, ihren Aufgaben und dem Zweck. Während bei Unternehmen die Erzielung von Gewinn im Vordergrund steht, geht es bei freiwilligen Organisationen um die Deckung eines immateriellen Bedarfs durch organisationstypische Leistungen. Die Leistungen beziehen sich auf den in der Satzung festgehaltenen Vereinszweck (vgl. Thiel et al., 2013, S. 232f.). Diese Unterschiede manifestieren sich in fünf konstitutiven Merkmalen, anhand derer sich Freiwilligenorganisationen von anderen, „professionellen“ Organisationen abgrenzen lassen (vgl. Heinemann & Horch, 1981, S. 124f.):
- Freiwillige Mitgliedschaft: Die Mitgliedschaft in einem Verein wird nicht erzwungen oder durch Geburt begründet, sondern richtet sich allein nach den Interessen und Wünschen jedes Einzelnen. Man kann nach eigenem Ermessen den Wunsch äußern, einem Verein beizutreten sowie den Verein wieder zu verlassen. Es können jedoch Verpflichtungen (z. B. finanzielle Beiträge) mit einer Mitgliedschaft einhergehen.
- Autonomiestatus: Ein Verein ist unabhängig von Dritten wie dem Staat und verfolgt seine Interessen und Ziele eigenverantwortlich. Er kann vom Staat weder gegründet noch aufgelöst werden. Das bedeutet indes auch, dass sich Vereine über interne finanzielle Mittel wie Mitgliedsbeiträge und andere Leistungen weitestgehend selbst zu tragen haben.
- Orientierung an den Interessen der Mitglieder: Vereine sind durch die Interessen Ihrer Mitglieder geprägt. Das heißt, sie erstellen ein den Mitgliederinteressen entsprechendes Leistungsangebot. Im Gegenzug stellen Mitglieder Ressourcen (z. B. ehrenamtliche Arbeit und finanzielle Mittel in Form von Mitgliedsbeiträgen) zur Verfügung, ohne die ein Verein nicht existieren könnte. Arbeitsorganisationen hingegen orientieren sich primär nicht an den Interessen ihrer Mitglieder, sondern der (potenziellen) Kunden.
- Demokratische Entscheidungsstruktur: Sportvereine sind demokratisch geprägt und haben, im Gegensatz zu Wirtschaftsbetrieben, keine hierarchischen Entscheidungsstrukturen. Das heißt, die Mitglieder sind der Souverän und bestimmen nach der Satzung gleichberechtigt (direkt oder indirekt) die Vereinsgeschicke. Zentrales Organ für die demokratischen Abstimmungen ist die Mitgliederversammlung.
- Ehrenamtliche Mitarbeit: Alle Aufgaben eines Vereins werden typischerweise ehrenamtlich erfüllt. Ehrenamtliche Mitarbeit bedeutet, freiwillig und ohne Entgelt tätig zu sein.
[...]
1 Der Schwerpunkt des Programms „Integration durch Sport“ (IdS) liegt auf der Integration von bislang im Sport unterrepräsentierten Gruppen, z. B. Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund, in die Gesellschaft. Erreicht werden soll dies durch Netzwerkarbeit, Qualifizierungen, Stärkung der interkulturellen Kompetenzen, Kommunikationsarbeit sowie Sport- und Bewegungsangebote für die Zielgruppen. Im Kern geht es bei dem Programm um die Betreuung und Unterstützung der Sportvereine bei ihrer Integrationsarbeit. Der Deutsche Olympische Sportbund ist für die Koordinierung auf Bundesebene zuständig und berät die Landessportbünde und Landessportjugenden, die für das Programm auf Landes- und Regionalebene verantwortlich sind und die beteiligten Stadt- und Kreissportbünde bei der Umsetzung von Integrationsmaßnahmen mit den Vereinen begleiten und unterstützen (vgl. Deutscher Bundestag, 2019, S. 125ff.; vgl. Deutscher Olympischer Sportbund, 2014a, S. 12f.).
2 Das statistische Bundesamt (2019) definiert Migrationshintergrund folgendermaßen: „Zur Bevölkerung mit Migra tionshintergrund zählen alle Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzen oder die mindestens ein Elternteil haben, auf das dies zutrifft. Im Einzelnen haben folgende Gruppen nach dieser Definition einen Migrationshintergrund: Ausländer, Eingebürgerte, (Spät-) Aussiedler, Personen, die durch die Adoption deutscher Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten haben, sowie die Kinder dieser vier Gruppen“. Der Begriff „Migrantin“ bzw. „Migrant“ wird im weiteren Verlauf der Arbeit synonym zum Begriff „Person mit Migrationshintergrund“ bzw. „Mensch mit Migrationshintergrund“ verwendet; der Begriff „Zuwanderungshintergrund“ wird synonym zu „Migrationshintergrund“ verwendet.
3 Der Kulturbegriff an sich ist kaum zu fassen und ungemein vielschichtig. Kultur dient als Orientierungshilfe, in deren Rahmen Erfahrungen eingeordnet werden können. Der kulturelle Hintergrund einer Person ermöglicht es, die Welt nach eigenen Maßstäben zu interpretieren und sein Handeln darauf auszurichten. Dabei ist Kultur nicht das individuelle Deutungsmuster einer Person, sondern strukturiert die Lebenswirklichkeit verschiedener Personen auf ähnliche Art und Weise. Damit schafft Kultur ein Zusammengehörigkeitsgefühl und hat auch symbolischen Charakter bei Gruppen, die sich aufgrund kultureller Unterschiede von anderen Gruppen abgrenzen. Kulturelle Differenzen zeigen sich in sichtbaren Verhaltensweisen wie Traditionen, dem körperlichen Habitus, Kleidungsstilen sowie vor allem in den dahinterliegenden Norm- und Moralvorstellungen. Als zentrale Kulturtechnik gilt die Sprache. Kulturelle Muster haben sich historisch herausgebildet und in Institutionen wie Schule oder Recht gefestigt, bieten jedoch auch immer individuelle Interpretationsspielräume. Dadurch ist auch kultureller Wandel möglich. Kulturelles Wissen wird durch Kommunikation weitergegeben (vgl. Mutz, 2015a, S. 93f.).
4 Informationen zur aktuellen Lage (Stand: Juni 2019) in Deutschland, z. B. zu den Herkunftsländern der Flüchtlinge und der jährlichen Anzahl Asylsuchender von 2015 - 2018, sind im Exkurs „Daten und Zahlen“ enthalten (s. Anlage 2).
5 Ausgenommen davon sind Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern wie Albanien. Sie sind verpflichtet, bis zum Abschluss des Asylverfahrens in der Erstaufnahme-Einrichtung zu wohnen. Die Verteilung auf die Bundesländer richtet sich nach dem Königssteiner Schlüssel. Dieser besagt, dass sich der Anteil, den ein Bundesland tragen muss, an seinem Steueraufkommen und seiner Bevölkerungszahl bemisst.
6 Allerdings ist nicht immer das BAMF zuständig, da Deutschland den Regeln des Dublin-Abkommens unterliegt. Grundsätzlich besagt das zwischen den EU-Mitgliedsländern sowie Norwegen, Schweiz, Lichtenstein und Island unterzeichnete Abkommen, dass ein Flüchtling in dem Staat den Asylantrag zu stellen hat, den er als erstes betreten hat. Wenn die Prüfung des BAMF ergibt, dass ein anderer Mitgliedsstaat zuständig ist, wird der Flüchtling zum jeweiligen Staat zurückgeführt (vgl. UNHCR - The UN Refugee Agency, 2019c). Für weitere Informationen: s. Exkurs „Das Dublin-Abkommen“ (Anlage 1).
7 Damit einher gehen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber gewisse Auflagen, wie z. B. die Gewährleistung ständiger Erreichbarkeit für die Behörden, Residenzpflicht für den jeweiligen Bezirk der Antragsstellung sowie unter Umständen Einschränkungen beim Arbeitsmarktzugang (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, 2019d; Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2018).
8 Im Rahmen dieser Arbeit wird nicht detailliert auf wissenschaftliche Begleitstudien zu von der Politik angestoßenen Programmen der Integrationsförderung eingegangen; dennoch sollen hier der Vollständigkeit halber zwei Beispiele genannt werden. Das Projekt „spin - sport interkulturell“ (Braun & Finke, 2010) verfolgte das Ziel, Sportvereine bei der Integration von Mädchen und jungen Frauen mit Zuwanderungsgeschichte zu unterstützen. Das Forschungszentrum für Bürgerschaftliches Engagement an der Humboldt-Universität zu Berlin begleitete und evaluierte das Projekt wissenschaftlich. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang die Evaluation zum Programm Integration durch Sport (Baur, 2009) zu nennen, welche finanziell vom Bundesministerium des Innern sowie vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unterstützt wurde.
9 Zur Erläuterung, warum der Vereinssport diese exponierte Stellung im deutschen Sportsystem hat: s. Kapitel 3.1 (Das gesellschaftliche Teilsystem “Sport”).
10 Die Konflikte werden einem differenten Habitus der ethnischen Gruppen sowie dem Gefühl von Menschen mit Migrationshintergrund, diskriminiert zu werden, zugeschrieben (vgl. Stahl, 2011, S. 90 ff.)
11 Oftmals ist im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Begriff „Inklusion“ ein gleichberechtigter Gesellschaftszugang von Menschen mit körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung gemeint. In dieser Arbeit jedoch ist Inklusion aus einer systemtheoretischen Perspektive heraus zu verstehen und beschreibt die Berücksichtigung eines Gesellschaftsmitglieds in den Kommunikationszusammenhängen eines sozialen Systems (vgl. Stichweh, 2016, S. 39). Das Begriffspaar Inklusion/Exklusion bringt die bloße Teilhabe oder Nichtteilhabe einer Person an sozialen Systemen, unabhängig von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, zum Ausdruck. Im sozialen System „Sportverein“ ist die Inklusion in der Regel an eine Mitgliedschaft gekoppelt.
12 Die Inklusion eines Gesellschaftsmitglieds in die gesellschaftlichen Teilsysteme stellt den Normalfall dar. Indivi duen können in einer funktional differenzierten Gesellschaft - unabhängig von determinierenden Merkmalen wie Herkunft oder Schichtzugehörigkeit - in jedes Teilsystem nach jeweils systemspezifischen Rollenerfordernissen inkludiert werden. Dieses Primat der Inklusion der Gesamtbevölkerung ist aber lediglich als Prinzip zu verstehen und nicht mit einer gleichwertigen Inklusion aller Gesellschaftsmitglieder gleichzusetzen. Nicht jeder hat Zugang zu jedem Teilsystem. Insbesondere bei Flüchtlingen, bei denen der Zugang zu Teilsystemen wie dem Rechtssystem, Gesundheitssystem oder Wirtschaftssystem nicht immer in vollem Umfang gegeben ist, trifft dies zu. Die Exklusion aus einem Teilsystem beschränkt auch den Zugang zu anderen Teilsystemen, was eine gesellschaftliche Teilhabe ungemein erschwert (vgl. Cachay & Thiel, 2000, S. 36f.). In Bezug auf Flüchtlinge gilt: Je höher der zugewiesene Schutzstatus ist, desto stärker ist die Möglichkeit zur Inklusion in die Teilsysteme gegeben, da der Zugang (im Wirtschaftssystem etwa die nicht begrenzte Arbeitserlaubnis bei hohem Schutzstatus im Gegensatz zu dem Verbot der Arbeitsaufnahme bei niedrigem Schutzstatus) erleichtert wird.
- Arbeit zitieren
- Dennis Heymann (Autor:in), 2019, Der Einfluss des Sports auf den Integrationsprozess von Flüchtlingen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/988463
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