Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Leitgedanken
Curriculum-Begriff.
Curriculum-Forschung
Differenzierung
Äußere Differenzierung
Innere Differenzierung
Kritik
Zusammenfassung
Wertung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Dieses Referat entstammt dem Seminar „Einführung in die Er- ziehungs- und Bildungstheorien“ von Dr. Claus G. Buhren an der Ruhr-Universität Bochum im Sommersemester 2000. Es befasst sich mit Aspekten des von der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates im Februar 1970 verabschiedeten Strukturplanes für das Bildungswesen.
Dargelegt werden in diesem Referat:
- die Leitgedanken der Bildungskommission zum Strukturplan und die Begriffe
- Curriculum und
- Differenzierung,
die aufeinander aufbauen und im Strukturplan für eine Reform des Bildungswesens grundlegend anders gegenüber früheren Vorstellungen definiert werden.
Nicht abschließend werden am Ende einige Einwände gegen den Strukturplan aufgeführt. Das Referat endet mit einem Absatz über Anschlussmöglichkeiten der dargelegten Begriffe an aktuelle Entwicklungen.
Leitgedanken
Leitgedanken des Bildungswesens
„... daß der Mensch befähigt werden soll, seine Grundrechte wahrzunehmen und die ihnen entsprechenden Pflichten zu erfüllen.“
-Achtung der Würde des Menschen (Art. 1 GG)
-Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG)
-Recht auf freie Berufswahl (Art. 12 GG)
„Ausgehend vom Grundgesetz und den Länderverfassungen wird im Strukturplan die Linie früherer Schulreformen weitergeführt. In ihm werden die Ziele für die öffentlichen Bildungseinrichtungen aufgrund der heute gegebenen Lage der Gesellschaft konkretisiert.
Das umfassende Ziel der Bildung ist die Fähigkeit des einzelnen zu individuellem und gesellschaftlichem Leben, verstanden als seine Fähigkeit, die Freiheit und die Freiheiten zu verwirklichen, die ihm die Verfassung gewährt und auferlegt.“ [Bildungsrat 1970], S. 29
Der deutsche Bildungsrat war ein Gremium in dem Vertreter von Bund und Ländern zusammensaßen, um ein gemeinsames Konzept für ein einheitliches Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland zu formulieren. Dabei stellte sich die Frage, von welchen Grundsätzen bei all den unterschiedlichen Repräsentanten des pluralistischen Spektrums frei von Ideologien ausgegangen werden kann. Der Bildungsrat kam darin überein, dass die Grundlage seiner Arbeit in der Verfassung zu suchen sei, auch wenn diese - wie in der Regel die entsprechenden Landesverfassungen auch - keine konkreten Anweisungen für ein Bildungsprogramm enthält. Ausgehend vom Grundgesetze für die Bundesrepublik Deutschland formulierte er folgende Punkte als sein Leitbild (vgl. [Bildungsrat 1970], S. 25ff:
- Der Mensch soll befähigt werden, „seine Grundrechte wahrzunehmen und die ihnen entsprechenden Pflichten zu erfüllen. Dem Bildungswesen fällt insbesondere die Aufgabe zu, die Voraussetzungen zu schaffen, dass der einzelne das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das Recht auf freie Wahl des Berufs (Art. 12) wahrnehmen kann.“ (ebenda) Aus der Vielzahl an Grundrechten und abgeleiteten Pflichten ergibt sich, „dass das öffentliche Bildungsangebot bestimmte für alle Lernenden gemeinsame Elemente aufweisen muss.“ (, [Bildungsrat 1970], S. 29) Der Bildungsrat formuliert folglich ein Programm mit Zielen, die für alle gelten und das nicht nach Ständen oder anderer Art differenziert.
Konkret ergibt sich dabei:
- Die Forderung nach Chancengleichheit. Dieses ist erst dann verwirklicht, „wenn Gleicheit der Bildungschancen besteht und jeder Heranwachsende so weit gefördert wird, dass er die Voraussetzungen besitzt, die Chancen tatsächlich wahrzunehmen.“ (S. 30) Dabei soll die Chancengleichheit nicht „durch eine Nivellierung der Anforderungen angestrebt werden.“ (ebenda)
- Der Anspruch auf schulische Bildung zusammen mit dem Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit erfordert eine „Individualisierung des Lernens“ und folglich „eine reiche Differenzierung“. Die Schwierigkeit bei der Ausformung der Differenzierung ist, dass diese nicht dirigistisch sein darf, dennoch aber die Forderungen des Individuums und der Gesellschaft vereinen soll. Konfliktpotential bieten dabei u.a. Zugangsvoraussetzungen zu Bildungsangeboten oder Ausbildungen auf Gebieten, auf denen bereits ein Überangebot an Arbeitskräften herrscht. Das Lernen soll gleichzeitig individuell in dem Ziel aber auch in der Art der Vermittlung sein, gleichzeitig aber auch sozial, also mit anderen und der Gesellschaft.
- Es ergibt sich auch hier die Forderung, dem einzelnen nicht nur ein enzyklopädisches Wissen zu vermitteln, sondern vielmehr die Fähigkeit des Lernens (Lernen des Lernens).
- Aus den Erfordernissen der modernen Welt ergibt sich, dass ein wissenschaftsorientiertes Lernen erfolgen muss. Theorie und Praxis müssen dabei zusammentreffen.
- Lernprozesse finden nicht nur in der Schule statt, sondern auch in der Familie, in Freundschaften, Vereinen und anderen
Gruppen. Wichtige Anregungen kommen auch von den Medien, wie zum Beispiel Fernsehen und Funk. Der Schule kommt bei der Erziehung eine besondere Rolle für den einzelnen zu, da sie die erste Bewährung des Heranwachsenden außerhalb der Familie darstellt. Der Bildungsrat gliedert den Bildungsbereich in die vier Stufen: Elementarbereich, Primarbereich, Sekundarbereich und Weiterbildung. Jede dieser Stufen soll dabei für alle Beteiligten - Lehrer, Schüler, Eltern - überschaubar und mitbestimmbar sein.
- Veränderte Strukturen des Bildungswesens, Veränderungen der Gesellschaft und des sozialen Umfelds des Lernen müssen sich in den Lehrplänen wiederfinden, die daher fortlaufend angepasst werden müssen.
- Struktur- und Lehrpläne müssen auch Alternativen aufweisen, um regionalen Unterschieden und finanz- und bildungspolitischen Entscheidungen der Länder Raum zu geben.
- Der Strukturplan für das Bildungswesen erhebt selbst nicht den Anspruch, unveränderlich zu sein und für alle Zeiten zu gelten.
Curriculum-Begriff
Der Begriff „Curriculum“
„Curriculum bedeutet im Kern die organisierte Anordnung auch inhaltlich bestimmter Lernziele.“
- Verhalten & Fähigkeiten
- Fertigkeiten & Kenntnisse
„Curriculum bedeutet im Kern die organisierte Anordnung auch inhaltlich bestimmter Lernvorgänge im Hinblick auf bestimmte Lernziele. Diese können als ein Verhalten oder als Art und Grad bestimmter Fähigkeiten, Fertigkeiten oder Kenntnisse definiert sein.“ [Bildungsrat 1970], S. 58
Dabei unterscheidet sich der Curriculum-Begriff von dem des allgemeinen Sprachgebrauchs, welcher auch mit Lehrplan wiedergegeben werden kann. Ein Lehrplan beschreibt dabei eine Abfolge von Lerninhalten mit Blick auf ein Lernziel.
Der neue Curriculum-Begriff will mehr sein und schließt Lehrpläne mit ein. Die Curricula müssen nach der Definition des Bildungsrates
- mit Hinblick auf das gesamte Bildungsangebot und die Gesellschaft gestaltet sein. Dies betrifft zum Beispiel die Anschlussfähigkeit. Eine einseitige Ausrichtung der gymnasialen Bildung auf ein späteres Studium kommt so nicht mehr in Frage, da andere Bildungsangebote dadurch ausgeschlossen würden; das Gymnasium soll aber auch anschlussfähig an weitere Bildungsangebote sein.
- Ausgerichtet auf die individuelle Bildung sollen die Curricula dabei nicht einen für alle verpflichtenden Lehrplan aufstellen, sondern in Hinsicht auf ein Lernziel einen Lernrahmen definieren, in dem sich das Individuum, der einzelne Schüler, seinen eigenen Lehrplan, sein persönliches Curriculum, wählt.
- Dieses persönliche Curriculum bezieht sich sowohl auf die Wahl der Fächer, somit der Lernziele, als auch auf die Ausgestaltung des Lehrplanes dieses Faches. Hierbei fließen auch Besonderheiten der Region oder der einzelnen Schule mit ein.
- Weiterhin soll diese neue Art des Curriculums nicht nur die zu behandelnden Inhalte und zu lernenden Kenntnisse vorgeben, sondern auch Fertigkeiten, Einstellungen und Verhalten als Lernziele definieren; der Vorgabe eines zu lernenden enzyklopädischen Wissens wird somit eine deutliche Absage erteilt.
Curriculum
- Differenzierung nach Fächern
- Vorgabe der Inhalte
- Vorgabe der Lernziele
- Lernsequenzen und -schritte
Ein Curriculum für einen Bildungsweg muss also die Anschlussfähigkeit berücksichtigen und dem Schüler eine Differenzierung, also die Wahl von Schwerpunkten bei Fächern, berücksichtigen. Diese Schwerpunktsetzung muss von der Gleichwertigkeit aller Fächer ausgehen und so dem einzelnen Schüler sein persönliches Curriculum ermöglichen. Zur Vielfalt an Bildungsangeboten aufgrund des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit treten also noch Wahlmöglichkeiten innerhalb eines Bildungsweges hinzu.
Weiterhin wird diese Art von Curricula für die Vielzahl an Fächern und Wahlmöglichkeiten die inhaltliche Vorgaben machen, als auch die Lernziele, Lernsequenzen und -schritte definieren.
Mit dieser Zielsetzung beschränkt sich ein Curriculum nicht mehr ausschließlich auf das Ziel der Vorgabe der Inhalte für ein intentionales Lernen in einem Schüler-Lehrer-Verhältnis.
Der Curriculum-Begriff des Bildungsrates erfordert daher die Neugestaltung jeglichen bis dato existierenden Curriculums und darüber hinaus die ständige Revision der neu erstellten.
Nachfolgend wird mit Curriculum ausschließlich der hier geschilderte Begriff des Bildungsrates verwandt. (vgl. [Bildungsrat 1970], S. 58ff)
Curriculum-Forschung
Die Erstellung eines Curriculums soll demokratischer erfolgen, als dies bisher in Nachfolge landesherrlicher Erlasse der Fall war. Bei dem Prozess der Erstellung sollen Theoretiker, Praktiker und Politiker beteiligt werden; somit entstammt ein Curriculum keinem Elfenbeinhaus, sonder vereinigt Belange der Gesellschaft, Anforderungen aus der Praxis und Erfahrungen aus der bisherigen unterrichtlichen Praxis.
Ein erstes Problem bei der Erstellung von Curricula ergibt sich aus einem Konfliktpotential zwischen allgemeinen und fachlichen Lernzielen. Während erstere auf allgemeine Verhaltensregeln und Fähigkeiten abzielen, geht es letzteren um die Kenntnisse auf einem Wissensgebiet. Idealerweise führt die exemplarische Vermittlung eines Wissensgebietes gleichzeitig zur Erreichung der allgemeinen Lernziele, zum Beispiel der Fähigkeit zur Beobachtung oder zum Vergleich. Es ist aber vorstellbar, dass fachliche Ziele zugunsten der Vermittlung eines bestimmten Verhaltens, also eines allgemeinen Zieles, zurücktreten oder dass umgekehrt bei der Vermittlung eines Wissensgebietes die allgemeinen Lernziele außer Acht gelassen werden. Beides muss vermieden werden.
Probleme der Curriculum-Forschung
- Innovationen
- Schultraditionen und -wirklichkeit
- gesellschaftlicher, politischer Bezug
- „Transferleistungen“
- Fachdidaktische Vorgaben
- Wissens-/Fächerkanon
Weitere Probleme bei der Erstellung eines Curriculums sind:
- Aufgrund der immensen Menge an Wissen, das vermittelt werden könnte, aber der Beschränktheit an Ressourcen, ins- besondere an Zeit, muss die Vermittlung exemplarisch erfolgen. Die ausgewählten Lerneinheiten müssen dabei so geschaffen sein, dass sie sich auf andere Sachverhalte übertragen lassen.
- Diese Übertragung kann auch über die Grenzen von Wissensgebieten hinaus erfolgen. Der Transfer1 darf dabei aber nicht das einzige Kriterium bei der Gestaltung eines Curriculums sein, fachdidaktische Belange dürfen nicht in den Hintergrund treten.
- Innovation, der Fortschritt in der Wissenschaft, muss auch berücksichtigt werden. Bei der Überarbeitung der Curricula dürfen mit Blick auf die Innovation aber nicht die übrigen Ziele außer Acht gelassen werden. Auch darf sich aus der Innovation nicht die Forderung nach immer mehr Fächern ergeben, nach mehr Spezialisierung. Ziel muss vielmehr sein, durch die Curricula unterschiedliche Disziplinen, neue Fächer, zu integrieren. So ist zum Beispiel die klassische Dreiteilung des naturwissenschaftlichen Unterrichts in die Fächer Physik, Chemie und Biologie auch in Frage zu stellen.
- Die Curriculum-Erstellung muss auch traditionelle und schulspezifische Traditionen berücksichtigen. Die bisherige Schwerpunktsetzung unterschiedlicher Schulen ist so zum Beispiel zu berücksichtigen. Desgleichen gilt für gesellschaftliche Zielvorgaben, wie sie durch die Tradition aber auch politische Vorgaben - in der Regel der Landesgesetzgeber - erfolgen.
- Zuletzt ist noch davon auszugehen, dass es auch weiterhin bei einem Kern an Pflichfächern bleiben wird. Eine andere Gestaltung als die bis dato existierende Praxis nicht hinreichend begründen (vgl. [Bildungsrat 1970], S. 68). Dies bedeutet aber nicht, dass diese Gestaltung nicht in Frage zu stellen sei. Es ist auch hier erst von den Erfordernissen der Curricula und Lernzielen auszugehen, woran sich die Differenzierung in Fächer ergibt.
Insgesamt stellt sich die Erstellung von Curricula sehr komplex dar, da die einzelnen Lernsequenzen und bereits deren Einteilung alle übrigen Belange hinreichend berücksichtigen muss.
Differenzierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Die Differenziertheit individueller Lernbedürfnisse und die Differenziertheit gesellschaftlicher Anforderungen machen ein differenziertes Bildungswesen erforderlich.“ [Bildungsrat 1970], S. 70
Wie bereits oben (S. 6) dargestellt, erfolgt aufgrund des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit die Schaffung der Wahlmöglichkeiten zwischen (1.) verschiedenen Bildungsangeboten und (2.) verschiedenen Schwerpunkten. Hierfür wird der Begriff der Differenzierung verwandt, welcher sich der Art der Wahlmöglichkeit nach in eine äußere und eine innere Differenzierung teilt. (vgl. Definition in [Bildungsrat 1970], S. 70f)
Äußere Differenzierung
Als äußere Differenzierung wird die Möglichkeit zur Wahl zwischen unterschiedlichen Bildungsangeboten bezeichnet. Der Schüler hat dabei die Wahl zwischen unterschiedlichen Schularten, zwischen Schulen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, einem anderen Schulzweig. Eine weitere Differenzierung kann unterhalb der einzelnen Schule durch die Wahl von Schwerpunktklassen erfolgen. Hier sei beispielhaft die Wahl an Schulen zwischen einem altsprachlichen und einen neusprachliche Bereich erwähnt. Während einige Klassen an einer derartigen Schule zunächst mit Englisch als Fremdsprache beginnen, fan
gen andere mit Latein an. Später ergibt sich dann zum Beispiel bei der Hinzunahme einer weiteren Fremdsprache in jeder Klasse eine weitere Möglichkeit zur Differenzierung. Um im Beispiel zu bleiben, dann die Wahl zwischen Altgriechisch oder Französisch. Diese Differenzierung innerhalb einer Klasse erfolgt dann dadurch, dass diese in unterschiedliche Kursgruppen geteilt wird; Kursgruppen können dabei auch über Klassengrenzen hinweg gebildet werden, inzwischen gibt es auch Beispiele, wo dies über die Grenzen von Jahrgangsstufen erfolgt.
Die äußere Differenzierung kann dabei nicht nur fachspezifisch erfolgen, wie im Beispiel angeführt, sondern auch fachübergreifend anhand bestimmter Eigenschaften des Schülers.
Innere Differenzierung
Die innere Differenzierung erfolgt innerhalb der Lerngruppe durch unterschiedliche Aufgabenstellung an den einzelnen Schüler oder einen Teil der Lerngruppe. Die innere Differenzierung kann dabei bis zur selbständigen Projektarbeit in kleinen Teams reichen. Die innere Differenzierung erlaubt dadurch auf die unterschiedlichen Leistungspositionen der Schüler zu unterschiedlichen Zeiten einzugehen und für die Schüler persönliche Lernziele festzusetzen.
Äußere Differenzierung erfordert Entscheidungen, welche Bildungsangebote zu schaffen sind, und muss diese in den Curricula berücksichtigen. Innere Differenzierung ist ein Aspekt des jeweiligen Curriculums und gibt dem jeweiligen Lehrer eine große Verantwortung, aber auch gestalterischen Raum.
Kritik
„Der Plan ist nicht identisch mit dem, was jedes einzelne Mitglied der Bildungskommission für sich zur Reform des Bildungswesens zu sagen hätte. Jeder einzelne hätte den Plan wahrscheinlich anders angelegt, andere Aussagen erwünscht, die Akzente anders gesetzt. Es würde der gewollten Vorläufigkeit des Strukturplanes widersprechen, wenn nicht jeder einzelne in der öffentlichen bildungspolitischen Diskussion frei wäre zur Kritik an dem von ihm mitverantworteten Strukturplan, der nur ein Schritt sein will in der weiterführenden Entwicklung.“ ([Bildungsrat 1970], S. 15f)
Eingedenk dessen sind hier exemplarisch Ansatzpunkte für Argumente gegen Teile des Strukturplanes angeführt. Mit Arnold Wilhelm ([Arnold 1974]) wird dabei ein politisch konservativ einzuschätzendes Mitglied der Bildungskommission angeführt, der seine „Kritischen Bemerkungen zum Strukturplan für das Bildungswesen“ durch die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung veröffentlichen ließ.
U.a. führt Arnold Wilhelm folgende Argumente an, die für die hier dargestellten Begriffe relevant sind:
- Er bemängelt, dass das Hauptgewicht des Strukturplanes darauf gelegt wird, „dass man von der gesellschaftlichen Situation her den jungen Menschen, gleich in welcher Bildungsorganisation er steht, fördern könnte, und zwar zu einer optimalen Güte.“1 ([Arnold 1974], S. 11) Als Pendelausschlag vom Extrem nationalsozialistischer Ideologie, die alleine auf Vererbung abstellte, seien nun ausschließlich Aspekte des gesellschaftlichen Umfeld ausschlaggebend für die Erziehung des Schülers. Die „Begabungskapazität“ des einzelnen werde durch den Strukturplan nicht ausreichend berücksichtigt. Für das Phänomen der Existenz von „Schwachbegabten“ werde ausschließlich das Umfeld verantwortlich gemacht, die Verantwortung für die Zukunft des Schülers werde dann auf die Lehrer abgewälzt, die den Auftragen haben, dies zu ändern.2
- Weiterhin bemängelt Arnold, dass zur Befähigung zur Wahrnehmung der Freiheiten, der Grundrechte, erzogen werden solle (siehe S. 3), aber nicht auf die Freiheitsfähigkeit des einzelnen eingegangen werden, wie dies zum Beispiel im
Strafrecht geschehe, dass eine individuelle Schuld kenne.
- Desgleichen werde im Strukturplan nicht auf die „Bildungswilligkeit“ eingegangen. Der Plan vergesse, dass Bildung gewollt sein muss und auch abgelehnt werden könne.
Zusammenfassung
Sich abwendend von der Fixierung auf die intentionale Vermittlung eines enzyklopädischen Wissens im Rahmen eines LehrerSchüler-Verhältnisses setzte die Bildungskommission mit ihrem Strukturplan das Bildungswesen in einen größeren Zusammenhang. Dies ist zum Beispiel daran zu erkennen, dass sie auch die Weiterbildung miteinbezieht und das soziale Umwelt, sowie die Sozialisation eines Schülers berücksichtig.
Die Bildungskommission vergrößert daher den Rahmen, den ein Lehrplan berücksichtigen muss, und verwendet hierfür den Begriff des Curriculums, den sie neu definiert.
Ein Curriculum bildet dabei einen Rahmen für ein Bildungsangebot, der mit anderen Bildungsangeboten abgestimmt ist und dem Schüler die Möglichkeit zur individuellen Differenzierung, der Schaffung eines persönlichen Curriculums, bietet.
Die Ausgestaltung des persönlichen Curriculums erfolgt dabei über die Differenzierung. Die äußere Differenzierung erfasst dabei die Wahl zwischen verschiedenen Bildungsangeboten, die innere Differenzierung die Schwerpunktbildung bei der Wahrnehmung eines Angebotes.
Wertung
Die heutige, äußere Gestaltung des Schulwesens in der Bundesrepublik Deutschland inklusive der fünf neuen Bundesländer geht weitgehend mit dem Strukturplan konform. Differenzierung, die Schaffung von weiteren Bildungsangeboten und die heutigen Curricula lassen sich auf die Umsetzung von Teilen des Strukturplanes zurückführen.
Die Differenzierung - insbesondere unterhalb einer Schule oder eines Schulzweiges - kann als Einstieg in moderne Formen des modularen Lernens angesehen werden. Die innere Differenzierung und die Idee des persönlichen Curriculums erhalten weiteren Zulaufdurch das Konzept des spiralförmigen Lernens, wie es zum Beispiel in Hypertextumgebungen vollzogen wird. Mit Aufkommen dieses Konzeptes im Zuge des Bedeutungsgewinns des Internets für die moderne Gesellschaft und die Akzeptanz dieses Mediums durch die heranwachsenden Generationen bedürfen sämtliche Curricula der Überarbeitung, um es künftig zu berücksichtigen. Die innere Differenzierung wird dadurch weiter an Bedeutung gewinnen, da sie nun nicht nur einfacher ist, sonder auch gar nicht mehr vermieden werden kann.
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Hier zeichnet sich der Konflikt der 70er Jahre zwischen den Begriffen der Chancengleichheit und der Chancengerechtigkeit ab.
2 Dies Argument wäre mit dem Strukturplan insgesamt und mit dem Begriff des persönlichen Curriculums zu konfrontieren.
- Quote paper
- Dirk Schmidt (Author), 2000, Der Strukturplan - Aspekte des Strukturplanes für das Bildungswesen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98761
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