Sprachwissenschaft
Die Linguistik versucht auf die Frage “was ist Sprache” eine Antwort zu finden.
Die Sprache ist ein System aus lautlichen Zeichen zum Zwecke der menschlichen Kommunikation.
Die Charakterisierung von Sprache:
- Sprache ist eines der wichtigsten Merkmale des Menschen, das Fehlen von Sprache oder Sprachstörungen treffen die Lebensqualität sehr stark
- Sprache und Denken sind eng miteinander verbunden
- Sprache ist eine Wiederspiegelung der inneren und äußeren Welt. Die Aufgabe eines Psychoanalythikers wäre es, Unterbewußtes zu versprachlichen.
- Sprache ist eines der wichtigsten Werkzeuge des Menschen
Allgemeine Grundlagen der Linguistik:
- Sprache als Wesen des Menschen (Denken, Welt...)
Allgemeine Linguistik:
- Sprache als Werkzeug des Menschen; kann jedoch nur auf Basis der allgemeinen Grundlagen ablaufen, hierzu gehört auch die historische Sprachwissenschaft
- Faculté de langage: Angeborene Sprachfähigkeit eines jeden Menschen, deren Universalien jedolch atent für alle Sprachen anwendbar sind.
- Competence (Sprachtyp): Die Sprachfähigkeit wird von der Competence gefiltert, d.h. jede Sprache ealisiert nur einen Teil der Auswahl an Konsonanten und Vokalen.
- Langue: Zur Competence gehören wiederum viele Einzelsprachen. Die Langue ist das System der Einzelsprachen.
- Institution: Das in der Langue mögliche, wird in der Institution weiter eingeschränkt, z.B. deutsches Deutsch/österreichisches Deutsch (Norm)
- Parole: Sprechakt
Die Sprachwissenschaft wird unterteilt in:
- Präskriptive: klassische Schulgrammatik
- Deskriptive: untersucht die Sprache wie sie tatsächlich ist und nicht wie sie sein sollte
- Historische: liefert Erklärungen über die Entwicklung der Sprache
- Allgemeine: rationale Begründung innerer Zusammenhänge
Die 2 wichtigsten Funktionen der Sprache sind:
- Kommunikation: funktioniert auf sprachlicher Ebene besser als sonst
- Kognition: erkenntnisleitend
Ferdinand de Saussure (cours de Linguistique Générale, 1916) unterscheidet:
- Synchrone Sprachwissenschaft: diese untersucht die Phänomene der modernen Sprache
- Diachrone Sprachwissenschaft: diese untersucht die Entwicklung der Sprache im Wandel der Zeit
In der Romantik sprach von der Diachronie als Sprachverfall, heute ist diese Entwicklung weder als positiv oder negativ zu bewerten.
Zeichen:
Nach Saussure besteht ein Zeichen aus zwei Seiten:
- Signifiant: Ausdruck
- Signifi é: Inhalt
Pierce ergänzte, daß ein Zeichen ohne Interpretation kein Zeichen sei.
Ebenfalls von grundlegender Bedeutung wurde de Saussures Lehre von der Arbitrarität des sprachlichen Zeichens, d. h., daß zwischen dem Lautkörper und seinem Inhalt keine naturgegebene, sondern eine willkürliche, auf Konvention beruhende Beziehung besteht.
Semiontik: Wissenschaft von Zeichen, ihr ist die Sprachwissenschaft untergeordnet. Literatur: Umberto Eco: “Trattato di semiotica generale” (überarbeitete Fassung 1976) Der Begründer der Semiontik und dessen wichtigste Figur ist Peirce.
Semiose: Zeichenverwendung
Rezeptor/Produzent: Zeichenverwender
Interpretation: kommunikativer und kognitiver Effekt der Semiose
Man unterscheidet drei Zeichentypen:
- Symbol: es besteht aus Signifiant und Signifie
- Ikon (selten!): Zeichen, deren Ausdrucksform auf den Inhalt hinweist, Ausdruck bildet Inhalt ab
- Index: Signifiant weist auf Signifié hin (deiktisch)
Demonstrativpronomen sind Indizesse, aber gleichzeitig auch Symbole, da die Lautgestalt in verschiedenen Sprachen unterschiedlich ist.
Zeichen müssen in Ausdruck und Inhalt Distinktivität besitzen. Das Ideal wäre die völlige Unterscheidung aller sprachlichen Zeichen, d.h. Eineindeutigkeit (Gleichheit in Ausdruck und Inhalt), welche das Ideal der Terminologie wäre. Sie ist aber nicht erfüllbar, da es das menschliche Gehirn nicht schaffen würde, für jede Vorstellung ein eigenes Wort zu finden.
Kommunikationstheorie:
Die Sprache ist ein Teilaspekt der Kommunikation. Der Sender kodiert eine Nachricht mittels eines Sprachkodes, der Empfänger dekodiert die Nachricht. Durch Geräusche, Gehörschaden... wird die Kommunikation erschwert.
Das Schema der Kommunikationstheorie ist stark reduziert, da es auch Mimik; Gestik und Gebärdensprache gibt.
Die Gebärdensprache ist eine tatsächliche Sprache, da:
- es gibt Dolmetscher und Übersetzer gibt
- sie vom Sprachzentrum ausgeht
Die Kommunikation wird unterteilt in verbale und nonverbale Kommunikation.
Die Abfolge der Kommunikation:
- Motivation: man muß sich im Klaren sein, worüber man kommunizieren will und sich ein Konzept aufbauen. Autismus=keine oder zu geringe Kommunikationsmotivation
- Kodierung: diese erfolgt auf verschiedenen sprachlichen Ebenen: Syntax, Morphologie, Grammatik
- Artikulation: aus ihr entstehen die akustischen Signale, welche von einem Hörer aufgenommen werden
- Perzeption: Wahrnehmung ohne bewußtes Erfassen
Cocktailpartyeffekt
Hirn analysiert einströmende Schallwellen, dann die Grammatik und zuletzt die Bedeutung. Beim Cocktailpartyeffekt laufen die Schritte der sprachlichen Bearbeitung und Kommunikation bei der Produktion und Verarbeitung parallel ab. Der Schall wird nicht meht phonetisch analysiert, sondern sinngemäß. Die persönliche Relevanz wird geprüft.
Sprachliche Ebenen
Pragmatik: Pragmatik untersucht die Beziehungen zwischen Sprache und Sprachbenutzer Untersucht wird zuerst die Umgebung:
- Sprecher+Hörer
- Ort
- Zeit
- Voraussetzungen des Wissens...
Literatur: Bertucelli-Pepi: “Che cos’é la pragmatica?” Pompiani/Milano 1993 Sprachliche Pragmatik:
Sprechakt: Realisierung der Sprache unter Einbeziehung der Pragmatik
Die Merkmale des Sprechaktes sind:
- grammatikalische Form und Bedeutung
- kommunikative Funktion
- der Erfolg/Wirkung
Die Sprechakttheorie befasst sie sich mit Sprache als kommunikativem Handeln. Untersucht werden dabei die Bedingungen und Regeln, die das Gelingen von Sprechakten ermöglichen. Der Sprechakt wird definiert als die kleinste grundlegende Einheit der sprachlichen Kommunikation. John Rogers Searle, mit Austin der Begründer der Sprechakttheorie. Sie erschien 1959 und 1976 in der deutschen Übersetzung im Suhrkamp- Verlag.
Bühler teilt die Sprechakte folgendermaßen ein:
- Darstellung: alle Sprechakte, die feststellen, behaupten, mitteilen, kommentieren... (auch rhetorische Fragen, Lügen...)
- Auslösung: Aufforderungen (Verbot, Rüge, Befehl, Fragen...); sie wollen Tat oder Antwort auslösen
- Kundgabe: schwer zu finden, aber vor allem in Klagen, Jubel jedoch nicht Jammer, da hier schon eine Antwort erwartet wird
Sprechakte können weiters in direkte und indirekte Sprechakte unterteilt.
Gelingensbedingungen eines Sprechaktes (felicity conditions) garantieren den kommunikativen Erfolg. John Austin: “How to do things with words.”
Höflichkeit: Brown/Levinson “Politeness”; Cambridge University Press 1987
Hier wird die “Face” Theorie dargestellt; sie besagt, daß man stets sein eigenes Gesicht und auch das vom Zuhörer wahren soll.
Hierzu entwickelte Grice das Operationsprinzip welches von den Grundvoraussetzungen ausgeht, daß Sagen und Meinen nicht identisch sein müssen, und daß jedes Gespräch auf einem Kooperationsprinzip basiert, das er durch vier Konversationsmaximen verdeutlicht, die auch in der Sprechakttheorie von Bedeutung sind:
- Die Maxime der Quantität („Mach deinen Beitrag so informativ wie notwendig und nicht informativer als notwendig.“)
- Die Maxime der Qualität („Sage nichts, was du für falsch hältst oder wofür du keine hinreichenden Anhaltspunkte hast!“)
- Die Maxime der Relation („Sprich zur Sache.“)
- Die Maxime der Art und Weise („Mach deinen Redebeitrag durchsichtig!“)
Sperber und Wilson arbeiteten dieses Prinzip zum Relevanzprinzip aus: “Relevance”; Oxford 1986.
Dieses besagt, daß Kommunikation zwar auf De- und Kodierung beruht, aber daß immer Inferenzen notwendig sind. Computer können nicht inferieren (Querverbindungen herstellen), ohne Inferenz wird eine Dekodierung unvollständig,
Hörer: Adressat, intendierter Empfänger
Empfänger:Zuhörer; man unterscheidet zwischen eingeplanten und nicht eingeplanten Empfängern Der Dolmetsche ist ein eingeplanter Zuhörer, ein Übersetzer ein nicht eingeplanter.
Unterschiede zwischen Tier- und Menschensprache:
- Tiere haben keine doppelte Artikulation (können ihre Sprache nicht segmentieren)
- Tiere haben keine Abstraktion, d.h. sie sind an die momentene Sprechsituation gebunden, der Gegenstand der Kommunikation kann sich nicht auf Vergangenheit und Zukunft beziehen.
- Begrenzte Signalzahl
- Tiersprache ist ererbt
Phonetik
Sie beschäftigt sich mit der lautlichen Substanz Man unterteilt sie in:
- Artikulatorische Phonetik: sie befaßt sich mit dem Hervorbringen von Lauten
- Akustische Phonetik: Untersuchung der Schallwellen als physikalische Ereignisse
- Auditive oder perzeptive Phonetik: Untersuchung der Wahrnehmung der Schallereignisse
Das Hervorbringen von Lauten wird in 3 Phasen unterteilt:
- kontrollierte Sprechatmung: beim Ausatmen wird gesprochen, die Ausatemphase ist daher länger
- Phonation: sie erfolgt im Kehlkopf; Laute können aspiriert, stimmhaft oder stimmlos sein
- Artikulation: Unterscheidung zwischen Konsonanten und Vokalen
Unterschiede zwischen Vokalen und Konsonanten:
- Vokale sind meistens Silbenträge
- akustischer Unterschied: Vokale werden meist stimmhaft gesprochen
- artikulatorischer Unterschied: Vokale sind Öffnungslaute, Konsonanten Hemmlaute
Literatur: Georg Heike: “Phonologie”; Stuttgart, Metzler 1972
Resonanzräume sind: Rachen, Nase, Mund und Lippenraum Diphtonge: Verschmelzung zweier Vokale
Die Laute werden unterteilt nach:
- Artikulationsort
- Artikulationsart
- Artikulator (Artikulationsorgane):
Einteilung der Vokale nach der Association de phonetique international:
- palatale (i,a,e-Laute)
- velare (o,u-Laute)
- zentrale
a,e,i,o,u sind Primärlaute, die Sekundärlaute gibt es nicht in allen Sprachen, im Deutschen sind geschlossene Vokale lang, offene kurz.
Phonologie: Lehre von der Struktur und Funktion der Laute
Phonetik gehört in den Bereich der Parole, Phonologie in jenen der Langue.
Literatur: Georg Heike “Phonologie”
Phonem: kleinste distinktive Lauteinheit, die in der Sprache Signifikanten unterscheiden kann.
Minimalpaare: Worte, die sich nur durch ein Phonem unterscheiden
Allophone: Varianten des selben Phonems
Freie oder fakultative Varianten: Allophone die an der selben Stelle vertauschbar sind
Kombinatorische Variante: ihre Verteilung ist obligatorisch, durch sprachliche Norm geregelt
Phonematik: untersucht Findung und Anordnung von Phonemen
Literatur: Jakobson/Halle: “Fundamentals of Language”; Den Haag 1956 von ihnen stammt das Sprachmodell “Item and arrangement grammar” Hier wird unterschieden zwischen:
- paradigmatischer Achse (senkrecht): die Kombinierbarkeit/Austauschbarkeit von Phonemen
- sytagmatische Achse (waagrecht): Anordnung der Einheiten nebeneinander
Diachrone Phonologie: untersucht phonologische Prozesse und Lautgesetze z.B. Der Lautwandel vom Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche (Lange Hochvokale wurden diphtongiert)
Morphologie: Teilgebiet der Linguistik. Sie untersucht die Formen und Formveränderungen von Wörtern: Flexion und Wortbildung, die Morpheme und morphologischen Mittel.
Flexion: Je nach Wortart gibt es unterschiedliche Flexionsarten. Die Verbflexion oder Konjugation verändert Numerus (ich gehe, wir gehen) und Tempus (wir gingen, sind gegangen). Die Nominalflexion oder Deklination verändert Numerus (der Hund, die Hunde), Kasus (der Hund, des Hundes) und Genus (der Hund, die Hündin). Die Komparation der Adjektive unterscheidet zwischen Grundstufe (schön), Komparativ (schöner) und Superlativ (am schönsten). Die Flexionsmorphologie beschreibt die Gesamtheit der Flexionsformen als Paradigma und fasst die Paradigmata in Flexionsklassen zusammen.
Wortbildung: Die Wortbildung erfolgt im Wesentlichen durch Derivation, Komposition, Konversion und Amalgamierung. Die Derivation bezeichnet die Wortveränderung beim Wechsel der Wortarten, etwa vom Adjektiv zum Nomen (schön-Schönheit) oder umgekehrt (Freund-freundlich). Bei der Komposition werden zwei oder mehrere selbständige Wörter zu einem neuen Wort zusammengesetzt (Haus-tür). Wird dabei ein Teil durch den anderen näher definiert, spricht man von Determinativkomposita. Kopulativkomposita sind Zusammensetzungen gleichberechtigter Elemente (Strich-punkt), Possessivkomposita sind Wortbildungen, bei welchen eine inhaltliche Verschiebung der Einzelwörter erfolgt (Milch-gesicht, Trotz- kopf). Daneben gibt es die Zusammenrückung (barfuß) und die so genannten Satzwörter (Vergissmeinnicht).
Die Konversion wird zumeist als inhaltlich bedingte Ableitung verstanden („fischen“ aus „Fische fangen“, „grünen“ aus „grün werden“, „weiten“ aus „weit machen“. Die Wortwurzel bleibt zumeist erhalten, kann aber durch Mutation verändert werden („Sprung“ aus „springen“). Die Amalgamierung bezeichnet Wortneubildungen, die einen phonetischen Hintergrund besitzen (siehe Phonetik) und oft den Charakter von Wortspielen haben (K-urlaub, schluck-zessive). In diese Kategorie gehören auch die ironischen Komposita der literarischen Sprachformen (Katzenjammertal, Kanonendonnergott). Schließlich wächst in den Gegenwartssprachen die Anzahl der Wörter, die durch Abkürzungen entstanden sind: U-Bahn, Nazi, Ossi, Wessi usw.
Morphologische Mittel: Als Morpheme bezeichnet man die Einzelelemente eines Wortes. Sie sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten eines Wortes (Ein-heit, Ein-heit-lich-keit, Un-ein-heit-lich-keit). Sie sind nicht zu verwechseln mit den Wortsilben: Elefant beispielsweise besteht nur aus einem Morphem. Es gibt folgende morphologische Mittel:
- die Affigierung, das heißt das Anhängen von Präfixen (ge-gangen), Suffixen (Ei-er), durch Circumfigierung (Präfix und Suffix wird angehängt: ge-arbeit-et), durch Infigierung (ein-ge-fügt),
- die Mutation, d. h. der Vokalwechsel im Wortstamm (Mutter-Mütter, sprechen- sprachen, geben-gibst),
- das Einfügen von Fugenelementen wie „s“ (Betriebsurlaub), „en“ (Scheibenwischer) oder „ens“ (Herzenswunsch) usw.
Semantik (griechisch semantikos: zum Zeichen gehörend, bezeichnend), die Lehre von der Bedeutung sprachlicher Zeichen. Untersuchungsgegenstand sind sprachliche Ausdrücke wie Wörter, Wortgruppen und Sätze. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die Bedeutung einzelner sprachlicher Ausdrücke, die Relationen zwischen einzelnen Ausdrücken, die Bedeutung ganzer Sätze sowie die Relation zwischen sprachlichen Ausdrücken und der außersprachlichen Wirklichkeit. In der Semantik gibt es einen philosophischen (reinen) und einen linguistischen (deskriptiven und theoretischen) Ansatz sowie einen Ansatz, den man als allgemeine Semantik bezeichnet. Philosophen interessieren sich für das Verhalten, das mit dem Prozess „etwas meinen“ verbunden ist. Linguisten untersuchen die semantischen Komponenten oder Merkmale und ihre Beziehung zueinander als Elemente eines linguistischen Systems. Forschungen auf dem Gebiet der allgemeinen Semantik bemühen sich in erster Linie darum, herauszufinden, welchen Einfluss der Bedeutungsgehalt einer Äußerung auf das Denken und Handeln hat. Diese semantischen Ansätze sind für verschiedene Disziplinen von Interesse. Ethnologen untersuchen mit Hilfe der Verfahren der deskriptiven Semantik, was Menschen als kulturell wichtig kategorisieren. Psychologen stützen sich auf Untersuchungen der theoretischen Semantik, die den mentalen Prozess des Verstehens zu beschreiben versuchen und darum bemüht sind, herauszufinden, wie Bedeutungszuordnungen (ebenso wie Sprachlaute und sprachliche Strukturen) erlernt werden. In der Ethologie der Tiere gibt es behavioristische Untersuchungen zur Kommunikation der verschiedenen Arten. Vertreter der allgemeinen Semantik untersuchen, in welchen Merkmalen (oder Konnotationen) sich Zeichen, die scheinbar dieselbe Bedeutung haben (wie z. B. die Äußerungen „der Sieger von Jena“ und „der Verlierer von Waterloo“, die beide auf Napoleon referieren), unterscheiden. Außerdem wurden Literaturkritiker von Studien der allgemeinen Semantik beeinflusst, die die Unterschiede der literarischen und der Alltagssprache herauszuarbeiten versuchen und beschreiben, wie literarische Metaphern Gefühle und affektive Haltungen hervorrufen.
Textlinguistik, Teilgebiet der Linguistik. Sie befasst sich mit satzübergreifenden sprachlichen Äußerungen, mit Texten. Die Textlinguistik entwickelte sich in den sechziger Jahren, wobei sie wichtige Impulse vom Strukturalismus erhielt und zahlreiche Ansätze aus anderen Disziplinen, die sich mit Sprache befassen, aufgenommen hat, etwa der Stilistik und Rhetorik. Ihre Leistung als Forschungsdisziplin besteht darin, dass sie die auf Sätze und Satzteile bezogene Methodik der Linguistik zugunsten einer interdisziplinären Textwissenschaft aufgab. Die Textlinguistik fragt danach, welche Kriterien eine Folge von Sätzen erfüllen muss, um als Text angesehen werden zu können. Ein Text wird dabei definiert als „kommunikative, illokutive und thematische sprachliche Einheit“ (Rosengren). Die Art und Weise der Verknüpfung der Sätze zu einem Text wird als Textkonstitution oder Textualität bezeichnet. In der Regel werden sieben Kriterien genannt, nach welchen Texte bei der Frage nach ihrer Textualität überprüft werden können:
1. Die Kohäsion. Die Verknüpfung erfolgt durch grammatische Mittel.
2. Die Kohärenz. Die Verknüpfung der Sätze erfolgt durch den Sinnzusammenhang.
3. Die Intentionalität als Absicht des Textproduzenten, einen kohärenten und kohäsiven Text zu schreiben.
4. Die Akzeptabilität als Absicht des Textrezipienten, den Text verstehen zu wollen.
5. Die Informativität als ein bestimmtes Maß an bekannten bzw. unbekannten Elementen des Textes.
6. Die Situationalität: Faktoren, die einen Text für die Gesprächssituation relevant machen.
7. Die Intertextualität: Faktoren, die das Verständnis eines Textes von der Kenntnis anderer Texte abhängig machen.
In der linguistischen Forschung sind nicht alle sieben Kriterien unumstritten. Am wichtigsten ist das Kriterium der Kohärenz, das auch allein das Vorliegen eines Textes begründen kann. In der textlinguistischen Theorie werden nicht Beziehungen zwischen Sätzen, sondern zwischen Propositionen (Bedeutungsgehalt der Sätze) betrachtet. Die Verknüpfungsmodi der Propositionen werden als Mikrostrukturen bezeichnet. Auf der Ebene der globalen Textbedeutung des Gesamttextes erscheinen die Verknüpfungen als Makrostruktur. Die Makrostruktur enthält folglich das Textthema.
Sprachtypologie: Sprachen lassen sich anhand ihrer grammatischen Struktur bzw. ihrer Wortbildungsmuster klassifizieren. Seit dem 19. Jahrhundert versuchen Sprachwissenschaftler, die Sprachen der Welt anhand ihrer Wortbildung (Morphologie) in vier typologische Kategorien einzuteilen: analytische (isolierende), agglutinierende, flektierende und inkorporierende Sprachen. Charakteristisch für analytische Sprachen sind einsilbige Wörter ohne Affixe (hinzugefügte Teile). Die Wörter stehen isoliert für sich. Beispiel für eine analytische Sprache ist das Chinesische. Bei agglutinierenden (vom lateinischen „ankleben“ abgeleitet) Sprachen sind Wörter aus Grundelementen, den Wortwurzeln, aufgebaut, die mit einem oder mehreren Affixen (Präfixen am Wortanfang, Infixen in der Wortmitte und Suffixen am Wortende) mit unterschiedlicher Bedeutung versehen werden. Ein Beispiel dafür findet sich im Türkischen mit ev („Haus“), evde („im Haus“), evler („Häuser“) und evlerde („in den Häusern“). Bei den flektierenden Sprachen sind die Wortwurzeln und die hinzugefügten Teile, die allein keine Bedeutung mehr tragen, miteinander verschmolzen. In einer flektierenden Sprache wie beispielsweise dem Lateinischen drückt die Flexionsendung des Verbs verschiedene grammatische Kategorien wie Person und Numerus des Subjekts aus, wie bei fero („ich trage“), ferimus („wir tragen“) und ferent („sie tragen“) (siehe Flexion). Bei inkorporierenden (polysynthetischen) Sprachen werden direkte und indirekte Objekte sowie andere Satzelemente mit dem Verb zu einem einzigen Wort verschmolzen (z. B. Grönländisch, Irokesisch).
Flexion, Abwandlung eines Wortes im Hinblick auf seine Funktion im Satz. Flexion (oder Beugung) ist der Oberbegriff für die Konjugation des Verbs, die Deklination von Substantiv und Adjektiv und die Komparation des Adjektivs. Die Verbkonjugation kann Unterschiede in Person, Numerus, Tempus, Modus und Genus verbi (Aktiv/Passiv) ausdrücken (im Deutschen kaufen, kaufte, gekauft). Die Deklination verändert das Substantiv im Hinblick auf Numerus, Kasus und Genus (wie im Spanischen muchacha „das Mädchen“, muchachas „die Mädchen“, muchacho „der Junge“, muchachos „die Jungen“). Die Komparation ist die Steigerung des Adjektivs (wie z. B. groß, gr öß er, am gr öß ten). Man unterscheidet zwischen innerer Flexion durch Ablaute (wie in sprechen, sprach, gesprochen) und äußerer Flexion durch Affixe, die selbst keine Bedeutung haben, sondern mit bedeutungstragenden Wortstämmen verbunden werden (wie -end in sehend, -te in schnarchte und -en in Frauen). Alle Sprachen der indogermanischen Sprachfamilie zeigen ein mehr oder minder ausgeprägtes Flexionssystem. Die indogermanische Grundsprache scheint die komplexeste Flexion besessen zu haben. Die meisten modernen indogermanischen Sprachen besitzen die Fähigkeit zur inneren Flexion durch Ablaute (Vokalveränderung) und zur äußeren Flexion (Affixe).
Häufig finden sich beide Möglichkeiten in einem Wort (wie im Deutschen Männer von Mann). Die innere Flexion ist besonders typisch für die semitischen Sprachen. Chinesisch hingegen ist ein Beispiel für eine nicht flektierende Sprache. Im Lauf ihrer Entwicklung haben zahlreiche indogermanische Sprachen, wie z. B. Französisch und Englisch, ihre flektierten Formen abgeschwächt oder ganz verloren. Dieser Verlust lässt sich am besten am Englischen ablesen, wo die Wortstellung im Satz zum Teil die Aufgabe der Flexionsformen übernehmen kann. Flexionsverlust bedeutet immer auch einen Verlust an Kompaktheit; die wörtliche englische Übersetzung von lateinischen Sätzen hat häufig mehr als doppelt so viele Wörter wie das Original. Andererseits vereinfacht der Flexionsschwund die Grammatik einer Sprache. Die wenigen flektierten Formen eines englischen Verbs sind schnell zu lernen verglichen mit den bis zu 249 verschiedenen Formen eines griechischen Verbs.
Wortbildung: Die Wortbildung erfolgt im Wesentlichen durch Derivation, Komposition, Konversion und Amalgamierung. Die Derivation bezeichnet die Wortveränderung beim Wechsel der Wortarten, etwa vom Adjektiv zum Nomen (schön-Schönheit) oder umgekehrt (Freund-freundlich). Bei der Komposition werden zwei oder mehrere selbständige Wörter zu einem neuen Wort zusammengesetzt (Haus-tür). Wird dabei ein Teil durch den anderen näher definiert, spricht man von Determinativkomposita. Kopulativkomposita sind Zusammensetzungen gleichberechtigter Elemente (Strich-punkt), Possessivkomposita sind Wortbildungen, bei welchen eine inhaltliche Verschiebung der Einzelwörter erfolgt (Milch-gesicht, Trotz- kopf). Daneben gibt es die Zusammenrückung (barfuß) und die so genannten Satzwörter (Vergissmeinnicht). Die Konversion wird zumeist als inhaltlich bedingte Ableitung verstanden („fischen“ aus „Fische fangen“, „grünen“ aus „grün werden“, „weiten“ aus „weit machen“. Die Wortwurzel bleibt zumeist erhalten, kann aber durch Mutation verändert werden („Sprung“ aus „springen“). Die Amalgamierung bezeichnet Wortneubildungen, die einen phonetischen Hintergrund besitzen (siehe Phonetik) und oft den Charakter von Wortspielen haben (K-urlaub, schluck-zessive). In diese Kategorie gehören auch die ironischen Komposita der literarischen Sprachformen (Katzenjammertal, Kanonendonnergott). Schließlich wächst in den Gegenwartssprachen die Anzahl der Wörter, die durch Abkürzungen entstanden sind: U-Bahn, Nazi, Ossi, Wessi usw.
Konnotation, in Semiotik und Semantik das nicht durch Denotation erschließbare Erstgemeinte, sondern das Mitgemeinte oder -bedeutete als dasjenige, das im Gegensatz zur konkreten Bedeutung eines Zeichens mit diesem intellektuell oder emotional verknüpft werden kann. Konnotation entsteht, wenn das Bezeichnende bzw. der Signifikant und das durch Denotation Bezeichnete bzw. das Signifikat gemeinsam zu einem neuen Signifikanten werden, der erst mit einem Vorstellungsinhalt gefüllt werden muss. (Dargestellt haben dies u. a. Roland Barthes in Mythen des Alltags und Umberto Eco in Das offene Kunstwerk.) So konnotiert das Zeichen „Mond“ unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. im Umfeld der Literatur, ein romantisches Gefühl, oder aber auch die Vorstellung von Kälte. Des Weiteren sind solche Zeichen konnotativ, die - wie etwa „Mensch“ - eine Vielzahl von Attributen assoziieren.
Metapher (von griechisch metapherein: übertragen): Bildhafter Ausdruck für einen Gegenstand oder einen abstrakten Begriff, der eigentlich einen verkürzten Vergleich beinhaltet und von den Eigenschaften dieses Gegenstands ausgeht, z. B. Fluss arm. Die Psalmen nennen etwa Gottes Gesetz „Ein Licht für seine Füße und eine Lampe für seinen Weg“. Weitere Beispiele für häufig verwendete Metaphern: „Sein Redefluss war nicht zu bremsen“ oder „Die Sonne geht auf“. (Siehe auch Vergleich.)
Metonymie (griechisch metonymia: Umbenennung): Ersetzung eines Wortes oder Ausdrucks durch ein anderes, das in räumlicher, logischer, kausaler oder irgendeiner anderen Beziehung dazu steht. Beispiele: „Er war ein begeisterter Leser von Chaucer“ (gemeint sind Chaucers Gedichte); „Das Restaurant hat eine ausgezeichnete Küche“ (gemeint ist, es bietet ein gutes Essen). (Vgl. auch Synekdoche, unten.)
Syntax (griechisch: Zusammenstellung), in der Sprachwissenschaft die Lehre vom Satzbau, ein Teilgebiet der Grammatik. Bei der Syntax steht die Untersuchung von Beziehungen zwischen Sätzen, Wörtern und Wortgruppen bezüglich Form, Funktion, Wirkungsweise und innerer Struktur im Mittelpunkt. In der modernen Sprachwissenschaft existieren verschiedene Erklärungsmodelle und Theorien.
Als bekanntester Ansatz versucht die Generative Transformationsgrammatik von Noam Chomsky, ein Regelsystem zu finden, mit Hilfe dessen sich grammatikalisch richtige Sätze ableiten (generieren) - und umformen - lassen. Dabei wird zwischen Tiefen-(Bedeutung) und Oberflächenstruktur (Lautform) unterschieden. Mittels Konstituentenstrukturregeln, lexikalischer Regeln und Transformationsregeln können Sätze umgewandelt werden.
Satz (Sprache), kleinste sprachliche Einheit zum expliziten Ausdruck von Gedanken. Es gibt bis heute keine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs „Satz“. Man unterscheidet dessen ungeachtet im Allgemeinen den einfachen und den komplexen Satz. Ein einfacher Satz enthält Subjekt und Prädikat. Das Subjekt bezeichnet von wem oder von was die Rede ist (Satzgegenstand), während das Prädikat etwas über das Subjekt aussagt. Das Prädikat besteht minimal aus einem Verb [Beispiel: Die Frau (Subjekt) singt (Prädikat)].
In Abhängigkeit von der Wertigkeit des Verbs (Valenz) kann dieses weitere Ergänzungen (Objekte oder valenznotwendige Adverbiale) fordern oder aber freie Angaben (nicht valenznotwendige Satzglieder). Ergänzungen: Der Mann (Subjekt) [ gibt [ der Frau (Ergänzung 1, Dativ-Objekt)] [ einen StraußRosen (Ergänzung 2, Akkusativ-Objekt)]]. Angaben: Die Frau (Subjekt) [singt [im Nachtclub (Angabe)]].
Valenz (Sprache), Wertigkeit von Wörtern. Der Begriff der Valenz stammt aus der Chemie. Dort bezeichnet er die Fähigkeit von Atomen, Elektronen einer bestimmten Anzahl im Molekül zu binden. In der Sprachwissenschaft spricht man von der Wertigkeit bzw. Valenz eines Lexems (z. B. eines Adjektivs, eines Nomens oder eines Verbs). Damit bezeichnet man zunächst den Umstand, dass in der Umgebung eines Lexems nicht beliebige, sondern vielfach nur bestimmte (syntaktische, semantische und pragmatische) Einheiten möglich sind. Im weitesten Sinne ist die Valenz eines Lexems bzw. eines Wortes die Gesamtheit der Kombinationsmöglichkeiten dieses Wortes. Als Beispiel mag das Verb dienen: Das Verb eröffnet Leerstellen, die, um die Grammatikalität eines Satzes aufrechtzuerhalten, entweder besetzt werden müssen oder aber besetzt werden können. Die Notwendigkeit, diese Leerstellen zu besetzen, ist zunächst syntaktischer Art. Man spricht von Subjekt- bzw. Objektergänzungen. Von der Grammatikalität des Satzes ausgehend wird zwischen obligatorischen und fakultativen Ergänzungen einer Verbalhandlung unterschieden. Die Verben werden, je nachdem, wie viele obligatorische Ergänzungen sie fordern, als nullwertig, einwertig, zweiwertig und dreiwertig oder auch als avalent (z. B. Witterungsverben wie regnen: Es regnet), monovalent (z. B. tanzen: Ich tanze.), bivalent/divalent (z. B. kaufen: Ich kaufe ein Buch.) und trivalent (z. B. geben: Ich gebe der Frau das Buch) bezeichnet. Von den Ergänzungen unterscheidet man die freien Angaben, die nicht zu den valenzabhängigen Komponenten eines Satzes zählen. Die Valenzgrammatik stellt heute eine eigene Forschungsrichtung innerhalb der Sprachwissenschaft dar. Sie wurde Ende der fünfziger Jahre von dem französischen Sprachwissenschaftler Lucien Tesnière begründet mit dem Werk É lements de syntaxe structurale (1959, Grundzüge der strukturalen Syntax).
Psycholinguistik, interdisziplinäres Arbeitsgebiet der Sprachwissenschaft, das sprachliche Untersuchungen in einen psychologischen Kontext stellt. Die neben der Soziolinguistik, Neurolinguistik, Computerlinguistik, Gesprächsanalyse und Textlinguistik auch als Bindestrichlinguistik bezeichnete Psycholinguistik hebt sich damit von den Kerngebieten der Linguistik (Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik und teils auch Pragmatik) ab, die meist nur einen eng umgrenzten Bereich des Phänomens Sprache theoretisch untersuchen. Sie befasst sich, auf der Suche nach Erklärungen, wie Sprache im menschlichen Gehirn repräsentiert und verarbeitet wird, mit Prozessen des Spracherwerbs, der Sprachproduktion und des Sprachverstehens als ihre drei Hauptgebiete. Die Beschäftigung mit den sprachverarbeitenden Prozessen Sprachproduktion und Sprachverstehen untersucht die Umsetzung von Sprachkompetenz zur konkreten sprachlichen Äußerung (Performanz) einerseits und die einer gegebenen Lautstruktur in ihren Inhalt und Sprecherabsicht andererseits. Dies geschieht bei der Sprachproduktion im Hinblick auf ihre komplexen Koordinierungs- und Steuerungsmechanismen (z. B. der Artikulation), welche abgerufenes sprachliches Wissen bis zum Endprodukt, der Lautkette, durchläuft, beim Sprachverstehen im Hinblick auf Decodierungsmechanismen, welche die wahrgenommene Lautkette strukturiert und somit dem Verstehen zugänglich macht.
Während bereits um die Jahrhundertwende Ansätze zu psycholinguistischen Untersuchungen von Psychologen unternommen wurden, kann von Interdisziplinarität erst seit einem von amerikanischen Psychologen und Linguisten 1953 an der University of Bloomington/Indiana einberufenen Seminar die Rede sein, auf welches auch der Begriff zurückgeht. Diese setzten programmatisch als Ziel der Psycholinguistik fest, sprachliche mit kognitiven Konzepten in Verbindung zu bringen, indem die Linguistik von der Methodik der Psychologie Gebrauch machen sollte.
Spracherwerb, Vorgang des Erlernens einer Sprache. Es ist zu unterscheiden zwischen Erstspracherwerb (Erwerb der Muttersprache) und Zweitspracherwerb. Bei letzterem wird wiederum zwischen natürlichem und gelenktem Zweitspracherwerb differenziert. Unter gelenktem Zweitspracherwerb versteht man den schulischen bzw. institutionalisierten Sprachunterricht (Fremdsprachenunterricht), während man von natürlichem Zweitspracherwerb spricht, wenn man sich eine Sprache ohne Unterricht aneignet.
Jedes gesunde Kind beginnt, ohne Unterweisung seine Muttersprache zu erwerben. Dabei ist die Erwerbsreihenfolge invariabel: Das Kind lernt seine Stimmorgane kennen und produziert Laute (Lallphase). Mit circa zwölf Monaten produziert es erste Einwortsätze, in der ein einzelnes Wort jedoch eine weitaus größere Bedeutung hat (z. B. wauwau = ich will meinen Teddy). Mit eineinhalb Jahren verfügt das Kind über circa 50 Einwortäußerungen. Es folgt die Zweiwortphase (z. B. Hose nass), und der so genannte vocabulary-spurt setzt ein: In den folgenden zwei Jahren nimmt das Vokabular rapide zu (mit drei Jahren circa 850 Wörter). Mit zwei Jahren beginnt die Drei- und Mehrwortphase, in der das Kind auch komplexere Strukturen zügig erwirbt. Der Syntaxerwerb gilt mit zehn bis zwölf Jahren als abgeschlossen.
Erklärungsansätze
Innerhalb der Spracherwerbsforschung unterscheidet man gemeinhin vier Erklärungsansätze: 1. Behavioristisch: Der Behaviorismus beschreibt den Lernvorgang als Imitation. Die sprachlichen Strukturen bilden sich in dem Maße heraus, in dem der Lerner das Gehörte übt und dafür gelobt oder getadelt wird. 2. Kognitivistisch: Man erklärt den Spracherwerb in Abhängigkeit von der kognitiven Entwicklung. Das Kind verhält sich aktiv und konstruktiv. Es konstruiert seine eigene - auch sprachliche - Entwicklung durch aktive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt, und zwar im Einklang mit seiner gesamten biologischen und sonstigen Entwicklung. 3. Interaktionistisch: Sprache kann nur in sozialer Interaktion gelernt werden. Kinder bringen die jeweilige Situation in Zusammenhang mit den sprachlichen Äußerungen, die dazu abgegeben werden, und erwerben so ihre Sprache. 4. Nativistisch: Man nimmt an, dass grundlegende sprachliche Strukturen bzw. Kenntnisse über die Strukturierungsprinzipien natürlicher Sprachen in der Form einer Universalgrammatik mit bestimmten Optionen angeboren sind, denn es ist kaum vorstellbar, wie Kinder aus defizitärem Input in wenigen Jahren eine derart umfassende sprachliche Kompetenz entwickeln können.
Artikulation (lateinisch articulare: „deutlich sprechen“, auch lateinisch articulus: „kleines Glied“, daher „Gliederung“), die Erzeugung von Sprachlauten. Unter Artikulation im weiteren Sinne versteht man die Gesamtheit aller untereinander koordinierten und synchronisierten Bewegungen, die der Erzeugung von Sprachlauten dienen; im engeren Sinne die Menge der Bewegungen der Artikulatoren (Zunge, Lippen, Kiefer, Gaumensegel) in der Mund- und Nasenhöhle. Generell wird die Artikulation in drei Teilbereiche, die so genannten Funktionskreise, unterteilt: Der erste Funktionskreis, die Atmung, liefert durch Kontraktion und Entspannung der Atmungsmuskulatur die für die Lautbildung notwendige Luft. Im Funktionskreis der Phonation wird die Luft durch die im Kehlkopf befindlichen Stimmlippen (Stimmbänder) geleitet. Durch deren Vibration wird der in seiner Frequenz variable Rohschall erzeugt. Dieser wird im dritten Funktionskreis (Artikulation im engeren Sinne) im Mund- und Nasenraum durch geeignete, größtenteils unbewusst gesteuerte Bewegungen der Artikulatoren gefiltert: Durch die Form- und Lageveränderung der Artikulatoren ändert sich die Resonanzfrequenz der Mund- bzw. Nasenhöhle, der Rohschall wird moduliert. Der entstehende komplexe Klang wird als Sprachlaut wahrgenommen.
Aphasie (griechisch a: nicht; phanai: sprechen), von dem französischen Arzt Armand Trousseau eingeführter Begriff zur Bezeichnung der Unfähigkeit, Gedanken mittels Sprache auszudrücken. Aphasie entsteht, wenn die dominante Gehirnhälfte geschädigt ist (bei Rechtshändern ist die linke Hemisphäre dominant), ohne dass eine Beeinträchtigung der Sprechorgane oder des Gehörs vorliegt. Bei motorischer Aphasie handelt es sich um den Verlust der Erinnerung an koordinierte, also aufeinander abgestimmte Bewegungen, die zur Bildung von Symbolen erforderlich sind; dazu zählen Gestik, Sprechen und Schreiben. (Schreibunfähigkeit wird gewöhnlich als Agraphie bezeichnet.) Aphasiepatienten sind nicht in der Lage, einen Gegenstand, der ihnen gezeigt wird, zu benennen, obwohl sie wissen, worum es sich dabei handelt. Auch können sie keine Fragen beantworten, selbst wenn sie diese verstehen. Bei sensorischer Aphasie wird die Bedeutung eines Symbols nicht erinnert. Der Patient hört jeden Laut, versteht jedoch kein einziges Wort. Siehe auch Sprechen und Sprachstörungen.
Prosodie (griechisch prosod í a: Zugesang, Nebengesang), Bezeichnung für die Lehre vom zeitlichen Rhythmus und vom Silbentypus, gebräuchlich in Metrik und Verslehre. Bei den Grammatikern der Antike bezeichnete der Begriff jenen Teilbereich ihrer Wissenschaft, der sich mit dem musikalischen Akzent (Hochton, Tiefton, Schleifton) und den Quantitäten der Silben gemäß den Regeln der griechischen Sprache befasste. Heute stellt die Prosodie ein Teilgebiet der Phonologie bzw. Phonetik dar. Mit der Prosodie der deutschen Sprache befassten sich u. a. Karl Philipp Moritz (Versuch einer deutschen Prosodie, 1786) und Johann Heinrich Voß (Zeitmessung in deutscher Sprache, 1802).
Sprechen und Sprachstörungen, lautliche Kommunikation des Menschen und ihre möglichen Störungen. Das Sprechen ist eine erlernte Form der Kommunikation, die den koordinierten Einsatz von Stimme, Artikulation und Sprachfähigkeit erfordert. Zwar sind viele Tiere in der Lage, ihren Artgenossen mit der Stimme einfache Mitteilungen zu machen, aber nur der Mensch kann echte Sprache hervorbringen (manche Vögel, z. B. Papageien und Beos, ahmen lediglich gesprochene Laute nach). Sprache bezeichnet im sprachwissenschaftlichen Sinn das gesamte System sprachlicher Zeichen, einschließlich Grammatik, Satzbau usw. - unter Sprechen versteht man die akustische Erzeugung von Sprache.
Stimme
Stimmgeräusche entstehen im Kehlkopf (Larynx), wenn ausströmende Luft die Stimmbänder in Schwingung versetzt. Die Stimme ist in Höhe (Stimmlage), Klangfarbe und Lautstärke sehr variabel. Die zum Sprechen am besten geeignete Stimmlage ist bei jedem Menschen anders. Die optimale Tonhöhe und das Spektrum der Tonhöhen ergeben sich im Wesentlichen aus Länge und Größe der Stimmbänder. Innerhalb dieses Bereichs lässt die Stimmlage sich durch Veränderungen von Luftdruck und Spannung der Stimmbänder variieren. Zusammen bestimmen beide Faktoren darüber, wie schnell die Stimmbänder vibrieren: Je größer die Frequenz ist, desto höher klingt die Stimme.
Ein weiterer Gesichtspunkt der Stimme ist die Resonanz. Ein Laut hallt nach seiner Entstehung in Brustkorb, Rachen und Mundhöhle, bzw. Nasenraum wider. Die Klangfarbe wird durch die Resonanz und die Art der Vibration der Stimmbänder bestimmt. Die bestimmenden Faktoren für die Lautstärke sind ebenfalls die Resonanz und die Intensität, mit der die Stimmbänder schwingen.
Artikulation
Als Artikulation bezeichnet man den Vorgang, durch den aus Stimmgeräuschen die Wörter der Sprache geformt werden. Zum Artikulationsapparat gehören Lippen, Zunge, Zähne, Kiefer und Gaumen. Die Sprache wird artikuliert, indem der stimmhafte oder stimmlose Luftstrom durch Bewegungen von Zunge, Lippen, Unterkiefer und Gaumensegel unterbrochen und geformt wird. Manche Sprachlaute bringen wir mit Hilfe der Zähne hervor.
Sprachfähigkeit und andere Faktoren
Sprache ist ein willkürliches System abstrakter Zeichen, auf das sich eine Gruppe von Menschen geeinigt hat, um Gedanken und Gefühle auszutauschen. Man unterscheidet verbale (gesprochene) und nonverbale Zeichen; zu den nonverbalen Zeichen gehören Gesten und Körperbewegungen (siehe Zeichensprache). Beim Sprechen bedient man sich der Artikulationsfähigkeit; beim Schreiben treten an ihre Stelle die Buchstaben. Zum Verstehen und Hervorbringen von Sprache sind sowohl die Hörfähigkeit als auch visuelle Fähigkeiten erforderlich.
Auch Sprechgeschwindigkeit und Sprechrhythmus spielen eine wichtige Rolle. Zusammenhängendes Sprechen darf weder zu schnell noch zu langsam sein, anderenfalls wird das Verständnis beeinträchtigt. Doch kann man „normales“ Sprechen nicht genau definieren: Man beurteilt es im Wesentlichen danach, ob es zu Geschlecht, Größe, Alter, Persönlichkeit und Bedürfnissen der sprechenden Person zu passen scheint.
Sprachstörungen
Da das Sprechen eine erlernte Tätigkeit ist, kann man davon ausgehen, dass Beeinträchtigungen der Lernfähigkeit auch zu Sprachstörungen führen. Die häufigsten Ursachen solcher Störungen sind bestimmte Neurosen und Psychosen, geistige Behinderungen bzw. angeborene oder später entstandene Gehirnschäden. Die Artikulation kann durch körperliche Behinderungen gestört sein, z. B. durch eine Gaumenspalte, Zerebralparese („Hirnlähmung“) oder Hörverlust. Auch Lähmungen von Teilen des Artikulationsapparats können zu einer Verschlechterung der Artikulation führen. Weitere Ursachen von Störungen sind die unbewusste Nachahmung schlechter Sprachvorbilder und die unzureichende Wahrnehmung akustischer Reize.
Stimmstörungen, auch Dysphonien genannt, können durch Erkrankungen oder Verletzungen des Kehlkopfes entstehen, aber auch durch körperliche Anomalien wie die unvollständige Entwicklung der Stimmbänder oder andere angeborene Stimmbanddefekte. Die häufigste Ursache ist aber die ständige Überanstrengung des Stimmapparats, entweder durch übermäßige Beanspruchung oder durch falsche Stimmproduktion: Die Folgen sind unter Umständen krankhafte Veränderungen wie Knötchen oder Verdickungen bzw. Schwellungen an den Stimmbändern.
Störungen von Sprechgeschwindigkeit und Sprechrhythmus haben in der Regel psychische oder neurologische Ursachen. Ein erwähnenswertes Beispiel für einen solchen neurologischen Defekt ist die Parkinson-Krankheit.
Sprachtherapie
Der Sprachtherapeut (Logopäde) ist dazu ausgebildet, die verschiedenen Störungen von Sprachfähigkeit, Sprechen und Stimme zu erkennen und zu behandeln. Da eine Sprachstörung ihre Ursache oft in körperlichen, neurologischen oder psychischen Störungen hat oder mit solchen Störungen im Zusammenhang steht, arbeitet der Logopäde häufig mit anderen Spezialisten zusammen, so z. B. mit Neurologen, Hals-Nasen-Ohren-Ärzten, Fachärzten für Psychiatrie, Psychologen oder Sozialarbeitern.
Sprachstörungen, die auf Erkrankungen, Verletzungen oder körperliche Fehlbildungen zurückgehen, gehören in den Zuständigkeitsbereich der Ärzte, insbesondere der Chirurgen. Sind diese Beeinträchtigungen behoben, beginnt die Arbeit des Logopäden: Er bringt dem sprachbehinderten Patienten bei, Sprache genau zu hören und zu verfolgen, in sprachlichen Begriffen zu denken und Sprechbewegungen, die durch Koordinationsmängel oder emotionale Störungen beeinträchtigt sind, besser zu kontrollieren.
Da eine Beeinträchtigung der Hörfähigkeit (siehe Taubheit) Menschen daran hindert, Sprachmuster und Laute nachzuahmen und die eigenen Fehler zu bemerken und zu korrigieren, besteht eine der wichtigsten Diagnosemethoden des Therapeuten darin, die Hörfähigkeit zu messen. Zudem sind intellektuelle Leistungen und die Fähigkeit zum Umgang mit Sprache eng verknüpft - somit muss ein Therapeut auch wissen, wie sich die Intelligenz bei einem Kleinkind entwickelt. Die bekannteste emotional bedingte Sprachstörung ist das Stottern; seine Ursache ist oft Angst. Mit einem Sprachübungsprogramm versucht der Logopäde, diese Beeinträchtigung abzubauen. Wenn nötig, wird dabei auch ein Psychologe hinzugezogen, und in extremen Fällen müssen unter Umständen psychotherapeutische Methoden angewandt werden.
Stottern, Sprechstörung; Betroffene zögern beim Sprechen unwillkürlich oder wiederholen Lautelemente mehrfach. In schweren Fällen kommt es nach dem Innehalten häufig zu Gesichtsgrimassen und heftigen Atemstößen. Stotterer machen etwa ein Prozent der Bevölkerung aus. Die Störung kommt am häufigsten bei Männern, Zwillingen und Linkshändern vor.
Sprechverzögerungen und das Wiederholen von Silben sind im Alter von zwei bis vier Jahren normal, denn in dieser Zeit entwickelt sich die Sprachfähigkeit. Bis zum sechsten Lebensjahr verschwinden sie meist, abgesehen von einzelnen Episoden, die bei Stressbelastung auftreten können. Das vorübergehende Stottern im Kleinkindalter lässt sich damit erklären, dass sich die geistige Fähigkeit des Kindes zum Sprechen schneller entwickelt als die Fähigkeit der Muskulatur, einen gleichmäßigen Sprachfluss zu erzeugen. Bei Stotterern dagegen nimmt die Fähigkeit zum Hervorbringen einer gleichmäßigen Sprache nach dieser Phase der Sprachentwicklung ab. Manche Fachleute führen das auf psychische Ursachen zurück, andere glauben an organische Gründe. Die wahre Ursache ist nicht geklärt. Einig ist man sich aber, dass die Störung psychische Probleme schafft, wenn sie erst einmal vorhanden ist. Insbesondere haben die Betroffenen Angst vor dem Sprechen, und diese Angst verschlimmert wiederum das Stottern. Die Behandlung älterer stotternder Kinder und erwachsener Stotterer sollte also auch eine Psychotherapie einschließen.
In vielen Fällen haben sich normale Sprachtherapie und einschlägige Übungen als hilfreich erwiesen, aber Rückfälle kommen häufig vor; deshalb sollten die Betroffenen mit den Übungen auch nach Abschluss der eigentlichen Therapie fortfahren. Wie Forschungen außerdem ergeben haben, sind auch bestimmte elektronische Hilfsmittel nützlich. Ein kleines Metronom, das der Stotterer hinter dem Ohr trägt, kann ihm helfen, einen gleichmäßigen Sprachrhythmus zu entwickeln. Ein anderes elektronisches Gerät verhindert, dass die stotternde Person ihre eigene Stimme hört, denn diese Rückkopplung verstärkt häufig das Stottern.
Parkinsonkrankheit, langsam fortschreitende, zu Behinderungen führende Krankheit: Typische Kennzeichen sind ständiges Zittern und zunehmende Versteifung der Muskeln. Die Krankheit ist weltweit verbreitet, betrifft Männer häufiger als Frauen und bricht meist erst nach dem 35. Lebensjahr aus. Ursache der Parkinsonkrankheit ist die Degeneration (Entartung) der Basalganglien, einer Gruppe von Nervenzellen an der Unterseite des Gehirns. Der wichtigste Überträger für Nervensignale ist in diesem Bereich das Dopamin, ein chemischer Neurotransmitter, dessen Menge bei den Parkinsonpatienten stark vermindert ist. Die Gründe für diesen Mangel kennt man nicht. Wie man aber 1983 entdeckte, kann die Verbindung MPTP (ein Nebenprodukt einer synthetischen Form des Heroins) ähnliche Schäden hervorrufen. Das legte die Vermutung nahe, die Ursache der Parkinsonkrankheit könne in der Umwelt zu suchen sein. Zu den Symptomen der Krankheit gehören starke Speichelbildung, Störungen der Muskelkoordination, Gleichgewichtsstörungen, Zittern und Muskelversteifung. Durch die Verkürzung der Muskulatur an der Vorderseite des Halses biegen sich Kopf und Wirbelsäule häufig nach vorn.
Mit dem Medikament L-Dopa kann man seit Mitte der sechziger Jahre bei vielen Patienten die Symptome lindern. L-Dopa wird in den Basalganglien zu Dopamin umgesetzt und übernimmt dort die Funktion der fehlenden Nervensignale. Nach einigen Jahren (der genaue Zeitraum schwankt) lässt die lindernde Wirkung von L-Dopa jedoch nach, so dass man Ersatzmedikamente wie Amantidin oder Bromocriptin anwenden muss. Auch so genannte anticholinerge Wirkstoffe haben sich zur Verminderung des Zitterns als wirksam erwiesen.
Im Jahre 1987 verpflanzte man erstmals Dopamin-produzierende Zellen aus dem Nebennierenmark ins Gehirn von Patienten mit schwerer Parkinsonkrankheit, um die Symptome zu unterdrücken. Eine andere, neuere Methode ist die Transplantation von winzigen Mengen von Hirnzellen abgetriebener Embryonen in den Kopf von Parkinsonkranken, um die mangelhafte Produktion des Botenstoffes Dopamin auszugleichen. In einem Zwischenstadium werden die embryonalen Nervenzellen in einer gepufferten Salzlösung aufgeschwemmt, bevor sie mit einer Kanüle in das sogenannte Striatum (Streifenhügel) im Mittelhirn des Kranken injiziert werden. Seit 1995 erproben dieses Verfahren schwedische Mediziner.
Schizophrenie, Bezeichnung für eine Gruppe von psychischen Störungen, die durch eine Reihe unterschiedlicher Symptome gekennzeichnet ist. Wörtlich bedeutet der aus dem Griechischen abgeleitete Begriff gespaltene Seele. Entgegen verbreiteter Annahme bedeutet Schizophrenie jedoch nicht, dass der Patient als gespaltene Persönlichkeit wie zwei verschiedene Personen handelt. Erst im 20. Jahrhundert wurde Schizophrenie von anderen Psychosen unterschieden.
Symptome
Die Symptome der Schizophrenie, von denen nicht unbedingt alle bei einem Patienten auftreten, äußern sich im Denken, in W ahrnehmung, Gefühlen, Motorik und zwischenmenschlichen Beziehungen. Denkstörungen werden möglicherweise als Unfähigkeit, logische Verbindungen zu knüpfen, oder durch die Entwicklung von Wahnvorstellungen beobachtet. Halluzinationen, besonders akustischer Art, sind die am häufigsten auftretenden Wahrnehmungsstörungen. Beispielsweise hört der Patient, wie seine Gedanken laut ausgesprochen werden, oder er hört Stimmen, die Befehle erteilen oder Kommentare abgeben. Die gefühlsmäßigen Reaktionen auf bestimmte Situationen erscheinen entweder abgestumpft oder unangemessen. Motorische Störungen können sich als Katatonie äußern (ein seltenes Krankheitsbild, bei dem der Patient in äußerer Bewegungslosigkeit verharrt) oder häufiger als offenbar unbeabsichtigte, erregte Bewegungen, die ein Wiederholungsmuster aufweisen. Die Beziehungen zu anderen Menschen sind in der Regel gestört, häufig weil der Patient dazu neigt, sich zurückzuziehen.
Schizophrenie entwickelt sich fast immer vor Erreichen des mittleren Lebensalters. Typischerweise tritt der erste Schub der Krankheit in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter auf, meist gefolgt von weiteren Krankheitsschüben. Diese äußern sich durch Beeinträchtigung der Arbeitsleistung und der sozialen Beziehungen, in der schwindenden Fähigkeit, für sich selbst sorgen zu können, sowie in einem oder mehreren der oben erwähnten Symptome.
Eine einfache Auflistung der Symptome kann jedoch nicht vermitteln, wie verheerend Schizophrenie wirkt. Sie ist eine der schwersten Geisteskrankheiten. Das eigentümliche Verhalten und die Sprechweise eines Schizophrenen mögen bei Mitmenschen verlegenes Lächeln auslösen, doch sind diese Symptome Ausdruck schwersten Leidens. Die Unfähigkeit, seine eigenen Gedanken zu ordnen und zu kontrollieren, der Zustand, durch eine andere Wahrnehmung der Wirklichkeit isoliert zu sein und von körperlosen Stimmen kommandiert zu werden, all dies macht Schizophrenie zu einer beängstigenden und vereinsamenden Störung.
Ursachen
Wissenschaftler sind sich darin einig, dass keine Einzelursache Schizophrenie erzeugt. Sie ergibt sich eher aus der Wechselwirkung biologischer, psychologischer und kultureller Faktoren - wie dies bei der Entwicklung einer normalen Persönlichkeit der Fall ist. Bei Menschen über 15 Jahren tritt die Erkrankung mit einer Häufigkeit von 0,03 bis 0,12 Prozent pro Jahr auf. Weltweit liegt die Häufigkeit zwischen 0,01 und 3 Prozent. Die Störung kommt in manchen Familien gehäuft vor: Bei nahen Verwandten eines Schizophrenen ist die W ahrscheinlichkeit, an dieser Störung zu erkranken, größer als beim Rest der Bevölkerung. Nur etwa ein bis zwei Prozent aller Kinder werden zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens schizophren, bei Kindern schizophrener Eltern sind es zehn Prozent. In der Wissenschaft wurde lange Zeit erörtert, ob diese vermehrte Häufigkeit auf Vererbung oder auf die Erziehung durch persönlichkeitsgestörte Eltern zurückzuführen ist.
In den letzten Jahren gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass Schizophrenie mit einer ererbten genetischen Störung in Zusammenhang stehen kann. Ist z. B. ein eineiiger Zwilling schizophren, so liegt die Wahrscheinlichkeit, dass auch der andere Zwilling (der genau die gleichen Gene besitzt) daran erkrankt, zwischen 35 und 58 Prozent. Ob jedoch dabei eine biochemische oder neurologische Störung oder ein Enzymdefekt vererbt wird, ist noch offen. Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass die Ausprägung des vererbten Faktors bei der Schizophrenie individuell verschieden ist.
Die psychologische Forschung konnte eine Reihe besonderer Bedingungen des Umfelds feststellen, die bei Schizophrenie auftreten: beispielsweise eine Störung der familiären Kommunikation. Allerdings sind sich die Experten noch nicht sicher, ob diese Verständigungsstörung Ursache oder Folge der Schizophrenie ist. Ein gestörtes Familienleben, das häufig mit Armut einhergeht, wurde ebenfalls mit Schizophrenie in Verbindung gebracht. Außerdem kann Armut bei werdenden Müttern zu einer Vernachlässigung ihrer Gesundheit führen, was sich wiederum negativ auf die Gesundheit des Ungeborenen auswirkt.
Die Hirnforschung entdeckte einige Hinweise auf organische Ursachen der Schizophrenie. So kann Dopamin, einer der chemischen Überträgerstoffe oder Neurotransmitter des Gehirns, bei Schizophrenen in ungewöhnlich hohen Mengen vorhanden sein. Außerdem konnten mit modernen Scanning-Methoden wie Computertomographie (siehe Radiologie) und Kernspintomographie strukturelle Anomalien in einigen Gehirnbereichen untersuchter Schizophrener festgestellt werden.
Behandlung
Die beste Wirkung bei der Behandlung schizophrener Symptome wird mit psychoaktiven Arzneimitteln erzielt. Diese Medikamente stehen seit Mitte der fünfziger Jahre zur Verfügung und ermöglichten es schizophrenen Patienten erstmals, frei von überwältigender Angst und beunruhigenden Symptomen zu leben. Diese Mittel werden nicht nur bei akuten Schizophrenieschüben eingesetzt, sondern auch zur Vorbeugung künftiger Anfälle. Diese medikamentöse Therapie bringt jedoch auch Nachteile mit sich. Es können Nebenwirkungen wie Benommensein oder trockener Mund sowie Langzeitfolgen auftreten. Einige Patienten entwickelten nach jahrelanger Behandlung mit antipsychotischen Arzneimitteln das so genannte dyskinetische Syndrom. Dabei handelt es sich um eine motorische Fehlfunktion (Bewegungsstörung), die hauptsächlich Mund, Zunge und Mimik betrifft. Diese Nebenwirkung ist besonders schwerwiegend, da es für das dyskinetische Syndrom bisher keine Behandlung gibt und die Störung möglicherweise auch nach Absetzen der psychoaktiven Medikamente anhält. Es spricht zudem nicht jeder schizophrene Patient auf antipsychotische Arzneimittel an, einige scheinen gar keine Medikation zu benötigen. Im Allgemeinen wird dann eine Art der Psychotherapie angewendet. Auch Patienten, die psychoaktive Arzneimittel erhalten, können psychotherapeutisch behandelt werden, um ihnen bei der Bewältigung von sozialen und beruflichen Schwierigkeiten zu helfen, die sich möglicherweise aus ihrer Krankheit ergeben.
Pidginsprachen, Mischsprachen, die aus der Überformung einer Sprache entstanden, die aber einen eng begrenzten Wortschatz (oft 700 bis 2 000 Wörter) und wenig grammatische Strukturen aufweisen. Pidgin ist für keinen der Sprecher Muttersprache und wird als Lingua franca in Gegenden verwendet, in denen sich verschiedene Völker vermischen, die keine gemeinsame Sprache haben. Pidgin- Sprachen sind schöpferische Anpassungen natürlicher Sprachen und weisen eigene Strukturen und Regeln auf. Einige Pidgin- Sprachen haben sich als derart nützlich erwiesen, dass sie im sprachlichen Austausch einen formellen Status einnehmen und von einer Gemeinschaft offiziell als Verkehrssprache anerkannt werden. Zu den Sprachen, aus denen sich Pidgin-Sprachen gebildet haben, gehören Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Zulu und Chinook, eine nordamerikanische Indianersprache. In einer Pidgin- Sprache können Wörter eine Bedeutungsänderung erfahren: aus dem englischen Word belong („gehören“) wurde im chinesischen Pidgin blong („ist“) und im melanesischen Pidgin bilong („von“). Manche Phänomene werden durch Sätze umschrieben, so bedeutet „Blitz“ im melanesischen Pidgin lait bilong klaut (wörtlich: „Licht der Wolke“, von englisch „light of cloud“). Lehnwörter aus weiteren Sprachen können hinzugefügt werden. Wenn eine Pidgin-Sprache mehrere Generationen lang Bestand hat, kann sie andere Sprachen ersetzen und zur örtlichen Muttersprache werden: es handelt sich dann um eine Kreolsprache, deren Wortschatz sich nach und nach verbreitert. Beispiele hierfür sind das französische Kreolisch auf Haiti, das spanische Kreolisch auf den niederländischen Antillen und das Neumelanesische, das kreolisierte Pidgin auf Neuguinea.
Kreolische Sprachen, Kreolsprachen, Bezeichnung für all jene Sprachen, die mit Beginn der Kolonisierung im 17. Jahrhundert durch die wechselseitige Durchdringung der jeweiligen europäischen Sprache mit der des kolonisierten Landes entstanden. Die kreolischen Sprachen haben Ähnlichkeit mit der Pidginsprache, besitzen jedoch eine komplexere Grammatik und einen größeren Wortschatz. Dazu gehören die auf dem Französischen basierende kreolische Sprache Haïtis, die auf dem Englischen basierende kreolische Sprache von Hawaii oder die auf das Spanische zurückgehende kreolische Sprache der Philippinen.
Soziolinguistik, auf Interdisziplinarität ausgelegte Teildisziplin der Linguistik, die Sprache als Mittel sozialer Interaktion betrachtet und dabei Sprachsysteme und deren Untersuchung in einen soziologischen Zusammenhang stellt. Die neben der Psycholinguistik, Neurolinguistik, Computerlinguistik, Gesprächsanalyse und Textlinguistik auch als Bindestrichlinguistik bezeichnete Soziolinguistik hebt sich damit von den Kerngebieten der Linguistik (Phonetik, Phonologie, Morphologie, Syntax, Semantik und teils auch Pragmatik) ab, die meist nur einen eng umgrenzten Bereich des Phänomens Sprache theoretisch untersuchen.
Ausgehend von der Annahme, dass sich Sprach- und Sozialstruktur gegenseitig bedingen, werden als angenommene Ursachen variierender Sprachkenntnisse und Sprachgebrauchsweisen gesellschaftliche Verhältnisse, Alter, Geschlecht, Bildung, soziale Schichtung, ethnische Gruppenzugehörigkeit, Geschichte und Kultur der Mitglieder einer Sprachgemeinschaft thematisiert. Innerhalb der Soziolinguistik lassen sich mindestens drei Forschungsschwerpunkte unterscheiden:
1. Die soziologisch orientierte Soziolinguistik stellt die von der Sozialstruktur ausgehende und in der Sprachstruktur mündende Seite des Bedingungsgefüges in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung und versucht dabei zu klären, wie sich bloße Gruppenzugehörigkeit im Sprachwissen und Sprachgebrauch manifestiert. 2. Die linguistisch orientierte Soziolinguistik geht umgekehrt von der Sprachstruktur aus und versucht die herausgearbeiteten Relationen zur Sozialstruktur für die Beschreibung von Sprachveränderungsprozessen (Sprachwandel) fruchtbar zu machen, da sich gesellschaftliche Verhältnisse für diese als bedeutsam erwiesen haben. 3. Die ethnomethodologisch orientierte Soziolinguistik fokussiert das Sprechereignis als Mittel sozial Handelnder zur Erzeugung sozialer Netzwerke, die sich in sozialen Gruppen und letztendlich in der Gesellschaft konstituieren.
Sprachen: Genetische Klassifikation
Auch wenn zwei Sprachen auf die gleiche Weise Wörter bilden und Satzelemente strukturieren, bedeutet dies noch nicht, dass sie miteinander verwandt sind. Um den Beweis für die Verwandtschaft von Sprachen zu führen, müssen ihre historische Entwicklung und ihre genetische Klassifikation untersucht werden. Bei der genetischen Klassifikation werden anders als bei der typologischen die Laut- und Bedeutungsstrukturen von Sprachen miteinander verglichen, um ihre gemeinsame Abstammung aufzuzeigen. Vergleichbar der Familienähnlichkeit beim Menschen, hängen genetische Ähnlichkeiten verwandter Sprachen nicht davon ab, wo und wann diese Sprachen gesprochen wurden. Die Sprachen in einer Sprachfamilie stehen geschichtlich miteinander in Verbindung und stammen von einer gemeinsamen Vorgängersprache ab. Sprachstammbäume zeigen das Verwandtschaftsverhältnis unter Sprachen auf. Die älteste noch nachweisbare Vorgängersprache bildet in einer graphischen Darstellung auf oberster Ebene die Wurzel der Baumstruktur. Die darunter liegenden Zweige zeigen auf, wie nah oder entfernt verwandt die heute noch existierenden Sprachen einer Sprachfamilie sind. Sprachverwandtschaft zeigt sich darin, dass sich sowohl im Lautbestand als auch im Bedeutungsgehalt regelmäßige Entsprechungen bei den grammatischen Strukturen und im Wortschatz zeigen. Das deutsche Wort Fisch entspricht z. B. dem lateinischen piscis, das englische Wort father (Vater) dem lateinischen pater. Die deutschen und englischen sowie die lateinischen Wörter sind verwandt, d. h. genetisch gesehen weisen sie gleiche Ursprünge auf. Das deutsche f geht auf das lateinische p zurück, das englische th auf das lateinische t usw. Die komparative Linguistik analysiert die Laut- und Bedeutungsentsprechungen (d. h. die verwandten Elemente) der verschiedenen Sprachen und stellt genetische Sprachgruppen auf. Die hypothetischen Ursprachen solcher Gruppen werden durch den Vergleich moderner Sprachen versuchsweise rekonstruiert. (Rekonstruierte Ursprachen werden durch den Begriff Proto- gekennzeichnet, wie in Proto-Indogermanisch.) Die Etymologie beschäftigt sich mit der Herkunft, der Entwicklung und der Verwandtschaft der Wörter.
Sprachfamilien in Europa und Asien
Eine der größten Sprachfamilien ist die indogermanische. Die indogermanischen Sprachen werden weltweit von etwa zwei Milliarden Menschen auf verschiedenen Kontinenten gesprochen. Zu dieser Sprachfamilie gehören die meisten in Europa und Nordindien gesprochenen Sprachen sowie einige Sprachen der dazwischenliegenden Gebiete. Das Indogermanische besteht aus folgenden Unterfamilien: Italisch (sowie die davon abstammenden romanischen Sprachen), Germanisch, Keltisch, Griechisch, Baltisch, Slawisch, Armenisch, Albanisch, Indoiranisch sowie den ausgestorbenen Sprachen Hethitisch (zum anatolischen Zweig) und Tocharisch. Innerhalb der Unterfamilien gibt es weitere Unterklassifizierungen. Deutsch gehört z. B. zum westgermanischen Zweig der germanischen Unterfamilie, Englisch zur anglofriesischen Gruppe des westgermanischen Zweiges. Mit dem Englischen am engsten verwandt ist das Friesische, das heute nur noch in Teilen von Deutschland und den Niederlanden gesprochen wird.
Die indogermanische Sprachfamilie ist nur eine von mehreren Dutzend Sprachfamilien und angenommenen größeren Sprachgruppen. In der Sprachwissenschaft gibt es unterschiedliche Ansätze zur Klassifikation.Was eine Schule als Sprachfamilie definiert, wird von einer anderen möglicherweise als Unterfamilie innerhalb einer größeren Gruppe angesehen.
In Europa gibt es neben der indogermanischen Sprachfamilie noch andere Sprachen. Baskisch ist eine isolierte Sprache, d. h. eine Sprache ohne bekannte Verwandte. Finnisch, Estnisch, Samisch (Lappisch) und Ungarisch sind die westlichsten Vertreter des finnougrischen Zweiges der uralischen Sprachfamilie (zu der auch viele Sprachen des Uralgebiets und Sibiriens gehören). Die altaische Sprachfamilie wird manchmal mit den uralischen Sprachen in einer ural-altaischen Gruppe zusammengefasst (ein Verwandtschaftsverhältnis, das heute allerdings von den meisten Sprachwissenschaftlern bestritten wird). Die Hauptzweige der altaischen Sprachfamilie sind die Turksprachen sowie die mongolischen und mandschu-tungusischenSprachen (siehe altaische Sprachen). Einige nicht miteinander verwandte Sprachgruppen in Sibirien fasst man mit der Regionalbezeichnung paläosibirische Sprachen zusammen. Die kaukasischen Sprachen werden in die nordwestkaukasischen, ostkaukasischen und südkaukasischen Sprachen unterteilt. Die bekannteste kaukasische Sprache ist Georgisch (Südkaukasisch). Viele Sprachen Indiens und seiner nordwestlichen Nachbarn gehören zum indoiranischen Zweig des Indogermanischen. Zwei andere Gruppen - die Mundasprachen, die üblicherweise als Zweig der austroasiatischen Sprachen angesehen werden, und die drawidische Sprachfamilie - werden von mehr als 80 Millionen Menschen gesprochen (siehe indische Sprachen). Mehrere hundert Millionen Menschen sprechen die sinotibetischen Sprachen in Südostasien. Die Hauptzweige dieser Sprachfamilie sind das Tibetobirmanische und das Chinesische (das viele chinesische „Dialekte“ enthält, die eigentlich eigenständige Sprachen sind). Einige Forscher zählen die Thaisprachen (einschließlich Thai oder Siamesisch) zu dieser Sprachfamilie, andere wiederum vermuten eine unterschiedliche Entwicklungsgeschichte.
Sprachen in Afrika und im pazifischen Raum
Die drei wichtigsten Sprachgruppen im Pazifik sind die malaiopolynesischen Sprachen (austronesische Sprachen), eine Sprachfamilie mit einem westlichen oder indonesischen Zweig und einem östlichen oder ozeanischen Zweig, die Papuasprachen, eine regionale Gruppe in Neuguinea, die mehrere isolierte Sprachen und Sprachfamilien (von denen einige möglicherweise miteinander verwandt sind) umfasst, und die Sprachen der australischen Ureinwohner (die untereinander, aber nicht mit Sprachen außerhalb Australiens verwandt sind). Das ausgestorbene Tasmanisch ist möglicherweise eine vierte Gruppe.
Die Sprachen der hamitosemitischen oder afroasiatischen Sprachfamilie werden im Nahen Osten und in Afrika gesprochen. Sie ist in fünf Sprachzweige aufgeteilt: Semitisch, zu dem Arabisch und Hebräisch gehören (siehe semitische Sprachen), Tschadisch, zu dem das in Westafrika weit verbreitete Haussa gehört, Berberisch, Kuschitisch und (heute ausgestorben) Ägyptisch-Koptisch. In Afrika finden sich drei weitere wichtige Sprachfamilien. Der Hauptzweig der niger-kordofanischen Sprachfamilie sind die Niger-Kongo-Sprachen, zu denen die in Afrika am weitesten verbreitete Gruppe der Bantusprachen gehört (wie Suaheli und Zulu), und das Kordofanische. Die wichtigste Untergruppe der nilosaharanischen Sprachfamilie sind die Chari-Nil-Sprachen, zu deren nilotischen Zweig Sprachen wie das Masai gehören. Zur Familie der Khoisan-Sprachen gehören die Sprachen der San und anderer Völker der Kalahari. Charakteristisch für die Khoisan-Sprachen sind deren Schnalzlaute (siehe afrikanische Sprachen).
Sprachen in Amerika vor der Kolonialisierung
Die Versuche, die amerikanischen Indianersprachen zu klassifizieren, haben nach herkömmlichen Kriterien zur Einteilung in 150 Sprachfamilien geführt. Freiere Einteilungen fassen sie zu etwa einem Dutzend so genannter Makrogruppen zusammen, eine Kategorisierung, die jedoch durch neuere Untersuchungen in Frage gestellt wird. Sogar mit einem freieren Ansatz lassen sich viele kleine Sprachfamilien nicht in größeren Gruppen integrieren, zudem gibt es eine große Zahl isolierter Sprachen. Entlang der arktischen Küste und in Grönland sprechen die Inuit (Eskimo) das Inupik (eskimo-aleutische Sprachfamilie). Im subarktischen Teil Kanadas finden sich verschiedene athabaskische und die Algonkin-Sprachen. Die vorherrschenden Indianersprachen in den USA östlich des Mississippi sind Algonkin, Irokesisch und Muskogee. Die größte Sprachfamilie der Great Plains ist Siouan, es werden aber auch Caddo- und westliche Algonkin-Sprachen gesprochen. Die Schoschone-Sprachen (uto-aztekische Sprachfamilie) beherrschen das Great Basin und grenzen im Norden an die Sprachfamilie des Sahaptin. An der Nordwestküste finden sich die Sprachfamilien des Salish und W akash, Tlingit (bei dem man eine Verwandtschaft zu den athabaskischen Sprachen vermutet) und Haida, eine möglicherweise isolierte Sprache. Apache, ein Sprachzweig des Athabaskischen, ist im gesamten Südwesten verbreitet. Daran grenzen in Arizona und Südkalifornien die Sprachfamilie des Yuma und die Pima-Papago-Sprachen (Uto-Aztekisch). In Kalifornien gibt es viele kleine Sprachfamilien, deren Verwandtschaft untereinander stark umstritten ist.
In Mexiko und Mittelamerika sind die uto-aztekische Sprachfamilie (u. a. Aztekisch oder Nahuatl), die oto-mangueanische Makrogruppe (Mixtekisch, Otomí und Zapotekisch) und Sprachfamilien wie Mixe-Zoque, Totonakisch und Tequistlatekisch von Bedeutung. Die MayaSprachfamilie besteht aus etwa zwei Dutzend Sprachen mit Millionen von Sprechern.
Abhängig vom wissenschaftlichen Ansatz werden die südamerikanischen Sprachen in etwa 90 Sprachfamilien und isolierte Sprachen oder in drei fast alle Sprachen umfassende Makrogruppen (Oberfamilien oder Gruppen mit möglicher entfernter Verwandtschaft) eingeteilt: Makro-Chibchan, Anden-Äquatorialisch und Ge-Pano-Karib. Die verbreitetsten südamerikanischen Indianersprachen sind Quechua und Aymará, Guaraní und Mapuche oder Araukanisch. In Mittelamerika und im nördlichen Südamerika sind die MakroChibchan-Sprachen (wie Guaymi, Páez und Warao) und auch die große arawakische Gruppe (einschließlich Garifuna oder Black Carib, Goajiro und Kampa) von Bedeutung. Zu der von vielen Wissenschaftlern anerkannten Makro-Ge-Gruppe gehören viele in den tropischen Gebieten Brasiliens gesprochene Sprachen. Siehe Indianersprachen, altamerikanische Sprachen.
Geographische Klassifikation
Die geographische oder areale Klassifikation von Sprachen ist ebenfalls nützlich. Die areale Klassifikation beruht auf der Untersuchung der gegenseitigen Beeinflussung benachbarter Sprachen. Bei der Analyse des Wortschatzes wie auch der Grammatik benachbarter Sprachgebiete ist häufig festzustellen, dass Elemente einer Sprache in der anderen wiederzufinden sind. Diese regionalen Ähnlichkeiten sind auf Sprachkontakt und Entlehnungen zurückzuführen, die im Laufe der Zeit in Bezug auf Grammatik, Laute und W ortschatz stattgefunden haben. Derartige Interferenzen lassen jedoch nicht unbedingt auf genetische oder typologische Beziehungen schließen.
Geschriebene und gesprochene Sprache
Allgemein geht man von der Priorität der gesprochenen vor der geschriebenen Sprache aus, aus verschiedenen Gründen: Erstens folgt historisch gesehen die Entwicklung der Schrift auf die Entstehung der gesprochenen Sprache, zweitens überwiegt rein quantitativ die mündliche Kommunikation vor der schriftlichen, drittens ist der mündliche Gebrauch der Sprache nicht an die Beherrschung von Lesen und Schreiben gebunden. Gibt es von einer Sprache eine gesprochene und eine geschriebene Form, stellt das Schriftsystem häufig nicht alle Einzellaute der Sprache dar, das heißt, es gibt nicht in allen Sprachen eine Eins-zu-eins-Entsprechung von Lauten und Schriftzeichen. Das Schriftsystem einer Sprache kann Zeichen aus dem Schriftsystem einer anderen Sprache zur Darstellung von Lauten, Silben oder Morphemen benutzen, für die sie ursprünglich nicht vorgesehen waren. Dieser Fall liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Volk die Schrift eines anderen Volkes übernommen hat. Die gesprochenen und geschriebenen Formen einer Sprache lassen sich dadurch vergleichen, dass man die Entsprechung von Schriftsystem und gesprochener Sprache untersucht.
Es gibt viele verschiedene Schriftsysteme. Im Chinesischen wird für jedes Morphem ein eigenes Schriftzeichen verwendet. Die Schriftform des Cherokee hat für jede aus einem Konsonanten und einem Vokal bestehende Silbe ein Zeichen. Auch das Japanische wird mit einem solchen System, einem Syllabarium, geschrieben. Bei Schriftsystemen, die ein Alphabet wie etwa das lateinische verwenden, steht theoretisch jedes Zeichen für einen Laut der gesprochenen Sprache. Das lateinische Alphabet hat 26 Buchstaben. Sprachen, die das lateinische Alphabet verwenden, benutzen üblicherweise alle 26 Zeichen, unabhängig davon, ob die gesprochene Sprache mehr oder weniger Laute besitzt.
Die Schriftform einer Sprache ist mehr oder weniger statisch und unveränderlich, sie spiegelt den Sprachstand zur Zeit der Einführung des Alphabets, Syllabariums oder Schriftzeichensystems wider, es sei denn, es haben größere Reformen stattgefunden. Die gesprochene Sprache ist dynamisch, das heißt, sie ist in einem ständigen Wandel begriffen. So kommt es vor, dass sich geschriebene und gesprochene Sprache weit auseinander entwickeln, wie es beispielsweise im heutigen Englisch und Französisch der Fall ist. Um eine derartige Entwicklung zu vermeiden, gibt es die Möglichkeit durch sprachpflegerische Maßnahmen wie einer Rechtschreibreform einzugreifen. Bei Sprachen, die erst in neuerer Zeit ein Schriftsystem erhalten (wie Suaheli) oder eine Rechtschreibreform erfahren haben (wie Hebräisch), passen geschriebene und gesprochene Formen besser zueinander.
Anders als beim Sprechen kann man beim Schreiben Tonhöhe und Betonung ignorieren, Vokale weglassen oder Zeichensetzung und Großschreibung verwenden. Die geschriebene und gesprochene Form einer Sprache unterscheidet sich auch dadurch, dass die Schrift gesprochene dialektale Unterschiede nicht abbildet. Obwohl sie sich mündlich nicht verständigen können, weil sie unterschiedliche Dialekte sprechen, können beispielsweise Sprecher von chinesischen Dialekten die geschriebene Form verstehen. Eine ähnliche Erscheinung gibt es auch im Deutschen, wo die Sprecher der verschiedenen deutschen Dialekte Hochdeutsch schreiben, die gemeinsame Standardform der Sprache. Siehe auch Schrift.
Hochsprache und Umgangssprache
Die geschriebene Form einer Sprache entspricht in der Regel der Hoch- oder Standardsprache. Sie genießt in der Regel höheres Ansehen als die gesprochene Form und weist meist eine komplexere grammatische Struktur und einen spezifischen Wortschatz auf. Der Gebrauch von Hoch- oder Umgangssprache hängt von der jeweiligen Sprechsituation ab. Als überregionale Verkehrssprache wird bei offiziellen Anlässen oder formellen Sprechsituationen die Hochsprache benutzt. In informellen Sprechsituationen überwiegt der Gebrauch der Umgangssprache. Oftmals ist der Gebrauch von Hoch- bzw. Umgangssprache abhängig vom Bildungsniveau. In den arabischen Ländern verwenden die gebildeten Schichten das klassische Arabisch sowohl bei Unterhaltungen als auch beim Schreiben, während Personen mit niedrigem Bildungsstand das umgangssprachliche Arabisch benutzen. Verwendet ein Sprecher zwei Varietäten einer Sprache in unterschiedlichen Situationen, nennt man dieses Phänomen Diglossie. Personen, die die gesprochene Form der Hochsprache in der Öffentlichkeit und den erlernten regionalen Dialekt im Gespräch mit Freunden verwenden, nennt man diglossisch (charakteristisches Beispiel: das Schwyzerdütsch der deutschsprachigen Schweiz).
Die Standardsprache entwickelt sich in den meisten Sprachen aus dem Dialekt, der sich gegenüber den anderen durchsetzen konnte und schließlich als allgemein verbindlich angesehen wird. Als genormte Ausformung eines Dialekts ist die Standard- oder Hochsprache die Schriftsprache einer Sprachgemeinschaft und besitzt ein System von orthographischen Regeln und einen Bestand an geschriebenen Texten.
Nur wenige Menschen sprechen tatsächlich eine ausgeprägte Hochsprache. Vielmehr nähern sie ihre eigene regionale Sprachvarietät der Hochsprache an. Mit der Standardsprache steht den Sprechern regionaler Dialekte auch eine gemeinsame Basis der Kommunikation zur Verfügung.
Dialekt, Argot und Jargon
Ein Dialekt ist eine regionale Varietät einer Sprache, die sich deutlich von anderen Varietäten der gleichen Sprache unterscheidet, die in anderen geographischen Gebieten verwendet werden. Innerhalb einer Gruppe von Menschen, die die gleiche Sprache sprechen, gibt es andere, von spezifischen Situationen oder sozialen Gruppen abhängige Sprachvarietäten. Menschen aus dem gleichen Umfeld oder mit dem gleichen Beruf können eine gemeinsame Sondersprache benutzen, die sie von anderen Menschen außerhalb ihrer Gruppe unterscheidet. Zu diesen Varianten der Umgangssprache gehören Argot, Jargon und Slang. Argot ist zum einen die Bezeichnung für die saloppe französische Umgangssprache, wird aber auch als Begriff für eine Sonder- oder Geheimsprache benutzt, die von sozialen Randgruppen verwendet wird, um sich von Außenstehenden abzugrenzen. Eine ebenso informelle, saloppe Variante der Umgangssprache ist der Slang. Er zeichnet sich besonders durch neuartige Verwendung des vorhandenen Vokabulars sowie durch W ortneuschöpfungen aus und wird ebenfalls von sozialen Gruppen verwendet. Slang wird oft mit Argot gleichgesetzt. Eine weitere Variante der Umgangssprache ist der Jargon, eine Sprachform, die sich von der Standardsprache durch einen gruppen- oder fachspezifischen Wortschatz unterscheidet. Argot, Jargon und Slang sind schwer voneinander abzugrenzen - häufig werden die Begriffe gleichbedeutend verwendet.
Pidgin- und Kreolsprachen
So wie bei einer Sprache Varietäten in Form von Dialekten und Slang oder Jargon entstehen können, kann sie sich auch als Ganzes verändern (die verschiedenen romanischen Sprachen haben sich z. B. aus dem Lateinischen entwickelt). Der Kontakt von Menschen, die verschiedene Sprachen sprechen, führt manchmal zu einem rapiden Sprachwandel. Unter solchen Umständen kann sich eine Pidginsprache entwickeln. Pidginsprachen beruhen auf der Grammatik einer Sprache, werden aber vor allem im Wortschatz von anderen beeinflusst. Sie verfügen über ein vergleichsweise kleines Lautsystem, einen eingeschränkten Wortschatz und eine vereinfachte und veränderte Grammatik. Das Verstehen dieser Mischsprachen ist sehr stark kontextabhängig. Pidginsprachen entstanden vor allem in überseeischen Gebieten durch den Kontakt von Händlern mit Insel- und Küstenvölkern während der Kolonialisierung. Pidginsprachen sind keine Muttersprachen. Entwickelt sich eine Pidginsprache zur Muttersprache eines Volkes (z. B. indem die Kinder nur noch diese lernen), wird sie zur Kreolsprache. Sobald genügend Menschen die Kreolsprache sprechen, um eine Sprachgemeinschaft zu bilden, kann sie sich zu einer vollständig entwickelten Sprache ausbilden. Dies geschah mit Krio, der heutigen Nationalsprache im westafrikanischen Sierra Leone. Krio entstand aus einem ursprünglich auf Englisch basierendem Pidgin.
Welthilfssprachen
Inmitten der sprachlichen Vielfalt dieser Welt wurden verschiedene internationale Sprachen entwickelt als Mittel zur Lösung der weltweiten Kommunikationsprobleme. So wurde vielfach gefordert, dass jeder Mensch eine der verbreitetsten Sprachen der Welt wie Englisch oder Französisch beherrschen sollte. Daneben wurden künstliche Sprachen geschaffen, die diese Kommunikationsprobleme beseitigen sollten. Mehrere künstliche Sprachen wurden favorisiert, gerieten dann jedoch wieder in Vergessenheit. Eine dieser künstlichen Sprache, Esperanto, hatte wegen der regelmäßigen Grammatik, der „einfachen“ Aussprache und dem Wortschatz, der auf dem Lateinischen, dem Altgriechischen sowie den romanischen und germanischen Sprachen aufbaut, vergleichsweise großen Erfolg. Den Sprechern anderer Sprachfamilien erscheint Esperanto jedoch weniger international und ist für sie schwerer auszusprechen und zu lernen. Eine neue, für den internationalen Gebrauch vorgeschlagene Sprache ist LOGLAN (LOGical LANguage, logische Sprache), eine auf dem Reißbrett entstandene Sprache mit dem Anspruch, nicht kulturell gebunden zu sein und klaren und unzweideutigen Ausdruck zu ermöglichen. Sie besitzt ein beschränktes Lautsystem und wenige grammatische Regeln, ihr Wortschatz ist den acht heute in der W elt am weitesten verbreiteten Sprachen entnommen, darunter Hindi, Japanisch, Chinesisch, aber auch Russisch und anderen indogermanischen Sprachen.
Selbst wenn eine perfekte internationale Sprache entwickelt und eingeführt werden könnte, ist noch nicht gesichert, dass damit die weltweiten Kommunikationsprobleme verringert werden würden. Zudem ist anzunehmen, dass auch künstliche Sprachen wie Esperanto oder LOGLAN bei ihrer Einführung für internationale oder öffentliche Belange dem Prozess des Sprachwandels unterworfen wären. So könnten beispielsweise regionale Dialekte der betreffenden internationalen Sprache oder auch Pidgin- und Kreolsprachen entstehen. Englisch und Französisch haben sich tatsächlich in verschiedenen Teilen der Welt eigenständig entwickelt. Das Englisch, das z. B. in Indien gesprochen wird, unterscheidet sich sowohl vom amerikanischen als auch vom britischen Englisch. Siehe auch Welthilfssprache.
Sprachentstehung, Sprachentwicklung und Sprachwandel
Sprache, definiert als Erzeugen und Wahrnehmen von Äußerungen, entwickelte sich in ihrer spezifischen Form mit der menschlichen Spezies. Als Kommunikationssystem ist es zwar vergleichbar mit den kommunikativen Systemen von Tieren, die menschliche Sprache hat sich jedoch entscheidend weiterentwickelt. Die oben aufgezeigten kreativen und interpretativen Aspekte sind spezifische Merkmale der menschlichen Sprache. Man geht davon aus, dass das Sprachverständnis mit der Spezialisierung eines Teiles der linken Gehirnhälfte (des Broca-Zentrums) zusammenhängt. Wahrscheinlich ist, dass sich die menschliche Sprache bis zum Auftreten dieser physiologischen Spezialisierung nicht von der tierischen Kommunikation unterschied. Man nimmt an, dass die Sprache zum ersten Mal bei den Neandertalern (vor 300 000 bis 40 000 Jahren) entstand. Einer Theorie zufolge ging das Erscheinen des modernen Homo sapiens (dessen Schädel und Kehlkopf besser zur Spracherzeugung geeignet war) vor 40 000 bis 30 000 Jahren mit einem deutlichen Entwicklungsschub der Sprache einher. Die moderne menschliche Sprache ist damit möglicherweise nur 30 000 bis 40 000 Jahre alt. Die ungeheure Vielfalt der Sprachen zeigt an, dass sich die menschliche Sprache nach ihrer Entstehung mit relativ großer Geschwindigkeit gewandelt hatte. Lautbestand, Grammatik und Wortschatz der ersten Sprache, falls es sie denn gegeben hat, bleiben sicherlich unbekannt. Sprachhistoriker, die sich hauptsächlich damit befassen, wie, warum und in welcher Form Sprachwandel auftritt, können nur Hypothesen zur Erklärung des Sprachwandels vorlegen.
Im 18. Jahrhundert entstand die Theorie, dass sich alle alten und modernen Sprachen aus einer einzigen Protosprache entwickelt hätten. Diesen Ansatz nennt man Monogenese. Die Mehrzahl der Sprachwissenschaftler nimmt an, dass eine solche Sprache - sollte sie überhaupt existiert haben - bestenfalls als eine Reihe hypothetischer sprachlicher Grundformen dargestellt werden könne, aus der sich alle Sprachen ableiten ließen und auf deren Basis sie miteinander in Beziehung gesetzt werden könnten. Es ist unwahrscheinlich, dass sich eine tatsächliche Ursprache, so wie sie gesprochen wurde, rekonstruieren lässt. Obwohl viele moderne Sprachen von einem einzigen Vorläufer abstammen, ist es jedoch genauso möglich, dass die menschliche Sprache gleichzeitig an verschiedenen Orten der W elt entstand und die heute gesprochenen Sprachen somit nicht nur eine gemeinsame Stammsprache haben. Die Theorie, dass die heutigen Sprachfamilien von vielen verschiedenen Ursprachen abstammen, nennt man Polygenese.
Angesichts universeller Struktureigenschaften, die für alle Sprachen gelten, spielen die Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Auch wenn Sprachen wie Chinesisch, Englisch und Suaheli scheinbar kaum Ähnlichkeiten aufweisen, zeigen sich generell doch mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Unabhängig von der Art und Weise, wie sie sich von Sprache zu Sprache unterscheiden, sind die Laute und Lautverbindungen der verschiedenen Sprachen vermutlich aus einer Reihe universeller, allen Sprachen zur Verfügung stehender Laute und Lautverbindungen ausgewählt. In gleicher Weise haben die menschlichen Sprachen individuelle Struktureigenschaften, die aus einem gemeinsamen Vorrat möglicher Strukturen stammen. Das bedeutet, dass keine menschliche Sprache einen Laut verwendet, der nicht von jedem Menschen erzeugt werden kann, ebenso existiert keine grammatische Regel, die nicht jeder Mensch erlernen kann - und zwar unabhängig davon, ob die eigene Muttersprache diese Laute und Strukturen verwendet. Mit anderen Worten scheint die Bandbreite des möglichen Sprachwandels nur durch die universellen Struktureigenschaften von Sprache begrenzt zu sein.
Wenn eine Sprache einem grundlegenden Wandel in Wortschatz, Lautsystem und Struktur unterliegt, kann daraus eine neue Sprache entstehen. Dies tritt bei der Entstehung von Pidgin- und Kreolsprachen ebenso wie beispielsweise bei der Entwicklung der heutigen romanischen Sprachen aus dem Lateinischen auf. Die Entstehung einer neuen Sprache kann auch durch die Entwicklung eines untergeordneten zu einem dominanten Dialekt gefördert werden, der sich schließlich von anderen Dialekten ablöst. Die neu entstandene Sprache kann im Lauf der Zeit eigene Dialekte sowie Pidgin- und Kreolsprachen entwickeln. Dieser fortlaufende Sprachentstehungs- und -entwicklungsprozess kennzeichnet die Sprache in allen ihren Aspekten als lebendigen Ausdruck der menschlichen Kultur.
Frankreich:
Die Amtssprache Französisch wird von der großen Mehrheit der Landesbevölkerung gesprochen. Daneben existieren in einigen Gebieten Regionalsprachen; Bretonisch in der Bretagne, Baskisch und Katalanisch in den Pyrenäen, Provenzalisch in Teilen der Provence, Okzitanisch im Languedoc, Flämisch in Flandern und Deutsch im Elsass und in Lothringen. Der im Elsass gesprochene deutsche Dialekt wird Elsässisch genannt.
Italien:
Amtssprache
Italienisch
Andere Sprachen
Sardisch, Deutsch, Ladinisch, Französisch, Griechisch, Albanisch, Katalanisch, andere Sprachen der Minderheiten Amtssprache des Landes ist Italienisch, eine der romanischen Sprachen der indogermanischen Sprachfamilie. In einigen Gebieten gibt es regionale Amtssprachen für anerkannte Minderheiten. Zu diesen Sprachen gehören Deutsch in Südtirol, Französisch im Aostatal und Slowenisch in Friaul-Julisch-Venetien. Auf Sardinien sind Katalanisch und Sardisch verbreitet. In Süditalien gibt es als Sprachen der Minderheiten auch Kroatisch und Griechisch.
Schweiz:
Die Amtssprachen der Schweiz sind Deutsch (65 Prozent der Bevölkerung), Französisch (18 Prozent) und Italienisch (10 Prozent). Seit der Volksabstimmung vom 10. März 1996 ist Rätoromanisch, das von weniger als einem Prozent der Bevölkerung gesprochen wird, vierte Amtssprache. Der mit sechs Prozent relativ hohe Anteil anderer Sprachen spiegelt den hohen Anteil ausländischer Bürger wider. Im deutschsprachigen Teil wird Schwyzerdütsch (Schweizerdeutsch), ein alemannischer Dialekt des Deutschen, gesprochen, der weitgehend von der Schriftsprache sowie von anderen deutschen Dialekten abweicht. Tageszeitungen und Zeitschriften erscheinen in Hochdeutsch. In den Kantonen Freiburg (Fribourg), Jura, Waadt (Vaud), Wallis (Valais), Neuenburg (Neuchâtel) und Genf (Genève) ist Französisch dominierend. Das Tessin (Ticino) bildet den überwiegenden Teil des italienischen Sprachraumes. Bündnerromanisch wird in erster Linie im Kanton Graubünden (Grisons) gesprochen.
Spanien:
Amtssprache
Spanisch (Kastilisch)
Andere Sprachen
Katalanisch, Baskisch, Galicisch
Offizielle Landessprache ist Spanisch, das auf dem kastilischen Dialekt beruht. Weltweit wird Spanisch von etwa 250 Millionen Menschen gesprochen. Rund 500 000 Menschen im spanischen und französischen Baskenland sprechen Baskisch. Diese Sprache ist überaus alt, und ihre Herkunft ist unbekannt. Sie hat keinerlei Verwandtschaft mit anderen europäischen Sprachen. Katalanisch hat seit Ende der Franco-Ära im Nordosten des Landes Spanisch immer mehr verdrängt. Galicisch ist mit dem Portugiesischen eng verwandt; zwischen beiden gibt es keine klare Sprachgrenze. Baskisch, Katalanisch und Galicisch sind seit 1978 als Nationalsprachen anerkannt und werden in den Schulen der jeweiligen Gebiete unterrichtet.
Deutschland: Sprachen
Amtssprache
Deutsch
Andere Sprachen
Sorbisch (in der Lausitz), Dänisch und Friesisch
Die deutsche Sprache gehört zu den indogermanischen Sprachen; mit ihren zahlreichen regionalen Dialekten ist sie hauptsächlich in ihrem Kerngebiet in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreitet. Die ethnischen Minderheiten benutzen teilweise ihre eigenen Sprachen, in einigen Regionen Schleswig-Holsteins z. B. ist Dänisch Schulsprache, und in der Lausitz lebt eine Sorbisch sprechende Minderheit.
Belgien:
Amtssprachen
Niederländisch, Französisch, Deutsch
Andere Sprachen
Italienisch, andere Sprachen der Minderheiten
Seit 1963 gibt es in Belgien drei Amtssprachen: Niederländisch im Norden, Französisch im Süden und Deutsch entlang der östlichen Landesgrenze. In Brüssel ist sowohl Französisch als auch Niederländisch Amtssprache, die Mehrheit spricht jedoch Französisch. Insgesamt sprechen 57 Prozent der Belgier Niederländisch, 42 Prozent Französisch. Zweisprachig sind etwa neun Prozent der Gesamtbevölkerung. 1971 verschaffte eine Verfassungsänderung diesen drei Sprachgemeinschaften politische Anerkennung und garantierte ihnen kulturelle Autonomie. Eine dreistufige Reform, die in den späten achtziger Jahren begonnen hatte, sollte die finanzielle Autonomie der drei Sprachgemeinden verbessern.
Niederlande:
Die Amtssprache der Niederlande ist Niederländisch. In der nördlichen Provinz Friesland spricht ein großer Prozentsatz der Menschen Friesisch als erste Sprache.
Luxemburg: Die Nationalsprache, das Luxemburgische oder Lëtzebuergische, ist ein moselfränkischer Dialekt des Deutschen. Die beiden anderen offiziellen Sprachen sind Französisch und Deutsch; Französisch ist Gesetzessprache und wird auch an den Gerichten verwendet, das Deutsche ist die Sprache der Presse.
Norwegen:
Es gibt zwei offiziell gleichberechtigte Formen der norwegischen Sprache: die ältere Form, Bokmål („Buchsprache“, früher Riksmål) und Nynorsk („NeuNorwegisch“, früher Landsmål). Das Volk der Sami im Norden von Norwegen spricht Lappisch.
Schweden:
Die Amtssprache ist schwedisch, eine nordgermanische Sprache, die mit dänisch, norwegisch und isländisch verwandt ist. Sie bildete sich im Lauf des 10. Jahrhunderts als eigenständige Sprache heraus. Die Samen sprechen ihre Muttersprache, die finnische Minderheit spricht finnisch.
Finnland:
Die offiziellen Landessprachen sind Schwedisch und Finnisch (seit 1863), das von über 93 Prozent der Bevölkerung gesprochen wird. Dabei handelt es sich um eine finno-ugrische Sprache. Die schwedischsprachige Bevölkerungsgruppe beschränkt sich weitgehend auf die Ålandinseln. Die Lappen sprechen Lappisch, einen finnischen Dialekt.
- Arbeit zitieren
- B. Ciclone (Autor:in), 2000, Einführung in die Sprachwissenschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98710
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