Was geschieht, wenn väterliche Liebe zu Eis erstarrt und die Hilferufe der Kinder ungehört verhallen? Helga M. Novaks erschütternde Kurzgeschichte "Schlittenfahren" entfaltet ein beklemmendes Familiengemälde vor der winterlichen Kulisse eines vermeintlichen Idylls. Zwei Brüder, vertieft in ihr kindliches Spiel, geraten in einen Strudel aus Streit und väterlicher Missachtung. Der Garten mit seinem tückischen Bach wird zum Schauplatz einer emotionalen Eiszeit, in der die Hilflosigkeit der Kinder auf die kalte Gleichgültigkeit des Vaters trifft. Die Erzählung seziert schonungslos die Sprachlosigkeit und emotionale Distanz innerhalb einer Familie, in der Befehle und Drohungen an die Stelle von Zuneigung und Verständnis treten. Novaks minimalistischer Stil, geprägt von parataktischen Sätzen und einer reduzierten Wortwahl, verstärkt die beklemmende Atmosphäre und lässt den Leser die innere Kälte der Figuren spüren. Die fehlenden Gänsefüßchen und Redeankündigungen unterstreichen die Distanz und das Unausgesprochene, das zwischen den Familienmitgliedern steht. Die Geschichte wirft ein Schlaglicht auf die Überforderung von Eltern, die Unfähigkeit, auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen, und die daraus resultierende Gefühlskälte. Ein zeitloses und erschreckend relevantes Werk über die Abgründe familiärer Beziehungen, die Verletzlichkeit der Kindheit und die verheerenden Folgen fehlender Empathie. "Schlittenfahren" ist eine literarische Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der Familie, die den Leser lange nach dem Zuklappen des Buches beschäftigt. Die Themen Erziehung, dysfunktionale Familie, emotionale Vernachlässigung und Kindheit werden hier auf sensible Weise behandelt. Die Kurzgeschichte ist ein Appell, Kinder ernst zu nehmen und auf ihre Bedürfnisse einzugehen, bevor es zu spät ist. Der Winter als Metapher für die Gefühlskälte zieht sich durch die gesamte Erzählung und verdeutlicht die Isolation der Kinder in ihrer eigenen Familie. Die Geschichte regt dazu an, über die eigene Rolle als Elternteil oder Bezugsperson nachzudenken und sich der Verantwortung bewusst zu werden, die man für das Wohlergehen von Kindern trägt. Novaks Werk ist ein wichtiger Beitrag zur Diskussion über die Herausforderungen der modernen Familie und die Bedeutung einer liebevollen und aufmerksamen Erziehung.
1.Inhaltsangabe
In der Kurzgeschichte ,,Schlittenfahren beschäftigt sich die Schriftstellerin Helga M. Novak mit der fehlenden Liebe, die ein Vater gegenüber seinen beiden Söhnen aufbringt.
Ein älterer und ein jüngerer Junge sind an einem Wintertag damit beschäftigt in dem Garten ihres Eigenheimes, durch den ein Bach fließt, Schlitten zu fahren. Allerdings kommt es zwischen den beiden öfter zu kleinen, bei Geschwistern üblichen, Streitereien, bei denen sie sich auch gegenseitig anbrüllen. Daraufhin stürzt der Vater aus dem Haus und droht den Kindern, dass derjenige, der brüllt reinkommen müsse. Aber es bleibt bei den Drohungen und dieselbe Aktion spielt sich immer wieder ab. Bis der ältere der beiden zu schreien anfängt, dass Andreas in den Bach gefallen sei. Daraufhin reagiert der Vater, indem er schreit, wer brülle müsse reinkommen.
2. Erschließung des Textes
Erzählelmente
Die Kurzgeschichte, in der die Konfliktsituation zwischen Vater und Kindern dargestellt wird, behandelt ein durchaus aktuelles Thema in unserer heutigen Gesellschaft. Ihr Aufbau ist chronologisch und alle drei darin handelnden Personen, der Vater und die zwei Jungen, entsprechen sich im Maß an ihrer Wichtigkeit. Die Geschichte spielt sich an einem Wintertag im Garten ihres Eigenheims ab, durch den ein Bach fließt. Dieser wird dem jüngeren Sohn später auch zum Verhängnis.
Handlungsaufbau und Verhaltensweisen der handelnden Personen
Über den Aufbau des Textes lässt sich sagen, dass er sich aus einer Einleitung und einem sich immer wieder wiederholenden sogenannten Antidialog zusammensetzt. Ein Schluss ist nicht vorhanden. Der überraschende und meiner Meinung auch erschreckende Effekt in dieser Geschichte liegt darin, dass der Vater überhaupt nicht auf den Hilferuf seines Sohnes reagiert. Er scheint sich schon soweit von seinen Kindern distanziert zu haben, dass es ihm vollkommen egal zu sein scheint, ob sich jetzt sein Sohn in einer Notlage befindet oder nicht. Diese Gleichgültigkeit lässt sich darauf zurückzuführen, dass er eigentlich seine Kinder überhaupt nicht liebt und somit auch nicht an ihrem Wohlbefinden interessiert ist. Dennoch denke ich, dass wenn man einen Menschen nicht liebt, man ihm trotz dem hilft, wenn er sich in einer Notsituation befindet. Möglicherweise hat er selbst auch noch private Probleme und ist mit der ganzen Situation einfach heillos überfordert. Ihm scheint es nur wichtig zu sein, dass seine Sprösslinge im Garten beschäftigt sind und er sich somit nicht um sie kümmern muss. Seine Rüpelhaftigkeit und eigentlich auch Unbeholfenheit, mit der er versucht seine Kinder dazu zu bringen den Geräuschpegel zu senken, lässt darauf schließen, dass er sich noch nie mit der Erziehung seiner Kinder befasst hat, sei es aus Unlust, Zeitmangel oder weil er einfach die konservative Meinung vertritt, dass Haushalt und der Erziehung in den Aufgabenbereich der Frau fällt. Es überrascht allerdings schon in einer gewissen Weise, dass der Vater eine solch große Gleichgültigkeit gegenüber seinen Kindern an den Tag legt. Die Kinder jedoch suchen eigentlich die Nähe ihres Vaters. Denn er ist die Ansprechperson, als der jüngere in den Bach gefallen ist. Es lässt sich feststellen, dass die Kinder die Drohungen ihres Vaters aber eigentlich keineswegs ernstnehmen, sonst würden sie nicht demonstrativ mit ihrem Geschrei fortfahren. Dies wäre nicht so, wenn der Vater nicht so häufig die Drohung ausgesprochen und sie realisiert hätte.
Sprachliche Gestaltung
Bei der wörtlichen Rede fällt vor allen Dingen die Barschheit auf, mit der sie ausgesprochen wird. Sie stellt eigentlich nur einen Befehl beziehungsweise eine Drohung dar. Der Vater meint dennoch seine Drohungen nicht ernst, denn wie die Situation im Text erscheint, kann es keinesfalls in seinem Interesse liegen, die Kinder bei sich im Haus zu haben. Helga Novak verzichtet auch auf jegliche Gänsefüßchen, Redeankündigungen und Umschreibungen. Damit will sie die Kühle der Beziehung, die zwischen den Personen herrscht erneut hervorheben. Der Text besteht aus einer durchgehenden Parataxe (nur einmal kommt ein Nebensatz vor).
Zudem ist die Parataxe noch asyndetisch aneinandergereiht, was wiederum die Innigkeit und Liebe die in dem Verhältnis fehlen verstärken.
Der im Text verwendete Wortschatz ist sehr einfach. Es kommen keinerlei Fremdwörter darin vor. Die Schlagwörter der Geschichte sind:
Haus, Garten, Schlitten, Tür, Kinder, Mann und Bach. Das Wort Bach tritt zwar nur einmal im ersten Absatz auf und der Leser weiß im ersten Moment eigentlich gar nicht, wieso dieser Begriff auftaucht, doch stellt sich im letzten Absatz heraus, welche Rolle das Gewässer spielt.
Intention der Erz ä hlung
Meiner Meinung nach kommt die Autorin in dem Text auf ein allgemein bekanntes Problem unserer Gesellschaft zu sprechen.
Häufig gestellte Fragen zu ,,Schlittenfahren"
Worum geht es in der Kurzgeschichte ,,Schlittenfahren"?
Die Kurzgeschichte ,,Schlittenfahren" von Helga M. Novak thematisiert die fehlende Liebe eines Vaters gegenüber seinen beiden Söhnen. Sie handelt von zwei Brüdern, die an einem Wintertag Schlitten fahren und sich dabei streiten, woraufhin der Vater mit Drohungen reagiert, die aber wirkungslos bleiben.
Wo spielt die Geschichte?
Die Geschichte spielt an einem Wintertag im Garten des Eigenheims der Familie, durch den ein Bach fließt.
Welche Personen kommen in der Geschichte vor?
Die Geschichte handelt von drei Personen: dem Vater und seinen beiden Söhnen, einem älteren und einem jüngeren Jungen. Alle drei sind im Maß ihrer Wichtigkeit gleichrangig.
Wie ist die Geschichte aufgebaut?
Der Text besteht aus einer Einleitung und einem sich wiederholenden Antidialog. Es gibt keinen expliziten Schluss.
Wie verhält sich der Vater in der Geschichte?
Der Vater reagiert gleichgültig auf die Kinder und deren Streit. Er scheint sich von ihnen distanziert zu haben und reagiert nicht einmal, als der jüngere Sohn in den Bach fällt.
Welche sprachlichen Mittel werden verwendet?
Die wörtliche Rede ist barsch und besteht aus Befehlen und Drohungen. Helga Novak verzichtet auf Gänsefüßchen, Redeankündigungen und Umschreibungen, um die Kühle der Beziehung zu betonen. Der Text besteht hauptsächlich aus Parataxen, die asyndetisch aneinandergereiht sind, was die fehlende Innigkeit verstärkt. Der Wortschatz ist einfach und enthält keine Fremdwörter.
Welche Schlagwörter sind wichtig für die Geschichte?
Wichtige Schlagwörter sind: Haus, Garten, Schlitten, Tür, Kinder, Mann und Bach. Der Bach spielt eine entscheidende Rolle, da der jüngere Sohn hineinfällt.
Welche Intention hat die Erzählung?
Die Autorin thematisiert das Problem, dass Kinder oft von Erwachsenen nicht ernst genommen werden und einen geringen Stellenwert haben. Sie spricht auch die Überforderung vieler Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder an und die daraus resultierende Gefühlskälte.
Wie wird die Beziehung zwischen Vater und Söhnen dargestellt?
Die Beziehung zwischen Vater und Söhnen wird als distanziert und lieblos dargestellt. Der Vater zeigt kein Interesse am Wohlbefinden seiner Kinder und reagiert nur mit Drohungen, ohne auf ihre Bedürfnisse einzugehen.
- Quote paper
- Alexandra Unverdorben (Author), 2000, Novak, Helga - Schlittenfahren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98338