1. Kurzer historischer Abriß der Datenverarbeitung
1.1. Manuelle und mechanische Datenverarbeitung
Als unmittelbare Vorstufe des Rechnens kann man die Beschäftigung mit Anzahlen bzw. das Zählen auffassen. Hilfsmittel waren dafür im Altertum zunächst die Finger später Kerbhölzer, auf Schnüren gefedelte Perlen bzw. Rechenbretter, die wir noch heute unter der Bezeichnung Abacus kennen und von unseren Kindern zum spielerischen Erlernen des Rechnens verwendet werden. Mit diesen Mitteln stellte man Vergleichsmengen bzw. Anzahlen dar. Das germanische Wort "Zahl" bedeutet nicht von ungefähr Kerbholzeinschnitt, Kerbe. Eine wesentliche Grundlage des wirklichen Rechnens sind Zahlensysteme mit deren Hilfe Zahlen durch Zeichen bzw. Zeichenreihen dargestellt werden. Die ersten entstanden vor etwa 5000 Jahren und die bekanntesten sind das Römische Zahlensystem und das zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert unserer Zeitrechnung entstandene Hindu-Arabische Zahlensystem (Dezimalsystem) letzteres zeichnet sich durch die verwendeten zehn Ziffern 0, 1, 2, 3, ..., 9 und das Stellenwertprinzip aus. Gerade dieses Prinzip ermöglicht es, Kindern schon mit 8-10 Jahren die vier Grundrechenarten beizubringen. Wer kann schon Multiplizieren oder gar Dividieren im Römischen Zahlensystem, welches das Additionsprinzip als Grundlage besitzt? Notwendige Voraussetzung für ein Stellenwert- oder Positionssystem ist das Vorhandensein der Null. Sie wurde erst im 5. Jahrhundert u.Z. eingeführt.
1272 entwickelte der spanische Mystiker und Missionar Raimundus LULLUS (1235-1315/16) in seiner "ars magna" die Konzeption einer Denkmaschine. Er war bemüht Glaubensgegner von der Wahrheit der christlichen Lehre zu überzeugen. Eine Maschine wollte er entwerfen, die fähig sein sollte, logische Schlüsse zu ziehen. Durch eine systematische Anordnung der Begriffe wollte er zu einer übersichtlichen Erkenntnis und damit zu einer Beweisführung seiner Glaubenslehre kommen. Damit war der kühne Gedanke in die Welt gesetzt worden, daß es möglich sein könnte, Maschinen mit geistigen Fähigkeiten zu entwickeln. Unter der Bezeichnung der "Lullus`schen Kunst" ist er in die Literatur eingegangen. Zur manuellen Datenverarbeitung zählen wir weiter die diversen Rechentafeln zur Unterstützung der Multiplikation und Division und die vom schottischen Lord NAPIER (oder auch NEPER, 1550-1617) 1614 herausgegebenen 4-stelligen Logarithmentafeln. NAPIER hat etwa 30 Jahre seines Lebens zur Berechnung seiner Tafeln benötigt, ein moderner Personalcomputer (PC) macht es in wenigen Sekunden!
Der englische Astronom und Mathematiker Edmund GUNTER (1569/1581-1626) entwickelte im Jahre 1624 das "Logarithmenlineal", einem direkten Vorläufer des Rechenstabes. Seth PATRIDGE hat um das Jahr 1650 dem Rechenstab die uns bekannte Form gegeben. Im 17. Jahrhundert begannen mehrere Wissenschaftler mit dem Bau von mechanischen Rechenmaschinen.
Der Tübinger Professor der Astronomie und biblischer Sprachen, Wilhelm SCHICKARD (1592-1635), ein Freund KEPLERS (? - ?), entwickelte 1623 die erste Vierspeziesrechenmaschine(+,-,*,/). Es existiert keine von ihm gebaute Maschine mehr, falls überhaupt eine von ihm gebaut wurde. Die Konstruktionsbeschreibung der Maschine ist in einem Brief an KEPLER enthalten. Ein funktionierender Nachbau ist im Deutschen Museum in München zu besichtigen. Auf einer bundesdeutschen Briefmarke aus dem Jahre 1973 ist sie abgebildet.
Der französische Mathematiker und Theologe Blaise PASCAL (1623-1662) baute mit 19 Jahren eine Addiermaschine für 6-stellige Zahlen. Eine von PASCAL gebaute Maschine finden wir im Mathematisch-physikalischen Salon im Dresdener Zwinger. Der deutsche Philosoph und Mathematiker Gottfried Wilhelm LEIBNIZ (1646-1716), ein universelles Genie seiner Zeit, baute ebenfalls Rechenmaschinen, die die 4 Grundrechenarten beherrschten. Er führte dabei das Prinzip der Staffelwalze ein. Trotz imensen Einsatzes von Zeit und Geld ist ihm ein Durchbruch auf dem Gebiet der Rechentechnik allerdings nicht gelungen. 1702 beschäftigte er sich als erster intensiv mit dem binären Zahlensystem , es zählt noch heute zu den Grundlagen der modernen Datenverarbeitung. Rund 400 Jahre nach LULLUS hat LEIBNIZ die "Lullus´sche Kunst" in seinem Entwurf zu einer "Allumfassenden Wissenschaft" aufgegriffen, neu formuliert und vertieft. Er hatte die Vorstellung, daß sich Manipulationen und Beurteilungen von Argumenten in gleicher Weise einem logischen Vorgang unterwerfen ließen wie etwa das Multiplizieren mehrstelliger Zahlen:
"Sind sich zwei Parteien uneinig, sollte man ohne Umschweife sagen können: rechnen wir, um zu sehen wer recht hat."
Zur serienmäßigen Herstellung von mechanischen Vierspeziesrechenmaschinen kam es erst Ende des 18. Jahrhunderts. Ein Hersteller war der deutsche Pfarrer HAHN (1735-1790). Ein neues Zeichen in der Entwicklung der Rechentechnik und Datenverarbeitung setzte Charles BABBAGE (1792-1871) mit der Konzeption der programmgesteuerten Rechenmaschine. Der zwanzigjährige BABBAGE hatte 1812 mit seinem Freund HERSCHEL
- Astronom und Sohn eines Astronomen - Rechnungen zu prüfen, die für die Astronomical Society gemacht worden waren. Immer wieder wurden von ihnen Fehler entdeckt. "Ich wollte es ginge mit Dampf!" soll BABBAGE gestöhnt haben. HERSCHEL soll geantwortet haben: "Das ist gut möglich!". Diese so selbstverständlich gegebene Antwort ließ BABBAGE nicht mehr zur Ruhe kommen. So kam er auf die Idee, zwei zu diesem Zeitpunkt bekannte Einrichtungen zusammenzuführen. Dies waren die Vierspeziesrechenmaschine und der Steuermechanismus automatischer Webstühle mit Hilfe von Lochkarten, der von JosephMarie JACQUARD (1752-1834) im Jahre 1808 entwickelt wurde.
In einem Gedicht über BABBAGE zitiert Hans Magnus ENZENSBERGER einen Ausspruch von Augusta ADA BYRON, Lady Lovelace, einer Mitarbeiterin von BABBAGE:
"Er webt auf seiner Maschine algebraische Muster, so wie der Stuhl von Jacquard Blüten und Blätter webt."
BABBAGE hat seine Maschine nicht zu Ende bauen können. Die Zeit war noch nicht reif dafür, die reine Mechanik wurde zu teuer. Der fertiggestellte Teil seiner imposanten Maschine kann heute im British Museum of Science in Kensington (Stadtteil von London) besichtigt werden. Als BABBAGE 1871 als verkanntes Genie starb, hinterließ er uns neben seiner "Unvollendeten" die im Groben noch heute gültige Grundidee vom Aufbau eines modernen Rechners, der aus:
- einem Speicher (store, für 1000 Zahlen mit 50 Stellen)
- einem Rechenwerk (mill)
- einem Steuerwerk (control)
- einer Eingabe- und Ausgabeeinheit (input/output) besteht.
In unserem Jahrhundert hat der deutsche Bauingenieur Konrad ZUSE im Jahre 1935 die Ideen von BABBAGE aufgegriffen. Die Zeit dazwischen war gekennzeichnet durch die Vervollkommnung der Lochkartentechnik. U.a. stehen dafür die Namen Hermann HOLLERITH (1860-1929) und Frederik BULL (? - ?). HOLLERITH benutzte die Lochkartentechnik zur Auswertung der 11. amerikanischen Volkszählung 1890 und die Firma BULL stellte 1920 die ersten hochwertigen Büro-Lochkartenmaschinen her.
1.2. Elektronische Datenverarbeitung (EDV)
Die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung wird von vielen Autoren in einzelne Etappen, die Generationen genannt werden, eingeteilt. Für die ersten Abschnitte war dies auch recht einsichtig, da die einzelnen Generationen durch die verwendeten Hardwarebausteine bestimmt wurden. Seit etwa 20 Jahren sind die Entwicklungen fließender und durch ein Spektrum von Merkmalen gekennzeichnet.
Tabelle: Übersicht über die ersten 3 Generationen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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- Thomas Matz (Author), 2000, Die Geschichte der Datenverarbeitung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98175
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