Formen der Vergangenheitsbewältigung in der Postmodernen Literatur

Ian McEwan „Atonement“ und Kazuo Ishiguro „The Remains of The Day“


Magisterarbeit, 2010

116 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2. Theoretische Grundlagen
2.1. Problematisierung des Begriffes „Postmoderne“
2.2. Narratologischer Ansatz
2.2.1. Zeit
2.2.2. Modus
2.2.3. Stimme
2.2.4. Der problematische Erzähler - Unzuverlässiges Erzählen
2.3. Theoretische Überlegungen zum Gedächtnis und Erinnern
2.4. Schuld und Sühne - Ein vieldimensioniertes Begriffspaar
2.4.1. Theologisch
2.4.2. Psychologisch
2.4.3. Philosophisch - Ethisch - Moralisch
2.5. Abwehrmechanismen der Psyche

3. Anwendung der Theorie
3.1. The Remains of the Day
3.1.1. Autor und Werk
3.1.2. Zentrale Motive: Würde - Loyalität - Pflicht - Great Butler
3.1.3. Narrative Situation in The Remains of the Day
3.1.3.1. Zeit / Modus / Stimme
3.1.3.2. Butler Stevens als unzuverlässiger Erzähler
3.1.3.3. Sprache und Stil
3.1.4. „I Remain Fascinated by Memory“ Erinnerung und Gedächtnis
3.1.5. Schuld, Verdrängung und Selbst-Betrug bei Stevens
3.1.5.1, Politischer historischer Kontext
3.1.5.2, Privater sozialer Kontext
3.1.6. Sühne und Einsicht bei Stevens
3.1.6.1. Politischer historischer Kontext
3.1.6.2. Privater sozialer Kontext
3.2. Atonement
3.2.1. Autor und Werk
3.2.2. Brionys „crime“ als Folge bestimmter Umstände
3.2.2.1. Das „Zerstörungspotenzial der Fantasie“ Literarische Ambitionen der jungen Briony
3.2.2.2. „Die unheimliche Zone zwischen Kindheit und Erwachsensein“ Die 13-jährige Briony
3.2.3. Narrative Situation in Atonement
3.2.3.1. Zeit / Modus / Stimme
3.2.3.2. Zur Bedeutung metafiktionaler Elemente in Atonement
3.2.3.3. Briony Tallis als unzuverlässige Erzählerin
3.2.3.4. Sprache und Stil
3.2.4. Erinnerung und Gedächtnis in Atonement
3.2.5. Die Schuldfrage bei Briony
3.2.6. Der Sühne-Gedanke bei Briony

4. Zusammenfassung - Fazit

5 Bibliographie

1. Einleitung

Wir sehen, wie in einem durchsichtigen himmelblau klaren See, die verlorenen Tage der Vergangenheit schimmern.

Ach, die glänzende Klarheit täuscht über die Erreichbarkeit der Tiefe!1

Dieser Aphorismus aus Karl Gutzkows „Vom Baum der Erkenntnis“ verweist auf die Pro­blematik, sich der eigenen Vergangenheit zu nähern, und damit gleichermaßen auf den zentra­len Themenbereich dieser Arbeit. Der Blick bzw. der Rückblick auf die persönliche Vergan­genheit, das heißt das Erinnern an Geschehnisse, Begebenheiten und Handlungen, ist stets persönlich geprägt. Die Art und Weise, wie man sich erinnert, Umfang, Tiefe, Klarheit und Eindeutigkeit, was man zulässt, ob bewusst oder unbewusst, ist individuell geprägt und lässt Rückschlüsse auf die erinnernde Persönlichkeit zu. Dies gilt umso mehr, wenn das, woran man sich erinnert, für das sich erinnernde Individuum negativ besetzt ist, wenn es also um persönliche Schuld geht. Die beiden Möglichkeiten, mit ihr erinnernd umzugehen, sind Ver­drängung oder Einsicht und Sühne. Damit ist der Themenbereich der Arbeit nicht nur ge­nannt, sondern auch zugleich eingegrenzt.

Da die Vergangenheitsbewältigung ein zutiefst menschliches Thema ist, wird dieses auch immer wieder zum Gegenstand der Literatur. Der Versuch, Formen des Erinnerns und des Umgangs mit der eigenen Vergangenheit darzustellen, damit also einen wesentlichen Aspekt des menschlichen Lebens zu zeigen, begrenzt sich demzufolge nicht auf eine bestimmte Zeit­spanne oder literarische Epoche. Die angesprochene Problematik soll in dieser Arbeit im Be­reich der postmodernen Literatur untersucht werden. Da der Darstellungsumfang einer derar­tigen Arbeit beschränkt ist und eine Vielzahl von Werken die Möglichkeit bieten, zum Ge­genstand der Analyse zu werden, ist es notwendig, eine Auswahl zu treffen. Die beiden unter­suchten Werke „ The Remains oft the Day “ von Kazuo Ishiguro und „ Atonement “ von Ian McEwan wurden ausgewählt, da sie nicht nur Werke der Gegenwart sind, sondern in ihnen auch die Thematik der Vergangenheitsbewältigung literarisch dargestellt bzw. aufgearbeitet wird. Auch spielt in ihnen die Erinnerung, ebenso wie die Frage nach Schuld und Verdrän­gung sowie Sühne und Einsicht eine zentrale Rolle. Die Arbeit setzt sich demnach zum Ziel, die Aspekte Schuld und Verdrängung bzw. Sühne und Einsicht als Formen der Vergangen­heitsbewältigung in der postmodernen Literatur am Beispiel der genannten Werke zu analy­sieren und aufzuzeigen.

Die Struktur der Arbeit setzt sich aus drei Teilen zusammen. Im ersten Teil werden wesentli­che theoretische Aspekte bzw. Grundlagen aufgezeigt, um ein Instrumentarium zu erhalten, mit dessen Hilfe es möglich ist, die beiden Werke bezüglich ihrer Inhalte und ihrer erzähl­technischen Merkmale auf die Problemstellung hin zu untersuchen. Dabei wird ebenfalls eine Auswahl vorgenommen, sodass ausschließlich theoretische Elemente verwendet werden, die dazu dienen, die Zielsetzung zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist die Interdisziplinari­tät als ein wichtiges Kennzeichen dieser Arbeit zu nennen, da die Ausgangsfrage mit Hilfe von Ansätzen und Denkweisen aus den Bereichen der Religion, der Philosophie und der Lite­raturwissenschaft, aber auch aus sogenannten lebenswissenschaftlichen Bereichen, wie z. B. der Medizin, beantwortet werden soll. Hinsichtlich einer Legitimierung dieser Vorgehenswei­se kann auf die Aussage von Jacques Derrida in seinem Aufsatz „Diese merkwürdige Institu­tion namens Literatur“ verwiesen werden, in dem er anmerkt: „[d]er literarische Text sei da­durch gekennzeichnet, dass er seinen Bezug auf die reale Welt (die Möglichkeit einer Trans­zendenten’ Lektüre, seine Referenz) nicht leugne [...]“2. Im zweiten Teil der Arbeit stehen die beiden Romane im Mittelpunkt der Untersuchung. Die zuvor erarbeiteten und dargestellten theoretischen Ergebnisse werden dabei als Grundlage der Analyse genutzt. Ziel ist es, aufzu­zeigen, auf welche Art und Weise die beiden Autoren das Thema Vergangenheitsbewältigung literarisch umgesetzt haben. Im dritten Teil wird die Gesamtheit der gewonnenen Ergebnisse thesenartig zusammengefasst, um letztendlich hinsichtlich der Problemstellung der Arbeit Antworten geben zu können und dieser gerecht zu werden.

Die Überschrift dieser Arbeit vermittelt zunächst den Eindruck, dass es möglich ist, die bei­den Werke ohne Probleme der Epoche der Postmoderne zuzuordnen. Da es jedoch schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist, eine genaue Definition des Begriffs „Postmoderne“ zu erhal­ten, werden zunächst literarische Merkmale und Eigenheiten erörtert, die mit ihr in Verbin­dung gebracht werden können. Ziel ist es, sich dem Begriff im Sinne einer Definition so weit wie möglich zu nähern, um damit die Möglichkeit zu erhalten, die beiden Werke einzuordnen. Folgend werden narrative Aspekte erarbeitet, die eine erzähltheoretische Analyse der beiden Werke ermöglichen. Im Rahmen der Kategorie „Zeit“ erlauben die Unterpunkte „Ordnung“ und „Dauer“ die Bewertung der Zeitverhältnisse in den Werken. Im nächsten Schritt wird auf die Kategorien „Modus“ und „Stimme“ eingegangen, um eine Analysegrundlage für die Fra­gen „Wer spricht?“ und „Wer sieht?“ zu haben. Mit Hilfe der zuvor gewonnenen Erkenntnis- se, wird die Frage nach der (Un-) Zuverlässigkeit des Erzählers anschließend erörtert, nicht zuletzt deshalb, weil dieser Aspekt im Roman von Kazuo Ishiguro eine überaus zentrale Rol­le spielt.

Da sowohl Stevens als auch Briony versuchen, ihre Vergangenheit in Form von Erinnerung aufzuarbeiten, ist es notwendig, sich mit der Thematik Gedächtnis/Erinnerung auseinanderzu­setzen. Besonderes Augenmerk gilt hierbei der Problematik, inwiefern man von einer authen­tischen, objektiven Erinnerung sprechen kann und welche Faktoren das Erinnern und Einspei­chern beeinflussen. In diesem Zusammenhang wird auch kurz auf die Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses eingegangen. Der Themenkomplex wird abgeschlossen mit Aus­führungen zur Thematik „autobiographisches Schreiben“ sowie zum confessional writing.

Schuld und Sühne spielen bei der Vergangenheitsbewältigung von Stevens, besonders jedoch von Briony eine wichtige Rolle, weshalb im nächsten Schritt beide Begriffe näher beleuchtet werden. Dies geschieht aus verschiedenen Perspektiven, aus theologischer, psychologischer sowie philosophischer Sicht. Der theoretische Teil der Arbeit wird abgeschlossen, indem Ab­wehrmechanismen der menschlichen Psyche vorgestellt werden. Damit kann die Frage be­antwortet werden, ob und inwieweit Stevens und Briony ihren Abwehrmechanismen unterlie­gen oder ob sie einen selbstverantwortlichen Umgang mit ihrer Schuld pflegen.

Der Hauptteil beschäftigt sich mit Kazuo Ishiguros The Remains of the Day sowie mit Ian McEwans Atonement. Es wird analysiert, wie die Figuren Stevens und Briony ihre Vergan­genheit in Form von Erinnerung zu bewältigen versuchen. Dabei kommen die zuvor erarbeite­ten Kategorien zur Anwendung.

Zum besseren Gesamtverständnis werden zunächst der Autor sowie das jeweilige Werk kurz vorgestellt. Anschließend werden zentrale Motive der beiden Werke erörtert, da diese wichti­ge Hinweise für die Beurteilung der Schuld von Stevens und Briony liefern. Für die narrato- logische Analyse von The Remains of the Day und Atonement werden die zuvor im ersten Teil erarbeiteten theoretischen Aspekte genutzt. Bei Ishiguros Werk ist ein wesentlicher Punkt der Analyse das unzuverlässige Erzählen von Stevens, während bei McEwans Werk besonders die metafiktionalen Elemente thematisiert werden. Nachdem danach auf die sprachlichen Ei­genheiten der Werke bzw. der Figuren eingegangen wird, werden die zuvor erarbeiteten Theorien zu den Themen Erinnerung/Gedächtnis, sowie Schuld und Sühne auf die beiden Figuren bezogen.

Im letzten Teil der Arbeit, der Schlussbemerkung, werden die zuvor erarbeiteten Ergebnisse zusammengefasst. In Form eines Fazits gibt der letzte Teil dieser Arbeit Antworten auf die zentrale Fragestellung „Schuld und Verdrängung - Sühne und Einsicht Formen der Vergan­genheitsbewältigung in der postmodernen Literatur“ .

2. Theoretische Grundlagen

2.1. Problematisierung der Bezeichnung „Postmoderne“

Spricht man über den Begriff „Postmoderne“, so muss man sich dessen elementaren Wesens­zug vor Augen halten - es existiert keine allgemeingültige, absolute Definition. Daraus folgt, es gibt eine Fülle verschiedenartiger Interpretationsansätze, eine einzige, allumfassende Er­klärung ist nicht angemessen bzw. ausreichend3. Vor dem Hintergrund dieser differierenden Sichtweisen erklärt Linda Hutcheon: „Few words are more used and abused in discussions of contemporary culture than the word ,postmodernism'“4. Verschärfend fügt sie hinzu „[...] postmodernism is a phenomenon whose mode is resolutely contradictory“5. Weiterhin betont Hutcheon die mitunter widersprüchlichen Definitionsansätze des Begriffs „Postmoderne“; der Begriff ist nur schwer (be-) greifbar. Analog zu Hutcheon hebt Thomas Docherty den Miss­brauch, bzw. weniger radikal ausgedrückt, die unzulängliche Anwendung des Begriffs sowie dessen Aktualität in kulturellen Diskursen hervor: „[...] ,postmodern' has become one of the most insistently used terms in the cultural debates of recent years, it is a term which has often been used with a great deal of imprecision“6. Verallgemeindernde Ansätze werden der Kom­plexität und weitgreifenden Sphäre des Begriffs nicht gerecht, sie sind „[...] populist, rather superficial and essentially misleading characterisations of the postmodern“7. Zusammenfas­send lässt sich sagen: Kein Aspekt in Bezug auf den Begriff Postmoderne ist unstrittig und frei von kontroverser Diskussion.

Abgesehen von den zum Teil divergierenden und ambivalenten Konnotationen zum Begriff „Postmoderne“ trägt auch das Wort an sich unter linguistischer Betrachtungsweise nicht zur Klärung der begrifflichen Unklarheiten bei. Im englischen Sprachgebrauch ist zu unterschei­den zwischen „postmodernism“ und „postmodernity“. Während ersteres als „[...] cultural no­tion [...] and its inherent relationship to modernism“8 zu sehen ist, bezeichnet „postmodernity“ die „[...] designation of a social and philosophical period or ,condition'“9. Dieser Annahme folgt Docherty: Er tituliert „postmodernism“ als ästhetischen Stil, während „postmodernity“ als politische und kulturelle Realität gelten soll10. Weiteren Grund zur Unklarheit liefert das Präfix „post“ und sein Bezug zum Wortstamm „Moderne“: Wenn der lateinische Begriff „post“ in seiner deutschen Übersetzung „nach“ benutzt wird, dann würde man damit eine „[...] period ,after modernism'“11 bezeichnen. Aus einer derartigen Begriffsdeutung ergibt sich jedoch zwangsläufig die Frage, ob und inwieweit die zentralen Ideen und Konzepte der Moderne weitergeführt werden oder ob es sich nicht um eine andere Form handelt, die sogar als Gegenbewegung gelten könnte. Diese Problematisierung wird insofern bestätigt, da „[...] opinions vary as to whether it [postmodernism] is entirely distinct from modernism or differs from it only in degree“12.

Unter linguistischer Betrachtung des Wortes „postmodern“ ergibt sich ein weiteres Parado­xon13: Im herkömmlichen Sprachgebrauch steht „modern“ für (neu)zeitlich, gegenwärtig, aktuell, zeitgemäß. Demnach impliziert das Wort „postmodern“ einen Zustand nach dem ge­genwärtigen Jetzt. Der oxymoronische Aspekt exemplifiziert sich nun darin, dass etwas, das jetzt existiert, der Zukunft zugeordnet wird, also einem Zeitpunkt nach der Gegenwart. In diesem Widerspruch lässt sich jedoch ein zentrales Charakteristikum der Postmoderne heraus­lesen, nämlich das Infragestellen von Sinn und Bedeutung, von Realität und absoluter Wahr­heit: Ray verweist auf die „[...] strangeness [in Bezug auf den Widerspruch im Wort „post­modern“] corresponding perhaps to the radical break with traditional assumptions about mea­ning which the postmodern situation has affected“14. Trotz der dargestellten begrifflichen Un­klarheiten, ist es für diese Arbeit unerlässlich, den Begriff „Postmoderne“ zu verwenden. Ziel kann es daher nur sein, sich einer Definition zu nähern. Dies wird erreicht, indem wesentliche Aspekte aus verschiedenen Theorien herausgegriffen und auf die beiden Werke angewandt werden.

Es gibt kaum ein Feld intellektueller Bemühungen, welches nicht von postmodernen Nuancen geprägt ist. Die Interdisziplinarität wird auch dann deutlich, wenn man sich folgende Einord­nung vor Augen führt: „It [Postmoderne] leaves ist traces in every cultural discipline from architecture to zoology, taking in on the way biology, forestry, geography, history, law, litera­ture and the arts in general, medicine, politics, philosophy [...]“15. Auf dem Weg zu einem weniger diffusen Verständnis des Begriffspaares „postmoderne Literatur“ soll zunächst ein allgemeiner Überblick über den literarischen Kontext des zwanzigsten Jahrhunderts gegeben werden16.

Ebel nimmt eine allgemeine Unterteilung in realist novel und experimental novel vor, zu wel­cher neben der modernist novel die postmodern novel zählt. Der postmoderne Roman „[...] which ostentatiously deviates from the received ways of representing reality - either in narra­tive organization or in style, or in both - to heighten or change our perception of that reali­ty“17 steht damit im Kontrast zur realist novel. Für Hutcheon impliziert Postmoderne „[...] a questioning of what reality can mean and how we can come to know it“18. Weiterhin präsen­tieren postmoderne Werke keine oberflächliche Wahrheit19, vielmehr geht es um eine „[...] 'more accurate' depiction of ,reality' by portraying a subjective interiour world“20. Truth ist ein fragiles, schemenhaftes Konzept in der postmodernen Literatur; es gibt keine ultimativen Lösungen, allgemeingültigen Theorien und endgültige Antworten. Das Streben nach Sinn und Bedeutung verkommt in einer abstrusen, bedeutungsfreien Welt zur Redundanz, die Sinnsu­che wird von postmodernen Werken förmlich parodiert. Neben der absoluten reality und truth negiert die Postmoderne auch jegliche Art von Grenze und Begrenzung.

Der Verweis auf die essentiellen Eigenheiten postmoderner Romane erlaubt zumindest einen allgemeinen Definitionsversuch. Neben der Ablehnung traditioneller mimetischer Formen21 sind folgende inhaltliche und konzeptuelle Merkmale omnipräsent: „[...] problematization of the reference to reality, intertextuality, metafiction, the mixture of genres [...]“22. Eine umfassendere Zusammenstellung von postmodernen Wesenszügen liefert D'haen mit folgenden Schlagworten : „Self-reflectiveness, multiplicity, discontinuity, parody, dissolution of character and narrative instance,the erasure of boundaries, the de-stabilization of the rea- der“23. Auf einige dieser Merkmale wurde bereits eingegangen; nachfolgend werden weitere essentielle Attribute näher beleuchtet, sodass der Literaturbegriff der Postmoderne greifbarer wird. Individuelle Werke stehen im Gesamtzusammenhang der literarischen Tradition, „[...] Intertextuality [...], the conscious and deliberate use of borrowings from other texts, is anotherpostmodernist hallmark“24. Dies kann eine Bezugnahme oder ein Verweis auf ein anderes In: Theo D'haen; Hans Bertens (Hg.), British Postmodern Fiction (Amsterdam u.a.: Rodopi, 1993), S.36f dernist hallmark“16. Dies kann eine Bezugnahme oder ein Verweis auf ein anderes literari­sches Werk sein, ebenso wie die Adaption eines sprachlichen oder konzeptuellen Stils oder die Diskussion bereits vorhandener Literatur. Ebel verweist weiterhin auf metafiction17, also die eindeutige Entlarvung eines literarischen Werks als artifizielles, fiktives Konstrukt. Durch diese Technik erschafft der postmoderne Roman „[...] levels of fiction and ,reality' and que­stions the Realist assumption that truth and reality are absolutes“18. Wichtig ist ebenfalls, dass postmoderne Literatur traditionelle Formen und Techniken verwendet19, diese zur gleichen Zeit jedoch untergräbt und ad absurdum führt, zum Beispiel in Form von irony, parody, pa­stiche und playfulness.20 Deutlich wird hier die Ablehnung von Konventionen und verallge­meinernden Tendenzen. Im Hinblick auf die Ausgangsfrage dieses Kapitels soll im Folgenden geklärt werden, ob The Remains of the Day21 und Atonement als postmoderne Literatur zu bezeichnen sind und wie der Begriff „Postmoderne“ für diese Arbeit verstanden wird.

Atonement lässt sich im weitesten Sinne als historischer Roman bezeichnen, „[...] that has as its setting a period of history and that attempts to convey the spirit, manners, and social condi­tions of a past age “22. Abgesehen vom Postskript/Epilog findet die Handlung in der Vergan­genheit statt; die Charaktere sowie die Ereignisse stehen unter dem Einfluss der damaligen sozialen Bedingungen (Klassensystem) sowie politischer Ereignisse (Zweiter Weltkrieg). Weiterhin kann McEwans Werk als reflexive novel bezeichnet werden. Self-reflexiveness of­fenbart sich in der Beschreibung des Entstehungs- bzw. Schreibprozesses von Atonement (von Kapitel 1-3). Wie sich im Epilog herausstellt, unterzog die „spätere“ Briony (als Autorin) dem ursprünglichen Text einen fortlaufenden Prozess der Um-Schreibung bzw. Änderung. Die damit exemplifizierten metafiktionalen Tendenzen, das heißt, die Selbstbezüglichkeit der Li­teratur beziehungsweise dessen Fiktionalität, lassen Atonement im Licht postmoderner Litera­tur erscheinen. Damit einher geht die postmoderne, nicht endgültig zu beantwortende Frage nach truth und reality. Ebenso wichtig ist die Thematisierung der Suche nach „[...] coherent structures of meaning and orientation in a (post)modern world characterised by a loss of hori­zon and the absence of ultimate truth“23. Szenen werden in Atonement von verschiedenen In­stanzen unterschiedlich erzählt und interpretiert. Die postmodernen Wesenszüge „multiper­spektivisches Erzählen“ und „Ablehnung eine absoluten Wahrheit“ werden hier kombiniert: „Through the use of multiperspectivity, it becomes clear that there is no ultimate truth [...]“24. Ein weiteres Merkmal der Postmoderne ist McEwans gehäufter Gebrauch von intertextuality, das heißt, Atonement „[...] is replet with numerous allusions to other writers and books“25. Weiterhin kann der Roman auch als Beispiel für doppel-registriges Schreiben gelesen werden, da sich traditionelle literarische Formen mit innovativen postmodernen Tendenzen vereini- gen.26 Kindlers Literatur Lexikon nennt als Beispiele des Traditionellen „[...] das Festhalten an klar konstruierten Figuren im Rahmen einer Liebesgeschichte sowie an der historischen, sozialen, entwicklungspsychologischen und vor allem moralischen Thematik“27. Es bleibt jedoch kritisch zu hinterfragen, ob die von McEwan gebrauchten traditionellen Wesenszüge nicht auch auf postmoderne Art verarbeitet und damit untergraben wurden.28 Das doppelregi- strige Wesen von Atonement wird deutlich, wenn man sich neben den traditionellen dessen postmoderne Eigenheiten vor Augen führt: Postmodern ist [...] neben der Volta des Postskripts, die hochgradig ästhetische Selbstbezüglichkeit des Romans, die sich u.a. in Überlegungen zum Wahrheitsgehalt von Literatur [...] und zahlreichen weiteren intertextuellen Bezügen manifestiert, vor allem aber die Radikali­sierung der Problematik subjektiv-unzuverlässigen Erzählens29.

Laut Caroline Patey, „The Remains of the Day is inambiguously reminiscent of several classi­cal narrative patterns“30. Butler Stevens begibt sich in Remains auf die Reise; dies impliziert sowohl die physische Tour durch Englands Süden als auch dessen Reise in seine eigene Ver­gangenheit in Form von Erinnerungen. Auf dieser Tour findet Stevens (mehr oder minder) zu sich selbst; im Sinne eines Bildungsromans wird sein „[...] moral and psychological develop­ment“31 beschrieben32. Petry verweist in diesem Zusammenhang außerdem auf die Parallele zum Thema „[...](educational) travel [...]“33 der picaresque novel in der Literatur des acht­zehnten und neunzehnten Jahrhunderts34. Auch kann Ishiguros Werk in der Tradition der eng­lischen „[...] middle-class detective story [...] 35 sowie der country house novel gelesen wer­den. Das ehrwürdige Landhaus unter aristokratischer Herrschaft spielt besonders in der Erin­nerung des Butlers eine wichtige, vor allem auch symbolische Rolle und ist der zentrale Handlungsplatz. Die Reisebeschreibung in der Romangegenwart 1956, die mitunter wie Ta­gebucheinträge inklusive Tag-, Orts- und Zeitangaben anmutet, kann außerdem als traveloque bzw. journal de voyage36 gelten. All diese Reminiszenzen implizieren deutliche intertextuelle Bezüge in Ishiguros Werk37, was als postmoderner Wesenszug zu deuten ist. Remains „[...] is composed of several intertexts [...] the description of the journey in the tradition of the travel diary and the debate on what makes a great butler great, in the style of argumentative pro- se“38. Dagegen lässt sich David Lodges Aussage in Bezug auf Remains anführen, der Ishigu­ros Werk, welches nicht “[...] from the conventions of modern realistic narrative“39 abweicht, im Kontext der realist novel sieht: Remains ist „[...] written wholly in the discourse mode of traditional realism, employing [...] first-person character-narrators [...] designed to create an illusion of the reality of the story that is not fundamentally challenged or questioned within the text40. Diese Annahme ist jedoch stark anzuzweifeln, da sich Stevens im Laufe der Hand­lung zusehends als unreliable narrator entlarvt und dessen Lebenslüge peu ä peu zum Vor­schein kommt. Lodges These muss auch insofern kritisch hinterfragt werden, da Remains, wie bereits aufgezeigt, mannigfache Genres der englischen Literaturhistorie verarbeitet41. Dies geschieht jedoch auf typisch postmoderner Art, das heißt, ironisierend, untergrabend und sub­versiv. Patey schreibt in diesem Zusammenhang: Ishiguro durchsucht die reichhaltigen Mög­lichkeiten „[...] of British literary memory, and catches some of ist most typical and best loved items. But, heaping them up in the same narrative framework, he subverts their mea­nings, undermines their image and neutralizes their Britishness“42. Laut Ebel lässt sich Re­mains auch als metahistorical novel bezeichnen43, was Ishiguros Werk umso mehr im post­modernen Licht erscheinen lässt.

Die Ausführungen in diesem Kapitel haben bestätigt, dass der Begriff „Postmoderne“ äußerst diffus ist und es keine allgemeingültige Definition für dieses Konzept gibt, was wiederum an sich eines seiner zentralen Merkmale ist, nämlich die Negierung der absoluten Wahrheit. Wei­terhin wurde aufgezeigt, dass sowohl Atonement als auch Remains zentrale Charakteristika postmoderner Literatur aufweisen, es jedoch nicht möglich (Vgl. Lodge, Fußnote 47 vs. Pa- tey/Petry, Fußnote 50) ist, eine eindeutige Zuordnung vorzunehmen. Aufgrund dessen soll das Label „postmoderne Literatur“ in dieser Arbeit in zweifacher Hinsicht verstanden werden: Einerseits im Sinne einer zeitlichen Eingrenzung, als Synonym für „zeitgenössisch“. Anderer­seits in Bezug auf wesentliche Aspekte postmoderner Literatur. Hans-Peter Wagners Heran­gehensweise trifft diese Annahme im Kern: „Postmodernism [...] can be used at least in two ways - firstly, to give a label to the period after 1968 [...] and secondly, to describe the highly experimental literature [...]“44.

Nachdem nun geklärt wurde, inwiefern der Begriff „Postmoderne“ in dieser Arbeit verwendet wird, werden im nächsten Schritt die narratologischen Grundlagen erarbeitet, mit deren Hilfe die beiden Primärwerke untersucht werden. Hierbei wird eine Unterteilung vorgenommen in die Kategorien Zeit, Modus und Stimme, ehe nachfolgend zentrale Theorien des unzuverläs­sigen Erzählens dargestellt werden.

2.2. Narratologischer Ansatz - Das „Wie“ einer Erzählung

Die Narratologie - oder auch Erzähltheorie - setzt sich mit der Theorie des Erzählens ausein­ander und liefert „[...] allgemeine texttheoretische Überlegungen und entsprechend begründe­te Kategorien und Verfahren“45, die eine fundierte Analyse von Erzähltexten erlauben. Es lassen sich zwei Kategorien unterscheiden46: Das „Was“ einer Erzählung widmet sich dem Erzählten selbst, das heißt der Geschichte und der erzählten Welt. Dieser Aspekt wird jedoch im weiteren Verlauf ausgeblendet, da er keine wertvollen Ansatzpunkte bietet, die eine Annä­herung an die Ausgangsfrage nach den Formen der Vergangenheitsbewältigung bei Briony Tallis und Butler Stevens ermöglichen würde. Hilfreicher ist die Frage nach dem „Wie“ einer Erzählung: Hierbei handelt es sich um die Analyse der Erzählform, also der Art und Weise der Präsentation. Es werden die Aspekte dargestellt, die ein besseres Verständnis der beiden Primärwerke im Hinblick auf die zentrale Frage dieser Arbeit ermöglichen. Auch wenn selbst Gérard Genette zugibt, dass die narratologischen Verfahren für ihn „[...] nicht über jeden Einwand erhaben [sind]: es [gehe] wie so oft darum, zwischen verschiedenen Nachteilen ab­zuwägen“47, ergeben sich dank der Erzähltheorie Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage nach Verdrängung, Schuld, Einsicht und besonders der (Un-) Zuverlässigkeit der Erzähler. Corinna Dehne legitimiert diese Vorgehensweise: In Bezug auf Erzählungen von Geschichte und Gedächtnis „[...] haben sich dabei einerseits die Konzeption der Erzähl- und Wahrneh­mungsinstanzen bzw. deren taktische Verwendung, andererseits Aspekte der Zeitgestaltung [als bedeutend] erwiesen, insbesondere der Umgang mit der Chronologie“48.

2.2.1. Zeit

Die narratologische Analyse von Zeitverhältnissen in einer Erzählung untersucht die Relation der Zeit des Erzählten und der Zeit des Erzählens. In jeder Erzählung herrscht Zeitdualität, also die Koexistenz von zwei zeitlichen Ebenen, der erzählten Zeit (Zeit der Geschichte) und der Erzählzeit (Zeit des Erzählens); diese Dualität impliziert Zeitverzerrungen49. Gérard Ge­nette baut diesen Ansatz weiter aus, er orientiert sich an den Stichworten Ordnung, Dauer und Frequenz.

Die Kategorie Ordnung widmet sich der Frage, in welcher Reihenfolge das Geschehen in ei­ner Erzählung vermittelt wird, also ein Vergleich zwischen der Abfolge der Ereignisse im narrativen Diskurs und der Anordnung derselben in der Geschichte50. Genette führt in diesem Zusammenhang den Begriff der narrativen Anachronien ein, also „[...] Formen von Disso­nanz zwischen der Ordnung der Geschichte und der Erzählung“51. Diese „[...] discrepancy between story-order and text-oder[...]“52 kann in zwei grundsätzlichen Formen53 auftreten: Als Analepse, also Rückwendung oder Retrospektion, bezeichnet man die nachträgliche Er­wähnung von Ereignissen, die innerhalb der Geschichte zu einem früheren Zeitpunkt stattge­funden haben, als dem bereits erreichten. Dem gegenüber steht die Prolepse. Diese Antizipa­tion bezeichnet „[...] jedes narrative Manöver, das darin besteht, ein späteres Ereignis im vor­aus zu erzählen oder zu evozieren“54. Hierbei ist zwischen Reichweite und Umfang zu unter­scheiden, sowohl für Analepsen als auch für Prolepsen. Ersteres bezeichnet den zeitlichen Abstand zwischen dem gegenwärtigen Augenblick der Geschichte und der Rückwendung bzw. Vorausdeutung. Unter dem Umfang der Anachronie versteht man „[...] die im Rahmen des entsprechenden Einschubs erfaßte, mehr oder weniger lange Dauer der Geschichte“55.

Die Kategorie Dauer untersucht das Verhältnis von erzählter Zeit der Geschichte und Erzähl­zeit. Hierbei ist die Erzählgeschwindigkeit die entscheidende Größe, die sich definiert durch das Verhältnis zwischen der Dauer der Geschichte (in zeitlichen Kategorien gemessen; von Sekunden bis hin zu Jahren) und der Länge des Textes (in räumlichen Kategorien gemessen, z.B. Zeilen und Seiten)56. Liegt eine annähernde Übereinstimung von erzählter Zeit und Er­zählzeit vor, wovon man etwa bei der Figurenrede innerhalb eines Dialogs ausgehen kann, spricht man von zeitdeckendem Erzählen, einer Szene57. Im Falle einer Inkongruenz von die- getischer Dauer und der Dauer der Erzählung handelt es sich um eine Anisochronie, die förm­lich konstitutiv für Erzähltexte ist58. Unter diese Kategorie fallen die Dehnung, bei welcher die Erzählzeit deutlich länger ist als die Zeit, die das Ereignis selbst beansprucht, sowie die Raffung, jenes summarische Erzählen, bei dem die Erzählung kürzer ist als das Geschehen. Außerdem gehören dazu noch zwei Extremformen: Stark verringert „[...] wird das Erzähltem- po im Fall der Pause“59, bei der das Geschehen still steht. „Diese kann insofern als der Ge­gensatz zur Ellipse verstanden werden, wo das Aussparen von erzählter Zeit das Erzähltempo maximal beschleunigt“60.

2.2.2. Modus

Diese Kategorie analysiert die Fokalisierung des Erzählten sowie den Grad an Mittelbarkeit, die Distanz. Martinez/Scheffel nennen eine Erzählsituation, in der „[...] die Mittelbarkeit einer Erzählung in den Vordergrund [rückt] und den Eindruck eines gewissen Abstands zum erzähl­ten Geschehen [hervorruft] [...]“61 narrativen Modus, welcher bei der Erzählung von Ereig­nissen in der Regel vorherrscht. Diese größere Distanz wird zum Beispiel bei der erzählten Figurenrede deutlich, besonders wenn in Form einer Raffung der sprachliche Akt bloß er­wähnt wird. Der zweite Parameter, der dramatische Modus, impliziert dagegen eine unmittel­bare Präsenz; die Vermittlungsinstanz rückt in den Hintergrund, was besonders bei der zitier­ten Rede zutrifft.

Das Analysekriterium Fokalisierung richtet sich nach der Frage „Wer sieht?“, also der Wahr­nehmung der erzählten Welt und stellt ein weiteres Werkzeug zur „[...] Regulierung der narra­tiven Information [...]“62 dar. Falls das Erzählte durch eine neutrale Außenansicht präsentiert wird, ist die wahrnehmende Instanz identisch mit dem Erzähler (narrator focalizer). „Der Erzähler sagt weniger, als die Figur weiß“63, man spricht von externer Fokalisierung. Von interner Fokalisierung ist die Rede, wenn sich die wahrnehmende Instanz (hier: character focaliser) auf der Handlungsebene befindet; das Wissen des Erzählers ist auf das Wissen der Figur begrenzt. Wenn die Wahrnehmung der Figuren überschritten wird, der Erzähler (in der Regel ein allwissender Erzähler) mehr weiß bzw. sagt, „[...] als irgendeine der Figuren weiß, bzw. wahrnimmt“64 handelt es sich um eine Nullfokalisierung. Von multiperspektivischer Fokalisierung spricht man, wenn das Geschehen im Verlauf der Handlung von verschiedenen Instanzen wahrgenommen wird.

2.2.3. Stimme

Diese dritte Kategorie beantwortet die Frage „Wer spricht?“. Dies beinhaltet den Ort und die Person des Erzählers, das heißt, den „[...] Akt des Erzählens und damit neben der Person des Erzählers auch das Verhältnis von Erzähler und Erzähltem sowie von Erzähler und Le- ser/Hörer“65. Im Sinne der Ausgangsfrage beschränke ich mich auf zwei Kriterien, die im Folgenden vorgestellt werden sollen.

Gemeinhin haben narrative fiktionale Texte mehrere Orte bzw. Ebenen des Erzählens. Genet­te beschreibt den daraus resultierenden Ebenenunterschied treffend: „Jedes Ereignis, von dem in einer Erzählung erzählt wird, liegt auf der nächst höheren diegetischen Ebene zu der, auf der der hervorbringende narrative Akt dieser Erzählung angesiedelt ist“66. Daraus ergeben sich folgende Unterteilungen: Die erste Ebene, also die Erzählung des Rahmenerzählers, be­zeichnet man laut Genette als extradiegetisch. Die darin eingelagerte Binnenerzählung (er­zähltes Erzählen) ist auf der intradiegetischen Ebene anzusiedeln ehe die nächste Stufe meta- diegetisches Erzählen repräsentiert. Diese Reihenfolge lässt sich beliebig fortsetzen. Kommt es nun zu einem Grenzüberschritt zwischen zwei Ebenen (extra- bzw. intradiegetisch, der Rahmen- bzw. der Binnenerzählung), wie Wolf es nennt zu einem narrativen Kurzschluss67, so handelt es sich um eine narrative Metalepse, die besonders in metafiktionalen Werken von Bedeutung ist.68

Das zweite Kriterium beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit der Erzähler in der Handlung involviert ist. Wenn die grammatikalische erste Person dominiert, der Erzähler als Figur in der erzählten Geschichte anwesend ist, spricht man von einer homodiegetischen Erzählung; den Extremfall stellt hier die autodiegetische Erzählung dar, in welcher der Erzähler gleich­zeitig die Hauptfigur ist, so etwa in einer Autobiographie. Eine Erzählung indes, in welcher die dritte Person dominiert und „[...] der Erzähler in der Geschichte, die er erzählt, nicht vor­kommt, abwesend ist“69, definiert man als heterodiegetisch. Hier gibt es kein erlebendes, son­dern nur ein erzählendes Subjekt.

Mit der Einführung der Typologie Erzählsituationen berücksichtigt Franz K. Stanzel den Ein­fluss der Stimme auf den Modus und unterteil diese in drei typische Formen. In einer Ich- Erzählsituation ist der Erzähler eine der Figuren, d.h. „[...] es besteht volle Identität zwischen der Welt der Charaktere und der Welt des Erzählers“70. Die Erzählweise ist berichtend, ei­gentlich, diegetisch, mittelbar, also mit Distanz71. Diese Eigenschaften lassen sich auch auf die auktoriale Erzählsituation anwenden, in welcher ein allwissender Mittelsmann aus der Außenperspektive vermittelt. Dem gegenüber steht Stanzels dritte Kategorie, die personale Erzählsituation, bei der auch aus der Perspektive einer beteiligten Figur berichtet wird, jedoch in der dritten Person und ohne die Einmischung eines Erzählers. Diese mimetische, szenische Darstellung in Analogie zum englischen Terminus showing impliziert geringe Distanz. Für Stanzel ist die Unmittelbarkeit das herausragende Merkmal dieser Erzählsituation. Der Leser blickt „[...] mit den Augen [einer] Reflektorfigur auf die anderen Charaktere der Erzählung. Weil nicht ,erzählt' wird, entsteht in diesem Fall der Eindruck der Unmittelbarkeit der Dar­stellung.“72

Mit Hilfe dieser theoretischen Anhaltspunkte lassen sich die beiden Primärwerke auf narrato- logische Eigenheiten untersuchen. Auch die Theorien des unzuverlässigen Erzählens liefern wichtige Erkenntnisse in Bezug auf die Vergangenheitsbewältigung der Figuren Briony und Stevens. Auf Grundlage der zuvor erarbeiteten erzähltheoretischen Ansätze wird im Folgen­den dargestellt, anhand welcher Parameter sich problematische Erzähler identifizieren lassen.

2.2.4. Der problematische Erzähler - Unzuverlässiges Erzählen

Die unter Modus und Stimme dargestellten Analysepunkte für narrative Texte konstituieren einen für diese Arbeit zentralen Aspekt: Die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Erzählers. Wayne Booth beschreibt dieses Problem mit einer grundlegenden Annahme: „I have called a narrator reliable when he speaks for or acts in accordance with the norms of the work (which is to say the implied author's norms), unreliable when he does not”73. Gemäß dieser allgemei­nen Definition unterscheiden sich zuverlässiges und unzuverlässiges Erzählen durch das Ausmaß der Distanz, die Erzähler und implied author voneinander trennen. Fiktionale Texte sind zwar per definitionem nicht „real“ bzw. faktual, daher auf den ersten Blick auch nicht wahrheitsfähig. Die Untersuchung auf unzuverlässiges Erzählen wird aufgrund folgender all­gemeiner Annahme legitimiert: „Die in fiktionaler Rede geäußerten Sätze [erheben] als Ima­ginationen eines realen Autors keinen Anspruch auf Referenz in unserer Welt [...], als Be­hauptungen eines fiktiven Erzählers [jedoch] durchaus einen Wahrheitsanspruch in der er- zählten Welt74 “. Neuere narratologische Ansätze zweifeln diese Eingrenzung auf die erzählte Welt jedoch an, insbesondere auch im Hinblick auf die Booth’sche Idee des implied authors. Diese Herangehensweise ist nicht über jede Kritik erhaben, „[...] because the only yardstick it offers for gauging the narrator’s unreliability is the implied author“75. Das Konzept des im­plied authors selbst darf nicht als reines textual phenomenon gesehen werden, es ist vielmehr ein Konstrukt „[...] established by the reader“76. Vor dem Hintergrund dieser neuen Sichtwei­se kann gar von einer [...] Neukonzeption der unreliable narration [...] [gesprochen werden]: [...] es wird da­von ausgegangen, dass Leserinnen eine Erzählinstanz dann als unzuverlässig bewerten, wenn sich textuelle Signale wie Widersprüche, Inkoheränzen oder explizite Thematisie­rungen der Unzuverlässigkeit von Erinnerungen finden lassen, die den von den Leserin­nen an den Text herangetragenen Normalitätsvorstellungen entgegen stehen77.

Bei der Bewertung der (Un-) Zuverlässigkeit eines Erzählers kommt es also auch auf die Di­stanz an „[...] that separates the narrator’s view of the world from the reader’s or critic’s world-model and standards of normalcy [...]78 “.

Zum besseren Verständnis eines unzuverlässigen Erzählers bietet es sich an, eine Parallele zum Stilmittel Ironie zu ziehen, bei dem eine explizite und zur gleichen Zeit auch implizite Botschaft vermittelt wird. Unzuverlässige Erzähler senden explizite Botschaften an den Leser, während der Autor implizite, den expliziten Aussagen mitunter widersprechende Aussagen vermittelt. Die eigentlichen Aussagen werden so buchstäblich untergraben79. Unzuverlässiges Erzählen erzeugt ein Maß an Misstrauen gegenüber dem Erzähler und sensibilisiert in Bezug auf die Frage, inwieweit man den Schilderungen, Meinungen und Interpretationen der erzäh­lenden Instanz Glauben schenken darf. Durch das Lesen „zwischen den Zeilen“ können Hin­weise bzw. die implizite Botschaft des Autors identifiziert werden, die den Erzähler so als unzuverlässig entlarven.

Weiterhin lässt sich der unzuverlässige Erzähler nach Rimmon-Kenan anhand von drei Para­metern identifizieren80: Einem eingeschränkten Wissenshorizont, einer persönlichen Verwick- lung im Geschehen sowie einem problematischen Wertesystem. Beispiele für Erzähler mit limitiertem Wissen und Verständnis sind Kinder, Jugendliche oder auch geistig behinderte Instanzen. Indes berichten auch erwachsene, mental nicht eingeschränkte Erzähler von Din­gen, die sie nicht vollständig wissen (können), „[...] contrasts and incongruities in the narra­tor’s language [...]“81 können hier ein Indiz für fehlerhafte Fakten und Einschätzungen sein. Auch wenn Erzähler persönlich in der Handlung involviert sind, muss an der Glaubwürdigkeit deren Erzählungen gezweifelt werden, da diese womöglich durch Subjektivität verzerrt sind. Hier kann der Brückenschlag zur bereits vorgestellten Kategorie Stimme geschlagen werden: „Intradiegetic narrators, especially when they are also homodiegetic, are on the whole more fallible than extradiegetic ones, because they are also characters in the fictional world“82. Das Wertesystem eines Erzählers wird dann als problematisch gesehen, wenn es nicht mit dem des implied author’s konform geht83, also der reale Autor dem Leser implizite Inhalte vermittelt, die nicht mit den Erzählerbehauptungen übereinstimmen. Dies ist der Fall, wenn sich der Er­zähler widerspricht bzw. später korrigiert, wenn der Verlauf der Handlung von dessen Vor­aussagen abweicht oder die Tatsachen zu dessen Aussagen im Widerspruch stehen.

Es konnte in diesem Kapitel gezeigt werden, dass bestimmte Indizien darauf hindeuten kön­nen, dass es sich bei einer Erzählinstanz um einen unzuverlässigen, problematischen Erzähler handelt. Für die Beantwortung der Frage, inwiefern neben den Theorien zum unzuverlässigen Erzählen auch Gedächtnis und Erinnerung bei Stevens und Brionys Vergangenheitsbewälti­gung eine Rolle spielen, werden im Folgenden maßgebliche Grundlagen erarbeitet.

2.3. Theoretische Überlegungen zum Gedächtnis und Erinnern

Eines der grundlegendsten, das Universum konstituierenden Naturgesetze besagt, dass Zeit (zusammen mit Raum) ein Kontinuum darstellt, also einen „[...] un-directional and irreversi­ble flow, a sort of one-way street“84. Der Fluß der Zeit ist irreversibel - außer innerhalb einer Entität der nicht-materiellen Welt: Dem menschlichen Bewusstsein. Die darin stattfindende mentale Reise in die eigene Vergangenheit, das Erinnern, bricht somit das Gesetz der Unum­kehrbarkeit des Zeitflusses85. Gedächtnis und Erinnerung spielen sowohl in Remains als auch in Atonement eine wesentliche Rolle - sowohl Butler Stevens als auch Briony setzen sich in Form von narrativer Retrospektion mit ihrer Vergangenheit auseinander, auch wenn die Um­stände und Ziele der Aufarbeitung der Vergangenheit divergieren.

Gedächtnis und Erinnerung lassen sich durch verschiedene rhetorische Figuren versinnbildli­chen; Aleida Assmann erklärt gar: „Wer über Erinnerungen spricht, kommt dabei nicht ohne Metaphern aus, [...] das gilt nicht nur für literarische oder vorwissenschaftliche Reflexio­nen.“86 In diesem Zusammenhang ist die Spur zu nennen, die „[...] wie glühende Lavamasse in den Leib gegossene Erinnerung“87. Die Spur entsteht durch einen intensiven, einmaligen Eindruck: „Das Vergangene bleibt nicht selbst gegenwärtig, hinterlässt aber eine ,Spur', von der aus die Erinnerung ein Vergangenes, das aber mit dem ursprünglichen Vergangenen nicht gerade identisch ist, rekonstruiert“88. Weitere Metaphern für Gedächtnis sind das Magazin sowie die Wachstafel89. Das Magazin (oder auch Schublade, Register, Haus, Bibliothek) symbolisiert die Speicherkapazität des Gedächtnisses sowie die Aufbewahrung von Gedächt­nisinhalten an klar definierten Orten. Die zweite Gedächtnis-Metapher symbolisiert die Wachstafel, in die Erinnerungen mehr oder minder dauerhaft eingedrückt werden, das heißt das Erinnern beruht auf einer Spur.90 Der Prozess von Merken und Erinnern wird symbolisiert „[...] im Sinne des Einprägens von Bildern [...], später vor allem im Sinne des Einritzens von Schriftzeichen [...].“91 Eine neuere Metapher des Gedächtnisses, „[...] die sowohl der Ablage einzelner Erinnerungen, deren Organisation untereinander, der potentiellen Unbegrenztheit als auch den im Gedächtnis ablaufenden, informationsverarbeitenden Prozessen gerecht werden sollte“92, stellt der Computer dar. Besonders die beiden Zentralmetaphern, aber auch die Computer-Metapher werden der Komplexität des Gedächtnisses bzw. des Erinnerungsvor­gangs jedoch nicht gerecht. Besonders die Vorstellung, das Gedächtnis sei ein schützender Behälter, an dem Erinnerungen an einem fixen Ort gespeichert werden und in ihrem original­getreuen Zustand wieder reaktiviert werden können, wurde durch neurowissenschaftliche Studien widerlegt. Der Erinnerungsvorgang ist ein subjektiver Prozess, denn „[...] das Ge­dächtnis ist ein konstruktives System [...], das Realität nicht einfach abbildet, sondern auf unterschiedlichsten Wegen und nach unterschiedlichsten Funktionen filtert und interpre- tiert“93. Erinnern unterliegt also verschiedensten internen wie auch externen Einflüssen, so­mit kann von authentischer Erinnerung nur sehr bedingt gesprochen werden94. Diese Er­kenntnis impliziert einen bedeutenden Analysepunkt dieser Arbeit: Die Konzeption von Ge­dächtnis und Erinnern als „[...] plastisch [wandelbare], aber auch grundsätzlich unzuverlässige Tätigkeit“95.

Der dynamische Erinnerungsprozess, also das Einprägen und Rückrufen bestimmter Inhalte, tangiert jedoch nicht bloß die Vergangenheit. Das Gedächtnis konstruiert Vergangenheit, Ge­genwart und antizipierte Zukunft und kann so „[...] als die Art und Weise definiert werden, in der vergangene Ereignisse zukünftiges Handeln bestimmen“96. Samuel Beckett veranschau­licht in seinem Werk Proust: And three Dialogues with Georges Duthuit die Interrelation von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Kontext des Erinnerns bildhaft: „There is no es­cape from yesterday, because yesterday has deformed us, or been deformed by us“97. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit aus der Vergangenheit, denn diese beeinflusst womöglich das ge­genwärtige Leben in Form von Erinnerungen (positiv wie negativ) an vergangene Begeben­heiten. Der von Beckett angedeutete zweite Fall, die Beeinflussung der Vergangenheit durch die Gegenwart, scheint auf den ersten Blick wenig plausibel: Wie kann das „Heute“ das „Ge­stern“ bestimmen? Natürlich kann die konkrete Vergangenheit nicht in der Gegenwart modi­fiziert werden, jedoch, wie bereits dargestellt, die Vorstellung, die das erinnernde Subjekt von dieser hat. Gegenwärtige Bedürfnisse, Normen und Werte sowie Überzeugungen haben einen großen Einfluss auf Erinnerungen, „[...] memory adapts past experience to today's level of knowledge and focusses on those aspects that are most pertinent to the present situation“98. Die bereits angedeutete mögliche Unzuverlässigkeit von Erinnerung („memory's fragile po­wer“99 ) sowie die Tatsache, dass Erinnerungen sich negativ auf die Gegenwart auswirken können, führen mitunter zu einer doppelten Krise: Zu einer Erinnerungskrise, gemäß der Fra­ge, inwieweit Erinnerungen lediglich Erfindungen vergangener Ereignisse sind, sowie zu ei­ner Identitätskrise100. Die Frage nach dem „Wer bin ich?“, also die Suche nach der individuel­len Persönlichkeit und Identität, ist eng mit der eigenen Vergangenheit verknüpft; (autobio­graphische) Erinnerung ist in diesem Zusammenhang der „[...]backbone of identity[...]“101. Die Identitätsentwicklung ist somit ein ständiger Konstruktionsprozess, der „[...]eine Schnitt­stelle zwischen Identität und Erinnerung und damit auch einen Berührungspunkt zwischen Identitätstheorie und Gedächtnisforschung“102 darstellt.

Die hoch-komplexe Funktionsweise des Gedächtnisses wird im Folgenden skizzenhaft erläu­tert, wobei nur Aspekte berücksichtigt werden, die im Sinne der Forschungsfrage auf das Er­innern von Briony Tallis und Butler Stevens angewandt werden können. Die Informationsver­arbeitung im Gehirn findet in neuronalen Netzwerken statt103. Wenn zum Beispiel ein Ereig­nis wahrgenommen wird (allgemein spricht man von Erfahrungen), findet gleichzeitig ein Prozess des Transformierens und Enkodierens statt, während des Einspeicherungsprozesses feuern Neuronen verstärkt. Diese Gedächtnisspur (oder Engramm) dauerhaft zu behalten, „[...] bedeutet, die Wahrscheinlichkeit zu verändern, daß ein spezifisches Netzwerkmuster zukünftig reaktiviert wird. Abruf wiederum ist die tatsächliche Aktivierung dieses möglichen neuralen Netzprofils [...]104. Es liegt auf der Hand, dass nicht alle Eindrücke in gleicher Weise gespeichert und später erinnert werden, da es verschiedene Faktoren gibt, die einen Einfluss auf das Gedächtnis haben. Eine bessere Einprägung und damit letztendlich eine bessere Erin­nerung ergeben sich durch ein überdurchschnittliches Erregungsniveau, „[...] Überraschung und Folgenschwere von Ereignissen, sowie starke Erregung beim Erleben [spielen] eine dem Behalten förderliche Rolle“105. In diese Kategorie fallen Blitzlicht-Erinnerungen, also akkurate und detaillierte Erinnerungen an überraschende Ereignisse, die mit starken Emotionen und mitunter weitreichenden Konsequenzen verknüpft sind106. Vor dem Hintergrund der eminen­ten Dynamik des Gedächtnisses können Erinnerungen mitunter verzerrt oder gänzlich falsch bzw. erfunden sein. Neben fehlerhaften Informationsquellen (zum Beispiel Träume) entstehen diese Schein-Erinnerungen (False Memory Syndrom) durch „[...] das Verwechseln und Durcheinanderbringen von Erinnerungen, die vielleicht zu unterschiedlichen Zeiten passiert sind, aber in der Erinnerung zu einem einzigen Ereignis verschmelzen107 “. Der schweizer Kinderpsychologe Jean Piaget beschreibt die eigene Schein-Erinnerung wie folgt: „Ich musste also als Kind der Erzählung dieser Geschichte gelauscht haben...und habe sie als visuelle Er­innerung in die Vergangenheit projiziert. So war sie zwar eine Erinnerung an eine Erinnerung, aber gleichwohl fiktiv."108

Es lassen sich zwei Gedächtnis-Formen unterscheiden: Das (für diese Arbeit irrelevante) im­plizite Gedächtnis und das explizite Gedächtnis, welches auf bewusstem Einspeichern und dem subjektiven Gefühl für Erinnerungen basiert. Zum expliziten Gedächtnis gehört einer­seits das semantische (Tatsachen-) Gedächtnis, welches Fakten und Weltwissen speichert, für diese Arbeit relevant ist jedoch vornehmlich das episodische Gedächtnis. Dank dieses auto­biographischen Gedächtnisses können bestimmte persönliche Ereignisse aus der Vergangen­heit rekonstruiert werden, eine selbstreflexive, mentale Zeitreise kann unternommen werden. Das episodische Gedächtnis basiert auf drei Anhaltspunkten.109 Grundlegend für die Fähigkeit zur Reise in die eigene Vergangenheit ist das Gefühl für die subjektive Zeit. Eine zweite Vor­aussetzung ist das autonoetische Bewusstsein, „ [...] das heißt, wir erinnern uns nicht nur, sondern können uns auch dessen bewusst sein, daß wir uns erinnern.“ 110. Die dritte zentrale Komponente des episodischen Gedächtnisses ist das Bewusstsein um das eigene Selbst, wel­ches in der Vergangenheit, der Gegenwart und der antizipierten Zukunft existiert. Die Ver­bindung dieser drei Konzepte ermöglicht also die „[...] 'mentale Zeitreise,' das subjektive Gefühl, sich an das, was man zu bestimmten Zeitpunkten in der Vergangenheit getan hat, zu erinnern, ein Gefühl für sein gegenwärtiges Selbst und für diejenige Person, die man in der antizipierten Zukunft sein könnte.“111

Das Thema Erinnerung und Gedächtnis ist von interdisziplinärem Interesse und spielt auch in der kulturwissenschaftlichen Forschung eine bedeutende Rolle; Jan Assmann prophezeit gar, „[...] dass sich um den Begriff der Erinnerung ein neues Paradigma der Kulturwissenschaften aufbaut“*112. Im Unterschied zu den bereits vorgestellten Gedächtnistheorien untersucht man im kulturwissenschaftlichen Kontext jedoch nicht die Gehirnfunktionen- und Kapazitäten im neurobiologischen Sinn. Gedächtnis ist hier vielmehr ein Sammelbegriff, „Kultur als Ge­dächtnis bedeutet hier, daß Gesellschaften mit ihrer eigenen Vergangenheit in spezifischer Weise bewahrend umgehen, mit dem vorrangigen Ziel, über die Generationenfolge hinweg eine mehr oder minder verbindliche Identität zu entwickeln und zu tradieren113 “. Diese Form der kollektiven Erinnerung lässt sich in das „kulturelle“ sowie das „kommunikative“ Ge­dächtnis unterscheiden114. Individuelles und kollektives Gedächtnis stehen jedoch in klarer Interdependenz zueinander und können daher nicht als gänzlich autonome Vorgänge gesehen werden. Diese, auf den französischen Soziologen und Philosophen Maurice Halbwachs zu­rückgehende These besagt, dass das individuelle Gedächtnis „[...] weniger als eine in sich geschlossene Entität denn als ein facettenreiches Palimpsest zu konzeptualisieren [ist], das individuelle, soziale und kulturelle Versatzstücke zu einem Ganzen amalgamiert“115. Die so­ziale Bedingtheit des individuellen Gedächtnisses impliziert daher, dass auch individuelle, persönliche Erinnerungen durch einen sozialen Rahmen bedingt und damit kommunikativ geprägt sind. Für Halbwachs stellen Personen, mit denen das erinnernde Subjekt interagiert, sowie Gruppen (zum Beispiel Familie, Berufsgruppen) den sozialen Rahmen dar116. Bezüg­lich des Austauschs mit dem sozialen Umfeld erklärt Halbwachs: [...] unsere Erinnerungen bleiben kollektiv und werden uns von anderen Menschen ins Gedächtnis zurückgerufen, selbst dann, wenn es sich um Ereignisse handelt, die allein wir durchlebt und um Gegenstände, die allein wir gesehen haben. Das bedeutet, daß wir in Wirklichkeit niemals allein sind117.

Die letzte Aussage dieses Zitats veranschaulicht Halbwachs in der Anekdote seines Spazier­gang durch London,118 während dem er alleine durch die Stadt geht, jedoch imaginierte Zwie­gespräche mit verschiedenen Personen hält. Die Kommunikation des erinnernden Subjekts mit (mitunter nur imaginierten) Bezugspersonen ist laut Halbwachs neben dem Einfluss des sozialen Rahmens das konstituierende Element menschlicher Erinnerung. Birgit Neumann greift diese Behauptung auf: „Zur Rekonstruktion von Vergangenem treten Personen in einen imaginierten Dialog mit Interaktionspartnern“119. Kollektive und individuelle Erinnerung ko­ordinieren einander gegenseitig, „[...] wie bereits Maurice Halbwachs nachdrücklich gezeigt hat, ist die Trennungslinie zwischen individuellem und kollektivem Erinnern notorisch un- scharf120 “. Der Fokus dieser Arbeit liegt jedoch eindeutig auf der individuellen Erinnerung, analog zur Frage nach den Formen der Vergangenheitsbewältigung von Briony Tallis und Butler Stevens.

Auch wenn sowohl Remains als auch Atonement nicht als klassische autobiographische Schriften gesehen werden können,121 weisen beide Werke Tendenzen dieser Gattung auf, denn das retrospektive Erzählen von Teilen der eigenen Vergangenheit ist der Hauptbestand­teil von Autobiographien. Diese Selbst-Bezogenheit des autobiographischen Gedächtnisses verstärkt die bereits angedeutete Unzuverlässigkeit (Subjektivität, Umdeutung von Vergange­nem aufgrund von späteren Erfahrungen); mitunter kann man unterstellen, dass „[...] Erinne­rungen an persönlich bedeutsame Ereignisse und Erlebnisse in der Regel unzugänglich oder verfälscht sind.“122 Die Validität muss außerdem hinterfragt werden, da Selbstauffassung und Selbsterkenntnis die Basis für die mentale Repräsentation der eigenen Lebensgeschichte bil­den, aufgrund derer eine Autobiographie jedoch „[...] leicht zum Mittel der Erhöhung, Bemit- leidung, Rechtfertigung, Verteidigung oder Verklärung des eigenen Selbst werden“123 kann. Bisweilen problematisch ist auch der enge Zusammenhang zwischen autobiographischem Gedächtnis und dessen identitätsstiftender Funktion. Vor dem Hintergrund der Konstruktivität jeder Erinnerung und der damit einher gehenden Schwankung des Bildes der eigenen Vergan­genheit verändert sich auch das Selbstbild. Die eigene Identität erfährt durch die Gebrochen­heit der erinnerten Realität eine ständige Modifikation124.

Autobiographien haben eine lange Tradition in der Literaturgeschichte, diese Gattung lässt sich bis zu herausragenden Werken wie Augustinus’ (ca. 400 n. Chr.) und Jean-Jacques Rous­seaus Bekenntnisse (18. Jahrhundert) zurückverfolgen. Beide Werke sind auch Beispiele für confessional writing, also für eine Autobiographie, „[...] in which intimate and hidden details of the subject’s life are revealed“125 und der Gestus des Bekennens thematisiert wird. Die Au­tobiographie stellt das Paradebeispiel für homo-bzw. autodiegetisches Erzählen dar, der Er­zähler ist gleichzeitig eine zentrale Figur (bzw. die Hauptfigur) der Erzählung. Philippe Le- jeune unterstellt dieser Gattung die formelle Identität von realem Autor, Figur und Erzähler und nennt dies den autobiographischen Pakt126. Diese Übereinkunft zwischen dem Autor und dem Leser basiert auf paratextuellen Elementen, „[...] wie etwa den Autornamen auf dem Ti­telblatt, das auf ihn referierende Personalpronomen der ersten Person Singular, [...] das Vor­wort [sowie das Nachwort], die allesamt den ,Pakt’ konstituieren“127. Autobiographisches Schreiben basiert zunächst auf der Tatsache, dass es mindestens zwei verschiedene Zeitebene gibt, eine erinnerte Vergangenheit sowie die Gegenwart, in welcher diese Erinnerung stattfin­det. Weiterhin ist der Einblick in die Gedankenwelt des erinnernden Subjekts konstitutiv, „[...] we are allowed to share not only the content of the memories, but also the subjective experience of remembering“128. Diese Subjektivität in Bezug auf die Rekonstruktion der eige­nen Vergangenheit bedingt auch den Misch- oder Grenzcharakter dieser Gattung, der Status wechselt zwischen Fiktionalität und Nicht-Fiktionalität, Dichtung und Wahrheit129. Die Auto­biographie ist zum einen eine „[...] zur Authentizität verpflichtete Schilderung [des] eigenen Lebens [...]“130, zum Anderen ist aber eben die persönliche und damit befangene Schilderung des eigenen Lebens die Ursache für autobiographische Fiktionalität. Autobiographie und Fik­tionalität schließen einander also keineswegs aus, dies haben nicht zuletzt die bereits vorge­stellten Befunde der psychologischen Gedächtnisforschung gezeigt.

Nachdem die kollektiven und individuellen Dimensionen von Erinnerung und Gedächtnis dargestellt wurden, soll nun deren Ausprägung innerhalb der Literaturwissenschaft näher be­leuchtet werden131. Der Begriff Gedächtnis der Literatur bezieht sich auf die intertextuellen Bezüge von literarischen Texten. „Durch den Bezug auf vorgängige Texte, auf Gattungen, Formen, Strukturen, Symbole und Topoi ,erinnert' Literatur an sich selbst“132. Die zweite Grundrichtung bezeichnet die Literatur als Medium des Gedächtnisses und beschäftigt sich mit der Frage, wie Gedächtnis in der Erinnerungskultur vermittelt werden kann. Hierbei geht es um die erinnerungskulturellen Funktionen von literarischen Texten, die sich vornehmlich im kollektiven Gedächtnis widerspiegeln. Der für diese Arbeit entscheidende Bereich litera­turwissenschaftlicher Gedächtnisforschung umfasst die Illustration von Gedächtnis und Erin­nern in der Literatur. Das Gedächtnis in der Literatur widmet sich vornehmlich der Frage, „[...] mit welchen Verfahren die Inhalte und Funktionsweisen des Gedächtnisses thematisiert und inszeniert werden“133. Hierzu zählt die Repräsentation des kollektiven Gedächtnisses so­wie die Darstellung persönlicher Erinnerung. Dieses Konzept der Mimesis des Erinnerns, bei dem es darum geht, „[...] Erinnerungsprozesse literarisch [zu] ,inszenieren' [...]“134, impli­ziert, dass Literatur „[...] Funktionsweisen, Prozesse und Probleme des Erinnerns im Medium der Fiktion durch ästhetische Formen zur Anschauung bringt.“135 Sowohl Remains als auch Atonement bestehen größtenteils aus den persönlichen, individuellen Erinnerungen von Ste­vens und Briony.

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird ergründet, inwiefern diese Reise in die eigene Ver­gangenheit eine Form von Vergangenheitsbewältigung darstellt. Wie in diesem Kapitel ge­zeigt, hat die Erinnerung einen Einfluss auf die Gegenwart, diese beeinflusst jedoch auch das Erinnerte. Weiterhin ist Erinnerung ein hochgradig subjektiver Prozess, der deshalb fehleran­fällig hinsichtlich der Wahrheit ist und von internen wie externen Faktoren abhängt. Erinne­rung spielt bei der Aufarbeitung der Vergangenheit eine tragende Rolle, ebenso wie die Frage nach Schuld und Sühne. Diese Begriffe werden nun von drei verschiedenen Seiten aus be­leuchtet, sodass ein umfassendes Bild des Begriffspaares entsteht.

[...]


1 Aus: Karl Ferdinand Gutzkow, Vom Baum der Erkenntnis. Zitiert aus: http://www.aphorismen.de/display_aphorismen.php, Suchworte: Gutzkow, Vergangenheit, 10.07.2010

2 Jürn Gottschalk, Was ist Literatur? Eine Einleitung. In: Jürn Gottschalk, Tilmann Köppe (Hg.). Was ist Litera­tur?. (Paderborn: Mentis-Verlag, 2006), S.16

3 Vgl. Marion Wynne-Davies (Hg), Bloomsbury Guide to Englisch Literature (London:Bloomsbury,1989), S.812f

4 Linda Hutcheon, The Politics of Postmodernism (London: Routledge, 2002), S.1

5 ebd., S.1

6 Thomas Docherty, Postmodernism A Reader (New York u.a.: Harvester Wheatsheaf,1993), S.xiii

7 Vgl. ebd., S. xiii

8 Hutcheon 1989, S. 23

9 ebd., S. 23

10 Vgl. Docherty 1993, S. 3

11 ebd., S.1

12 „Postmodernism“. In: Ian Ousby (Hg.), Cambridge Guide to Literature in English (Cambridge: CUP, 1993), S.752

13 Vgl. Robert B. Ray, Postmodernism. In: Martin Coyle (Hg.) Encyclopedia of Literature and Criticism (Lon­don: Routledge, 1990), S.131

14 ebd., S.131

15 Docherty 1993, S.1

16 Lodge 1992, S.98

17 Vgl. Kapitel 3.2.3.2. dieser Arbeit

18 Alison Lee, Realism and Power - Postmodern British Fiction (London: Routledge, 1990), S. 3

19 Vgl. Brian McHale, Postmodern Narrative. In: David Herman et. al. (Hg.), Routledge Encyclopedia of Narra­tive Theory (London: Routledge, 2005), S.457: „[...] postmodernists rumage through the cultural attic of past devices, styles, genres and texts, recycling them in modes of parody, pastiche, recontextualisation and revision.“

20 Vgl. Linda Hutcheon, Postmodernism. In: Irena R. Makaryk (Hg.), Encyclopedia of Contemporary Literary Theory (Toronto u.a.: University of Toronto Press, 1993), S.612

21 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit als Remains bezeichnet

22 http://www.britannica.com/EBchecked/topic/267395/historical-novel (05.03.2010), Suchwort: historical novel

23 Claudia Schemberg, Achieving ,At-one-ment’ (Frankfurt am Main: Peter Lang, 2004), S.8

24 Ebel 2004, S.275

25 Brian Finney. „Briony's Stand Against Oblivion: The Making of Fiction in Ian McEwan's Atonement“. Journal of Modern Literature 27. 3, 2004. http://www.csulb.edu/~bhfinney/mcewan.html (05.03.2010), für konkrete Beispiele von Intertextualität in Atonement siehe ebd.

26 Vgl. Kindlers Literaturlexikon (elektronische Version), Suchwort: Abbitte; http://www.kll-online.de/ (05.03.2010)

27 ebd.

28 Vgl. hierzu Fußnote 27 + 28

29 Vgl. Kindlers Literaturlexikon (elektronische Version), Suchwort: Abbitte; http://www.kll-online.de/ (05.03.2010)

30 Caroline Patey, „When Ishiguro Visits the West Country“. ACME : Annali della Facolta di lettere e filosofia dell’Universita degli studi di Milano. 44.2, 1991. S.136, zitiert nach: Mike Petry, Narratives of Me­mory and Identity (Frankfurt am Main: Peter Lang, 1999), S. 94

31 http://encyclopedia2.thefreedictionary.com/bildungsroman (05.03.2010), Suchwort: Bildungsroman

32 Inwiefern Stevens allerdings authentisch einsichtig ist (im Sinne eines Bildungsromans), wird im weite­ren Verlauf dieser Arbeit gezeigt

33 Petry 1999, S.94

34 Vgl. ebd. S.94

35 ebd. S.100

36 Vgl. Wai-Chew Sim, Kazuo Ishiguro (London: Routledge, 2010), S. 44

37 Petry 1999 nennt hier Autoren wie Jane Austen, Charlotte Brontë und Henry James (S.100)

38 Celia Floren, An Intertextual Reading of Irony in The Remains of the Day, by Kazuo Ishiguro. In: Bea- triz Penas Ibanez, The Intertextual Dimension of Discourse Pragmalinguistic-Cognitive-Hermeneutic Approa­ches (Zaragoza: Servicio de Publicaciones Universidad de Zaragoza, 1996), S.17

39 David Lodge, The Novelist Today: Still at the Crossroads?. In: Malcolm Bradbury et. al. (Hg.), New Writing (London: Minerva, 1992), S.208

40 ebd., S.208

41 Vgl. Fußnote 27 + 28

42 Patey 1991 S. 143f, zitiert nach Petry 1999, S.101

43 Vgl. Ebel 2004, S. 19: „Rather than dealing with historical events themselves, the metahistorical novel treats them retrospectively“.

44 Hans-Peter Wagner, A History of British, Irish and American Literature (Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier, 2003), S.211

45 Jörg Schönert, Was ist und was leistet Narratologie?. http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=9336&ausgabe=200604 (09.03.2010)

46 Die folgenden Ausführungen sind weitestgehend angelehnt an: Matias Martinez; Michael Scheffel, Einführung in die Erzähltheorie (München:Beck, 2005), S. 27-108

47 Gérard Genette, Die Erzählung (München:Fink, 1998), S. 189

48 Corinna Dehne, Der „Gedächtnisort“Roman (Berlin: Erich Schmidt, 2002), S.84

49 Vgl. Genette 1998, S.21

50 Vgl. ebd, S.22

51 ebd., S.23

52 Shlomith Rimmon-Kenan, Narrative Fiction (London : Routledge, 2003), S.46

53 Für detaillierte Ausführungen siehe Genette 1998, S. 22-59

54 Genette 1998, S.25

55 Martinez, Scheffel 2005, S.35

56 Vgl. Genette 1998, S.62

57 Vgl. Martinez, Scheffel 2005, S.39ff

58 Vgl. Genette 1998, S.62

59 Martinez, Scheffel 2005, S.44

60 ebd., S. 44

61 ebd., S. 47

62 Genette 1998, S.115

63 ebd., S. 64

64 ebd., S. 64

65 ebd., S. 68

66 Genette 1998, S.163

67 Vgl. Werner Wolf, Ästhetische Illusion und Illusionsdurchbrechung in der Erzählkunst (Tübingen: Niemeyer, 1993), S. 357

68 Vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.3.2. dieser Arbeit

69 Genette 1998, S.175

70 Franz K. Stanzel, Theorie des Erzählens (Göttingen: Vandenhoeck, 1995), S. 15f

71 Vgl. ebd., S.191

72 ebd., S.16

73 Wayne Booth, The Rhetoric of Fiction (Chicago: University of Chicago Press, 1961), S. 158f

74 Martinez, Scheffel 2005, S. 95

75 Ansgar Nünning, Reconceptualizing Unreliable Narration. Synthesizing Cognitive and Rhetorical Approaches. In: James Phelan, A Companion to Narrative Theory (Malden: Blackwell, 2005), S. 91

76 ebd., S.91

77 Ansgar Nünning, Vera Nünning, Erzähltextanalyse und Gender Studies (Stuttgart: Metzler, 2004), S.154f

78 Ansgar Nünning. In: Phelan (Hg.) 2005, S.95

79 Vgl. Martinez, Scheffel 2005, S.100f

80 Vgl. Shlomith Rimmon-Kenan, Narrative Fiction: Contemporary Poetics (London u.a.: Routledge, 2003), S. 101-104

81 ebd. S.103

82 ebd. S. 104

83 Wie bereits aufgezeigt, ist diese auf Booth zurückgehende These jedoch fragwürdig, Rimmon-Kenan 2003, S.102 bemerkt: „[...] the values (or norms) are notoriously difficult to arrive at.“

84 Rimon-Kenan 2003, S. 44

85 Vgl. zu diesen Überlegungen Endel Tulving, Das episodische Gedächtnis: Vom Geist zum Gehirn. In: Hans J. Markowitsch, Harald Welzer (Hg.), Warum Menschen sich Erinnern können (Stuttgart: Klett-Cotta, 2006), S. 50

86 Aleida Assmann, Zur Metaphorik der Erinnerung. In: Kai-Uwe Hempken (Hg.), Gedächtnisbilder Vergessen und Erinnern in der Gegenwartkunst (Leipzig: Reclam, 1996), S.16

87 Aleida Assmann, Wie wahr sind unsere Erinnerungen. In: Markowitsch, Welzer 2006, S.102

88 Heike Grundmann, „Mein Leben zu erleben wie ein Buch“ (Würzburg: Königshausen & Neumann, 2003), S.22f

89 Vgl. Günter Butzer. Gedächtnismetaphorik. In: Astrid Erll, Ansgar Nünning (Hg.). Gedächtniskonzepte der Literaturwissenschaft (Berlin: de Gruyter, 2005), S.11-13

90 Vgl. Rüdiger Pohl, Das autobiographische Gedächtnis (Stuttgart: Kohlhammer, 2007), S.14f

91 Butzer. In: Erll, Nünning 2005, S.12

92 Pohl 2007, S.15

93 Harald Welzer, Das kommunikative Gedächtnis (München: Beck, 2008), S. 20

94 Vgl. ebd., S.21

95 Aleida Assmann. In: Welzer, Markowitsch 2006, S.104

96 Daniel Siegel, Entwicklungspsychologische, interpersonelle und neurobiologische Dimensionen des Ge­dächtnisses. Ein Überblick. In: Welzer, Markowitsch 2006, S.20

97 Dorothee Birke, Memory's Fragile Power (Trier: WVT, 2008), S.1

98 Birke 2008, S. 2

99 Daniel Schacter, Searching for Memory (New York: Basic, 1996), S. 1, zitiert nach Birke 2008, S.2

100 Vgl. Birke 2008, S. 1-7

101 ebd. S.1

102 Astrid Erll, Marion Gymnich, Ansgar Nünning (Hg.), Literatur Erinnerung Identität (Trier: WVT, 2003), S. 34f

103 Für eine detaillierte Beschreibung der Funktionsweise des Gedächtnisses vgl. Siegel. In: Welzer, Marko­witsch 2006, S.23ff

104 ebd., S.23

105 Gerhard Strube, Franz Emanuel Weinert, Autobiographisches Gedächtnis: Mentale Repräsentation der indvi- duellen Biographie. In: Gerd Jüttemann, Helmut Thomae (Hg.), Biographie und Psychologie (Berlin, Heidel- berg: Springer-Verlag, 1987), S.158

106 Vgl. Pohl 2007, S.73

107 Robert Todd Carrol. Falsche Erinnerungen. http://www.skepdic.com/German/falsche_erinnerungen.html (18.03.2010)

108 ebd.

109 Vgl. Endel Tulving. In: Welzer, Markowitsch 2006, S.50ff

110 Hans Markowitsch, Harald Welzer, Das autobiographische Gedächtnis (Stuttgart: Klett-Cotta, 2005), zitiert nach: Siegel.

111 In: Welzer, Markowitsch 2006, S. 29f

112 Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis (München: Beck, 2007), S. 11

113 Dehne 2002, S.13

114 Da sich diese Arbeit vornehmlich mit dem individuellen Erinnern beschäftigt, wird die hier angespro­chene Unterteilung nicht weiter konkretisiert. Als grundlegende Arbeit zum kollektiven Gedächtnis ist Jan Assmann, Das kulturelle Gedächtnis (2007) zu nennen.

115 Birgit Neumann, Erinnerung Identität Narration (Berlin: de Gruyter, 2005), S. 53

116 Vgl., ebd., S.54f

117 Maurice Halbwachs, Das kollektive Gedächtnis (Stuttgart: Enke, 1967), S. 2

118 Vgl. Neumann 2005, S. 55ff

119 ebd., S. 56

120 Michael Basseler, Dorothee Birke, Mimesis des Erinnerns. In: Erll, Nünning 2005, S. 124

121 Autobiographie als „[...] Biography of oneself narrated by onself [...]“, aus: http://www.britannica.com/EBchecked/topic/44709/autobiography (21.03.2010). In beiden Werken werden nur Ausschnitte aus den Leben der Protagonisten erzählt; die erzählte Zeit ist eher kurz und passt daher nur bedingt in das Schema autobiographischer Schriften. Entscheidend ist außerdem, dass nicht die realen Autoren (Ian McEwan und Kazuo Ishiguro) ihre Lebensgeschichte darstellen, sondern die Protagonisten von Teilen ihres Lebens berichten.

122 Strube, Weinert. In: Jüttemann, Thomae 1987, S.151

123 Helmut Thomae, Dynamik des menschlichen Handelns (Bonn: Bouvier, 1985), S.24, zitiert nach: Strube, Weinert. In: Jüttemann, Thomae 1987, S.151

124 Vgl. Ulrike Lange, Erinnerung in den metafiktionalen Werken von Boris Chazanov und Juri Gal'perin (Frankfurt/Main: Peter Lang, 2003), S. 60ff

125 http://www.britannica.com/EBchecked/topic/131921/confession (22.03.2010)

126 Vgl. Philippe Lejeune, Der autobiographische Pakt (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1994), S.13-54

127 Katrin Lange, Selbstfragmente Autobiographien der Kindheit (Würzburg: Königshausen & Neumann, 2008), S.60

128 Birke 2008, S. 65

129 Vgl. Lange 2008, S.8

130 Dehne 2002, S.62

131 Vgl. Astrid Erll, Ansgar Nünning. Literaturwissenschaftliche Konzepte von Gedächtnis: Ein Überblick. In: Erll/Nünning 2005, S. 1-7

132 ebd., S.2

133 ebd., S.4

134 Basseler, Birke. In: Erll, Nünning 2005, S.124

135 Erll, Gymnich, Nünning 2003, S.4

Ende der Leseprobe aus 116 Seiten

Details

Titel
Formen der Vergangenheitsbewältigung in der Postmodernen Literatur
Untertitel
Ian McEwan „Atonement“ und Kazuo Ishiguro „The Remains of The Day“
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
116
Katalognummer
V981676
ISBN (eBook)
9783346337962
ISBN (Buch)
9783346337979
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Nominiert für den Preis als beste Abschlussarbeit des Jahres
Schlagworte
ishuguro, mcewan, postmodern, narratologie, schuld, sühne, problematische erzähler, unzuverlässiges erzählen, verdrängung, einsicht, vergangenheitsbewältigung, atonement, remains of the day
Arbeit zitieren
Sebastian Göb (Autor:in), 2010, Formen der Vergangenheitsbewältigung in der Postmodernen Literatur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/981676

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Titel: Formen der Vergangenheitsbewältigung in der Postmodernen Literatur



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