Einführung.
Dem Menschen ist es ein Grundbedürfnis, allen möglichen Kulturgüter, die er jemals hervorgebracht hat, Epochen zuzuteilen. Diese Einteilung stellt nicht nur in abstrakter Form Vergangenheit dar, sondern ermöglicht es dem Menschen der Gegenwart auch seine eigene Position zu bestimmen.
So hört man vielfach, daß unsere Gegenwart sich durch den Begriff der Moderne definiert, das Informationszeitalter, das sich natürlich in der Lebensweise und den technischen Möglichkeiten deutlich beispielsweise von der beginnenden Neuzeit anhebt. So wurden diese epochalen Begriffe jedoch nicht nur eingeführt, um sich über den Lauf der Zeit Klarheit zu verschaffen. Auch im Umgang mit den verschiedenen Kulturgütern haben sich stilistische Unterscheidungen durchgesetzt. So findet man deutlich definierte epochale Einteilungen in Literatur, Musik, Kunst und Architektur.
Und eben in der erst- und der letztgenannten Sparte tauchte ein Begriff auf, der unser Denken über unsere eigene Gegenwart in Frage stellte: der Begriff der Postmoderne. Eine Zeit also, die auf die Moderne folgt, in der wir (wie wir bisher meinten) leben.
Auch in soziologischer Hinsicht hatten sich in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts deutliche Veränderungen gezeigt, die eine Diskussion um diesen Begriff rechtfertigen.
So befindet sich natürlich auch die Familie und die Ehe in einem ständige Entwicklungsprozeß, welcher nun darauf schließen ließ, daß grundlegende Veränderungen stattgefunden haben müssen, um eine Diskussion um den Begriff der Postmoderne auch in diesem Feld der Wissenschaft zu begründen.
Es ging hier um etwas neues, etwas unbekanntes, den Aufbruch in eine neue Epoche. Ob es sich hierbei nun um einen Wandel im positiven Sinne handelte oder ob sich soziale Verhältnisse nur noch im Chaos manifestieren sollten, und was genau mit dem Begriff der Postmoderne im Bereich der Soziologie angefangen werden kann, soll in den folgenden Seiten erörtert werden.
Die Postmoderne wird entdeckt.
In den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts meinten amerikanische Literaturkritiker den Zusammenbruch überlieferter Werte und Normen erkennen zu können. Doch eher als diese als Verfehlungen zu bezeichnen, sahen sie in dieser Entwicklung etwas positives, die die Orientierung an den klassischen Maßstäben der Moderne in Frage stellte. So war es möglich, im Laufe der Zeit, diesem recht abstrakten Begriff Termini zuzuordnen, die diesem Begriff nun seit den siebziger und achtziger Jahren anhaften. Postmoderne wurde mit Pluralisierung und Offenheit gleichgesetzt.
Doch auch im Bereich der Philosophie wurde der Begriff der Postmoderne mit weiteren Attributen belegt. So stand eine Absage an Einheitsideen und große Synthesen im Hauptinteresse. Betont wurden eher Pluralität, Dezentralisierung und Miltiperspektivität, die im postmodernen Denken der Philosophie Leitmotive darstellen sollten. Doch auch ein Wandel der Baustile ließ die Architekten bei diesem Begriff aufhorchen, der so treffend eine neue Art von Architektur zu umschreiben vermochte. Der sich vor allem in Nutzen und Praktikabilität der Bauten zeigende moderne Baustil wurde erweitert. Neben dem Nutzen eines Bauwerks sollte auch eine gewisse ansprechende Schönheit, ein postmoderner Touch, im Vordergrund stehen. Diese Architektur sollte nicht nur Fachleute und gesellschaftliche Eliten ansprechen, sondern auch den Mann auf der Straße, der sich nicht für Stile und Feinheiten, sondern für die Erscheinungsweise eines Gebäudes interessiert. Neben all diesen Bereichen wurde natürlich auch die Soziologie auf diesen Begriff aufmerksam, da auch dieser wissenschaftlicher Disziplin Veränderungen des Gesellschaftsbildes aufgefallen waren, die sich recht anschaulich mit postmodernen Verhältnissen umschreiben ließen.
Definition von Moderne und wie sich die Postmoderne davon abhebt.
Der Begriff der Modere ist häufig mit ,,neuzeitig", ,,zeitgemäß", ,,modisch", ,,in der Neuzeit enstanden" oder ,,für die Neuzeit typisch" synonym. Ebenso handelt es sich um modernisierte Verhältnissen, die unter rationalen Gesichtspunkten den Ansprüchen einer neuen Zeit angeglichen werden, verbessert werden.
Aber wegen dieser Definition kann der Zeithorizont, in welchem die Moderne beginnt, nicht pauschal eingegrenzt werden. So ist es möglich, epochale Einteilungen vorzunehmen.
Im 17. bzw. 18. Jahrhundert entwickelten sich das moderne Weltbild und daraus natürlich auch innovative Wissenschaften, von welchen vor allem die gerade entstandenen Industrien profitieren konnten.
Aber auch die Befreiung des Menschen vom mittelalterlichen Lehnswesen, die Hinführung zu eigenen Mündigkeit im Zuge von Amerikanischer Konstitution und Französischer Revolution, sind deutliche Zeichen einer Modernisierung.
Doch schon die im Zeichen der Industriellen Revolution waren deutliche Eingriffe in das vormoderne Familienbild zu spüren. Seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wandelt sich die Familie von einer Großfamilie, bei welcher neben drei Familiengenerationen auch noch Verwandte unter einem Dach lebten, zu einer Kleinfamilie, bei der nur noch höchstens zwei Generationen unter einem Dach leben.
Schlußendlich kam es zu einer Modernisierung im Bereich der Kunst, welche gegen Anfang des zwanzigsten Jahrhundert einsetzte.
Durch die Einführung des Terminus der Postmoderne wurden geltenden Maßstäbe in Frage gestellt. Deutliche Veränderungen vor allem im Bereich der Familie ließen aus soziologischer Sicht eine solche Infragestellung logisch erscheinen.
Die präindustrielle Familie.
Die Entwicklung zu modernen Kernfamilie setzte sich in Folge der Aufklärung durch. Vor dieser Zeit war die typische Erscheinungsform der Familie die Großfamilie, die sich quasi als Produktionsgemeinschaft definierte. Neben dem Hausherrn, der patriarchalisch über die Familie herrschte, lebten seine Frau, dessen Kinder, die Großeltern und auch Verwandte auf einem Hof, deren Aufgaben sich zumeist aus landwirtschaftlicher Arbeit zusammenstellten. Es handelte sich aber auch um eine multifunktionales Sozialgebilde, welches folgende Funktionen inne hatte: Produktion, Versorgung der Familienmitglieder, Schutz, Rechtsprechung (vor allem im Bezug auf Angestellte des Hofes), Fortpflanzung oder Reproduktion und damit auch die Ausbildung.
Im Zeichen der schon erwähnten Industrialisierung war es nicht mehr zeitgemäß, eine solch große Gemeinschaft aufrecht zu erhalten. Die genannten Funktionen der Großfamilie wurden mehr und mehr an sich herausbildende Institutionen abgegeben.
Durch die Landflucht setzten sich in industriellen Zentren Kernfamilien durch, in welchen sich eine deutliche Arbeitsteilung breitmachte. So hatte der Vater die Aufgabe, die Familie zu ernähren, während die Mutter die Kinder zu erziehen hatte. Im Normalfall setzt sich diese Kernfamilie aus einer Eltern- und einer Kindergeneration zusammen. Wichtige Eigenschaften der Moderne sind die an das Individuum gestellten neuen Ansprüche wie z.B. Mobilität und die immer weiter fortschreitende Arbeitsteilung.
Doch muß alles in geordneten Bahnen verlaufen, in welchen die Familie über allem anderen steht. Nicht nur weil diese die Rolle eines Refugiums für den (arbeitenden) Vater darstellt, sondern auch, weil sie im hohen Maße den Wert des ehelichen Sakraments symbolisiert. So war es in der vorindustriellen Familie durchaus nicht üblich, daß Ehen aus Liebe geschlossen wurden. Hier sollten Bande geknüpft werden, die das Überleben sicherten, den Besitz vergrößerten. Die Partnerwahl richtete sich vielmals nach dem, was der Partner mit in die Ehe einbrachte; so wurden die Frau und auch etwaige Kinder vor allem als zusätzliche Arbeitskraft angesehen, die dem Hausherrn die Führung des Hofes erleichtern sollten. Zwischenmenschliche Beziehungen wurden (so fern sie überhaupt vorhanden waren) nur zweckdienlich aufgebaut. Durchaus üblich war es beispielsweise beim Tod der Frau, was bei den hygienischen Gegebenheiten und medizinischen Mängeln jede Geburt eines der zahlreich vorhandenen Kinder zu einem Lotteriespiel um das Überleben der Frau geraten ließ, daß der Hausherr nach einer gewissen Trauerphase schnellstens wieder heiratete, um den Fortbestand seiner Familie nicht allzu sehr zu gefährden.
Der Rolle der Frau kam somit eine Rolle vergleichbar mit einem Blumentopf zu, der im Treibhaus der Familie möglichst viele Früchte bringen sollte. Von einem Individuum in unserem heutigen Verständnis kann absolut keine Rede gewesen sein. So war auch das Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern eher als zweckdienlich zu charakterisieren. Kinder stellten die Sicherung der Altersversorgung ihrer Eltern dar, gleichzeitig sicherten die Kinder aber auch die Weitergabe des Hofes innerhalb der Familie. Diese sachdienliche Art der Behandlung stellte auch heraus, daß die Kinder als billige Arbeitskräfte, sozusagen als kleine Erwachsene angesehen wurden, die schon im Alter von 12 Jahren an andere Höfe geschickt wurden, um dort in den Gesindedienst zu treten. Ähnliche Verhältnisse konnte man in den handwerklich tätigen Familien vorfinden. Allerdings stand die Frau hier nicht direkt als Arbeitskraft im Blickfeld, sondern laut Zunftordnung sollte sie die eher häuslichen Aufgaben erfüllen, die sich in der Verpflegung der Familie, den Vertrieb der von Mann hergestellten Waren auf Wochen- und Jahrmärkten und im besonderen Maße auch die Erziehung von Lehrlingen zur Tugendhaftigkeit zeigten.
Veränderungen der Moderne.
Als sich im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert durch Bürokratisierung, das Entstehen der Verwaltungen, Industrialisierung und durch das Entstehen des Bürgertums dieses Bild der Familie grundlegend änderte, wurden neue Qualitäten in der Ehe und in der Familie gesucht.
Von nun an wurde nicht mehr im Sinne der Zweckdienlichkeit geheiratet, sondern aus Liebe, was selbstverständlich den vorher recht verkümmerten zwischenmenschlichen Beziehungen der Eheleute zueinander eine immense Wichtigkeit zuschrieb.
So wurden gegenseitige Achtung und persönliche Zuneigung zueinander als Fundament der Ehe festgelegt, die von nun an eine bewußte Entscheidung beider Ehepartner war. Es kam zu einer Konstanz der familialen Gruppe. Ein dauerhaftes zusammenleben von Personen kennzeichnen diesen Familienzyklus.
Die logische Konsequenz des ganzen war die sogenannte Entdeckung der Kindheit. In der bürgerlichen Familie war allein die Mutter für die Erziehung der Kinder zuständig, die nun nicht mehr als kleine Erwachsene gesehen wurden, sondern im Kreise der Familie Kind sein konnten.
Dies mündete schließlich in einem relativ sicheren Lebenslauf, der soziologisch als instutionalisiert oder standartisiert bezeichnet wird. Hier lassen sich die für diesen Phenotyp der Familie typischen Lebensabschnitte festmachen: Aufbauphase der Familie, Geburt der Kinder, Schulpflicht der Kinder und bei deren Verlassen des Hauses eine nachelterliche Gefährtenschaft der Ehepartner.
Dies soll ferner bedeuten, daß sich die Mitglieder einer Familie an bestimmten Wissensgebieten orientieren, sich nach diesen ausrichten und ihre Zukunft nach diesen gestalten. Allerdings sollte man mit dieser Feststellung vorsichtig verfahren, da man von solche Verhältnissen im beginnenden 20. Jahrhundert mit Sicherheit nicht sprechen kann. Es bedurfte einer weitreichenden Entwicklung bis nach dem Zweiten Weltkrieg, ehe sich solche Aussagen bestätigen lassen. Hier läßt sich dann das ideale Bild der modernen Familie finden: der Vater, der arbeitet und somit die Familie unterhält, die Mutter, die sich um die Erziehung der Kinder kümmert, die von nun an im behüteten Schoß der Kernfamilie aufwachsen konnten. Keine andere Person konnte und durfte sich in die Erziehung der Kinder einmischen, wie es noch zu Zeiten der Großfamilie durchaus üblich war. Allein den Eltern oblag von nun an dieses Privileg.
Dieses durch bürgerliche Einflüsse geprägte Familienbild hat sich bis in die heutige Zeit durchgesetzt, und wird auch noch in Zeiten, da sich postmoderne Denkansätze Raum verschaffen, als idealer Phenotyp der Familie angesehen.
Postmoderne Einflüsse und deren Veränderungen des Familienbildes unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Frau.
Doch diese traute Zweisamkeit mit Kindern sollte sich seit den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts schnell heftigen Veränderungen gegenüber gestellt sehen. So kam es vor allem im Zuge der Emanzipation der Frau zu einer immer stärkeren Individualisierung der Menschen, bei welcher nicht mehr die Bedürfnisse des anderen im Mittelpunkt standen, sondern vor allem die Befriedigung der eigenen Wünsche und Vorstellungen.
Eine dieser sich daraus ergebenden Konsequenzen ist, daß die Scheidungsrate immer mehr anstieg. War es noch vor nicht all zu langer Zeit üblich, daß die Ehepartner durch ,,dick und dünn", durch gute wie durch schlechte Zeiten gemeinsam gingen, so stellte sich immer deutlicher heraus, daß diese Gemeinschaft, die für Schutz und Geborgenheit, vor allem aber für eine finanzielle Absicherung der Frau und der Kinder durch die Werktätigkeit des Mannes aufgegeben wurde.
Auch durch schwindenden Einfluß von Seiten der Kirchen ist eine solche Entwicklung möglich gewesen. Daß man eine Scheidung prinzipiell verbot oder ein allein erziehendes Elternteil als unmoralisch abstempelte, war im Großteil der noch in Kernfamilien lebenden Menschen eine übliche Ansichtsweise.
Der Großteil aller Scheidungen wird von Frauen eingereicht, die seit der Emanzipation gelernt haben, auf eigenen Füßen zu stehen, selbst werktätig zu sein und konsequenterweise wie ein Mann zu denken.
An die Stelle einer lebenslangen Ehe, so wie sie eine moderne Familie führt, traten nun sogenannte Fortsetzungsehen. Sowohl der Man als auch die Frau konnten nun nach einer geschiedenen Ehe wieder heiraten. Ob diese neue Ehe nun hielt oder nicht, hatte nichts mehr mit innerfamilialen Gründen zu tun, sondern wurde mehr und mehr von Außen, über die Befriedigung von Wünschen bestimmt.
Vor allem die Werktätigkeit der Frau stellt sich als nicht zu unterschätzendes Kriterium im Umgang mit postmodernen Einflüssen dar. Sie ermöglicht es der vormals von der Versorgung des Mannes abhängigen Frau eigene Wege zu gehen.
Deutlich zeigt sich diese Tendenz auch im Wunsch nach Kindern. Frauen suchen sich selbst den für sie passenden Zeitpunkt für die Geburt eines Kindes. Dies wird nicht mehr durch eheliche Pflichterfüllung vorgegeben, sondern richtet sich nach den individuellen Bedürfnissen.
Es handelt sich im postmodernen Sinne also primär um ein Leben nach dem Lustprinzip, um die Worte Freuds zu verwenden. Das ganze Leben dreht sich um ein System aus Erwerbstätigkeit, welche die Finanzierung von Hobbies ermöglicht, die schlußendlich eine Befriedigung der Bedürfnisse darstellen.
So haben sich die institutionalisierten Lebensläufe herben Veräderungen gegenüber gesehen. Wer sollte die Kinder erziehen, wenn sich die Mutter oder der Vater haben scheiden lassen? Die Rolle des Erziehers ließ sich nur schlecht mit der Rolle eines Erwerbstätigen vereinbaren. So mußten neue Institutionen geschaffen werden, die dem erwerbstätigen alleinstehenden Elternteil zur Seite standen.
Von institutionalisierten Lebensläufen und Familien kann seit den sechziger Jahren nicht mehr die Rede sein. An deren Stelle sind statt dessen sogenannte Patchwork- oder Bastelfamilien getreten, die in ihrer Anzahl immer bedeutender werden und sukzessive nicht mehr als unmoralisch oder chaotisch bezeichnet werden. Diese können sich aus ver- schiedensten Konstellationen zusammensetzen. Einige Beispiele: eine nichteheliche oder eine eheähnlich Lebensgemeinschaft (mit oder ohne Kinder), Alleinlebende (sogenannte Singles), alleinerziehende Mütter oder Väter sowie kinderlose Ehepaare. Es ist also zu einem Pluralismus der Erscheinungsformen im Zusammenleben von Menschen gekommen. So konkretisiert sich der Begriff der Familie im wesentlichen im Verständnis der Aufgaben und der Leistungen, die in real existierenden Familien unterschiedlichen Typs erbracht werden. Allerdings sind diese Aufgaben aufgrund der verschiedenen Identitätsbildungen und des Pluralismus immer schwieriger realisierbar und werden immer undurchschaubarer. Umschrieben wird dieses Phänomen mit einer Deinstitutionalisierung oder Destandartisierung des Lebenslaufes von Mitgliedern einer Familie.
Die Familie hat ihr Monopol, die emotionell einzig befriedigende Institution zu sein an andere Bereiche des Lebens abtreten müssen, die ab nun in Konkurrenz zur Ehe Bedürfnisbefriedigung des Individuums betreiben (schon angesprochen wurden in diesem Zusammenhang die Hobbies).
Grundsätzlich läßt sich eine Rückkehr zur Zweckdienlichkeit feststellen, die allerdings nicht dafür benötigt wird, das eigene Überleben zu sichern (das wird vom Individuum selbst durch seine Werktätigkeit übernommen) sondern die Bedürfnisse zu befriedigen. Vor allem das Single-Dasein hat sich immer mehr durchsetzen können, zumal sich auch diese in verschiedene Untergruppen gliedern ließe. So gibt es die echten Singles, die aus Prinzip allein leben. Weiterhin gibt es Mischsingles, die beispielsweise während der Woche aus beruflichen Gründen allein leben, am Wochenende aber in einer Beziehung leben.
Hier wird die Zweckdienlichkeit besonders deutlich. Man ist in der Lage (auch wenn es sich kraß anhört), seine sexuellen und partnerschaftlichen Bedürfnisse auszuleben, muß aber niemandem Rechenschaft über irgend etwas ablegen, man ist ein freier Mensch. Wichtig ist vor allem der funktionale Aspekt einer Beziehung (und ich spreche hier bewußt nicht von der Ehe).
Diese Individualisierung wird vor allem von Frauen immer mehr beherzigt. Keine möchte heute mehr in das Bild eines Brutkastens gesteckt werden, der nur dazu da ist, die Bedürfnisse des Mannes zu befriedigen und durch finanzielle Abhängigkeit an ihn gebunden zu sein. Die Hausfrauen- und Mutterrolle wird als sozial kontaktarm und eintönig wahrgenommen. War noch bis in die fünfziger Jahre hinein die Zustimung des Ehemanns zu einer Erwerbstätigkeit der Frau nötig (die der Aufbesserung des Familieneinkommens dienen sollte), so taten vor allem in den siebziger Jahren immer mehr persönliche Gründe der Frau in den Vordergrund. Es ging der Frau wie schon erwähnt um ein eigenes Einkommen, Selbständigkeit, eigene soziale Kontakte, die sich über den Beruf ermöglichten und vor allem um die finanzielle Unabhängigkeit vom Mann.
Ein besonderer Rang in diesem sich wandelndem Erscheinungsbild kommt der Identitätsbildung zu. Hierbei geht es vor allem darum, die verschiedenen Rollenerwartungen zu erfüllen, die die Gesellschaft an ein Individuum stellt. Jemand, der verheiratet ist, Kinder hat, gleichzeitig aber auch erwerbstätig ist und einem Hobby nachgeht, hat die unterschiedlichsten Rollen zu spielen. Er ist immer der Situation entsprechend gleichzeitig, Elternteil, Ehepartner, Angestellter oder Skatbruder um diese Beschreibung etwas salopp arten zu lassen.
In der Postmoderne stehen alle Wege offen, Normen und Rollen werden variabel, die Ansprüche anderer an die eigene Person werden weniger konkret, das Streben nach Individualität und Anerkennung ist kaum mehr steigerungsfähig. Aus diesem Grund ist der Balanceakt der Identitätsbildung enorm schwierig geworden.
Kritiker warnen allerdings, daß diese postmodernen Einflüsse irgendwann in völliger Beliebigkeit, im ungünstigsten Fall in Orientierungslosigkeit und im Chaos enden. Traditionelle Maßstäbe, die seit gut zweihundert Jahren ihre Gültigkeit hatten, werden einfach über den Haufen geworfen, nur um das Individuum nicht in seiner eigenen Identitätsbildung zu behindern.
Denn die Selbstverständlichkeit von Liebe, Heirat und Familiengründung wird einer bewußten individualisierten Wahl aus den sich bietenden Alternativen weichen.
Familienpolitik
Durch den schon erwähnten Verlust von Funktionen sah sich die Familie gezwungen, diese Funktionen anderen Institutionen anzuvertauen. So kam mit der Entstehung des Nationalstaates auch zur Familienpolitik, die vormals mit der Bevölkerung- und Sozialpolitik verflochten war. In den letzen Jahrzehnten wurde sie allerdings immer selbständiger, bis sie heute einen eigenen Zweig in der Politik darstellt. Was soll man sich nun unter Familienpolitik vorstellen? Es geht hierbei um öffentliche Aktivitäten, Maßnahmen und Einrichtungen, die versuchen sollen, familiale Leistungen zu fördern anzuerkennen und zu ergänzen. Allerdings wird durch den Bezug auf gesellschaftspolitische Ordnungsvorstellungen gleichzeitig vorgeschrieben, welche Lebensform als Familie zu gelten hat.
Ziel ist es, die Gründung von Familien auch als soziale Auffangbecken zu fördern, so gesehen also dem Trend der postmodernen Gesellschaftsform entgegen zu wirken. Es findet sich jedoch innerhalb der Familienpolitik eine Doppeldeutigkeit. Die Familienpolitik muß einerseits die Autonomie einer Familie respektieren, anderseits aber auch familiales Handeln anerkennen, fördern, verändern, ja sogar beeinflussen.
Problematisch wird es allerdings für die Familienpolitik in einer pluralistischen Gesellschaft, in welcher eine klare Definition von dem, was Familie zu sein habe, nicht sehr einfach fällt. Es stellt sich also die Frage, ob man Familien vor dem Hintergrund der sich immer stärker durchsetzenden Individualisierung überhaupt noch unterstützen kann oder ob die Familienpolitik ihren Sinn mit Einsetzen der postmodernen Einflüsse nicht verwirkt hat.
Schlußbetrachtung.
Wir haben also deutlich gesehen, daß sich seit den sechziger Jahren immer größere Individualisierungsprozesse gebildet haben, die dazu führten, daß die Kernfamilie, eine Errungenschaft der Moderne, zwar idealisiert, aber längst nicht mehr als Norm der Gesellschaft zu sehen ist.
Diese Tendenzen, die das Ende der Moderne einläuten sollen, werden als Postmoderne (konsequenterweise die Zeit, die auf die Moderne folgen soll) bezeichnet.
Vor allem für die Frau haben sich diese Einflüsse emanzipatorisch ausgewirkt. Sie tritt aus dem Schatten ihres Ehemanns, später ihres Lebensabschnittspartners hervor und meistert von jetzt ab ihr eigenes Leben. Wichtiger als die familiäre Beziehung werden die Bedürfnisse des einzelnen Individuums.
So wird zwar vor einer Orientierungslosigkeit gewarnt, die dieser Trend mit sich führt, im großen und ganzen aber zeigt sich, daß die die Postmoderne ausmachenden neuen Formen familialen oder familienähnlichen Zusammenlebens durchaus nicht nur eine kurze Erscheinung sind, sondern auch noch in Zukunft einen entscheidenden Faktor im Bild der Familie darstellen werden.
Literaturverzeichnis:
1. I. Chopra/ G. Scheller: Die neue Unbeständigkeit. Ehe und Familie in der spätmodernen Gesellschaft, in Soziale Welt (1/92).
2. M. Wehrspaun: Alternative Lebensformen und postmoderne Identitäts-konstitution, in: K. Lüscher u.a. (Hrsg.): Die postmoderne Familie, Konstanz 1988.
3. K. Lüscher: Familie und Familienpolitik im Übergang zur Postmoderne, in: Ders. (Hrsg.): Die postmoderne Gesellschaft, Konstanz 1988.
4. R. Eickelpasch: Postmoderne Gesellschaft, in: G. Kneer u.a. (Hrsg.): Soziologische Gesellschaftsbegriffe, München 1997.
- Quote paper
- Stefan Knode (Author), 1999, Der postmoderne Erklärungsansatz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98117
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