Vergessen Sie alles, was Sie über Italien zu wissen glauben, und tauchen Sie ein in die faszinierende Welt des Neapolitanischen, einer Sprache, die mehr ist als nur ein Dialekt – sie ist ein Spiegel der Seele Kampaniens. Diese tiefgründige Untersuchung entführt Sie auf eine Reise durch die Geschichte und Struktur des Neapolitanischen, von seinen Wurzeln im Vulgärlatein bis zu seinem heutigenStatus als lebendige und vielseitige Sprache. Entdecken Sie die einzigartigen grammatikalischen Merkmale, die den neapolitanischen Dialekt vom Italienischen unterscheiden, darunter Genusschwankungen, Pluralformen, die an das lateinische Neutrum erinnern, und die charmante Pronomenredundanz. Erforschen Sie den reichen Wortschatz, der von historischen Einflüssen und modernen Entlehnungen geprägt ist, und gewinnen Sie Einblicke in die soziolinguistische Bedeutung des Neapolitanischen als Prestigevarietät, die von allen sozialen Schichten gesprochen wird und eine tiefe regionale Identität verkörpert. Doch die Reise geht weiter als Kampanien: Wir verfolgen die Entwicklung der italienischen Sprache von den Anfängen Roms über die Völkerwanderung bis hin zur Renaissance und dem Aufstieg des Nationalismus. Erfahren Sie, wie das Lateinische sich in verschiedene romanische Sprachen aufspaltete, wie Karl der Große versuchte, das römische Reich wiederzubeleben, und wie die sizilianische Schule und Dante Alighieri das Volgare im 13. und 14. Jahrhundert zu neuem Leben erweckten. Schließlich beleuchten wir den langen und komplexen Prozess der Standardisierung des Italienischen, der im 16. Jahrhundert mit dem Buchdruck seinen Höhepunkt fand, und die Rolle des Risorgimento bei der Verknüpfung von Spracheinheit und Landeseinheit. Diese Arbeit bietet nicht nur eine umfassende Einführung in das Neapolitanische, sondern zeichnet auch ein lebendiges Bild der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Italiens. Eine Sprachreise durch die Geschichte Italiens erwartet Sie, von den dunklen Gassen Neapels bis zu den hellen Köpfen der Renaissance.
Die Neapolitanische Sprache
Einleitung:
Diese Proseminar-Arbeit stellt zwei Aufgaben. Als erstes soll versucht werden, eine Minderheitensprache auf italienischen Staatsgebiet oder einen Dialekt vorzustellen. Da ich einige Verwandte in der Region Salerno habe und diese Gegend als meine zweite Heimat betrachte, habe ich mich für das Neapolitanische entschieden.
Die zweite Aufgabe betrifft die externe Sprachgeschichte. Es sollen die wichtigsten Etappen dargestellt werden und gleichzeitig soll Bezug auf die Standardisierungskriterien nach Lindenbauer/Metzeltin/Thir: Die romanischen Sprachen. Eine einführendeübersicht genommen werden.
1. Das Neapolitanische
Das Neapolitanische betrifft die (Mundart)region Kampanien und wird seit jeher mit dem Kampanischen gleichgesetzt. Leider gehören die kampanischen Dialekte zu den am unzureichendsten erforschten Mundarten in Italien, sie sind gewissermaßen eine dialektologische Grauzone, deren Analyse erst sehr spät eingesetzt hat, obwohl das Neapolitanische (natürlich nur im Süden) eine Vormachtstellung erlangt hat, die südlich bis Salerno die eigenständigen Dialekte zurückdrängt. Im folgenden Teil versuche ich unter anderem an Hand einiger ausgewählter Beispiele, dem LRL folgend, die wesentlichen Unterschiede aufzuzeigen:
Morphologie, Grammatik
- Kein Teilungsartikel
- Genusschwankungen beim Substantiv - Doppelformen auf - o und - a: das Femininum drückt in der Regel das Größere aus.
- Im Plural ist oft noch die -a Form als Relikt des lateinischen Neutrums vorzufinden, z.B. i traditora `i traditori'
- Drei Konjugationstypen (auf - á , -ere, -i), wobei einige Verben synonym auf die zweite oder dritte Konjugation zurückgreifen können, z.B. s è ntere - `sentire'
- Die Anredeform beschränkt sich auf tu und voi
- Pronomenredundanz, z.B. a me mi piace
- Konjunktiv Präsens fehlt (Ausnahme: put é)
- Die Suffixe -illo und - iello stehen auch bei Adjektiven, bei Adverbien und besonders häufig bei Eigennamen, z.B. Franceschiello
1.2. Syntax
- Wiederholung bzw. Teilwiederholung des Verbs beim Imperativ, z.B. guarda gu á `guarda' · Bei Konditionalsätzen steht der Konditional im Nebensatz, der Konjunktiv Imperfekt im Hauptsatz
1.3. Lexikon
Das Neapolitanische weist eine reiche Wörterbuchproduktion auf, wobei hingegen eine Lexikologie der kampanischen Dialekte aussteht- häufige Dialektismen wie Salernitano sind nicht dokumentiert.
Nach dem zweiten Weltkrieg sind auch amerikanische Anleihen in das Neapolitanische eingedrungen, wie z.B. mamm à e pap à. Bedeutend ist auch der Einfluss des Wortschatzes des gergo della Camorra. Einige seine Elemente sind auch von Neapel aus in die Umgangssprache eingedrungen, wie z.B. `pederasta'. Einen Überblick über neapolitanische Elemente, die in die Umgangssprache eingegangen sind, verzeichnet Altamura 1961.
1.4. Soziolinguistische Einschätzung
Die kampanischen Mundarten stehen dem mittelitalienischen Standart sehr nahe. Obwohl oft der Verfall der Mundarten beklagt wird, ist dies sicher nicht der Fall, wie Schulmeister an Hand des Italienischunterrichtes aufzeigen können.
Das Neapolitanische ist eine Prestigevarietät und wird in allen sozialen Schichten gesprochen. Gleichzeitig mit dem Dialekt verbindet sich auch eine tiefe Loyalität zu der Region, in der man lebt. Andere Varietäten werden oft von den Sprechern selbst als vulgär abgewertet.
1. Externe Sprachgeschichte
Die Entwicklung der Sprache hängt natürlich ganz eng mit der Geschichte zusammen.
Um die Mitte des 8. Jahrhunderts v.Chr. wird die Stadt Rom gegründet, welche bis zum 6.
Jahrhundert unter etruskischer Herrschaft stand und die Stadt auch sprachlich beeinflusst. Mit der Vertreibung des letzten Königs beginnt die Ausbreitung Roms. Im 2. Jahrhundert n.Chr. sind die Römer bereits an allen Küsten des Mittelmeeres, an den atlantischen Küsten von Mauretanien bis Britannien und an den Ufern des Rheins, der Donau und des Tigris präsent. Mit ihnen geht die ,,Lateinisierung" einher. In dieser orbis romanu s war Latein die allein gültige Amtssprache und das allgemeine Verständigungsmittel. Ab dem 3. Jahrhundert n.Chr. fallen immer wieder ,,barbarische" Völker, also Völker, deren Sprache nicht Latein ist, in das römische Reich ein und verbreiten dadurch ihre Kultur und verändern das Sprechlatein, das als vulgär-latein bekannt ist, sie pidginisieren es. Besonderheiten dieses Lateins, die in den heutigen romanischen Sprachen weiterleben, sind z.B. die Sprachökonomie (Tilgung von Lauten nach dem Gesetz des geringsten Widerstandes), der Analytismus oder der Qualitätenkollaps Nach dem Zerfall des römischen Reiches kommt es aufgrund mehrerer Faktoren zu einer Aufsplittung der romanischen Sprachen. Zum einen gab es keine sprachvereinheitlichende Kraft mehr, zum anderen sind sehr viele Menschen auf das Land gezogen, auf sogenannte villae, wo dann die Sprache stark rurisiert wurde. Fast jede villa hatte einen eigenen Sprachgebrauch. In der Stadt zentrierten sich die Eroberer, die anderssprachig waren. Seit der Völkerwanderung gab es mehrere Versuche der sprachlichen Vereinigung. Im 8. Jahrhundert will man das römische Reich wieder erneuern. Karl, der Große spricht von renovatio imperium, und möchte damit nicht nur das klassische Latein beleben, er möchte den Wiederaufbau des römischen Reiches. Diese Rückkehr führte aber zu einem Bruch der Verständlichkeit zwischen dem Leitmodell und den regionalen Sprechvarietäten. Man merkt zum ersten Mal, dass neue Sprachen sntstanden sind. 842 entstehen die ersten schriftlich tradierten Texte, die Straßburger Eide), die stärker romanischen als lateinischen Charakter haben. Dieser Text gilt als die Vorstufe des Französischen. 960 ist der erste italienische Text überliefert: ,,placito di Capua": Dies ist ein Gerichtsurteil, in dem ein Satz, nämlich der, den die Zeugen aussagen mussten, in Volkssprache ist. Die Zeugen waren scheinbar bereits nicht mehr der lateinischen Sprache mächtig. Im 11. und 12. Jahrhundert gibt es immer mehr Belege für Gebrauchsschriften in Vulgärsprache, dem volgare.
Literarisch wird volgare erst im 13. Jahrhundert von der ,,sizilianischen Schule" am Hofe des Friedrichs II. verwendet, in Anlehnung an die Troubadourdichtung der Franzosen. Mit Dante, der im ,,dolce stil nuovo" schreibt, wird das volgare im 14. Jahrhundert belebt., zuerst nur in der Literatur, allmählich aber auch in wissenschaftlichen Bereichen. Dies ist aber ein langer Prozess, und es kommt erst mit dem Buchdruck (1540) zu einer Entscheidung, für welches der mitllerweilen drei verschiedenen volgare man sich entscheidet, da nun eine Kodifizierung unumgänglich ist. Das volgare der Tre corone wird als Standard genommen, mitunter auch deswegen, weil es bereits einen hohen Anteil an Grammatikern und Lexikographen gibt., z.B. von Fortunio. Dennoch hat das volgare noch nicht den Status einer hochrangigen Wissenschaftssprache. Astronomie, Physik, Mathematik, und Medizin bleiben bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts noch im starken Maß dem Latein verhaftet. Erst in der zweiten Hälfte tritt das Latein allmählich als Wissenschaftssprache zurück, wenn auch nicht ohne Widerstände.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Inhalt dieser HTML-Datei über "Die Neapolitanische Sprache"?
Diese HTML-Datei stellt eine Proseminar-Arbeit über die neapolitanische Sprache vor, eine Minderheitensprache bzw. ein Dialekt in der Region Kampanien, Italien. Sie untersucht die Sprache unter Berücksichtigung ihrer Morphologie, Grammatik, Syntax, ihres Lexikons und ihrer soziolinguistischen Einschätzung. Zudem wird die externe Sprachgeschichte des Neapolitanischen im Kontext der Entwicklung vom Vulgärlatein bis hin zur Etablierung des Italienischen als Standardsprache beleuchtet.
Was sind die Hauptmerkmale des Neapolitanischen, die in der Datei hervorgehoben werden?
Die Datei nennt spezifische grammatikalische und lexikalische Besonderheiten des Neapolitanischen, wie das Fehlen eines Teilungsartikels, Genusschwankungen bei Substantiven, die Verwendung von Relikten des lateinischen Neutrums im Plural, die Beschränkung der Anrede auf "tu" und "voi", Pronomenredundanz, das Fehlen des Konjunktiv Präsens (mit Ausnahme von "puté") und die häufige Verwendung der Suffixe "-illo" und "-iello". Darüber hinaus wird der Einfluss amerikanischer Lehnwörter und des Wortschatzes der Camorra erwähnt.
Wie wird die soziolinguistische Situation des Neapolitanischen eingeschätzt?
Das Neapolitanische wird als Prestigevarietät angesehen, die in allen sozialen Schichten gesprochen wird. Es wird eine tiefe Loyalität der Sprecher zu ihrer Region festgestellt. Andere Varietäten werden oft als vulgär abgewertet.
Welche Etappen der externen Sprachgeschichte werden dargestellt?
Die Arbeit behandelt die Entwicklung vom Lateinischen über das Vulgärlatein bis hin zur Entstehung der romanischen Sprachen. Sie erwähnt die Lateinisierung durch das Römische Reich, den Einfluss "barbarischer" Völker, die Rolle Karls des Großen bei der Wiederbelebung des klassischen Lateins und die Entstehung erster schriftlicher Zeugnisse in Volkssprache (Straßburger Eide, Placito di Capua). Weiterhin wird die Rolle der sizilianischen Schule, Dantes und des Buchdrucks bei der Etablierung des Volgare als Literatursprache und schließlich als Wissenschaftssprache beschrieben. Abschließend wird der Zusammenhang zwischen Nationalismus und der Anerkennung sprachlicher Identität im 19. Jahrhundert erläutert.
Welche Rolle spielte das "volgare" in der Entwicklung des Italienischen?
Das "volgare", die Volkssprache, wurde im 13. Jahrhundert von der sizilianischen Schule als Literatursprache verwendet. Dante belebte es im 14. Jahrhundert, und durch den Buchdruck im 16. Jahrhundert wurde eine Kodifizierung notwendig. Das Volgare der "Tre Corone" wurde als Standard gewählt, was zur Entwicklung des Italienischen als standardisierter Sprache beitrug.
Was war die Bedeutung des "Risorgimento" für die italienische Sprache?
Die Idee des "Risorgimento", der Einigung Italiens, führte zu einer Verknüpfung des Problems der Landeseinheit mit dem Problem einer Landessprache. Intellektuelle waren der Meinung, dass Landeseinheit und Spracheinheit Hand in Hand gehen müssten, was die Entwicklung und Standardisierung des Italienischen weiter vorantrieb.
- Quote paper
- Alexandra Huck (Author), 1999, Neapolitanisch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98027