Der ,,Leviathan" des Thomas Hobbes ist ein staatstheoretisches Werk, das zwar auch heute noch seine Leser fesselt, aber nicht immer überzeugen kann.
Der Grund dafür liegt in Hobbes Ansichten und den daraus resultierenden Forderungen, welche nicht besonders moderat, sondern fast schon radikal scheinen. Um diese Erkenntnis zu untermauern, gliedert sich die vorliegende Arbeit in drei Teile. Beginnend mit der Klärung der äußeren Umstände, sowohl der Zeitgeschichte als auch seiner Vita, über sein Hauptwerk, den ,,Leviathan", bis hin zu einer Schlussbetrachtung über den Stellenwert von Idealen und Interessen.
Der Hauptteil dieser Arbeit, die Erläuterung des ,,Leviathan", behandelt den ,,Naturzustand", das ,,Vertragselement", ,,Die Rechte des Souveräns" und ,,Die Rechte der Staatsbürger". In diesen glaubt Hobbes die Formel für die Garantie des friedlichen Zusammenlebens aller Menschen gefunden zu haben und setzt seine ganze Hoffnung auf die Staatsoberhäupter, die allein die Macht haben, seine Vorstellungen durchzusetzen. Er möchte dabei nicht Partei für eine Gruppierung ergreifen, sondern nimmt eine völlig unparteiische, nur am Gemeinwohl orientierte Position für sich in Anspruch. Aber ist es überhaupt möglich, Bürger dem Absolutheitsanspruch eines Staates und seines Souveräns zu unterwerfen? Um diese Frage zu klären, müssen seine Lebensgeschichte, seine Erfahrungen, und vor allen Dingen das historische Geschehen beachtet werden, wie es im ersten Teil der Arbeit vorliegt. Daran anschließend knüpft der Versuch, sein Werk einzuordnen. Ist es tatsächlich eine absolutistische Staatskonstruktion oder gibt es erste Ansätze eines liberalen Rechts- und Verfassungsstaates?
Die Schlussbetrachtungen versuchen schließlich die Frage zu klären, warum seine Vorstellungen auf die Dauer zum Scheitern verurteilt sind, da der Mensch nicht auf das rationale und funktionale Verhalten einer Maschine zu reduzieren ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hobbes Vita und seine Zeit
2.1 Von seiner Geburt bis zur Auflösung des Parlaments durch Karl.
2.2 Exkurs: Das Parlament ein Repräsentationsorgan des ganzen Volkes
2.3 Von 1630 bis zu seiner Flucht nach Frankreich
2.4 Exil in Frankreich und Bürgerkrieg
2.5 Von seiner Rückkehr nach England bis zur Glorious Revolution
3. Die Staatskonstruktion des ,,Leviathan"
3.1 Der Naturzustand
3.2 Der Vertrag
3.3 Die Rechte des Souveräns
3.4 Die Rechte der Staatsbürger
4. Hobbes ,,Leviathan" eine absolutistische Staatskonstruktion oder doch erste Ansätze eines liberalen Rechts- und Verfassungsstaates
5. Schlußbetrachtungen
1. Einleitung
Der ,,Leviathan" des Thomas Hobbes ist ein staatstheoretisches Werk, das zwar auch heute noch seine Leser fesselt, aber nicht immer überzeugen kann.
Der Grund dafür liegt in Hobbes Ansichten und den daraus resultierenden Forderungen, welche nicht besonders moderat, sondern fast schon radikal scheinen. Um diese Erkenntnis zu untermauern, gliedert sich die vorliegende Arbeit in drei Teile. Beginnend mit der Klärung der äußeren Umstände, sowohl der Zeitgeschichte als auch seiner Vita, über sein Hauptwerk, den ,,Leviathan", bis hin zu einer Schlussbetrachtung über den Stellenwert von Idealen und Interessen.
Der Hauptteil dieser Arbeit, die Erläuterung des ,,Leviathan", behandelt den ,,Naturzustand", das ,,Vertragselement", ,,Die Rechte des Souveräns" und ,,Die Rechte der Staatsbürger". In diesen glaubt Hobbes die Formel für die Garantie des friedlichen Zusammenlebens aller Menschen gefunden zu haben und setzt seine ganze Hoffnung auf die Staatsoberhäupter, die allein die Macht haben, seine Vorstellungen durchzusetzen. Er möchte dabei nicht Partei für eine Gruppierung ergreifen, sondern nimmt eine völlig unparteiische, nur am Gemeinwohl orientierte Position für sich in Anspruch. Aber ist es überhaupt möglich, Bürger dem Absolutheitsanspruch eines Staates und seines Souveräns zu unterwerfen? Um diese Frage zu klären, müssen seine Lebensgeschichte, seine Erfahrungen, und vor allen Dingen das historische Geschehen beachtet werden, wie es im ersten Teil der Arbeit vorliegt. Daran anschließend knüpft der Versuch, sein Werk einzuordnen. Ist es tatsächlich eine absolutistische Staatskonstruktion oder gibt es erste Ansätze eines liberalen Rechts- und Verfassungsstaates?
Die Schlussbetrachtungen versuchen schließlich die Frage zu klären, warum seine Vorstellungen auf die Dauer zum Scheitern verurteilt sind, da der Mensch nicht auf das rationale und funktionale Verhalten einer Maschine zu reduzieren ist.
2. Hobbes Vita und seine Zeit
2.1 Von seiner Geburt bis zur Auflösung des Parlaments durch Karl I.
Die Geburt von Thomas Hobbes am 5.April 1588 in Westport bei Malmesbury in der Grafschaft Wiltshire fällt in das letzte Drittel der Herrschaftszeit Elisabeth I. Ihre Flotte steht seinerzeit in Auseinandersetzung mit der Spanischen Armada, die Sir Francis Drake Anfang August 1588 im Ärmelkanal vernichtend schlägt. Viele englische Protestanten werten dies als ein Zeichen der Auserwähltheit der englischen Nation.
Hobbes Elternhaus ist wenig gebildet, der Vater ist ein Landgeistlicher, die Mutter entstammt einer Bauernfamilie. Die Sorge für die Ausbildung von Thomas Hobbes trägt nachdem der Vaters, infolge einer Schlägerei, geflohen ist, ein etwas begüterterer Onkel, Francis Hobbes. Dieser ermöglicht ihm nach der Elementarschule den Besuch einer Schule in Malmesbury, wo er Unterricht in klassischen Sprachen erhält. (Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 191) Im Jahr 1603 als Hobbes sein Studium in Oxford aufnimmt, besteigt der schottische König Jakob VI. als Jakob I. den englischen Thron. Die Voraussetzungen für den Stuart-König sind nicht günstig. Von Anfang an ist die finanzielle Situation bei Hofe prekär, einerseits bedingt durch die Preisinflation, andererseits durch den verschwenderischen Lebenswandel noch verstärkt, nimmt er immer häufiger Subsidien in Anspruch. Das Parlament, das ihm diese bewilligen muß, drängt ihn so in eine Abhängigkeit, die ihn dazu veranlaßt, andere Finanzquellen aufzutun. Dabei ist das Parlament auch nicht unschuldig an der Finanzkrise der Krone, da die grundbesitzenden Parlamentarier in ihren Grafschaften immer weniger vermögende Grundbesitzer zur Zahlung ihrer Steuern an die Krone verpflichten. Zur Abwendung der Finanzmisere erhebt die Krone Einfuhrzölle auf bestimmte Waren, ohne vorher die Zustimmung des Parlaments einzuholen. Klagen vor dem Star Chamber , eines auch als Gericht tagendem Verwaltungsorgans der Krone,1 werden zugunsten der Krone entschieden. Mit anderen Worten: Der König erweitert seine Prärogativrechte und unternimmt Anstrengungen seine Herrschaft wieder in die absolutistische Richtung auszubauen. Die Erweiterung der Prärogativrechte mit Hilfe des Star Chamber nutzen sowohl Jakob I. als auch Karl I. immer wieder zu ihrem Vorteil. (Schröder, Die Revolutionen Englands im 17.Jahrhundert, 1986, 21-24)
Die Rechte eines absolutistischen Herrschers, die die beiden Stuart.Könige zweifelsohne dem Parlament abringen wollten, interessieren den inzwischen im Dienste der Familie Cavendish stehenden Hauslehrer Thomas Hobbes nicht so sehr, als daß er versucht hätte Einfluß auf die aktive Politik zu nehmen. Auch später war das nie sein erklärtes Ziel, ihm ging es nicht nur darum
,,die Grundlagen der stabilen Ordnung zu begreifen, sondern auch in den Gang der Dinge einzugreifen -vorderhand dadurch, daß er seine Leser überzeugte". (Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 33)
Passive Überzeugung durch Verbreitung von Schriften hat er sehr wohl betrieben, aber keine Überzeugungsarbeit durch die Übernahme eines politischen Amtes.
Sein 1607/08 beendetes Studium der sieben freien Künste schließt er mit dem Grad eines Baccalaureus Artium ab und tritt wie oben schon erwähnt in die Dienste der Familie Cavendish, als Tutor des etwa gleichaltrigen Sohnes, ein. Seinen Gewinn aus seiner Universitätsausbildung schätzt er später selbst als sehr gering ein. In seinem Werk ,,Behemoth or the Long Parliament" läßt er den älteren Gesprächsteilnehmer sagen:
,,Die Universitäten sind dieser Nation das gewesen, was das hölzerne Pferd den Trojanern war".
(Hobbes in: Münkler, Thomas Hobbes,1993, 37)
Also nicht nur eine schlechte Ausbildungsstätte, sondern auch eine die den dauerhaften Frieden in einem Staat, durch ihre durch den Papst und die katholische Kirche beeinflußten Lehren, gefährden würde.
,,Welche andere Absicht konnte er (der Papst, H.M.)haben als die (die du vorhin schon gehört hast), nämlich die Stärkung seiner eigenen Autorität in den Ländern, in denen die Universitäten errichtet wurden? Dort lernten sie, für ihn zu disputieren und mit unverständlichen Unterscheidungen die Augen der Menschen zu blenden, während sie die Rechte der Könige schmälerten._..._Von diesen lernten die Scholastiker _er spricht hier von Petrus Lombardus dem ersten Rektor der Universität von Paris, welcher die Scholastik als Lehrfach einführte und von Johannes Duns Scotus, der ihn unterstützte_, die ihnen nachfolgten, das Kunststück, alles, wozu sie Lust hatten, ihren Lesern weismachen, die Kraft des wahren Verstandes abzubiegen durch Wortzangen: Ich meine damit Unterscheidungen, die nichts bedeuten und nur dazu dienen, die Menge unwissender Leute in Erstaunen zu setzen. _..._ Diese Scholastiker sollten alle Glaubensartikel gutheißen, die die Päpste von Zeit zu Zeit zu glauben befahlen, unter welchen sich sehr viele unvereinbar mit den Rechten der Könige und anderer weltlicher Herrscher befanden und dem Papst alle Autorität zusprachen, was auch immer sie für notwendig in ordine ad spiritualia erklären sollten, d.h. für die Religion."
(Hobbes in: Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 37-38)
Die Stelle als Hauslehrer eröffnet ihm zudem ein intellektuelleres Leben, das ihm innerhalb der Universität sicher nicht möglich gewesen wäre.
1610 begibt er sich mit seinem Zögling auf eine damals übliche Bildungsreise auf den Kontinent, die mehrere Jahre gedauert haben soll. Im Verlauf dieser Reise, die ihn nach Italien, aber auch nach Frankreich führt, erlebt er die Ermordung Heinrich IV, des französischen Königs in Paris. Die Ermordung des Königs durch den katholischen Fanatiker Fran_ois Ravaillac überrascht sehr, da gerade in Frankreich nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg, in welchem solche Attentate öfter vorkamen, wieder Ruhe eingekehrt war. Möglicherweise hat diese Ermordung Hobbes sehr beeinflußt, da er sich später -wie Münkler schreibt- in seinem Vorwort zu ,,De cive" zur Ermordung eines Souverän unter der Berufung auf Gott, äußert. (Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 40)
In die Zeit nach seiner Rückkehr fällt sehr wahrscheinlich seine Bekanntschaft mit Edward Lord Herbert of Cherbury und dessen von Hobbes hoch geschätztes Hauptwerk ,,De veritate" und seine Bekanntschaft mit Francis Bacon.
1625 besteigt der zweite Stuart-König als Karl I. den englischen Thron. Genau wie sein Vorgänger erhebt er verschiedene Zölle, um die desolate Finanzlage zu verbessern.
Insbesondere mit dem Zoll auf Wolle und Wein gerät er in Streit mit dem Parlament, das ihm diese zunächst nur für ein Jahr bewilligt hatte. Daraufhin löst er das Parlament auf, wozu er ohne weiters das Recht hatte, entspannte die Situation aber 1628 etwas mit der Unterzeichnung der ,,Petition of Right". Die Petition hält eindeutig die Rechte des Parlaments fest, wonach niemand ohne seine allgemeine Zustimmung zu irgendeiner Steuer, Anleihe oder Abgabe gezwungen werden kann. Nach erneuten Differenzen, die 1629 in einem Eklat im Unterhaus gipfeln, löst der König das Parlament erneut auf und regiert zehn Jahre ohne dessen Zustimmung.(Schröder, Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert, 1986, 24-25)
2.2 Exkurs: Das Parlament ein Repräsentationsorgan des ganzen Volkes?
Es bleibt also die Frage zu klären, inwieweit das Parlament als Vertretung des Volkes überhaupt angesehen werden kann. Das Parlament ist von Anfang an auf Grund der rigiden Wahlrechtsgesetze kein Repräsentationsorgan des Volkes. Das Wahlrecht besitzt, laut einem Gesetz von 1429 (Forty Shilling Freeholders), nur der Mann, der Grundbesitz und mindestens 40 Shilling Ertragswert aus diesem Besitz im Jahr vorweisen kann. Darüber hinaus existieren noch zahlreiche Einzelfallregelungen. Auch gegenüber der Krone sollte das Parlament nur ein reagierendes keinesfalls ein initiierendes Verhalten an den Tag legen. Denn es konnte aufgelöst, einberufen oder vertagt werden ganz wie der Monarch es wollte, der sich keinen gesetzlichen oder verfassungsrechtlichen Zwängen beugen mußte.
Mitte der zwanziger Jahre löst allerdings die Öffentlichkeit, auf Grund der immer augenscheinlicheren Finanzeskapaden des Hofes, einen stärkeren Druck auf seine Vertretung aus, der zu einer besseren Beteiligung am Regierungsprozeß führt. Inzwischen hat sich auch der Anteil der Wahlberechtigten im Zuge der Inflation erhöht, und die Repräsentation des Volkes wird zum ersten Mal auch als solche verstanden. Die Abgeordneten nehmen hierbei die Rolle der uneigennützigen Repräsentanten des Landes und des Volkes mit Hang zum Protestantismus, im Gegensatz zu den katholischen Tendenzen des Hofes, an. Hier deutet sich auch zum ersten Mal die Court-Country Polarität an, die bis zum Beginn der heißen Phase der Revolution noch eine weit größere moralisch-religiöse Dimension annehmen wird. Gerade diese Dimension durchzieht seine späteren Werke, besonders den ,,Leviathan", wie einen roten Faden. Ihm, den zeit seines Lebens der Atheismusverdacht nicht mehr losläßt, ist die Wahrung der Rechte des Souveräns der letzten Instanz, also Gott, absolut, und die Entscheidungsbefugnisse und die Macht eines weltlichen Souveräns stehen dabei nicht im Widerspruch zu den Gesetzen, die Gott den Menschen gegeben hat. (Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 18)
In seiner Freizeit beschäftigt sich Hobbes zu dieser Zeit mit der Übersetzung der ,,Geschichte des Peleponesischen Krieges" vom Thukydides, die 1628 veröffentlicht wird. Thukydides hält er dabei auf Grund seiner Analyse des Zerfalls der griechischen Stadtstaaten für einen der bedeutendsten Geschichtsschreiber, der rein pragmatisch an den Ursachen des Zerfalls interessiert war. Ähnlich wie Thukydides versucht auch Hobbes durch seine Werke Einfluß auf den Souverän zu nehmen.
2.3 Von 1630 bis zur Flucht nach Frankreich
1630 begibt er sich als Erzieher eines neuen Schülers erneut auf eine Bildungsreise zum Kontinent und entdeckt in einer Privatbibliothek in Genf die ,,Elementa" des Euklid. Später berichtet er, daß er mit dieser Entdeckung eine völlig neue wissenschaftliche Arbeitsmethode erschlossen habe, die ihm Beweis für Beweis neue Denkanstöße gegeben und zu völlig neuen Einsichten verholfen habe. Inwieweit diese Schrift tatsächlich einen totalen Gesinnungswandel hervorgerufen hat, ist umstritten. In Anbetracht der Tatsache, daß er schon vorher nicht mit der scholastischen Philosophielehre der Universitäten einverstanden war, ist eine rigorose Kehrtwendung eher zu bezweifeln. (Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 42) Auf seiner dritten Europareise 1634 macht er die Bekanntschaft so bedeutender Männer wie Abbé Mersenne, Pierre Gassendi und auch Galileo Galilei. Besonders an letzterem fasziniert ihn die rein mathematische Gedankenführung, nach der er auch seine politischen Schriften verfaßt hat. Die Reduzierung einer Tatsache auf allgemeine Prinzipien, die so logisch und klar sind, daß jeder zustimmen muß, ist Hobbes's Intention in all seinen Werken. Unterdessen führt Karl I. zwei Kriege gegen Schottland (1639 und 1640), die für England jeweils mit schmachvollen Niederlagen enden. Ganz offensichtlich ist eine effektive Kriegführung aus finanziellen Gründen nicht möglich und da der König es schon seit längerem vorzieht, ohne Parlament zu regieren, kann ihm dieses auch kein Geld bewilligen. Verantwortlich für die beiden Kriege und letztlich die Wiedereinberufung des Parlaments ist der Erzbischof von Canterbury, William Laud, ein enger Freund und Berater Karls I. (Schröder, Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhunderts, 1986, 42) Laud strebt eine Ordnung und Stabilität in der anglikanischen Kirche an, die zwar nicht auf eine Rückkehr nach Rom ausgerichtet ist, aber zumindest der äußeren Form her katholische Züge trägt. Konformität in der Kirche ist sein oberstes Ziel. Auch der schottischen, eher calvinistischen orientierten Kirche, versucht er diese Konformität aufzudrängen, die sich aber alsbald öffentlich gegen den englischen König stellt.
Um sein Gesicht zu wahren, entschließt sich Karl I. für eine gewaltsame Unterwerfung der Schotten. Karl I. ist gezwungen, nach seiner Niederlage im ersten Bischofskrieg ein Parlament einzuberufen, welches als ,, Kurzes Parlament" in die Geschichte eingegangen ist. Hobbes läßt unterdessen Auszüge seiner noch unvollständigen Schrift ,,Elements of Law" unter den Abgeordneten kursieren, um sie im royalistischen Sinn zu beeinflussen. Dabei ist es nicht seine Absicht, zu einem Konsens zwischen König und Parlament beizutragen, sondern jedem Abgeordneten die Notwendigkeit eines starken Souveräns aus Eigeninteresse, durch Rückführung auf allgemeine Prinzipien, zu verdeutlichen. Natürlich hat er dabei Partei für die Royalisten ergriffen, aber nur aus dem Kalkül des Eigeninteresses heraus, das jeder Mensch hat und auf dessen Grund er in einem stabilen, Frieden garantierendem Staat leben will. Und eben diesen Frieden kann nur ein machtvoller Souverän garantieren, günstigstenfalls in einer Monarchie. Seine kursierenden Schriften zeigen keinerlei Wirkung: Karl I löst das Parlament nach kurzer Zeit wieder auf, die Differenzen sind zu groß. Nach der Niederlage im zweiten Bischofskrieg gegen die Schotten ist Karl I. gezwungen erneut ein Parlament einzuberufen, an welches er dann gebunden ist, da es die Entschädigung zur Unterhaltung einer schottischen Armee, bewilligen muß. Das sogenannte ,,Lange Parlament" will die Vertreter der absolutistischen Politik des Königs unter Anklage stellen, allen voran den Earl of Strafford, einen ehemaligen radikalisierenden Abgeordneten des Oberhauses.
Auch Hobbes befürchtet unter Anklage gestellt zu werden und flüchtet nach Paris. Er arbeitet an seinem Werk ,,Elementa philosophiae" und widmet seine Zeit den optischen Studien von Mersenne. Seine ,,Elementa philosophiae" gliedert er in drei Teile, ausgehend vom Existieren eines Körpers, der komplexer werdend einen Menschen bildet, um dann als Bürger seine endgültige Bestimmung zu finden. Äußere Umstände zwingen ihn dazu den dritten Teil ,,De cive" (1642) zuerst zu veröffentlichen.
Hobbes war einer der ersten, der nach Frankreich geflüchtet ist und hat aus seiner vielleicht übertriebenen Furcht nie einen Hehl gemacht. ,,Mut, von dem niemand profitiert und der lediglich dazu führt, die eigene Sicherheit zu gefährden, war in seinen Augen keine Tugend." (Fetscher,Vorwort zu: Thomas Hobbes Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, 1989, 14)
2.4 Exil in Frankreich und Bürgerkrieg
Unterdessen kommt es zu Differenzen zwischen England und Irland, durch den irischen Aufstand religiös motiviert, hatten irische Katholiken Dublin angegriffen. Man fürchtet, der König könnte die irischen Katholiken unterstützen und das irische Parlament zerschlagen. Der König versucht, Mitglieder des englischen Parlaments des Hochverrats zu beschuldigen und anzuklagen, da sie offen seine Machtbefugnisse untergraben hätten und überschreitet damit deutlich seine Kompetenzen. Die Streitigkeiten können nicht beigelegt werden, der König zieht sich nach Windsor zurück und die Probleme bleiben ungelöst. Aber auch das Parlament bildet unerlaubterweise Fraktionen und behindert so den Friedensprozeß. (Kluxen, Geschichte Englands, 1991, 304-308) Die Fronten verhärten sich.
Am 22.August 1642 eröffnet Karl I. den bis 1646 dauernden Bürgerkrieg in Oxford, der in der Bevölkerung nie als ,,richtiger" Krieg wahrgenommen wurde, da sie nur zu einem geringen Teil daran beteiligt war. Die Entscheidungsschlacht bei Naseby 1646 führte die parlamentarische Seite und ihre Anhänger unter Oliver Cromwell zum Sieg, der erste Bürgerkrieg ist damit beendet.
Der Hof Karl I. flüchtet nach der Niederlage nach Paris. Dort beschäftigt sich Hobbes mit der Unterrichtung des Prinzen von Wales. Eindeutig stellt man heraus nur diese Wissenschaft zu lehren und den Prinzen nicht politisch zu beeinflussen.
Cromwell fordert den Kopf des Königs, gegen den Willen des Parlaments, das seine Widereinsetzung betreibt. Die Armee gibt Cromwell Rückendeckung und stellt sich gegen das Parlament, verhaftet einen Teil der Abgeordneten und hinterläßt ein lediglich auf einen Rumpf dezimiertes Parlament. Dieses Rumpfparlament bewilligt Cromwell widerwillig einen Prozeß zur Verurteilung des Königs, allerdings nur das Unterhaus, das widerstehende Oberhaus löst man daraufhin einfach auf.
Karl wird zur Last gelegt, ein willkürliches Tyrannenregime aufgebaut zu haben. Seine Verteidigung fällt knapp aus. Er beruft sich auf Gerechtigkeit, Freiheit und Verfassung, die nur er, als König, seinen Untertanen garantieren könne, und schließlich könne ein erblicher Monarch überhaupt nicht von seinen Untertanen gerichtet werden. (Kluxen, Geschichte Englands, 1991, 316-318)
Er spielt auf die Rechte und Machtfülle eines absoluten Souverän an, die Hobbes in einem monarchischen System, wie er es später im ,,Leviathan" beschreibt, auch zugestehen will. Karl I wird geköpft und die Monarchie ist damit beseitigt.
Die Ursachen der puritanischen Revolution sind so zahlreich, daß es hier zu weit führen würde sie einzeln zu beschreiben. Großen Anteil hatte mit Sicherheit die religiöse Dimension, ferner kamen konstitutionelle und absolutistische Gegenpositionen dazu, aber auch wirtschaftspolitische Aspekte und andere kleinere Faktoren mehr.
Kluxen bemerkt hierzu, dass Thomas Hobbes die neu eingeführte Regierungsform als Oligarchie bezeichnet habe, andere hätten sie eine Aristokratie genannt, unter Hinzuziehung ihrer Prinzipien könne man sie als Demokratie bezeichnen. (Kluxen, Geschichte Englands, 1991, 326) Oligarchie im heutigen Sprachgebrauch bedeutet aber Machtkonzentration bei Wenigen, also eine ,,Entartung" der Demokratie. Da Hobbes keine Erfahrungen mit der Regierungsform ,,Demokratie" gemacht haben konnte, wie könnte er dann die Herrschaftszeit Oliver Cromwells als Oligarchie bezeichnet haben.
2.5 Von seiner Rückkehr nach England bis zur ,,Glorious Revolution"
Die 1650 begonnene Arbeit ,,Leviathan" wird 1651 veröffentlicht und ruft eine Welle der Empörung hervor. Man beschuldigt ihn des Verrats und des Atheismus, da er die Meinung vertritt ein einmal eingesetzter Herrscher, wie eben auch Cromwell, könne nicht mehr abgesetzt werden, wenn ihm einmal die Herrschaft angetragen worden sei. Er verläßt daraufhin den englischen Exilhof in Paris und unterwirft sich der Cromwell'schen Diktatur.
,,Die konsequente Orientierung an der Herstellung des Friedens und die Logik seiner eigenen Theorie, der er sich aus kurzfristigen taktischen Erwägungen auch nicht zu entziehen bereit war, haben ihn, der durchweg ein überzeugter Anhänger der Monarchie war, dazu veranlaßt, eine faktisch prorepublikanische und antiroyalistische Position einzunehmen_..._. (Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 16-17)
Für den Rest seines Lebens läßt er sich in Derbyshire nieder und veröffentlicht 1655 und 1658 die beiden letzten Teile seiner ,,Elementa philosophiae" mit den Titeln ,,De homine" und ,,De corpore". 1666 wird Hobbes im Parlament erneut des Atheismus bezichtigt und verbrennt aus Angst vor einer drohenden Anklage einen Teil seiner Papiere.
Cromwell, der zuletzt als Lordprotektor diktatorisch regiert hat, stirbt 1658 und überläßt seinem glücklosen Sohn Richard Cromwell die Macht, der aber schon 1659 wieder gestürzt wird. Das 1652 aufgelöste Rumpfparlament findet wieder zusammen und man beschließt die Selbstauflösung und eine sich daran anschließende Neuwahl.
Gemäßigte Puritaner und Royalisten gehören dem neuen Parlament in der Mehrheit an und 1660 kehrt Karl II. nach England zurück. Er ist durch das Parlament in seinen Prärogativrechten stark eingeschränkt. Die Probleme der finanziellen Abhängigkeit und das fehlende stehende Heer bestehen wie ehedem. Gerade die finanzielle Abhängigkeit vom Parlament zwingt ihn, den stark mit dem katholischen Glauben sympathisierenden König, zur Unterzeichnung der Testakte. Die Testakte besteht im wesentlichen aus der Festschreibung der Vorrechte der anglikanischen Hochkirche gegenüber katholisierenden Elementen. Jeder, der ein öffentliches oder militärisches Amt bekleiden will, muß vorher das Sakrament nach den Riten der anglikanischen Kirche empfangen haben.
Dies führt zu einem erheblichen Konflikt um die Thronfolge. Da es keinen legitimen Thronerben Karls II. gibt, geht der Thron automatisch an seinen Bruder Jakob, einen bekennenden Katholiken. Die Furcht vor dem Katholizismus in England führt, unterstützt durch höchst fragwürdige Gerüchte über ein Papstkomplott zur Rekatholisierung Englands, zu einer regelrechten Hysterie und Jagd auf die Anhänger dieser Glaubensrichtung. Die Partei der Whigs (das Parlament hatte sich schon seit geraumer Zeit in zwei Gruppierungen gespalten,in Whigs und Tories) unter Lord Shaftesbury betreibt massiv den Ausschluß Jakobs von der Thronfolge, kann dies aber nach dreimaliger Parlamentsauflösung und gegen die Rechte des erstarkten Karl II. im letztlich nicht durchsetzen. 1685 besteigt Jakob II den englischen Thron. (Schröder, Die Revolutionen Englands im 17.Jahrhundert, 1986, 218-222) Zu diesem Zeitpunkt ist der gottlose und Theorien zum Untergang eines Staates verbreitende Thomas Hobbes, wie sein stärkster Konkurrent Edward Hyde ihn gesehen hat, bereits sechs Jahre tot. Der Restauration der Stuarts im Jahre 1660 hatte er nichts entgegenzusetzen, mit der politischen Entwicklung scheint er aber nicht einverstanden gewesen zu sein. (Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 59) Es würden die Fehler wiederholt, die 1640 zum Bürgerkrieg geführt hätten. Seine Analysen dieses Themas fügt er in seinem Werk ,,Behemoth or the Long Parliament" zusammen. Thomas Hobbes ist im Alter von 91 Jahren 1679 in Derbyshire gestorben. Neun Jahre bevor die Glorious Revolution die absolutistischen Machtbestrebungen der Stuart-Könige endgültig beendet.
Jakob trägt insofern wesentlich zur Glorious Revolution und damit zu seiner Absetzung bei, als daß er gestützt auf ein Parlament mit einer Tory-Mehrheit, glaubt, seine Rekatholisierungsversuche auf die Loyalität der Tories gründen zu können. Als dieser Versuch fehlschlägt, da sich das Parlament zu seiner Sicherheit immer noch auf die Testakte beruft, wechselt er das Lager und versucht, die Whigs für seine Pläne zu gewinnen, indem er das Parlament auflöst. Zudem greift er in die Selbstverwaltung der Grafschaften ein und ersetzt fast zwei Drittel der Verwalter durch königstreue Katholiken. Da ihre Anzahl in England gering ist, gelangen Männer von niederem Stand in Positionen, die der Oberschicht zugestanden hätten. Mit Unterstützung der herrschenden Schicht zwingt man 1688 Jakob II. zur Flucht und bittet seinen Schwiegersohn Wilhelm von Oranien, einen überzeugten Protestanten, als neuen König nach England. (Schröder, Die Revolutionen Englands im 17.Jahrhundert, 1986, 223-228)
3. Die Staatskonstruktion des ,,Leviathan"
Die theoretische Staatskonstruktion des Leviathan umfasst zwei Teile. Der erste Teil ,,Vom Menschen" gibt Aufschluß über das Menschenbild Thomas Hobbes's, und prägt somit auch wesentlich den zweiten Teil, der ,,Vom Staat" handelt. Dieser Gliederung liegt die lateinische Ausgabe zugrunde, die sich auf diese beiden Teile beschränkt. Die englische Fassung ist in einigen Punkten wesentlich ausführlicher.
Hobbes Ausgangspunkt ist der fiktive Naturzustand, in welchem die Menschen in ständiger Angst um ihr Leben dahinvegetieren. Darum sind sie bereit durch einen Vertragsabschluß vom ,,Kriegszustand" in den Gesellschaftszustand zu wechseln, auch wenn ihre Freiheitsrechte damit grundlegend beschnitten werden.
3.1 Der Naturzustand
Die Begründung nach Hobbes:
,,Hieraus ergibt sich, daß ohne eine einschränkende Macht der Zustand der Menschen ein solcher sei, wie er zuvor beschrieben wurde, nämlich ein Krieg aller gegen alle. Denn der Krieg dauert ja nicht nur so lange wie faktische Feindseligkeiten, sondern so lange, wie der Vorsatz herrscht, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. _..._ Die Zeit aber, in der kein Krieg herrscht, heißt Frieden."
(Hobbes, Leviathan, 1998, 115)
Der Naturzustand ist für Hobbes der fehlende Ausgangspunkt, der dazu geführt hat, daß es im politischen Denken seit der Antike keinen Fortschritt mehr gegeben habe. (Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 14) Den Naturzustand den Hobbes als ein Krieg ,,aller gegen alle" beschreibt, resultiert für ihn aus der Gleichheit der Menschen und ihren einander widersprechenden Wünschen und Bedürfnissen. Denn sobald die Wünsche zweier Menschen aus der gegebenen Knappheit der Güter miteinander konkurrieren, entsteht Feindschaft, die Gefahr für das Leben des Individuums darstellt, der es sich erwehren muß. Widersprechende Wünsche und Bedürfnisse setzt Hobbes im Naturzustand voraus, sie entstehen nicht erst in einer Gesellschaft. Der Mensch lebt also in beständiger Furcht vor seinen Mitmenschen, die er nur dadurch kompensieren kann, daß er andere unterwirft. Um sich und sein Leben zu schützen, muß er seine Macht vergrößern, indem er seine Besitzungen gewaltsam vermehrt. Dieses Recht muß ihm zu seiner Selbsterhaltung zugestanden werden. (Hobbes, Leviathan, 1998, 114)
Der Anlaß für Streitigkeiten liegt in den ,,Leidenschaften" der Menschen, besonders nennt er hier ,,Mitbewerbung", ,,Verteidigung" und ,,Ruhm". (Hobbes, Leviathan, 1998, 115) Aber auch die Furcht, in ständiger Angst um sein Leben nur dahin zu vegetieren, bestärkt ihn in seinen Anstrengungen den Naturzustand zu überwinden. Hierbei zitiert er die beiden wichtigsten natürlichen Gesetze, die aus der Vernunft des Menschen resultieren. Der Mensch soll nach Frieden streben, solange nur eine Hoffnung darauf besteht und alle Hilfe zu seinem Erlangen in Anspruch nehmen. Und rückt dann irgendwann solch ein Friedenszustand in Reichweite, soll jeder auf sein Recht auf alles verzichten, wenn alle anderen auch dazu bereit sind, und mit der Freiheit zufrieden sein, die er auch allen anderen eingeräumt hat. (Hobbes, Leviathan, 1998, 119)
Der Mensch ist also fähig, sich allein durch den Gebrauch seiner Vernunft aus dem Kriegszustand zu befreien. Dabei schlägt die Vernunft in zwei völlig verschiedene Richtungen aus. Er handelt im Naturzustand vernünftig, indem er andere unterwirft um sich selbst zu schützen. Der Selbstschutz entspringt nicht Machtgier oder einer anderen materiellen Ursache, sondern der strategischen Vernunft, die den Menschen vorausschauend handeln läßt. (Kersting, Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrages, 1996, 61) Andererseits handelt er auch dann vernünftig, wenn er sich zu einem Staat -einem künstlichen Menschen- zusammenschließt und sich zu seinem Schutz einer höheren Macht unterwirft. Vernunftgetragenes Handeln kann also zugleich Machtausübung und Unterwerfung bedeuten, beide beinhalten eine konkrete Nutzenmaximierung für den Menschen. Vernünftig Handeln korreliert also für Hobbes mit Eigeninteresse.
Im Falle der Bildung eines Staates mündet das Eigeninteresse in ein Gemeinwohl. Wenn alle sich unterwerfen, genießen alle Schutz in einem Staat.
Nach dem zweiten natürlichen Gesetz muß ein Individuum aber nur auf sein Allrecht verzichten, wenn alle anderen das auch tun. Was passiert also, wenn nur eine Person sich weigert, auf ihr Recht zu verzichten und den Naturzustand trotz aller Nachteile vorzieht?
Hobbes lehnt dann die Bildung eines Staates ab, und geht nicht weiter darauf ein. Aber heute über vierhundert Jahre nach seiner Geburt beschäftigt sich die Tagespolitik oft mit diesem Fakt. Was macht man mit Individuen, die ein kontrasoziales Verhalten an den Tag legen, oder Staaten, deren Regierung ein anders Land bedrohen?
Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten:
Das Einbinden in ein internationales System von Institutionen und damit eine Kontrolle oder ein Isolieren und Blockieren des Staates bis zu seiner Schwächung. Vernunftgemäß muß sich dann der Mensch oder der Staat entscheiden, ob institutionelle Einbindung oder Ausgrenzung die bessere Lösung ist. Ziel ist aber immer eine Nutzenmaximierung. Die Möglichkeit der Beschreitung eines Mittelweges wäre aber dann gegeben, wenn vernünftiges Handeln nicht egozentriertes, sondern am Gemeinwohl orientiertes Handeln, ohne persönlichen Vorteil bedeuten würde. Diese Variante scheint er aber nicht in Betracht zu ziehen. So wie er lediglich zwischen dem Natur- und dem Gesellschaftszustand als Idealtypus unterscheidet,2 korreliert Vernunft mit Eigeninteresse und mit nichts anderem.
Die Fähigkeit, Recht von Unrecht zu unterscheiden erwirbt der Mensch erst in seiner Eigenschaft als Bürger. Daher kann der Naturzustand nie einen Friedenszustand erreichen, da die ,,Triebe" und ,,Leidenschaften" der Menschen die Fähigkeit zur Unterscheidung verhindern. (Euchner in: Pipers Handbuch der politischen Ideen, Band 3, 1985, 357) Wenn die emotionalen Beweggründe aber so stark sind, warum kann dann die strategische Vernunft, die der Mensch in der Interpretation von Kersting besitzt, den Naturzustand trotzdem überwinden? Oder sind die Leidenschaften doch nicht so stark und die Selbstbefriedung des Naturzustandes ist nur auf Grund der natürlichen Gleichheit der Menschen unmöglich? (Kersting, Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrages, 1996, 68) Es ist möglich, beides in einer inneren Abfolge zu sehen und nicht als gegensätzliche Positionen. Die Gleichheit und die Knappheit der Güter bedingen die emotionalen Auswüchse, die die Menschen Streitigkeiten miteinander austragen lassen.
3.2 Der Vertrag
Der Vertrag ist nach Hobbes die einzige Möglichkeit eine dauerhafte Befriedung des Naturzustandes zu erreichen, der dann kein solcher mehr ist, sondern in einen Gesellschaftszustand übergeht. Dabei ist dieser Vertrag eigentlich ein gegen die Natur des Menschen angelegtes Werk. Der Mensch, ein im Naturzustand freies und zu seinen Mitmenschen gleiches Wesen begibt sich vernunftgemäß in einen Zustand der seiner Natur zuwiderläuft. Diese natürlichen Eigenschaften des Menschen führen dann auch immer wieder zu Tendenzen, diese nach Vertrag geschaffene Ordnung zu untergraben. (Münkler, Thomas Hobbes, 1993, 122) Daher ist es auch nie ausreichend, zur Verteidigung des Staates lediglich das Vertragswerk oder bloße Gesetze zu zitieren,
,,denn sie bestehen in Worten, und bloße Worte können keine Furcht erregen; daher fördern sie die Sicherheit allein und ohne Hilfe der Waffen nicht."
(Hobbes, Leviathan, 1998, 151)
Der Akt der Übertragung der Rechte aller auf alles an einen Souverän ist dabei sehr umstritten. Hobbes formuliert hier folgendermaßen:
,,jeder muß alle seine Macht oder Kraft einem oder mehreren Menschen übertragen, wodurch der Willen aller gleichsam auf einen Punkt vereinigt wird, so daß dieser eine Mensch oder diese eine Gesellschaft eines jeden einzelnen Stellvertreter werde und ein jeder die Handlungen jener so betrachte, als habe er sie selbst getan, weil sie sich dem Willen und Urteil jener freiwillig unterworfen habe. Dies faßt aber noch etwas mehr in sich als Übereinstimmung und Eintracht; denn es ist eine wahre Vereinigung in einer Person und beruht auf dem Vertrage eines jeden mit einem jeden,_..._".
(Hobbes, Leviathan, 1998, 155)
Die Interpretationen sind unterschiedlich im Bezug darauf ob dieser Akt lediglich als ,,Unterzeichnung" eines Gesellschaftsvertrags gekennzeichnet werden kann oder als ein Zusammenfallen von Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag. Kersting argumentiert, daß es keinen Herrschaftsvertrag gäbe, da weder der qua Vertrag eingesetzte Souverän Vertragspartner sei, noch das Volk, das im Begriff sei sich als Vertragsgesellschaft erst zu konstituieren. Auch einen Zusammenfall von Herrschafts- und Gesellschaftsvertrag gäbe es nicht, sondern lediglich einen Gesellschaftsvertrag, der ein Herrschaftsbegründungsprogramm beinhalte. (Kersting, Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrages, 1996, 82-83) Euchner vertritt eine gegensätzliche Meinung nach der der Vertrag zur Staatsgründung ein Vertrag zugunsten eines Dritten sei, wobei Herrschafts- und Gesellschaftsvertrag in eins fallen. (Euchner in: Pipers Handbuch der politischen Ideen, Band 3, 1985, 360) Besteht aber nicht die Möglichkeit, daß jeder Mensch sein Recht an einen Herrscher übergibt mit dem er persönlich ein einem Herrschaftsvertrag ähnliches Abkommen schließt. Das Individuum mit der Verpflichtung, sein Recht an die höhere Macht abzugeben, der Souverän mit der Verpflichtung, alles in seiner Macht stehende zu tun um das Leben der Person zu schützen und ihr ein würdiges Leben zu garantieren. Denn zur endgültigen Überwindung des Naturzustandes ist es nicht ausreichend, den Vertrag abzuschließen, sondern es muß die Macht eingesetzt werden, die den Staat erhalten kann. Es ist nicht auszuschließen, daß Hobbes die juristischen Begriffe für Vertrag, Abkommen, Pakt und Versprechen nicht immer korrekt angewendet hat, so daß es doch in irgendeiner Weise eine Beziehung zwischen Bürger und Oberherrn geben könnte, die die gegenseitigen Verpflichtungen regelt. (Mayer in: Hobbes, Leviathan, 1998, 121;133)
Obwohl Hobbes ein Anhänger der Monarchie gewesen ist, läßt er in seiner fiktiven Staatskonstruktion des ,,Leviathan" auch die Bildung einer Aristokratie oder einer Demokratie zu. Nicht ohne noch einmal die Vorteile einer monarchischen Staatsform herauszustellen.
,,Wo das öffentliche Wohl mit dem besonderen Wohl aufs genaueste verbunden ist, ist jenes am stärksten gesichert; und die ist der Fall in jeder monarchischen Verfassung, wo der Reichtum, die Macht und die Ehre des Königs von dem Vermögen und der Achtung der Bürger abhängt. Wenn nämlich seine Untertanen arm, unvermögend oder verächtlich sind, ist er selbst weder reich noch groß, noch sicher."
(Hobbes, Leviathan, 1998, 169)
3.3 Die Rechte des Souveräns
Der Souverän ist der Stellvertreter und der Garant des Staates. Seine Stellung ist absolut, da er ohne seine Einwilligung nicht absetzbar ist. Der Vertrag begrenzt seine Herrschaft nicht, er impliziert lediglich die Rechte des Herrschers mit seiner Pflicht, den Staat zu erhalten. Obwohl seine Rechte auf den ersten Blick eine Willkürherrschaft direkt herausfordern, ist es doch seine oberste Pflicht für das Wohlergehen des Staates und damit seiner Bürger zu sorgen und so ist er funktional für die Institution Staat verantwortlich. Er muß entscheiden, welche Mittel zur Wahrung des inneren wie äußeren Friedens notwendig sind, beispielsweise durch Zensur im innerstaatlichen Bereich oder Kriegsführung mit benachbarten Staaten. Durch die Bekanntgabe von bürgerlichen Gesetzen entscheidet er über Recht und Unrecht über Eigentum und Diebstahl, denn davon hängt der Friede im Staat ab. So kommt es auch nicht selten vor, daß ein Souverän durch gewaltsame Aneignung das Oberhaupt eines Staates wird. Das ist aber nicht weiter schlimm, da auch ein gewaltsam eroberter Staat mit seinem neuen Souverän nichts als die Verhinderung des Naturzustandes im Sinn haben muß. Der Souverän führt den Kampf, den der einzelne Mensch im Naturzustand geführt hat, weiter. Dabei reicht die Macht des Leviathan aber nur soweit, wie sie den öffentlichen Bereich betrifft. Zwar kann das Volk durch Versammlungsverbote und Zensur kontrolliert werden, aber die Möglichkeit, sich einen eigenen unkontrollierten Lebensbereich zu schaffen, besteht immer.
,,Er ist für die definitorische Festlegung des Rechten und Unrechten zuständig, es ist jedoch nicht seine Aufgabe, zu bestimmen, nach welchem moralischen Muster die Menschen innerlich geformt werden sollen. Der Leviathan ist kein Erziehungsstaat - seine legitime Macht erstreckt sich nur auf den zwischenmenschlichen Ordnungsbereich, er ist Verhaltensbildner, kein Seelenbildner."
(Nonnenmacher, Die Ordnung der Gesellschaft, 1989, 46)
Wenn dann die Furcht vor dem unsicheren Naturzustand schwächer wird bzw. ein verklärtes Bild entsteht, kann es leicht zu einem Aufstand kommen, auch wenn er keinen Erfolg hat. Da der Herrscher durch keinen Herrschaftsvertrag gebunden ist, agiert er quasi in einem rechtsfreien Raum. Wenn er Vertragspartner wäre, wäre das nicht möglich, da er dann selbst dem bürgerlichen Gesetz unterworfen wäre und nicht als unabhängiger Richter Recht sprechen könnte. Geht man aber davon aus, daß eine -wie oben schon erwähnte- Beziehung zwischen dem Bürger und seinem Oberherren besteht, denn:
,,jeder muß alle seine Macht oder Kraft einem oder mehreren Menschen übertragen, wodurch der Willen aller gleichsam auf einen Punkt vereinigt wird, _..._."
(Hobbes, Leviathan, 1998, 155) wird die Sache in ein anders Licht gerückt.
Der Oberherr vereinigt und repräsentiert die Rechte des Volkes im Naturzustand und obwohl er im Namen aller spricht, darf er das Richteramt ausüben und sich damit doch im schließlich selbst richten! Er handelt im Auftrag seiner Untertanen und besteht doch nur aus den von ihnen übergebenen Rechten, wie kann er also unparteiisch sein? Und schreibt Hobbes doch selbst:
,,Viertens, weil in einem Staate, welcher freiwillig errichtet wurde, jeder von denen, die dem einen die höchste Gewalt übertrugen, sich als der Urheber aller der Handlungen dieses einen ansehen muß, ist klar, daß der Urheber keinem von diesen Unrecht tun kann: denn was er tut, tun sie selbst. Sich selbst aber kann niemand Unrecht zufügen."
(Hobbes, Leviathan, 1998, 160)
Nach obiger Ausführung vereinigt der Oberherr alle Rechte der Untertanen in seiner Person und ist deshalb letztendlich einer von ihnen. Es regiert also nicht absolutistisch, sondern seiner Stellung gemäß fast schon demokratisch. Er kann nicht abgesetzt werden, weil er das Volk selbst ist. Diese Konstruktion setzt aber immer voraus, daß eine vertragähnliche Beziehung zwischen dem Oberherrn und seinen Untertanen besteht.
Besteht aber überhaupt keine juristische Beziehung, wie auch immer sie aussehen könnte, ist diese Gedankenkonstruktion hinfällig. Zwar wären auch alle Handlungen des Souverän ,,autorisiert", da sie sie als ihre eigenen ansähen, aber der Souverän wäre auf keinen Fall Vertragspartner. Somit kann er auch nicht abgesetzt oder bestraft werden, aber nicht aus dem Grund, daß er eine ,,Vereinigung" seiner Untertanen darstellt, sondern weil er kein Vertragspartner ist. Damit ist die Herrschaft, die er ausübt aber eine absolutistische. (Euchner in: Pipers Handbuch der politischen Ideen, Band 3, 1985, 359)
Ein Charakteristikum der Herrschaft des Souveräns ist die Machtfülle, obgleich sie je nach Interpretation absolut oder demokratisch gesehen werden kann. Die Macht darf auf keinen Fall geteilt werden. Natürlich darf bzw. muß er aus Zeitgründen Vertrauenspersonen beauftragen, in seinem Sinne Recht zu sprechen oder allgemein seine Befehle auszuführen. Aber niemals darf die Macht soweit geteilt werden, als daß er den Oberbefehl über die Streitkräfte jemanden übertragen würde, denn dann hätte er keine Möglichkeit mehr, die Einhaltung seiner Befehle zu garantieren. Seine Stellung wäre gefährdet und der Friede und damit der Fortbestand des Staates wäre nicht mehr gesichert.
3.4 Die Rechte der Staatsbürger
Auf den ersten Blick scheinen die Bürger des neugegründeten Staates völlig rechtlose, von der Gnade des Oberherrn abhängige Wesen zu sein, denn in dem Moment, wo sich die Menschen zu einem Staat zusammen schließen, verzichten sie auf ihr höchstes Gut, die unbeschränkte Freiheit und alle damit zusammenhängenden Vorteile. Durch ,,künstliche Bande", Hobbes Beschreibung der bürgerlichen Gesetze, wird ihre Unabhängigkeit und ihr Recht auf alles in Zaum gehalten, denn dieses Recht steht von jetzt an nur noch dem Staat selbst zu. (Hobbes, Leviathan, 1998, 228) Es kollidieren hier die Rechte zweier ,,gegnerischer" Parteien, indem die Untertanen auch im Gesellschaftszustand ihr Recht auf Selbsterhaltung aufrecht erhalten wollen, und damit dem Absolutheitsanspruch des Souverän zuwiderlaufen. Einige Selbsterhaltungsrechte sind so grundlegend, daß sie nicht angetastet werden dürfen. Hierzu gehört beispielsweise das Recht, nicht dazu gezwungen werden zu können, sich selbst Gewalt anzutun.
Und doch leben die Menschen in Sicherheit und leiden seiner Meinung nach nicht unter einer Willkürherrschaft, denn der Staat ist nur die letzte Instanz, die absoluten Gehorsam fordert. Alles, was die Rechtsbelange der Menschen untereinander betrifft, ist durch Gesetze gesichert, die den heutigen in einem demokratischen Staat ähneln. Damit eben diese Gesetze den Frieden und die Sicherheit der Menschen im Staat gewährleisten, muß es die starke Stellung des Oberherrn geben, der die Gesetze notfalls mit Gewalt garantiert. Dazu gehört vor allen Dingen die Durchsetzung seiner Macht gegenüber Bürgern, die andere Bürger mit ihrer Rhetorik beeinflussen könnten. Machtinstrumente dürfen nur sparsam verteilt werden, da sie gehäuft die Macht der Obrigkeit untergraben könnten.
Letztendlich hört die Gehorsamspflicht dann auf, wenn der Souverän die Sicherheit seiner Untertanen nicht mehr garantieren kann und sie somit wieder auf ihre eigene Verteidigung angewiesen sind
,,Die Verpflichtung der Bürger gegen den Oberherrn kann nur solange dauern, als dieser imstande ist, die Bürger zu schützen; denn das natürliche Recht der Menschen, sich selbst zu schützen, falls es kein anderer tun kann, wird durch keinen Vertrag vernichtet." (Hobbes, Leviathan, 1998, 197)
Heute würde man einen solchen Staat als totalitär bezeichnen. Für Hobbes gibt es aber klare Richtlinien wann ein Staat funktioniert und den Zweck erfüllt, seine Bürger zu schützen, und damit die Stellung des Souverän rechtfertigt, und wann dieser Zustand nicht mehr haltbar ist. Die Kompetenzen der beiden Agitatoren sind klar und eindeutig durch Gesetze geregelt, womit ihr Verhalten und Handeln berechenbar ist.
,,Der Staat ist eine zweckrationale Veranstaltung zur Sicherung des Überlebens und der Wohlfahrt der Untertanen."
(Euchner in: Pipers Handbuch der politischen Ideen, Band 3, 1985, 362)
4. Hobbes Leviathan, eine absolutistische Staatskonstruktion oder doch erste Ansätze eines liberalen Rechts- und Verfassungsstaates
Was bezweckt Thomas Hobbes nun mit seiner theoretischen Staatskonstruktion des
,,künstlichen Menschen", des ,,Leviathan" ? Kann man ihn als ersten liberalen Politiktheoretiker der politischen Philosophie der Neuzeit sehen, oder hat er in seinen Werken, besonders im ,,Leviathan" das Erfordernis des starken, autoritären Staates zwingend nachgewiesen?
Die oberste Pflicht des Souverän ist das Wohl des Volkes, er muß alles in seiner Macht stehende tun, um einen Rückfall in den Naturzustand zu verhindern. Kann er diese Aufgabe nicht erfüllen, besteht kein Grund für seine Untertanen, ihm weiterhin Gehorsam zu leisten. Da sich der Souverän selbst aber keinem Gesetzesrecht beugen muß, außerhalb jeder richtenden Gewalt steht, gibt es niemanden, der bestimmen kann, wann der Souverän sein absolutes Recht verwirkt hat, weil er keinen Schutz mehr bietet, und damit die Untertanen nicht mehr in seiner Gehorsamspflicht stehen. Der Souverän ist das Gesetz, aber er ist nicht durch es gebunden. Es gibt keine Verfassung, welche die Rechte des Souverän definieren oder gar einschränken würde. Da es für ihn immer möglich ist, in seinem Sinne zu intervenieren, gibt es keinerlei Rechtssicherheit für die Bürger. Jeder Auffuhr, jeder Protest kann nach seinem Willen niedergeschlagen werden.
Aber tatsächlich gibt es zwei Anknüpfungspunkte für die Verfechter der Lesart des ,,liberalen Leviathan". Zum einen haben die Bürger ein Widerstandsrecht, von welchem sie Gebrauch machen müssen. Niemand kann gezwungen werden, sich selbst Gewalt anzutun, sogar desertierte Soldaten begehen kein Verbrechen, denn sie schützen nur ihr Leben. Das Widerstandsrecht beginnt aber erst dort, wo der Mensch unmittelbar Gefahr läuft, in den Naturzustand zurückzufallen und genau dann erhält er wieder sein Recht auf alles, auch auf bedingungslose Verteidigung seines Lebens. Das Widerstandsrecht ist nichts wert, es ist kein Recht, das vor Willkür durch den Oberherrn schützen kann. Günther Nonnenmacher bezeichnet das Widerstandsrecht als Notwehr, doch der Begriff ,,Notwehr" existiert nur im Rahmen eines Rechtsstaates. Es gibt eindeutige Definitionen, die eine Handlung als Notwehr definieren, nur die Staatskonstruktion von Thomas Hobbes ist kein Rechts- und Verfassungsstaat, insofern gibt es keine juristisch definierte ,,Notwehr".
Neben dem Widerstandsrecht wird als ,,Beweis" für eine liberale Staatskonstruktion immer wieder die Diskrepanz zwischen inneren und äußeren Handlungen vorgebracht. Als äußere Handlungen werden dabei jene bezeichnet, die die Beziehungen der Bürger zum Staat und seinem Souverän betreffen und damit absolute Verpflichtung zum Gesetzesgehorsam bedingen. Innere Handlungen betreffen nur das Gewissen der handelnden Person und sind somit nicht kontrollierbar. Es ist daher nicht notwendig,
,,daß der Untertan als Mensch, um den Staat in seiner Funktion als Friedenswahrer aufrechtzuerhalten, sich mit den politischen Gesetzen gesinnungsmäßig identifizieren muß." (Hobbes in: Nonnenmacher, Die Ordnung der Gesellschaft, 1989, 48)
Es herrscht Gedankenfreiheit, die wiederum wenig nützt, da die Verbreitung der Gedanken durch jedes Individuum von der Gunst des Herrschers abhängt, denn er allein hat das Recht, eine Zensur zu verhängen.
,,Der höchsten Gewalt also gebührt die Beurteilung aller Meinungen und Lehren, weil diese nicht selten Grund und Ursprung von Uneinigkeit und Bürgerkrieg sind." (Hobbes, Leviathan, 1998, 161)
Politische Meinungsfreiheit wird also doch bewußt unterdrückt. Aber darin liegt eine große Gefahr: Wo es verboten ist, frei seine Meinung zu äußern, etabliert sich schnell ein fehlendes Unrechtbewußtsein, welches im schlimmsten Fall zu einem Mißachten der bürgerlichen Gesetze führt. Denn die Furcht vor einem Rückfall in den Naturzustand läßt mit der Zeit nach, und die Freiheit, die man im selbigen genoß, wird in einem verklärten Zustand betrachtet. Hobbes weiß vielleicht, daß eine absolute Gewissenskontrolle nicht möglich ist, aber trotzdem verlangt er eine strenge Zensur, um jeden Aufruhr im Keim zu ersticken.
Sowohl das Widerstandsrecht als auch die vermeintliche Gedanken- und Gewissensfreiheit stützen die Beweiskette einer liberalen Staatskonstruktion nicht. Nur eine starke Macht mit allumfassenden Rechten kann für Thomas Hobbes den Frieden in einer Staatskonstruktion erhalten und dafür nimmt er auch in Kauf, daß diese Macht Form mißbraucht werden könne. Aber ein Mißbrauch, der sich beispielsweise in einer Bereicherung des Souveräns an seinen Untertanen zeigt, wiegt nicht sehr schwer. Die Verpflichtung der Bürger gegenüber ihrem König erlischt erst in dem Moment, wo er ihnen keinen Schutz im Staat mehr gewähren kann.
5. Schlussbetrachtungen
Hobbes Staatskonstruktion möchte überzeugen, die einzig wahre friedenstiftende Möglichkeit zu sein. Aber irgendwie will man es nicht so richtig einsehen, vornehmlich, weil es immer darauf hinaus läuft sich unterzuordnen, sich regieren zu lassen, willkürlich einer Person und deren Vorstellungen ausgeliefert zu sein.
Sich aus Eigeninteresse, zum Schutz des eigenen Lebens, in eine eigentlich ungewollte Situation zu begeben, wiegt weit mehr als dem Ideal der Freiheit ,,hinterher zu jagen", meint Hobbes. Aber tatsächlich scheint es doch eher so, daß die Menschen Ideale doch höher bewerten als ein Interesse, zumindest dann, wenn sie ein Ideal für die Verwirklichung eines Interesses dauerhaft aufgeben müßten. Da er aber alle menschlichen Handlungen radikal dem Gesetz der Kausalität unterwirft, existieren in seinen Menschenbild keine Ideale, kein Sonderstatus des Geistes, nur Rationalität.
Aber mit dem Blick auf seine Biographie und seine Lebenseinstellung ist sein Wunsch nach einem autoritären Staat zu verstehen. In seiner Biographie schreibt er über seine Geburt:
,,did bring forth Twins at once, both Me, and Fear."
(Hobbes, The life of Mr. Thomas Hobbes of Malmesbury in: Iring Fetscher, Thomas Hobbes Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates, 1989, 11)
Für ihn wird die Angst vor Nachstellung und Verfolgung im Laufe seines Lebens immer mehr zur Wahnvorstellung und unter diesem Gesichtspunkt ist der Wunsch nach einem starken, schützenden Staat durchaus zu verstehen. Das er sich verfolgt fühlt erklärt seine überstürzte Flucht nach Frankreich 1640 und auch die teilweise Vernichtung seiner Aufzeichnungen 1666. Die Erfahrung des Bürgerkrieges prägt auch sein Verhältnis zur Religion. Sie soll vom Staat getrennt werden, damit der Staat absolut als Friedensrichter auftreten kann, ohne jegliche moralische Rechthaberei. Moral kann gefährlich sein und lässt dem Gegner nur die Unmoral, meint Hobbes. Zweifelsohne polarisiert er damit sehr, aber Erfahrungen sind nie vollständig nachzuvollziehen und seine daraus gezogenen Schlüsse sind logisch, wenn auch heute nur noch schwer zu verstehen.
Literaturverzeichnis:
- Drechsler/Hilligen/Neumann.
Gesellschaft und Staat, Lexikon der Politik
9.Auflage 1995
Verlag Vahlen München
- Euchner, Walter
Thomas Hobbes, Die Vertragstheoretiker und deren Kritiker
in: Pipers Handbuch der politischen Ideen
Band 3 Neuzeit: Von den Konfessionskriegen bis zur Aufklärung 1985
Verlag R. Piper, München
- Fetscher, Iring
Thomas Hobbes Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates
3. Auflage 1989
Suhrkamp Taschenbuchverlag Frankfurt
- Hobbes, Thomas
Leviathan
Bibliographisch ergänzte Ausgabe 1998
Verlag Philipp Reclam jun. Stuttgart
- Höffe, Otfried
Anthropologie und Staatsphilosophie
Widersprüche im Leviathan: Zum Gelingen und Versagen der Hobbes'chen Staatsbegründung
1981
Universitätsverlag Freiburg, Schweiz
- Kersting, Wolfgang
Thomas Hobbes zur Einführung 1992
Verlag Junius Hamburg
- Kersting, Wolfgang
Die politische Philosophie des Gesellschaftsvertrags 1996
Verlag Primus, Darmstadt
- Kluxen, Kurt
Geschichte Englands von den Anfängen bis zur Gegenwart
4. Auflage 1991, Bd. 374
Verlag Kröner, Stuttgart
- Münkler, Herfried
Thomas Hobbes Einführungen
1993, Bd. 1068
Verlag Campus, Frankfurt/Main
- Nonnenmacher, Günther
Die Ordnung der Gesellschaft
Mangel und Herrschaft in der politischen Philosophie der Neuzeit: Hobbes, Locke, Adam Smith, Rousseau
1989
VHC, Acta Humaniora, Weinheim
- Röhrich, Wilfried
Sozialvertrag und bürgerliche Emanzipation von Hobbes bis Hegel Erträge der Forschung
1972
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
- Schröder, Hans-Christoph
Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert 1986, Bd. 279
Suhrkamp Verlag, Frankfurt
[...]
1 Auch Privy-Council genannt, eine Art Kontrolle der Regierung, beratend tätig. An das Privy-Council wandten sich auch die verwaltend tätigen Friedensrichter (Justices of the Peace) der einzelnen Grafschaften. (Schröder, Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert, 1986, 15)
2 Offenbar war Hobbes zunächst der Auffassung der Naturzustand sei eine Frühphase der Menschheitsgeschichte gewesen, in die man jederzeit zurückfallen könne. Später stellt er die beiden Gesellschaftszustände eher in einem Kontrast einander gegenüber.
- Quote paper
- Christina Lana (Author), 2000, Thomas Hobbes "Leviathan" und seine Zeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97960
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