Inhaltsverzeichnis
1 Über den Inhalt meiner Arbeit
1.1 Gliederung und Inhaltsverzeichnis
1 Über den Inhalt meiner Arbeit
1.1 Gliederung und Inhaltsverzeichnis
1.2 Zur Person Carl Schmitts
1.3 Einige Worte zuvor - Einleitung und Aufgabenstellung
2 Die Freund-Feind-Theorie Carl Schmitts
2.1 Der Feind oder der „existentiell Andere“
2.2 Die Herleitung des Freund-Feind-Kriteriums
2.3 Die Dynamik der Feindschaft
2.4 „Alle Menschen sind gleich“ - oder: das Problem mit der existentiellen An- dersheit
2.5 Die Belegung des Feindes mit Negativismen - oder: Wie haßt man am besten?
2.6 Die Bekämpfung einer Negation
2.7 Die moralische Absicherung der Feindschaft
2.8 Der Beweis der Unumgänglichkeit des Freund-Feind-Schemas
2.9 Bewaffneter Kampf innerhalb einer politischen Einheit
2.10 Die Gefahr der Parteiendemokratie
3 Die Auseinandersetzung mit dem Menschenbild Carl Schmitts
3.1 Assoziation eines Malers
3.2 Sigmund Freud: „Der Mensch ist des Menschen Wolf.“
3.3 Konrad Lorenz: „Das sogenannte Böse“
3.4 Ausblick und Schlußbemerkung
4 Quellennachweise
1.2 Zur Person Carl Schmitts
Der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt wurde am 11.07.1888 in Plettenburg geboren und starb am 07.04.1985 am gleichen Ort. Er war Professor in Greifswald, Köln, Bonn und von 1933 bis 1945 in Berlin. Er war einer der Hauptkritiker des Parlamentarismus der Weimarer Republik und entwickelte schließlich vor allem in den ersten Jahren des „Dritten Reiches“ eine ausgeprägte Rechtfertigung des Nationalsozialismus. In seiner ebenso einflußreichen wie problematischen Staatslehre (wichtige Werke u.a. „Verfassungslehre“ (1928), „Legalität und Legitimität“ (1932)) reduzierte C. Schmitt in seiner Freund-Feind-Theorie das Politische auf die Alternativen Selbstbehauptung oder Untergang.
(frei aus: LexiROM 3.0. Meyers Lexikonverlag)
1.3 Einige Wort zuvor - Einleitung und Aufgabenstellung
Es mag viele sehr komplizierte Versuche gegeben haben und geben, den „Begriff des Politi- schen“ zu erläutern , zu beschreiben und zu erklären. Der Versuch des Carl Schmitt ist jedoch genau das Gegenteil: er ist in seinem Grundkonzept so einfach strukturiert, daß er sofort ver- ständlich wird; jedoch zu einfach, um unbedacht hingenommen werden zu können. Denn ge- rade die einfachen Lösungen sind ja bekanntlich diejenigen, die äußerster kritischer Reflexion bedürfen, weil sie durch ihre unmittelbare Verständlichkeit oft als die richtigen erscheinen, sich später aber als die falschen herausstellen.
Ich möchte es jedoch nicht primär zu meiner Aufgabe machen, die Lehre Carl Schmitts zu kritisieren - höchstens indirekt, indem ich zu klären versuchen möchte, wie man zu Auffassungen wie denen Carl Schmitts kommt und warum sie so plausibel scheinen. Ich möchte anhand der Vorstellung vergleichbarer Positionen (Sigmund Freud uned Konrad Lorenz) die Freund-Feind-Theorie Carl Schmitts in den Kontext einer Menschenbildsdiskussion bringen. Dies alles jedoch erst unter Punkt 3 meiner Arbeit.
Zuvor meine Erörterungen zum „Begriff des Politischen“ nach Carl Schmitt.
2 Die Freund-Feind-Theorie Carl Schmitts
2.1 Der Feind oder der „existentiell Andere“
Carl Schmitt sieht das Kriterium des Politischen in der Existenz des Feindes. Daraus ergibt sich ein simples Schaubild (Fig.1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fig.1
Zwei Staaten, jeweils eine territorial festgelegte politische Einheit bildend, sind einander feindlich gesinnt. Diese Feindschaft ist laut Schmitt durch das existentielle Anderssein des jeweiligen Kontrahenten bedingt. Sie ist somit naturgegeben und kann deshalb als Begriffsbestimmung des Politischen im Sinne eines Kriteriums dienen.
2.2 Die Herleitung des Freund-Feind-Kriteriums
Kriterien dieses Typs, so Schmitt, existieren in den verschiedensten Bereichen. So kann man als Kriterium der Ästhetik den Gegensatz schön - h äß lich aufführen. Für die Moral gilt der Gegensatz gut - schlecht wie für die Ö konomie nützlich - schädlich. So ist es nur allzu verständlich, daß für das Politische gelten muß: Freund - Feind.
2.3 Die Dynamik der Feindschaft
Das in Fig. 1 dargestellte Modell ist zugegeben etwas vereinfacht: Selbstverständlich gibt es auf der Welt mehr als zwei Staaten. Gäbe es jedoch nur zwei Staaten, müßten sie unbedingt verfeindet sein (so wie das Schaubild zeigt), da das Politische sonst nicht mehr existieren würde. (Es sei an dieser Stelle erklärenderweise auf das Beispiel „Kalter Krieg“ hingewiesen, wo es ja tatsächlich nur zwei Alternativen für einen Staat gab, denn es gab nur zwei politische Lager, die sich als „politische Einheiten“ (- um Schmitt zu zitieren) gegenüber standen.) Von der Tatsache ausgehend, daß es mehr als zwei Staaten gibt, weist Carl Schmitt auf die Dynamik der Freund-/Feindschaft hin. Der Staat, der einem anderen heute Freundschaft schwört, muß nicht ewig dessen politischer Partner sein, während der Staat, der heute noch mit einem anderen Krieg führt, bald schon dessen Verbündeter sein kann. Notwendig (aber gleichzeitig auch naturgegeben!) ist bloß, daß ein Staat überhaupt einen Feind hat, weil an- sonsten seine politische Einheit gefährdet ist.
2.4 „Alle Menschen sind gleich“ - oder: Das Problem mit der existentiellen Andersheit
Laut Schmitt sind die Menschen keineswegs gleich. Damit meint er allerdings nicht die mehr oder weniger verbreitete biologische oder intellektuelle Fähigkeit des Menschen zum Leben und Überleben. Ganz im Gegenteil: Nach Schmitts Meinung spielt es für Feindschaft oder auch Freundschaft im allgemeinen keine Rolle, ob das jeweilige Gegenüber im moralischen Sinne gut oder böse, im ästhetischen Sinne schön oder häßlich oder im ökonomischen Sinne nützlich oder schädlich ist. Entscheident ist letztlich nur der Unterschied der Menschen, der sich daraus ergibt, zu welcher politischen Einheit sie gehören. Existentiell Anderssein in dem von Schmitt vertretenen Sinn bedeutet also nicht unmittelbar die Verschiedenheit des Ausse- hens, des Verhaltens, des Sprachgebrauchs, der Religion oder des Umgangs mit Finanzen (etc.), sondern die Zugehörigkeit zu sich gegenüberstehenden politischen Einheiten.
2.5 Die Belegung des Feindes mit Negativismen - oder: Wie haßt man am besten?
Wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, erklärt sich Feindschaft lediglich aus der Zugehö- rigkeit zu verschiedenen politischen Einheiten; Aspekte wie Ästhetik, Moral oder Ökonomie spielen primär keine Rolle. Sekundär haben sie - wenn man Schmitt glauben möchte - eine ausgeprägte Funktion. Der - existentiell andere - Feind wird künstlich mit Merkmalen belegt, die ihm, objektiv gesehen, nicht zueigen sind: Er wird zum häßlichen Monster, zur bösartigen Bestie und zum wirtschaftlichen Schädling deklariert.
Der Begriff der existentellen Andersartigkeit ist offenbar zu abstrakt - man sucht nach für jedermann erkennbaren und einsichtigen Gründen für das Hassen des Feindes.
2.6 Die Bekämpfung einer Negation
Die Konsequenz aus dem primären politischen Andersein und dem sekundären ästhetischen, moralischen, ökonomischen (etc.) für-etwas-anderes-Halten des Feindes ergibt sich die - wie sie von Schmitt bezeichnet wird - „(...) im konkret vorliegenden Konfliktfalle (...) Negation der eigenen Art Existenz (...) (, die) (...) abgewehrt oder bekämpft wird, um die eigene, seinsmäßige Art von Leben zu bewahren.“ . Anders formuliert ist Krieg somit der Versuch einer politischen Einheit, sich gegenüber einer anderen politischen Einheit zu behaupten oder diese zu vernichten - wobei natürlich stets die Gefahr besteht, daß die eigene politische Ein- heit zerstört wird. Das Mittel, mit dem Krieg geführt wird, ist die Waffe. Sie ist nach Schmitt streng als „Mittel physischer Tötung“ definiert, und soll nicht symbolisch verstanden werden - genausowenig wie das Wort Feind in dem Sinne von „geistiger Feind“ gebraucht werden soll!
Das bisher Gesagte soll an dem nun folgenden Schaubild (Fig.2) nochmals veranschaulicht werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fig.2
2.7 Die moralische Absicherung der Feindschaft
Carl Schmitt behauptet, der Begriff von Feindschaft, den er verwendet, sei absolut moralkonform. Zum Beweis zieht er eine Bibelstelle heran, die auf den ersten Blick seinen Ansichten zu widersprechen scheint: „Liebet eure Feinde“ (Mt 5,44 Lk 6,27). Hier sei der private, persönliche Feind gemeint, nicht der öffentliche, von dem er ja spricht. „Den Feind im politi- schen Sinne braucht man nicht persönlich zu hassen, und erst in der Sphäre des Privaten hat es einen Sinn, seinen >Feind<, d.h. seinen Gegner, zu lieben.“
2.8 Der Beweis der Unumgänglichkeit des Freund-Feind-Schemas
Laut Schmitt handelt es sich bei Freund- und Feindschaft um „spezifisch politische Katego- rien“ - sie machen das Politische aus, ohne sie würde es Politik nicht geben. Da es Politik aber immer schon gab, noch gibt und höchstwahrscheinlich immer geben wird, folgt als Konsequenz daraus, daß auch Freund- und Feindschaft permanent existent sind. Carl Schmitt hält es deshalb für absolut irrelevant, darüber zu diskutieren, „(...) ob es vielleicht gut und richtig ist, aus erzieherischen Gründen zu fingieren, daß es überhaupt keine Feinde mehr gibt (...)“.
Selbst der Pazifismus mit seinem edlen Endziel einer gänzlich befriedeten Welt, mündet, wenn man Schmitt glauben mag, in Freund-Feind-Kategorien. Auskunft darüber gibt das Schaubild und die Erläuterungen von Fig.3.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fig.3
2.9 Bewaffneter Kampf innerhalb einer politischen Einheit
Normalerweise findet Carl Schmitts Freund-Feindschema Anwendung auf bi- oder multilate- rale Beziehungen. Wie jedoch schon am Beispiel des Pazifismus ansatzweise zu verdeutlichen versucht wurde, können durchaus innerhalb einer politischen Einheit Strömungen auftauchen, die der allgemeinen politischen Meinung wiedersprechen. Dabei kann es sich um eine - relativ harmlose - Minderheit handeln, aber auch, wie das Schaubild Fig.4 erklärt, um zwei (oder mehr) relativ anhängerreiche konkurrierende Strömungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fig.4
2.10 Die Gefahr der Parteiendemokratie
Den bisherigen Ausführungen folgend, gibt es zwei lebensbedrohliche Gefahren für jeden Staat: (1.) den äußeren Feind und (2.) den inneren Feind (bzw.: die inneren Feinde). Auf letztere Gefahr geht Schmitt in seinem Text besonders ausführlich ein - wohl vor allem , um die Schwierigkeiten des Systems der Weimarer Republik zu akzentuieren. Im Kapitel 2.9 habe ich bereits geschildert, wie aus unterschiedlichen Strömungen ein Bürgerkrieg erwächst und sich schließlich die politische Einheit des Staates auflöst .
Diese unterschiedlichen Strömungen als Parteien begreifend, sieht Carl Schmitt eine große Gefahr im „ Partei politischen“. Hierzu sagt er: „Die Gleichung: politisch = parteipolitisch ist möglich, wenn der Gedanke einer umfassenden, alle innerpolitischen Parteien und ihre Gegensätzlichkeiten relativierenden politischen Einheit (des >Staates<) seine Kraft verliert und infolgedessen die innerstaatlichen Gegensätze eine stärkere Intensität erhalten als der gemeinsame außenpolitische Gegensatz gegen einen anderen Staat.“
Wir halten also erstens fest: weder eine „innerpolitische Partei“, noch igendeine andere innerstaatliche Strömung darf den Ausdruck „politische Einheit“ tragen, da dieses Axiom aus- schließlich dem Staat vorbehalten ist. Das heißt: das „Politische“ ist durch das Freund-Feind- Verhältnis von Staaten beschrieben - alles, was im Staat an Meinungsbildern präsentiert und verfochten wird, ist strenggenommen nicht politisch, sondern: inner politisch. Zweitens muß nach Schmitt gelten: Der Staat ist die unbedingt zu schützende Einheit. Allen starken, sich bekämpfenden Strömungen (auch Parteien) innerhalb des Staates muß entgegengewirkt werden, da sonst die Einheit des Staates gefährdet ist.
3 Die Auseinandersetzung mit dem Menschenbild Carl Schmitts
3.1 Assoziation eines Malers
Während der bisherigen Arbeit an meinem Aufsatz und der - zwangsläufigen - Beschäftigung mit der Person Carl Schmitts und ihrer Freund-Feind-Theorie, stellte sich mir immer wieder die Frage, wie ich sie denn nun finden sollte, diese Theorie der zwei Lager, der „existentiell verschiedenen“ „politischen Einheiten“, immer konkurrierend und stets dem Kampfe ge- wappnet. Und dann habe ich mir ein Bild gesponnen, das mich sicherlich dem Verständnis der Schmittschen Theorie näher gebracht hat. Und mehr noch: Jetzt habe ich Verständnis für Carl Schmitt!
Auf diesem Bild jedenfalls ist eine wunderschöne bunte Blumenwiese zu sehen: da gibt es rote, gelbe, blaue Blumen zwischen sattgrünem Gras, die sich einem unbedeckten, wasser- blauen Himmel entgegenstrecken. Mitten auf der Wiese sitzt ein trotziger Maler; trotzig des- halb, weil ihm nur eine schwarze Schiefertafel und ein weißes Stück Kreide vergönnt sind, um die ganze bunte Vielfalt seines Motivs abzubilden - aber er gibt nicht auf, denn er ist ja schließlich Maler!
Carl Schmitt als Maler? Vielleicht ja - einer mit beschränkten Mitteln. Die zwei Farben, die ihm zur Verfügung stehen, reichen mit Sicherheit nicht zu einer realistischen Wiedergabe aus, aber sie können - um wieder näher zum Text zu kommen - recht genau das ausdrücken, was die Geschichte immer wieder bewiesen hat. Die Menschheit hat sich immer schon - ob bewußt oder zwangsläufig sei vorerst dahingestellt - in feindschaftliche Lager eingeteilt. Da gab es immer die Unterscheidung Freund - Feind, und die Menschheit hat sich niemals als eine Einheit betrachtet. So gesehen, hat Schmitt also recht; und die Begründung dafür gibt uns zum Beispiel: Sigmund Freud.
3.2 Sigmund Freud: „Der Mensch ist des Menschen Wolf“
Im Orginal stammt dieses Zitat keineswegs von dem Begründer der Psychoanalyse, sondern von dem englischen Philosophen und Staatstheoretiker Thomas Hob- bes, der schon im 17. Jahrhundert diese äußerst pessimistische Ansicht vertrat, die später bei Carl Schmitt Deckung fand und von Sigmund Freud (siehe Kasten) schon zu Anfang dieses Jahrhunderts zum psychologisch begründeten Paradigma avancierte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fre ud, Sigmund, *)Freiberg (heute Príbor [Nordmähr. Gebiet]) 6. 5. 1856, †)London 23. 9. 1939, österr. Arzt und Psychologe. Seit 1902 Prof. in Wien; emigrierte 1938 nach London. F. betrieb zunächst hirnanatom. Forschungen und entdeckte die schmerzbetäubende Wirkung des Kokains. In Zusammenarbeit mit Josef Breuer (*)1842, †)1925) entw i- ckelte er ein Verfahren zur Heilung seel. Krankheiten durch ›Abreaktion‹ verdrängter traumat. Erfahrungen, den ersten Ansatz zu der von ihm therapeutisch angewandten Psychoanalyse. Die theoret. Bed. liegt in der Erweiterung der älteren Psychologie durch die Einbeziehung des Unbewussten und den daraus folgenden neuen Einsichten in die Triebdyna- mik. Als Haupttrieb menschl. Verhaltens nahm F. den Geschlechtstrieb (Libido) an: Da gerade die Entfaltung der geschlechtl. Triebhaftigkeit durch gesellschaftl. Regeln und Tabus unterdrückt würden, ergäben sich hieraus die Fehlentwicklungen, die zu Neurosen führten, denen auszuweichen lediglich durch Sublimierung möglich sei.
Werke:
Die Traumdeutung (1900), Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1901), Totem und Tabu (1913), Das Ich und das Es (1923), Das Unbehagen in der Kultur (1929).
(aus: LexiROM 3.0)
In seinem Text >Der Mensch ist des Menschen Wolf< jedenfalls geht Freud davon aus, „(...) daß der Mensch nicht ein sanftes, liebebedürftiges Wesen ist, das sich, höchstens, wenn angegriffen, auch zu verteidigen vermag, sondern daß er zu seinen Triebbegabungen auch einen mächtigen Anteil von Aggressionsneigungen rechnen darf.“ Er spricht weiterhin davon, daß aufgrund dieses angeborenen Aggressionstriebes ein anderer Mensch (oder eine andere Menschengruppe) nicht nur ein „möglicher Helfer und Sexualobjekt“ sein kann, sondern vor allem auch „eine Versuchung, seine Aggression an ihm zu befriedigen“.
Für Freud ist die „innate aggresiveness“ also eine permanent inherente, wenn auch bis dato unentdeckte, möglicherweise unentdeckt bleiben sollende, Triebkraft für das Verhalten jedes Menschen.
„Die Existenz dieser Aggressionsneigung, die wir bei uns selbst verspüren können, beim anderen mit Recht voraussetzen, ist das Moment, das unser Verhältnis zum Nächsten stört und die Kultur zu ihrem Aufwand [an Energie] nötigt.“ Und weiter: „Es ist immer möglich, eine größere Menge von Menschen in Liebe aneinander zu binden, wenn nur andere für die Äußerung der Aggression übrigbleiben.“ Wir erinnern uns also an Fig.1 und ergänzen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fig.5
Fig.5 liefert und die Freudsche Begründung für das Schmittsche Freund-Feind-Denken. Und sogar zur „existentiellen Andersheit“ hat Freud etwas zu sagen. Allerdings nennt er sie anders: „Narzißmus der kleinen Differenzen“.
Auf den ersten Blick offensichtlich verschieden in ihrer Bedeutung, sind diese beiden Um- schreibungen doch Synonyme. Denn wie ich bereits im Kapitel 2.4 erklärt habe, zielt der Schmittsche Begriff der existentiellen Andersheit keineswegs auf ästhetische, moralische oder sonstwelche Werte ab, sondern schlichtweg auf die Zugehörigkeit zu einer politischen Einheit - dies mache den existentiellen Unterschied der Menschen untereinander aus. Ebenso sieht es Sigmund Freud, der in seinem Text bewußt hervorhebt, daß „(...) gerade benachbarte und einander auch sonst nahestehende Gemeinschaften sich gegenseitig befeh- den und verspotten, so Spanier und Portugiesen, Nord- und Süddeutsche, Engländer und Schotten usw..“
Erkennt man die Behauptungen Sigmund Freuds als wahr an, dann ist Carl Schmitt sicherlich nicht mehr der pessimistische oder gar provokante schwarz-weiß-Maler, kein moderner Gnostiker, der die Welt über ihre antagonistischen Kategorien zu begreifen versucht, sondern hat durchaus Berechtigung, als realistischer Spiegel der menschlichen Existenz zu bestehen. Schmitt mit seiner Freund-Feind-Theorie ist also nicht der „böse Bube“, denn das sind wir ja alle irgendwie, wenn man Freud glaubt.
3.3 Konrad Lorenz: „Das sogenannte Böse“
Was Konrad Lorenz (siehe Kasten) mit dem sogenannten Bösen meint, ist die Aggressivität des Menschen. Und er ist ebenso wie Freud der Meinung, daß Ag- gression als Trieb beim Menschen angeboren ist. Laut seiner „Trieb- theorie der Aggression“ ist Aggressionsverhalten beim Menschen wie beim Tier ein echter Instinkt mit eigener „endogener Antriebser- zeugung“, die zu „Appetenzverhalten“ und wachsender Handlungs- bereitschaft für aggressives Verhalten führt. (Unter „Appetenzver- halten“ wird in der Verhaltensbiologie eine Verhaltensweise verstan- den, „(...) die eine Situation erzeugt, die zu einer triebbefriedigenden Endhandlung führt; z.B. das Umherschweifen hungriger Tiere, bevor sie Beute jagen.“ (aus: LexiROM 3.0))
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Lorenz, Konrad, *)Wien 7. 11. 1903, †)Altenberg 27. 2. 1989, österr. Verhaltensforscher. Begründete die mo- derne Verhaltensforschung; erforschte bei seinen Untersuchungen über instinktives Verhalten (insbes. bei der Graugans) u.)a. Auslösemechanismus und Auslöser und entdeckte das Phänomen der Prägung; erhielt 1973 (gemeinsam mit N.)Tinbergen und K. von Frisch) den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Werke:
Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression (1963), Über tier. und menschl. Verhalten (1965), Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte menschl. Erkennens (1973), Vergleichende Verhaltensfor- schung (1978).
(aus: LexiROM 3.0)
3.4 Ausblick und Schlußbemerkung
Ist die Staatenbildung des Menschen möglicherweise ein solches Appetenzverhalten ver- nunftbegabter, aber dennoch zum Großteil triebgesteuerter Wesen, die ihrer Vernunft wegen ihren Aggressionen nicht freien Lauf lassen, aber dennoch ständig nach Kompensation dieses mächtigen Instinktes streben müssen? Die Geschichte zumindest, mit ihren unzähligen Kriegen, scheint eindeutiger Beweis dafür zu sein, daß der Aggressionstrieb des Menschen bereits oft Sieger über die Vernunft, die doch schon immer als das Indiz schlechhin für das Menschsein galt, war. Der Satz „Der Mensch ist des Menschen Wolf“ scheint in seiner wörtlichsten Verständnismöglichkeit höchste Geltung zu besitzen. Denn wo ist da der Unter- schied zum Tier, wo der hochgelobte zivilisatorische Fortschritt?
Diese und andere Fragen sind mit dem Mittel der Vernunft zu klären - allerdings, so denke ich, nur unter ausreichender Berücksichtigung der biologischen, nämlich instinktgeleiteten Seite des Menschen. Wer den Menschen von einer allzu humanistischen Warte aus betrach- tet, den „Geist“ also rücksichtslos über alles zu erheben versucht, verkennt seine Abstam- mung.
Carl Schmitt, zumindest sehe ich das so, hat die Vorbestimmtheit im Menschsein deutlich hervorgehoben und, sich auf die Erfahrungen der Geschichte berufend, seine Theorie darauf aufgebaut. Laut dem Psychologen Sigmund Freud und dem Biologen Konrad Lorenz (und es fänden sich mit Sicherheit noch andere namhafte Vertreter dieser Meinung) ist das Denken in Freund- und Feindbildern in der menschlichen Natur bedingt und resultiert aus der ebenso angeborenen Aggressivität.
Dennoch, und das möchte ich abschließend an der Herangehensweise Carl Schmitts kritisie- ren, bewegt sich Schmitt auf äußerst unsicherem Terrain, denn seine Freund-Feind-Theorie ist zwar vielseitig begründbar, kann aber nichtsdestotrotz in ihren Ausführungen sehr leicht ganz verschieden verstanden werden. Wobei ich mir - besonders im Hinblick auf seine Ak- tivitäten im sogenannten Dritten Reich - gar nicht so sicher bin, wie er es denn letztendlich gemeint hat: War er im positiven Sinn ein Aufklärer, oder in einem negativen Sinn Vor- kämpfer eines unbedingt starken Einheitsstaates?
4 Quellennachweise
Der Text „Der Begriff des Politischen“ von Carl Schmitt ist in dem Band „Politisches Den- ken im 20. Jahrhundert - Ein Lesebuch“, herausgegeben von Herfried Münkler, enthalten. Die verwendete zweite Auflage erschien im April 1997 in der Piper Verlags-GmbH, Mün- chen.
Alle meine Arbeit umfassenden Inhalte und Zitate zum Text „Der Begriff des Politischen“ gehen auf diesen Text zurück.
Das gleiche gilt für die Inhalte und Zitate zum Text von Sigmund Freud: >Der Mensch ist des Menschen Wolf<, welcher im gleichen Band enthalten ist.
Alles zum Thema „Konrad Lorenz“ und „Triebtheorie der Aggression“ wurde dem 1987 erschienenen und von Gerhard Hornung und Wolfgang Miram herausgegeben SchroedelBand 10522, „Verhaltenslehre“, entnommen.
Informationen, die nicht diesen beiden Büchern entnommen wurden, sind gesondert gekenn- zeichnet.
- Arbeit zitieren
- Roman Hüfner (Autor:in), 1999, Carl Schmitt und die Theorie des Freund-Feind-Schemas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97959
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