Allgemeine Kennzeichen der Unterentwicklung
1. Vorkoloniale Strukturen
a) Entwicklungslücke zw. Europa und der Dritten Welt ist neu...
- europäische Expansion hat nicht alle Länder des Weltentwicklungsgürtels erreicht
- alle Staaten standen im Expansionszeitalter dennoch unter zumindest zeitweise starkem europäischen Einfluss(Eroberung u. Kolonisation, Handelsverträge o. Rohstoffausbeutung)
- Europa wirkt als Zentrum auf weite Teil der Erde -> System ungleicher Beziehungen mit den abhängigen Ländern der Peripherie
b) Was ist Ursache für das Entwicklungsdefizit?
- Einfluss Europas Ursache dafür, dass Drittweltländer ihre traditionellen und oft überholten Methoden und Institutionen beibehielten?
- man muss weiter fragen: Grund dafür in der europäischen Ausbeutung überseeischer Territorien oder ob sich die Dritte Welt nicht schnell genug auf den modernisierenden Einfluss der westlichen Welt einstellen konnte
- weitere Frage: ob die kapitalistische Weltwirtschaft die Länder außerhalb des Zentrums in ein irrationales kapitalistisches System zwang - innerhalb dessen sie ausgebeutet wurden
c)Unterschiedliche Voraussetzungen für die europäische Expansion
- Einfluss der europäischen Zivilisation nicht auf der ganzen Erde gleich
- Ausbreitung ebenso differenziert wie ihre Ursachen
- betroffene Länder unterschieden sich in ihrem Charakter, ihrer historischen Entwicklung und ihren ausbeutbaren Ressourcen
- Kontinente der Dritten Welt standen, als die europäische Expansion begann, teilweise auf einer hohen Zivilisationsstufe - waren vorentwickelt
- heutige Rückständigkeit ist aus dem Einfluss Europas entstanden oder aus der fehlenden Fähigkeit, sich auf die von Europa aus durchgesetzten Mechanismen der kapitalistisch strukturierten Weltwirtschaft einzustellen
- gewisse Strukturen standen einer Entwicklung im europäisch- weltwirtschaftlichen Sinne besonders entgegen -> bezeichnet man als
Kennzeichen der Unterentwicklung
d) Kennzeichen der Unterentwicklung aus vorkolonialer Zeit
- polit. und wirtschaftl. Vorherrschaft einzelner ethnischer Gruppen (Südostasien)
- bestimmender Einfluss religiöser Vorstellungen auf das Wirtschaftsleben oder Sozialgefüge (Hindus)
- Kastensystem (Indien) - ebenso Indikator der Unterentwicklung wie die Stammesorganisation in afrikan. Ländern
- Rentenkapitalismus (v.a. im Orient) wird als Hindernis der Entwicklung, d.h. für die Anpassung an das westl.- kapitalist. Wirtschaftssystem, angesehen
2. Kolonialismus und Wirtschaftimperialismus und ihre Folgen
a) Zwei Phasen des Kolonialzeitalters
- 1. Siedlungskolonien in Amerika
- 2. Handelskolonien in de anderen Erdteilen
b) Koloniales Erbe
- koloniales Erbe: unterscheidet sich nach Hegemonialmacht, ihrem Wirtschaftsinteresse, dem natürlichen Potential u. dem vorgefundenen Naturraum
- Spanisch-Amerika: auf Ausbeutung der Rohstoffe und Machtsicherung ausgerichtet + spanische Verwaltung + Fehlen einer bäuerlichen Kolonistenschicht -> Erschaffung einer auf die Städte ausgerichteten Kulturlandschaft
- heute: Lateinamerika = der am stärksten verstädterte Raum der Erde
c) Encomienda
- dt.: Pflegschaft
- Territorium, das die spanische Krone den Teilnehmern der Conquista samt Einwohnern zu Lehen gab
- Übernahme der Verpflichtung zu christlicher Unterweisung und Sorge für die Pfleglinge -> Encomendado erhielt das recht zur Ausbeutung ihrer Arbeitskraft
- Beobachtung: Mischlinge sind zur harten Arbeit besser geeignet als reinrassige Indianer -> Landbesitzer wollte möglichst viele uneheliche Kinder mit indianischen Frauen zeugen
- Encomienda-System Ursache für Entstehung der Mestizenbevölkerung
- Encomienda-System formte den ländl. Kulturraum zu einem Streusiedlungsgebiet um
d) Latifundien versus Minifundien
- aus der Encomienda entstand die Hacienda - Großgrundbesitz
- dem gegenüber stand das Minifundium - Kleinstbesitz
- ungleichgewichtige Agrarbesitzstruktur ist ein Erbe der Kolonialzeit
- Lateinamerika: Einführung der Plantagenwirtschaft
- Wirtschaftsinteresse: Produktion für Europa
- Anbau: Monokulturen u. Konzentration auf cash crops
e) Sklaveneinfuhr
- Plantagen: Einsatz schwarzer Arbeitskräfte - kamen als Sklaven nach Amerika
- Neger- oder Mulattenbevölkerung geht auf dies koloniale Ökonomie zurück
f) Wirtschaftsimperialismus
- China, Afghanistan, Thailand etc. konnten sich der polit. Unterwerfung entziehen
- trotzdem Zugriff des Wirtschaftsimperialismus -> wurden Opfer ungleicher Handelsverträge u. Wirtschaftssatelliten der Imperialmächte
g) Dualismus u. duale Ökonomie als koloniales Erbe
- Staaten der Dritten Welt: dualistische Struktur entstand
- Dualismustheorie: Persistenz eines traditionellen Sektors der Volkswirtschaft ist Ursache für die Unterentwicklung - fordert Substitution durch den modernen Sektor
- Dualismus: Fehlen von Verbindungen zw. den trad. u. dem modernen Sektor
- moderner Sektor: Plantagen, Industriebetriebe, gr. Dienstleistungsfirmen
- trad. Sektor: Subsistenz- und Kleinbauern, Bazar (Kleinhandel, individuelle Preisabsprachen)
- haben gemeinsam: es erfolgt keine Kapitalbildung, kein Beitrag zum BSP, Preis und Leistung werden nicht nach Wettbewerbsbedingungen, sondern nach individuellen Situationen festgesetzt
3. Zusammenfassung - Entwicklung der Unterentwicklung
a) Zusammenfassung
- Auffassung über die Ursache von Hunger und Armut gehen weit auseinander
- zwei Erklärungssätze: (1)endogene und (2)exogene Theorien
- (1): - Unterentwicklung des ländl. Raumes hat interne oder endogen Ursachen - d.h. begründet in d. Geographie, im Klima, in der Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur
- Prototyp der Erklärungsversuche: Teufelskreis der Armut <-> in der Dritten Welt herrschen entwicklungshemmende Kräfte und Mechanismen
-> verfestigen den zustand der Armut
- (2): - exemplarisch: neomarxistischen Imperialismus-Theorien
- Erklärung der Unterentwicklung: Ausbeutung der ländl. Peripherie (EWL) durch industriell-kapitalistische Zentren der Erde (IL)
- Ausbeutung hat mit der kolonialen Expansion begonnen und setzt sich heute fort (in anderer Erscheinungsform)
- neuere entwicklungstheoretische Diskussionen: agrarische Unterentwicklung durch eine Kombination von endogenen und exogenen Faktoren
- Gründe für die anhaltende Agrarkrise:
- falsche ökolog. Bewirtschaftung, Bodenerosion, Entwaldung -> Rückgang der Bodenfruchtbarkeit
- fehlende Vermarktungseinrichtungen, unzureichende Transportmittel, fehlende Lagerhaltung
- leistungshemmende Agrarpolitik, ungenügende Förderung
- künstlich niedrig gehaltene Agrarpreise, Konkurrenz durch Nahrungsmitteleinfuhren -> Bauern fehlen finanzielle Anreize zur Mehrproduktion
- einseitige Export- und Rohstoffabhängigkeit -> extreme Preisschwankungen, sinkende reale Austauschverhältnisse, wachsende Auslandsverschuldung
- absolute Armut weiter Bevölkerungsmassen, Einkommens- und Kaufkraftmangel, Unterernährung -> verminderte Leistungsfähigkeit
b) endogene Ursachen
- rasches Bevölkerungswachstum
- niedrige Qualität des Produktionsfaktors Boden
- niedrige Qualität und Quantität des Produktionsfaktors Kapital
- geringe Leistungsfähigkeit des Produktionsfaktors Arbeit
- ökologisch-klimatische Benachteiligung (Dürre, Desertifikation)
- feudalistische Agrarverfassung -> erleichtert die Ausbeutung der landlosen, Kleinbauern und Pächter
- eine industrie- und stadtzentrierte Entwicklungsstrategie und -hilfe
- Privilegierung der Städte entspricht Herrschaftsinteresse der Staatsklassen -> Bauern werden zu Gunsten der Stadtbevölkerung diskriminiert
- dualistische Wirtschaftsstruktur (traditionaler/moderner Sektor; Stadt-/Land-, Industrie-/Landwirtschaftsgefälle
c) exogene Faktoren
- Monokulturen
- Terms of Trade - sinkende Austauschverhältnisse (Export-Importpreise)
- Agrarprotektionismus (EG)
Häufig gestellte Fragen
Was sind allgemeine Kennzeichen der Unterentwicklung laut diesem Text?
Der Text behandelt die allgemeinen Kennzeichen der Unterentwicklung, wobei vorkoloniale Strukturen, Kolonialismus und Wirtschaftsimperialismus sowie deren Folgen betrachtet werden. Er analysiert die Ursachen für das Entwicklungsdefizit und die unterschiedlichen Voraussetzungen für die europäische Expansion, sowie endogene und exogene Faktoren, die zur anhaltenden Agrarkrise beitragen.
Welche vorkolonialen Strukturen werden als Kennzeichen der Unterentwicklung genannt?
Als Kennzeichen der Unterentwicklung aus vorkolonialer Zeit werden die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft einzelner ethnischer Gruppen, der bestimmende Einfluss religiöser Vorstellungen, Kastensysteme und Stammesorganisationen sowie Rentenkapitalismus genannt.
Wie wird der Kolonialismus und Wirtschaftsimperialismus im Zusammenhang mit Unterentwicklung betrachtet?
Der Kolonialismus und Wirtschaftsimperialismus werden als wesentliche Faktoren betrachtet, die die dualistische Struktur in den Staaten der Dritten Welt verursacht haben. Es wird auf das koloniale Erbe, die Einführung der Plantagenwirtschaft und die Sklaveneinfuhr eingegangen. Auch der Wirtschaftsimperialismus, bei dem Länder Opfer ungleicher Handelsverträge wurden, wird thematisiert.
Was versteht man unter Dualismus und dualer Ökonomie als koloniales Erbe?
Dualismus und duale Ökonomie werden als koloniales Erbe verstanden, wobei ein traditioneller Sektor (Subsistenzwirtschaft, Kleinbauern) neben einem modernen Sektor (Plantagen, Industriebetriebe) existiert. Es fehlt die Verbindung zwischen den beiden Sektoren, was die Kapitalbildung und den Beitrag zum BSP behindert.
Welche endogenen und exogenen Ursachen für die Agrarkrise werden genannt?
Endogene Ursachen umfassen rasches Bevölkerungswachstum, niedrige Qualität des Bodens und des Kapitals, geringe Leistungsfähigkeit der Arbeit, ökologisch-klimatische Benachteiligung, feudalistische Agrarverfassung und eine stadtzentrierte Entwicklungsstrategie. Exogene Faktoren sind Monokulturen, sinkende Austauschverhältnisse (Terms of Trade), Agrarprotektionismus und Nahrungsmittelhilfe.
Was sind endogene Theorien im Kontext von Hunger und Armut?
Endogene Theorien sehen die Ursachen der Unterentwicklung im ländlichen Raum in internen Faktoren wie Geographie, Klima, Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur. Der Teufelskreis der Armut wird als Prototyp dieser Erklärungsversuche gesehen.
Was sind exogene Theorien im Kontext von Hunger und Armut?
Exogene Theorien, wie neomarxistische Imperialismustheorien, erklären die Unterentwicklung durch die Ausbeutung der ländlichen Peripherie durch industriell-kapitalistische Zentren der Erde.
Was ist die Rolle der Encomienda im Kontext der kolonialen Geschichte Lateinamerikas?
Die Encomienda war ein System, bei dem die spanische Krone den Teilnehmern der Conquista Territorien samt Einwohnern zu Lehen gab. Die Encomienda war ein Ursache für die Entstehung der Mestizenbevölkerung und formte den ländlichen Kulturraum zu einem Streusiedlungsgebiet um.
Wie beeinflusste das koloniale Erbe Lateinamerika?
Das koloniale Erbe in Lateinamerika war stark auf die Ausbeutung der Rohstoffe und die Machtsicherung ausgerichtet, was zur Erschaffung einer auf die Städte ausgerichteten Kulturlandschaft führte. Dies führte zur starken Verstädterung Lateinamerikas.
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- Juliane Voigt (Author), 2000, Merkmale von Entwicklungsländern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97935