In dieser Arbeit wird folgende Forschungsfrage beantwortet: Wie kann die Inklusion dieser Schülerschaft erfolgreich umgesetzt werden?
Zur Beantwortung der Fragestellung werden Schulkonzepte ausgezeichneter deutscher Schulen analysiert und Methoden herausgearbeitet, die sich positiv auf die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung auswirken. Für die Untersuchung wurden drei Schulen ausgewählt, die innerhalb der letzten zehn Jahre sowohl den Deutschen Schulpreis als auch den Jakob Muth-Preis für inklusive Bildung gewonnen haben. Durch die Auszeichnungen und die damit verbundenen Beurteilungen verschiedener Jurys ist davon auszugehen, dass die Konzepte der Schulen nicht nur in der Theorie existieren, sondern auch praktisch und erfolgreich umgesetzt werden.
Seit einigen Jahren stellt sich nicht mehr die Frage ob, sondern wie Inklusion in der Schule funktionieren kann. Bei der Umsetzung stoßen Lehrkräfte immer wieder an ihre Grenzen. Insbesondere die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung stellt für Lehrkräfte eine der größten Herausforderungen im inklusiven Schulalltag dar. Hinzu kommt, dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit diesem Förderbedarf seit Jahren stetig ansteigt. Es gibt eine Vielzahl an Methoden und Konzepten, die sich positiv auf die emotionale und soziale Entwicklung auswirken. Doch welche davon sind in der schulischen Praxis umsetzbar?
In meinen bisherigen Praxiserfahrungen begegnete ich immer wieder Aussagen von Lehrpersonen, wie "Heute war es echt entspannt, weil A. nicht da war" oder "B. stört die ganze Klasse, ich weiß nicht mehr was ich tun soll". Egal wo ich hinsah, schien jeder Pädagoge und jede Pädagogin überfordert im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen zu sein und sich der Aufgabe der Inklusion verhaltensauffälliger Schülerinnen und Schüler nicht gewachsen zu fühlen. Diesen Eindruck nahm ich zum Anlass, die Schulkonzepte der "besten" Schulen Deutschlands hinsichtlich der Umsetzung der Inklusion des Förderschwerpunktes emotionale und soziale Entwicklung zu untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2. Inklusion im Schulsystem
2.1 Begriffsbestimmung/ Definitionsversuche
2.2 Entwicklungsstand in Deutschland
2.3 Inklusion im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
2.3.1 Metaanalyse: Effekte inklusiver Beschulung
3.2.2 Systematischer Review in Kombination mit Experteninterviews: Kann inklusive Beschulung gelingen?
3 Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung
3.1 Begrifflichkeiten
3.2 Erscheinungsformen und Einteilungen
3.3 Risikofaktoren und mögliche Ursachen
3.4 Ausgewählte konzeptionelle Rahmenbedingungen und spezielle Interventionen
3.4.1 Classroom – Management
3.4.2 Teamteaching
3.4.3 Konfliktmanagement
3.4.4 Reflexion und Feedback
3.4.5 Hundegestützte Intervention
3.5 Ausgewählte Präventions- und Interventionsansätze
3.5.1 Handlungsorientierter Unterricht
3.5.2 Lebensweltorientierter Didaktik
3.5.3 Lerntheoretischer Ansatz
3.5.4 Partizipation
4. Auszeichnung für Schulen: Der Deutsche Schulpreis
4.1 Ziele
4.2 Auswahlverfahren
4.3 Sechs Qualitätsbereiche
4.3.1 Leistung
4.3.2 Umgang mit Vielfalt
4.3.3 Unterrichtsqualität
4.3.4 Verantwortung
4.3.5 Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner
4.3.6 Schule als lernende Institution
5 Analyse der Schulkonzepte ausgewählter Träger des deutschen Schulpreises
5.1 Waldschule Flensburg
5.1.1 Übersicht ausgewählter Inhalte des Schulkonzepts
5.1.2 Leistung
5.1.3 Umgang mit Vielfalt
5.1.4 Unterrichtsqualität
5.1.5 Verantwortung
5.1.6 Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner
5.1.7 Schule als lernende Institution
5.2 Kettelerschule Bonn
5.2.1 Überblick ausgewählter Inhalte des Schulkonzepts
5.2.2 Leistung
5.2.3 Umgang mit Vielfalt
5.2.4 Unterrichtsqualität
5.2.5 Verantwortung
5.2.6 Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner
5.2.7 Schule als lernende Institution
5.3 Erich Kästner Schule Hamburg
5.3.1 Überblick ausgewählter Inhalte des Schulkonzeptes
5.3.2 Leistung
5.3.3 Umgang mit Vielfalt
5.3.4 Unterrichtsqualität
5.3.5 Verantwortung
5.3.6 Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner
5.3.7 Schule als lernende Institution
5.4 Zusammenfassender Vergleich der Schulkonzepte
6 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ausgewählt Inhalte des Schulkonzeptes der Waldschule Flensburg
Tabelle 2: Ausgewählte Inhalte des Schulkonzeptes der Kettelerschule Bonn
Tabelle 3: Ausgewählte Inhalte des Schulkonzeptes der Erich Kästner Schule Hamburg
Tabelle 4: Zusammenfassender Überblick der Schulkonzepte
1 Einleitung
Seit einigen Jahren stellt sich nicht mehr die Frage ob, sondern wie Inklusion in der Schule funktionieren kann. Bei der Umsetzung stoßen Lehrkräfte immer wieder an ihre Grenzen. Insbesondere die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung stellt für Lehrkräfte eine der größten Herausforderungen im inklusiven Schulalltag dar (vgl. Stein & Müller, 2018; Breuer Küppers & Hintz, 2018; Bornebusch et.al., 2017). Hinzu kommt, dass die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit diesem Förderbedarf seit Jahren stetig ansteigt. Es gibt eine Vielzahl an Methoden und Konzepten, die sich positiv auf die emotionale und soziale Entwicklung auswirken. Doch welche davon sind in der schulischen Praxis umsetzbar?
In meinen bisherigen Praxiserfahrungen begegnete ich immer wieder Aussagen von Lehrpersonen, wie „Heute war es echt entspannt, weil A. nicht da war“ oder „B. stört die ganze Klasse, ich weiß nicht mehr was ich tun soll“. Egal wo ich hinsah, schien jeder Pädagoge und jede Pädagogin überfordert im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten von Kindern und Jugendlichen zu sein und sich der Aufgabe der Inklusion verhaltensauffälliger Schülerinnen und Schüler nicht gewachsen zu fühlen. Diesen Eindruck nahm ich zum Anlass, die Schulkonzepte der „besten“ Schulen Deutschlands hinsichtlich der Umsetzung der Inklusion des Förderschwerpunktes emotionale und soziale Entwicklung zu untersuchen.
Daraus ergibt sich für diese Arbeit folgende Forschungsfrage: Wie kann die Inklusion dieser Schülerschaft erfolgreich umgesetzt werden?
Zur Beantwortung der Fragestellung werden Schulkonzepte ausgezeichneter deutscher Schulen analysiert und Methoden herausgearbeitet, die sich positiv auf die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung auswirken. Für die Untersuchung wurden drei Schulen ausgewählt, die innerhalb der letzten zehn Jahre sowohl den Deutschen Schulpreis als auch den Jakob Muth – Preis für inklusive Bildung gewonnen haben. Durch die Auszeichnungen und die damit verbundenen Beurteilungen verschiedener Jurys ist davon auszugehen, dass die Konzepte der Schulen nicht nur in der Theorie existieren, sondern auch praktisch und erfolgreich umgesetzt werden.
Diese Arbeit basiert auf der Methode der Dokumentenanalyse. „Dabei wird [...] auf bereits vorhandene bzw. vorgefundene Dokumente („extant documents“) zurückgegriffen, die völlig unabhängig vom Forschungsprozess produziert wurden und als Manifestationen menschlichen Erlebens und Verhaltens angesehen werden können“ (Döring & Bortz, 2016, S. 533). Bei den zur Analyse verfügbaren Dokumenten handelt es sich hauptsächlich um öffentlich zugängliche Informationen, die auf den jeweiligen Schulhomepages zu finden sind.
Bevor der Frage nachgegangen werden kann, wie die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung funktionieren kann und welche Schulkonzepte sich dafür eignen, wird zunächst der theoretische Hintergrund dargestellt. Dieser teilt sich in drei Kapitel:
Im ersten Teil geht es um die Inklusion im Schulsystem. Es findet zunächst eine Begriffsbestimmung bzw. ein Definitionsversuch statt, um zu verdeutlichen, was in dieser Arbeit unter Inklusion verstanden wird. Danach wird der Entwicklungsstand der inklusiven Bildung in Deutschland dargestellt, um im Anschluss die Inklusion des Förderschwerpunktes der emotionalen und sozialen Entwicklung näher zu betrachten. Dafür werden die Ergebnisse zweier Studien zur inklusiven Bildung dieses Förderschwerpunktes zusammengefasst.
Im zweiten Teil wird der Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung detailliert betrachtet. Es werden Begrifflichkeiten geklärt und Erscheinungsformen dargestellt, Risikofaktoren und mögliche Ursachen sowie ausgewählte Präventions – und Interventionsmaßnahmen beschrieben.
Im dritten Teil wird die Auszeichnung „der Deutsche Schulpreis“ dargestellt. Es werden die Ziele und das Auswahlverfahren beschrieben, um im Anschluss einen detaillierten Überblick über die sechs zur Bewertung definierten Qualitätsbereiche zu geben.
In Kapitel 5 werden die Inhalte der Schulkonzepte der drei ausgewählten Schulen anhand der zuvor beschriebenen Qualitätsbereiche analysiert. Abschließend findet ein zusammenfassender Vergleich der drei Konzepte statt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten.
2. Inklusion im Schulsystem
Spätestens seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist das Thema Inklusion aus dem Schulalltag nicht mehr wegzudenken. Das Schulsystem befindet sich in einer stetigen Weiterentwicklung und nimmt sich der Herausforderung Inklusion an. Durch die Konvention ist Deutschland verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um das inklusive Bildungssystem zu verwirklichen. Auch wenn die Inklusion heute noch nicht vollständig umgesetzt wird, haben alle Kinder und Jugendliche schon jetzt das Recht „auf diskriminierungsfreien Zugang zu einem sinnvollen Bildungsangebot an einer Wohnortnahen Regelschule“ (Moser, 2013, S. 16).
Der Begriff Inklusion ist seit Jahren zentraler Bestandteil in der pädagogischen sowie in der politischen Arbeit. Dennoch liegen viele verschiedene Inklusionsverständnisse vor. Daher erfolgt in Kapitel 2.1 zunächst eine Begriffsbestimmung zur Inklusion, aus der außerdem hervor geht, in welcher Form Inklusion für diese Arbeit definiert wird. Im Anschluss sind der Entwicklungsstand und der dazugehörige Entwicklungsverlauf der letzten Jahre in Deutschland aufgezeigt. Der letzte Abschnitt des Kapitels handelt abschließend vom dem Entwicklungsstand und der Umsetzung der Inklusion in Bezug auf den Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung.
2.1 Begriffsbestimmung/ Definitionsversuche
In der Literatur sind viele verschiedene Definitionsversuche zur Inklusion im schulischen Kontext zu finden. Dennoch sagt Grosche (2015), dass bislang „keine allgemein anerkannte Definition von Inklusion, die trennscharf, logisch konsistent und widerspruchsfrei wäre [, existiert]“ (S.20). Daraufhin haben Piezunka, Schaffus und Grosche (2017) Experteninterviews mit elf Inklusionsforschern durchgeführt und dadurch vier Definitionen für Inklusion im schulischen Kontext entwickelt. Die Definitionen teilen sich in vier verschiedene Perspektiven:
UN-Behindertenrechtskonvention: Dieses Verständnis beruht auf dem Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention, in dem es heißt: „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives1 Bildungssystem auf allen Ebenen“ (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, 2018). Dieser Definition zu folge bedeutet Inklusion das Einbeziehen von Menschen mit Behinderungen in das Regelschulsystem. Demzufolge fokussiert sich diese Definition ausschließlich auf Menschen, die eine anerkannte und eingetragene Behinderung vorweisen (vgl. Piezunka, Schaffus, & Grosche, 2017).
„Pragmatisches Verständnis im Sinne von Leistungsentwicklung“ (ebd., S.214): Dabei hat Inklusion das Ziel, den Unterricht und die Förderungen optimal zu verbessern, um jeder Schülerin und jedem Schüler, mit Berücksichtigung auf ihre/seine individuellen Bedürfnisse, bestmögliche Lernergebnisse zu gewährleisten. Dabei liegt der Fokus meist auf Kindern mit unterdurchschnittlicher Schulleistung. Dennoch ist eine Anerkennung der Behinderung zweitrangig, sodass die Inklusion sich auf alle Schülerinnen und Schüler fokussiert (vgl. ebd.).
„Teilhabe/Anerkennung/Wohlfühlen “ (ebd., S.215): Dieses Verständnis ist eine Erweiterung des Vorherigen. Es fokussiert nicht nur die Schülerleistungen und Förderungen, sondern auch die Teilhabe jeder Schülerin und jedes Schülers bei jeglichen schulischen Aktivitäten. „Jedem Menschen sollen unabhängig von seinen akademischen Leistungen dieselben Chancen zur sozialen Teilhabe und unbedingten Anerkennung seiner Persönlichkeit gewährleistet werden“ (ebd.). Wie in dem Zitat deutlich wird, geht es auch hierbei um alle Schülerinnen und Schüler und nicht nur um Menschen mit Behinderungen. Dieses Verständnis von Inklusion wird als realisierbar und dennoch als stetiger Prozess angesehen (vgl. ebd.).
„Inklusion als Utopie“ (ebd., S.215): Bei diesem Verständnis wird Inklusion als das gemeinsame Miteinander ohne Denken oder Aussprechen von Kategorisierungen oder Differenzlinien gesehen. Dabei werden explizit alle Menschen gleichermaßen angesprochen. Es wird als „Wunsch für die Zukunft“ (ebd., S.216) formuliert und gilt als niemals vollständig erreichbar, daher auch der Ausdruck von Utopie. Dieses Verständnis soll hauptsächlich eine Ausrichtung des eigenen Handelns darstellen (vgl.ebd.).
Alle vier Definitionen haben eine entscheidende Sache gemeinsam: Sie zielen auf „das Überwinden von Diskriminierung aufgrund von sozial konstruierter Gruppenzugehörigkeit“ (ebd., S.216) ab. Dabei lässt sich ein Unterschied im Komplexitätsgrad feststellen. Vom ersten bis zum vierten Verständnis wird es immer komplexer. Es geht vom vorliegenden und verpflichteten Gesetz bis hin zur Inklusion als Utopie.
Da es sich in dieser Arbeit um die Thematik der Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung handelt, wird ein eher engeres Inklusionsverständnis festgelegt. Dennoch gilt es nicht nur gemeinsame Beschulung zu betrachten, die durch die UN-Behindertenrechtskonvention festgelegt wird, sondern auch das zweite und dritte Verständnis mit einzubeziehen. Denn das Inklusionsverständnis dieser Arbeit umfasst sowohl die bestmögliche individuelle Leistungsförderung als auch die vollständige soziale Teilhabe.
2.2 Entwicklungsstand in Deutschland
Im Folgenden wird die Entwicklung der Inklusion im deutschen Schulsystem seit Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 dargestellt, um im Anschluss den Ist – Stand zu beschreiben.
Schon vor dem Jahr 2009 wurde das inklusive Schulsystem eingeleitet. Trotz dessen hat das Bundesgesetz diesen Prozess sichtlich beschleunigt. Dies ist unter anderem daran erkennbar, dass der jährliche Zuwachs an inklusiv2 beschulten Kindern und Jugendlichen von 0,9 auf 2,6 Prozent gestiegen ist (vgl. Klemm, 2015). Doch nicht nur die Quote der inklusiven Beschulung steigt, sondern auch die Förderquote3. Sie ist von 5% im Jahr 1999 auf 7% im Jahr 2016 gestiegen. Wenn man nun noch die Entwicklung der Exklusionsquote betrachtet, die stets bei ca. 4%, bei nahezu gleichbleibender Anzahl an Schülerinnen und Schülern, liegt, ist festzustellen, dass eine positive inklusive Schulentwicklung nicht automatisch mit einer Abnahme der Schüler - und Schülerinnenanzahl an Förderschulen einhergeht. Das bedeutet, dass die UN-Behindertenrechtskonvention bisher kaum Konsequenzen für die Förderschulen hatte (vgl. Opalinski, 2020).
Die Quoten zur inklusiven Bildung sind zum einen stark abhängig vom Bundesland und zum anderen von der Bildungsstufe. 2013 besuchten 67% der Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf den Kindergarten, 46,9% die Grundschule und nur 29,9% die Sekundarstufe (vgl. Klemm, 2015). Dadurch lässt sich ableiten, dass die Inklusionsquote mit Steigerung der Bildungsstufe sinkt. Darüber hinaus ist festzustellen, dass im Schuljahr 2013/14 71,3% der Förderschülerinnen und -schüler die Schule ohne einen Hauptschulabschluss verlassen haben. 25% erlangten einen Hauptschulabschluss und lediglich 3,5% einen mittleren Schulabschluss (vgl. Klemm 2015).
Es variiert sowohl die Inklusions- als auch die Förderquote stark zwischen den einzelnen Bundesländern. Dies wird im Folgenden am Beispiel des Schuljahres 2017/184 dargestellt. Im Durchschnitt lag die Förderquote bei ca. 6% mit einer Varianz von 4,8% bis 9,5%. Auch die Inklusionsquote variierte stark zwischen den Werten 29,6% und 84,7% bei einem Durchschnitt von 41,7%. Einige Bundesländer stechen in dieser Betrachtung besonders heraus. So hat Mecklenburg-Vorpommern eine unterdurchschnittliche Inklusionsquote und dazu die höchste Förderquote. Bremen hat die mit Abstand höchste Inklusionsquote und dazu eine durchschnittliche Förderquote. Und Hessen weist sowohl die niedrigste Inklusionsquote als auch die niedrigste Förderquote auf. Außerdem ist festzustellen, dass Norddeutschland mit den Bundesländern Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein mit Abstand die höchste Inklusionsquote aufweist mit 84,7, 66,2 und 68,7 Prozent (vgl. KMK, 2020a).
Abschließend kann gesagt werden, dass Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf vermehrt inklusiv beschult werden. Die Exklusionsquote stagniert jedoch seit Jahren bei ca. 4%. Diese gilt als ein besonders aussagekräftiger Indikator hinsichtlich des Ziels, den Anteil an separiert beschulten Menschen mit sonderpädagogischen Förderbedarf zu verringern. Sie gibt also Aufschluss darüber, wie vielen Menschen der Zugang zur allgemeinen Schule verwehrt bleibt (vgl. Klemm 2015).
2.3 Inklusion im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung
Die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung stellt heutzutage eine besondere Aufgabe dar. So heißt es in vielen Publikationen, dass es sich bei dieser Gruppe von Kindern und Jugendlichen, um die wohl am schwierigsten zu integrierende handelt (vgl. Gasteiger-Klicpera, Julius, & Klicpera, 2008; Liesen & Luder, 2012). Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit unter anderem dem Sachverhalt geschuldet, „dass sich viele Lehrkräfte im Bereich der Prävention bzw. im adäquaten Umgang mit herausforderndem Verhalten nicht angemessen ausgebildet fühlen“ (Küppers & Hintz, 2018, S. 6). Doch auf die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, da sie keinen Bestandteil der vorliegenden Arbeit darstellt. Im Folgenden ist ein statistischer Überblick über die inklusive Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung geschaffen, um darauf aufbauend zwei Metaanalysen zur Thematik darzulegen.
Nach Berechnungen der Kultusminister Konferenz wurden im Schuljahr 2017/2018 556.300 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet. Davon gehören 17,2% dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung an. Dieser Anteil ist seit 2009 um 63% gestiegen und weist somit ein überdurchschnittlich schnelles Wachstum auf. Wie in allen anderen Förderschwerpunkten ist die Inklusionsquote auch im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung angestiegen. Wird dies im Zusammenhang mit der ansteigenden Zahl an Schülerinnen und Schülern mit dem Förderbedarf der emotionalen und sozialen Entwicklung der letzten Jahre betrachtet, ist festzustellen, dass trotz steigender Anzahl an inklusiv beschulten Schülerinnen und Schülern auch die Anzahl an exklusiv beschulten Schülerinnen und Schülern steigt (vgl. KMK, 2020b).
In den allgemeinbildenden Schulen in Deutschland sind Schülerinnen und Schüler mit dem Förderbedarf der emotionalen und sozialen Entwicklung von allen Förderschwerpunkten am meisten vertreten. Das bedeutet auch, dass Lehrkräfte in Regelschulen mit diesem Förderschwerpunkt am häufigsten zu tun haben.
Die vorgestellten Ergebnisse der Statistiken der KMK lassen die Frage offen, inwieweit Inklusion überhaupt die „richtige“ Beschulungsform für Schülerinnen und Schüler dieses Förderschwerpunktes ist und welche „Effekte inklusive Beschulung“ aufweist. Dieser Frage sind Ellinger & Stein (2012) mit ihrer Metaanalyse, die „derzeit den aktuellsten Forschungsüberblick“ (Bausch, 2018, S. 105) dieser Thematik bietet, nachgegangen.
2.3.1 Metaanalyse: Effekte inklusiver Beschulung
Im Folgenden sind die wichtigsten Ergebnisse dieser Analyse vorgestellt. Für die Analyse haben Ellinger und Stein acht Kriterien einer gelingenden Beschulung, in Anlehnung an die KMK-Empfehlungen, zusammengetragen und in ihrer Analyse separat voneinander sowie gleichwertig betrachtet. Die Kriterien sind: Sozialverhalten, Emotionalität, Selbstkonzept, kognitive und schulische Leistung, Lernmotivation, soziale Akzeptanz und soziale Integration, Wirkung der Integration auf das Gruppen- bzw. Klassenklima sowie der Einfluss auf andere Schülerinnen und Schüler (vgl. Stein & Ellinger, 2012). Im Folgenden werden die Ergebnisse der einzelnen Kriterien in Kürze zusammengefasst.
Sozialverhalten: Es zeigt sich eine leicht positive Entwicklung des Sozialverhaltens, wobei dies stark abhängig von besonderen Unterstützungssystemen und konsequenter Förderung ist (vgl. ebd.).
Emotionalität: Es liegen keine einheitlichen Befunde zum Wohlbefinden von Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung im integrativen Setting vor. Gerade Schülerinnen und Schüler, die eher internalisierende Erscheinungsformen vorweisen, finden im integrativen Setting meist zu wenig Beachtung und fühlen sich dadurch unwohler (vgl.ebd.).
Selbstkonzept: Auch bezügliches dieses Kriteriums ist die Befundlage uneinheitlich. In einigen Fällen treten keine Unterschiede zwischen separierender und integrativer Beschulung auf. In anderen Fällen hingegen ist ein besseres Selbstkonzept im separierenden Setting zu erkennen, was häufig auf den „Bezugsgruppeneffekt“ (ebd. S.95) zurückgeführt wird. Es konnte festgestellt werden, dass eine geringe Akzeptanz in der Klassengemeinschaft mit Selbstkonzeptproblemen einhergeht (vgl.ebd.).
Kognitive und schulische Leistungen: Es konnte bisher noch keine messbare Leistungssteigerung von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung in integrativen Settings nachgewiesen werden (vgl.ebd.).
Leistungsmotivation: Die betrachtete Schülergruppe reagiert besonders sensibel auf suboptimale Rahmenbedingungen, wie beispielweise fehlende Differenzierung oder fehlende Unterrichtsorganisation. Dies hat zur Folge, dass schlechte Rahmenbedingungen im integrativen Setting zu fehlender Leistungsmotivation der Schülerinnen und Schüler führen (vgl.ebd.).
Soziale Akzeptanz und soziale Integration: Diesbezüglich werden zwei Probleme aufgezeigt. Zum einen sind Lehrkräfte mit verhaltensauffälligen Schülerinnen und Schülern zunehmend überfordert, wodurch es ihnen nur schwer möglich ist, die Förderung mit der sozialen Integration in die Lerngruppe zu verbinden. Zum anderen kommt es durch schlechte Schulleistungen zu einer Negativ-Spirale, welche in sozialer Ausgrenzung endet. Dadurch ergibt sich, dass eine gute Leistungsförderung einen positiven Einfluss auf eine erfolgreiche Integration hat.
Gruppen- und Klassenklima: Ellinger & Stein formulieren, dass Schülerinnen und Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten im integrativen Setting „zu den sozialen Verlierern“ (ebd. S.100) gehören. Je heterogener die Gruppe ist, desto mehr wird diese Schülerschaft ausgegrenzt (vgl.ebd.).
Einfluss auf andere Schülerinnen und Schüler: Auf Basis der bisherigen Befunde kann die These, dass Heterogenität, unter anderem durch verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche, aus Perspektive der Schülerschaft ohne Förderbedarf ausschließlich positive Auswirkungen hat, nicht bestätigt werden.
Die acht Kriterien lassen ein sehr heterogenes Bild entstehen, welches auf einer „ausgesprochen dünnen empirischen Grundlage“ (ebd. S.101) beruht. Abschließend sagen Ellinger & Stein (2012): „Folgt man den positiven Prognosen für die Inklusion der Schülerinnen und Schüler mit Verhaltensstörungen, tritt die Leistungsförderung in den Fokus des Interesses. Offensichtlich liegt in der Verbesserung schulischer Leistungen – und damit verbunden schulischer Leistungsmotivation – eine Chance für die soziale Integration verhaltensauffälliger Schülerinnen und Schüler“ (S.104).
3.2.2 Systematischer Review in Kombination mit Experteninterviews: Kann inklusive Beschulung gelingen?
Neben Ellinger & Stein hat auch Bausch (2018) in ihrer Dissertation den aktuellen Stand der Forschung zur inklusiven Beschulung der Schülerinnen und Schüler mit dem Förderbedarf emotionale und soziale Entwicklung dargelegt. Auf den systematischen Review, zum Überblick des Forschungsstandes, folgte eine eigene Forschung, in der sie Inklusionsexperten befragte, um eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis zu generieren.
Im Folgenden sind die zentralen Ergebnisse ihrer Arbeit vorgestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Metaanalyse Ellinger & Steins auch Teil ihrer Literaturrecherche war.
Bausch untersuchte in ihrer Dissertation drei Hauptforschungsfragen, welche nachfolgend vorgestellt und beantwortet sind:
„Kann die inklusive Beschulung der Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung grundsätzlich gelingen?“ (Bausch, 2018, S. 234) Mit der Beantwortung von sechs untergeordneten Forschungsfragen, kam Bausch zu dem Fazit, dass die inklusive Beschulung dieser Schülerinnen und Schüler grundsätzlich gelingen kann. Dafür sprechen die eher positiven Ergebnisse in den untersuchten Bereichen: Leistung, persönliche Entwicklung und Rehabilitation. Bausch betont, dass dieses Ergebnis auf insgesamt 22 Teilstudien mit unterschiedlichsten methodischen Ansätzen beruht und sich die Bewertungen der Studien an Tendenzen orientieren (vgl.ebd.).
„Wie kann die inklusive Beschulung der Kinder mit dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung gelingen?“ (ebd., S.235) Bausch kam zusammenfassend zu dem Entschluss, dass die inklusive Beschulung durch geeignete Rahmenbedingungen positiv beeinflusst werden kann, welche somit einen wichtigen Gelingensfaktor darstellen. Sie betont, dass diese Rahmenbedingungen auf verschiedene Ebenen bezogen sind. Als wichtigste werden das Leistungsverhalten der Mitschülerinnen und Mitschüler, die Unterrichtsgestaltung, der Umgangsstil der Lehrkraft, das Differenzierungsengagement, der Einsatz von Buddy-Systemen, Prävention und gezielte individuelle Förderung genannt (vgl. ebd.).
„Gibt es grundsätzliche Übereinstimmungen zwischen Forschung und Praxis in Bezug auf die Bildungsergebnisse und Rahmenbedingungen?“ (ebd., S. 236) Diese Frage kann Bausch deutlich mit „Ja“ beantworten. Außerdem fasst sie im Zuge dessen die laut der Experten wichtigsten Elemente der Rahmenbedingungen zusammen. Dazu gehört die Einstellung und das Verhalten der Lehrkraft hinsichtlich Schülerinnen und Schülern mit Verhaltensauffälligkeiten, strukturiertem Konfliktmanagement, differenziertem und leistungsorientiertem Unterricht, Binnendifferenzierung, zeitweise separatem Unterricht bei begründetem Anlass, Regeln und Strukturen und der Klassengröße (vgl. ebd.).
Durch die Dissertation konnte festgestellt werden, dass passende Rahmenbedingungen ausschlaggebend für eine inklusive Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung sind. Um Lehrkräfte dabei zu unterstützen, die „richtigen“ Rahmenbedingungen für die Inklusion zu schaffen, sollte in Zukunft diesbezüglich weiter geforscht werden.
3 Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung
„Das Bemühen um die inklusive Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit emotional-sozialem Förderbedarf zieht unweigerlich die Frage nach sich, um wen und was es sich dabei genau handelt“ (Stein & Müller, 2018, S. 22). Um den Gegenstand dieses Förderschwerpunktes näher zu beschreiben, sind im folgenden Kapitel zunächst die Begriffe „Verhaltensstörung“, „Verhaltensauffälligkeit“ und „Förderbedarf emotionale und soziale Entwicklung“ durchleuchtet, um ein gemeinsames Begriffsverständnis zu entwickeln. Anschließend sind die Erscheinungsformen der Kinder und Jugendlichen aufgezeigt und Einteilungsversuche kritisch hinterfragt. Es sind zudem ausgewählte Risikofaktoren und mögliche Ursachen, die für den schulischen Kontext eine besondere Relevanz darstellen, dargelegt. Die letzten zwei Kapitel handeln von ausgewählten Präventions- und Interventionsansätzen sowie konzeptionellen Rahmenbedingungen, die für das System Schule und die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung von großer Wertung sind.
3.1 Begrifflichkeiten
Die Begriffsvielfalt dieses Themengebiets ist ebenso ausgeprägt wie die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Förderschwerpunktes, sodass diverse Begriffe in der Literatur zu finden sind. Einige davon sind im Folgenden vorgestellt und definiert.
Der Begriff der Verhaltensstörung hat sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis die größte Verbreitung erfahren (vgl. Myschker, 2009). Standartwerke von Stein oder Myschker greifen diesen Begriff im Titel auf: „Grundwissen Verhaltensstörungen“ (Stein, 2008) und „Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen“ (Myschker, 2009). Die vermutlich meist verbreitete Definition zu Verhaltensstörungen stammt von Myschker.
„Verhaltensstörung ist ein von den zeit- und kulturspezifischen Erwartungsnormen abweichender maladaptives Verhalten, das organogen und/oder milieureaktiv bedingt ist, wegen der Mehrdimensionalität, der Häufigkeit und des Schweregrades die Entwicklungs-, Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der Umwelt beeinträchtigt und ohne besonders pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann“ (Myschker, 2009, S.49).
Stein und Müller (2015) merken drei Kritikpunkte am Begriffsverständnis nach Myschker an. Der Begriff der Störung werde von pädagogisch relevanten Systemen oft unterschiedlich verstanden und angewandt, der Fokus sehr stark auf die Kinder und Jugendlichen und weniger auf ihre Umwelt gerichtet und der Begriff eher interventiv als präventiv ausgerichtet (vgl. Stein & Müller, 2015).
Obwohl die Verwendung des Begriffs Verhaltensstörung häufig zu Kritik führt, ist dessen Akzeptanz empirisch belegt (Hillenbrand, 2008) .
Der Begriff Verhaltensauffälligkeit wird als Synonym der Verhaltensstörung angesehen. Bröcher (1999) schreibt dazu, dass es sich bei den Verhaltensauffälligkeiten „lediglich um die Oberfläche komplexer sozial verankerter Phänomene [handelt]. Es müssen theoretische Kategorien herangezogen werden, die das psychische Innen und das sozialstrukturelle Außen in ihrer Wechselbeziehung erhellen“ (S.269). Er meint damit, dass der Blick viel zu kurz gefasst sei, wenn man den Fokus allein auf die Veränderung eines Verhaltens richtet. Vielmehr sollte man die Schülerinnen und Schüler in ihrer individuellen Welt wahrnehmen (vgl.ebd.). Es wird also ein besonderes Augenmerk auf das Ungleichgewicht zwischen Person und Umwelt gelegt, welches in der Definition von Myschker wenig thematisiert wird. Doch auch zum Begriff Verhaltensauffälligkeit wird Kritik geäußert. Zum einen seien nicht alle Kinder und Jugendlichen wirklich „auffällig“ in ihrem Verhalten. Und zum anderen sei jeder Mensch hin und wieder mal „auffällig“ im Verhalten, wenn besondere Faktoren zusammenkommen, wie beispielsweise Müdigkeit (Myschker, 2009). Trotz der Kritik ist festzuhalten, dass der Begriff verhaltensauffällig gegenüber dem Ausdruck verhaltensgestört als wesentlich wertfreier zu betrachten ist (vgl.ebd.).
Besonders im Hinblick auf die Herausforderung der inklusiven Beschulung ist die Auseinandersetzung mit Begriffen wie Störung oder Auffälligkeit von großer Bedeutung (Stein & Müller, 2015). „Es macht einen Unterschied, ob man mit >gestörten< Kindern und Jugendlichen arbeitet [oder] ob man versucht, mit auffälligem Verhalten in der Schule umzugehen“ (ebd., S.28).
Um Abstand von der Defizitorientierung zu nehmen, wurde 1994 mit der Herausgabe der Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderung durch die KMK der Begriff Verhaltensstörung durch den Begriff Förderbedarf emotionale und soziale Entwicklung ersetzt (vgl. KMK, 1994). „Die Sonderpädagogische Förderung ist in erster Linie auf die Weiterentwicklung der Fähigkeiten zu emotionalem Erleben und sozialem Handeln gerichtet“ (KMK, 2000, S. 3). Es wird außerdem betont, dass „die pädagogische Ausgangslage von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf im Bereich des emotionalen Erlebens und sozialen Handelns […] von vielfältigen komplexen Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Individuum, sozialem Umfeld und Persönlichkeitsentwicklung geprägt [ist]“ (ebd., S.4). Im Zusammenhang mit diesem Verständnis sind emotionale und soziale Kompetenzen, wie beispielsweise Kommunikationsfähigkeit, Toleranz, emotionale Regulationsfähigkeit und Konfliktbewältigung, definiert (vgl. Stein, 2006). Stein und Müller (2015) kritisieren an der Sichtweise der KMK, dass Verhaltensauffälligkeiten als Entwicklungsprobleme angesehen werden. Es werde außer acht gelassen, dass nicht nur die Fähigkeit mit den dazugehörigen Kompetenzen eine Rolle spiele, sondern auch die Bereitschaft diese Fähigkeiten zu zeigen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Begriff der Verhaltensstörung in dieser Arbeit keine Verwendung findet, auch wenn er allgemein akzeptiert und in übersetzter Form auch international anerkannt ist. Ausdrücke, wie „Störung“ oder „gestört“ erwecken vielleicht den Anschein der Dringlichkeit, sind dennoch keine Begriffe, die im Zusammenhang mit dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung auftreten sollten. Daher sind im Folgenden die wertfreieren Begriffe „Verhaltensauffälligkeit“ und „Förderschwerpunkt bzw. Förderbedarf der emotionalen und sozialen Entwicklung“ genutzt.
3.2 Erscheinungsformen und Einteilungen
Nun stellt sich die Frage, was dieses „auffällige“ Verhalten ist, das Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung aufzeigen. Diese Frage ist kaum zu beantworten, denn „das Verhalten dieser [Schülerinnen und] Schüler ist in seiner besonderen Art so vielfältig wie das Spektrum der zugeordneten Störungsbilder – von A wie ADS oder Angststörung über G wie Gewalt und T wie Tics bis hin zu Z wie Zwangsstörung“ (Harms, 2014, S. 10). Es gibt eine ganze Reihe an möglichen Merkmalen des Verhaltens von Schülerinnen und Schülern mit diesem Förderbedarf. Myschker (2005) entwickelte eine Liste mit ungefähr 160 verschiedenen Ausprägungen, wobei davon auszugehen ist, dass diese nicht lückenlos alle möglichen Symptome aufzeigt. Dennoch wird durch die Aufzählung deutlich, wie komplex, individuell und umfangreich dieser Förderschwerpunkt ist.
Es gibt bislang keine überzeugende Art und Weise der Klassifikation des Förderschwerpunktes der emotionalen und sozialen Entwicklung, was die Frage zulässt, ob eine Klassifikation in diesem Bereich überhaupt sinnvoll ist (vgl. Stein, 2006). Für eine Klassifikation müssen Gruppen gebildet werden, die voneinander eindeutig getrennt sind und für die klare Zuordnungen vorliegen. Solch eine Klassifikation kann dazu führen, dass der Mensch „hinter“ den klassifizierten Störungsbildern in den Hintergrund gerät (vgl. Stein & Müller, 2015).
Dennoch findet im Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung vermehrt die Einteilung in zwei zentrale Gruppen statt: die der externalisierenden und die der internalisierenden „Störungen“. Sie gilt als „recht grob“, gibt jedoch einen guten Überblick über unterschiedliche Erscheinungsformen. Dabei ist zum einen zu betonen, dass diese Gruppeneinteilung nicht von den Erklärungen zu unterschiedlichen Verhaltensweisen ausgeht, sondern lediglich die Erscheinungsformen betrachtet. Und zum anderen sind die beiden Gruppen nicht voneinander separierbar. Denn eine Person kann gleichzeitig sowohl externalisierende als auch internalisierende Auffälligkeiten aufweisen (vgl. ebd.).
Zu den externalisierenden „Störungen“ gehören unter anderem Eigenschaften wie Aggression, Hyperaktivität, Impulsivität, Antisoziales Verhalten oder Delinquenz. Zu den internalisierenden „Störungen“ gehören beispielsweise Ängste, Zwänge, Somatische Störungen, Minderwertigkeitsgefühle, Depressionen, Rückzug aus sozialen Bindungen oder autoagressives Verhalten (vgl. Myschker 2005).
Da diese Arbeit von der schulischen Inklusion und dem Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung handelt, sind im Folgenden weitere mögliche, explizite Erscheinungsformen von Verhaltensauffälligkeiten im schulischen Kontext nach Breuer-Küppers und Hintz (2018) aufgezählt: „ist hibbelig, zieht sich in sich zurück, fühlt sich wertlos, stiehlt Eigentum von Mitschülerinnen und Mitschülern, wirft mit Gegenständen, hält sich nicht an Regeln, kann sich nicht konzentrieren, läuft weg, verletzt sich, wird schnell wütend“… (S.9).
Wie bereits erwähnt, stellt das Verhalten von Schülerinnen und Schülern mit solchen Auffälligkeiten für Lehrkräfte eine besonders große Herausforderung dar. Harms (2014) betont: „Um mit genau diesen Kindern und Jugendlichen arbeiten zu können, ist es in besonderer Weise wichtig, sie ernst zu nehmen, in dem, wer sie sind, und mit dem, was sie tun (S.11)“
3.3 Risikofaktoren und mögliche Ursachen
Risikofaktoren geben wichtige Informationen im Hinblick auf die Planung von individuellen Fördermaßnahmen und gleichzeitig über mögliche Ursachen. Dadurch können Fördermaßnahmen spezifiziert und genauer an den Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung angepasst werden (vgl. Fingerle, 2008). Da Verhaltensauffälligkeiten meist nicht nur einer Ursache entspringen, bzw. mehrere Risikofaktoren eine Rolle spielen, sprechen unter anderem Beelmann und Raabe (2007) von einem multikausalem Wirkungsgeflecht aus biologischen, psychischen und sozialen Faktoren, die zum Förderbedarf emotionaler und sozialer Entwicklung führen.
Es scheint, dass es biologische bzw. genetische Faktoren gibt, die im Zusammenhang mit dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung stehen. Dennoch ist zu betonen, dass diese nur im Zusammenspiel mit anderen Faktoren zu Verhaltensauffälligkeiten führen. Es kann vorkommen, dass Kinder durch genetische Faktoren eine besondere Empfindlichkeit für Emotionen haben, was wiederum zu Bindungs- oder Angststörungen führen kann. Auch Diagnosen, wie beispielsweise Depressionen oder ADS/ADHS, können im Zusammenhang mit genetischen Faktoren stehen (vgl. Breuer-Küppers & Hintz, 2018).
Psychologische Faktoren betreffen die Persönlichkeit des Schülers oder der Schülerin. Es kann beispielsweise durch Missbrauch, schwere Unfälle, Flucht oder andere Traumata dazu kommen, dass Menschen Erinnerungen oder Teile der Persönlichkeit „abspalten“, wodurch Verhaltensauffälligkeiten hervorgerufen werden können. Doch auch dabei sei betont, dass es sich um mögliche Ursachen bzw. Risikofaktoren handelt und diese nicht zwingend zu auffälligem Verhalten führen müssen (vgl.ebd.).
Der für das System Schule wohl wichtigste Faktor ist der soziale Faktor, da dieser durch die Arbeit in der Schule bzw. neben der Schule positiv als auch negativ beeinflusst werden kann. Der soziale Faktor umfasst drei Bereiche: Familie und Peergroup, Gesellschaft und Schule. „Das Aufwachsen unter starken individuellen Belastungen erhöht das Risiko für das Auftreten herausfordernden Verhaltens“ (ebd., S.16). Die Erziehungshaltung seitens der Erziehungsberechtigten, in Form von inkonsequentem, unberechenbarem Verhalten, zu hohen Erwartungen oder Gewalttätigkeit, kann zu Verunsicherungen des Kindes führen, welche sich möglicherweise auf dessen Verhalten auswirken. Des Weiteren gilt zu wenig Aufmerksamkeit und Zuwendung seitens der Familie als ein Risikofaktor. Es kann vorkommen, dass Schülerinnen und Schüler versuchen, fehlende Zuwendung durch auffälliges Verhalten in der Schule einzufordern. Einen weiteren Risikofaktor stellen Vorbilder dar, denen die Schülerinnen und Schüler im Laufe ihres Lebens begegnen. Vorbilder sind auf das Lernen am Modell zurückzuführen und spielen sowohl in der Familie als auch im Freundeskreis eine entscheidende Rolle. So kann unsoziales und delinquentes Verhalten in der Familie oder in einer Peergroup dazu führen, dass Kinder dieses Verhalten nachahmen wollen bzw. dieses Verhalten als „richtig“ ansehen (vgl.ebd.).
Diese Beispiele zeigen, welchen Einfluss Bezugspersonen auf die Schülerinnen und Schüler haben, weshalb therapeutische Interventionen so gut wie immer deren aktive Einbeziehung erfordern (vgl. Rollett & Werneck, 2008).
Doch auch die Gesellschaft, also das weitere soziale Umfeld, kann Risikofaktoren hervorrufen. Ellinger (2008) fasst einige Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zu sozioökonomischen Risikofaktoren zusammen. Es lässt sich nicht belegen, dass zwischen Armut und Verhaltensauffälligkeiten ein eindeutiger Zusammenhang besteht. Dennoch stellt sich heraus, dass ärmliche Lebensbedingungen einen erheblichen Risikofaktor darstellen. Die Schülerinnen und Schüler sind aus gesundheitlichen Gründen, wie beispielsweise Mangelernährung oder Übermüdung, nicht immer in der Verfassung, mit voller Aufmerksamkeit am Unterricht teilzunehmen. Außerdem können finanzielle Notlagen zu hohem Druck seitens der Kinder und Jugendlichen führen, wenn es beispielsweise um Klassenfahrten oder ähnliches geht. Diese Situationen wiederum können zum Ausschluss aus bestehenden Peergroups führen, da den Schülerinnen und Schülern die Ressourcen fehlen, um den Konsummöglichkeiten gerecht zu werden oder sich im „Trend“ zu bewegen (vgl. Ellinger, 2008).
Neben der Familie und dem sozialen Umfeld stellt auch die Schule ein System voller Risikofaktoren dar. Einigen Schülerinnen und Schülern sind die Strukturen in der Schule, in Form von Regeln Einhalten und respektvollem Umgang, nicht bekannt, da solche Strukturen möglicherweise zu Hause keine Anwendung finden. Dies kann im schulischen Kontext zu Überforderung oder sogar zu Resignation führen und letztendlich Verhaltensauffälligkeiten hervorrufen (vgl. Breuer-Küppers & Hintz, 2018). Ein weiterer Risikofaktor für den Förderbedarf der emotionalen und sozialen Entwicklung stellt die Schüler-Lehrer Beziehung dar. Diese wird in vielen Schulen dadurch gestört, dass ein ständiger Wechsel der Lehrkräfte stattfindet. Sobald eine Schülerin oder ein Schüler ein Vertrauensverhältnis zu einer Lehrperson aufgebaut hat und dieses durch den Wegfall dieser wichtigen Bezugserson gestört wird, kann es gerade im emotionalen und sozialen Bereich zu Verunsicherungen und somit auch zu auffälligem Verhalten führen (vgl.ebd.). Nicht nur emotionale und strukturelle Belastungen können zu Überforderung führen, sondern auch ein zu hoher Leistungsanspruch. Ebenso kann Unterforderung durch einen zu niedrigenden Leistungsanspruch zu Verhältensauffälligkeiten führen. Durch fehlenden Lebensweltbezug und fehlende Differenzierung der Unterrichtsinhalte kann es schnell zu Frustration seitens der Schülerinnen und Schüler kommen (vgl.ebd.).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es eine Vielzahl an Risikofaktoren gibt, die Verhaltensauffälligkeiten begünstigen. Viele dieser Aspekte sind für den schulischen Aspekt von großer Bedeutung und sollten daher nicht vernachlässigt werden. Breuer-Küppers und Hintz (2018) betonen in ihren Praxistipps für Lehrkräfte: „Zahlreiche Faktoren beeinflussen Selbstwertgefühl, Ich-Stärke, Sicherheit, Selbstverantwortung, Impulskontrolle, Stetigkeit und Verlässlichkeit, Entwicklung von Lebensmut und Zukunftsperspektive sowie den Realitätssinn von SchülerInnen. In diesem Zusammenhang sollten sich Lehrkräfte ihrer großen Chance und Verantwortung bewusst sein und versuchen, das positiv zu beeinflussen, was sie in der jeweiligen Situation beeinflussen können“ (S.18).
3.4 Ausgewählte konzeptionelle Rahmenbedingungen und spezielle Interventionen
Konzeptionelle Rahmenbedingungen und spezielle Interventionen finden sich in jedem Schulkonzept wieder. Doch bei dieser Vielzahl an Methoden bzw. Präventions- und Interventionsansätzen ist es nicht leicht den Überblick zu behalten. Daher werden im Folgenden einige ausgewählte Rahmenbedingungen und Interventionen vorgestellt, die als besonders wirksam gelten und in Schulen Anwendung finden. Dabei wird immer wieder Bezug auf den Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung genommen. Folgende Unterrichtsprinzipien/Rahmenbedingungen/Interventionen werden dargestellt: Classroom – Management; Teamteaching; Konfliktmanagement; Reflexion und Feedback und hundegestützte Intervention. Aufgrund der fehlenden Kapazität dieser Arbeit können die Ansätze nur in aller Kürze vorgestellt werden. Für nähere Informationen zum jeweiligen Thema befinden sich nach jedem Kapitel Literaturempfehlungen.
3.4.1 Classroom – Management
Gutes Classroom – Management ist eines der zentralen Elemente guten Unterrichts (vgl. John Hattie, 2015). Neben der Hattie Studie5 belegen zahlreiche nationale und internationale Studien die positive Wirkung eines gelingenden Classroom Managements in Bezug auf das Lernen und die emotionale und soziale Entwicklung von Schülerinnen und Schülern (vgl. Helmke, 2017).
Eichmann (2017) spricht davon, dass Classroom – Management die Voraussetzung für gelungenen Unterricht und sogar die Voraussetzung für eine feste Lehrer-Schüler Beziehungen ist.
Das Classroom – Management lässt sich nach Syring (2017) in die drei Kerndimensionen Unterrichtsgestaltung, Beziehungsförderung und Verhaltenskontrolle unterteilen, welche allesamt darauf abzielen, Störungen im Unterricht zu minimieren. Diese Dimensionen sind im Folgenden dargestellt, um einen Überblick zu den wichtigsten Inhalten des Classroom – Managements zu schaffen.
Unterrichtsgestaltung
In der Unterrichtsgestaltung spielt die Vorbereitung eine wesentliche Rolle. Dabei geht es darum, dass mögliche Störfaktoren antizipiert werden, um diesen im Vorfeld entgegenwirken und somit die aktive Lernzeit erhöhen zu können. Zur Vorbereitung gehört alles, was im Voraus gemacht werden muss, damit der Unterricht reibungslos stattfinden kann: Vorbereitung der Materialien, Strukturierung und Planung des Unterrichts, Raumvorbereitung sowie die Planung und Einübung von Regeln und Routinen (vgl. Syring, 2017).
Ein weiteres Merkmal für gute Unterrichtsgestaltung sind bedeutsame Lernziele. Diese sollten sowohl formuliert als auch den Schülerinnen und Schülern gegenüber kommuniziert werden. Sie müssen also für die Kinder und Jugendlichen transparent und nachvollziehbar sein. Durch die Informationen, was die Kinder lernen sollen und auch warum sie das lernen sollen, wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Schülerinnen und Schüler sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Dafür spielt zum einen die Gegenwarts- und zum anderen die Zukunftsbedeutung nach Klafki (2007) eine entscheidende Rolle (vgl.ebd.).
Ein erfolgreicher Unterricht zeichnet durch klare zeitliche Strukturen und Vorgaben aus, was beispielsweise durch eine Aufteilung der Unterrichtssequenz in unterschiedliche Unterrichtsphasen realisiert werden kann. Doch auch die räumliche Strukturierung ist entscheidend für ein gutes Classroom – Management. Sinnvolle Anordnungen von Tischen und Materialien ermöglichen effektives Lernen. Ein Klassenraum sollte nicht überladen sein und dennoch alle wichtigen Materialien und Informationen bereitstellen. Dafür können beschriftete Regalsysteme genutzt werden. Außerdem ist zu empfehlen, verschiedene Arbeitszonen innerhalb des Kassenraumes zu schaffen, um sowohl Gruppenarbeiten als auch Einzelarbeiten durchführen zu können (vgl.ebd.).
Zur Unterrichtsgestaltung gehört neben strukturellen Aspekten auch die Qualität des Unterrichts. Dabei ist besonders wichtig, dass die Motivation und das Interesse der Schülerinnen und Schüler geweckt werden, weshalb die Mitbestimmung der Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung derer Interessen unerlässlich ist (vgl. ebd.).
Ein zusätzliches Merkmal erfolgreicher Unterrichtsgestaltung ist das Schaffen von Abwechslung und Herausforderungen. Schülerinnen und Schüler sollten weder über- noch unterfordert sein und dennoch immer wieder herausgefordert werden.
Beziehungsförderung
Die LehrerInnen-SchülerInnen Beziehung hat große Auswirkungen auf das Klassenklima und somit auch auf die allgemeine Stimmung und das Empfinden innerhalb der Klasse. Gerade für Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt der emotionalen und sozialen Entwicklung stellt die Lehrkraft eine wichtige Bezugsperson dar. Um die LehrerInnen-SchülerInnen Beziehung zu fördern, nennt Syring (2017) einige Aspekte, die es im System Schule umzusetzen gilt.
Ein Aspekt ist die Klassengemeinschaft. Diese kann durch verschiedenste Maßnahmen gefördert werden, welche kontinuierlich über das gesamte Schuljahr stattfinden sollten, wie beispielsweise das Erstellen einer Klassenordnung, die gemeinsame Raumgestaltung, Projekte, Klassenfeste, Ausflüge oder Wettbewerbe. Bei all diesen Maßnahmen geht es darum, dass sich sowohl die Lehrkraft als auch die Schülerinnen und Schüler in der Klasse wohl und sicher fühlen. Diese Gemeinschaftsaktivitäten können zu Gefühlen der Zugehörigkeit und des gemeinsamen Schaffens beitragen (vgl.ebd.).
Ein weiterer Aspekt ist die Verantwortlichkeit der Lernenden bzw. die Schülermitbestimmung. Schülerinnen und Schülern soll die Möglichkeit geboten werden, eigenverantwortlich und selbstbestimmt zu arbeiten. Sie sollen Verantwortung übernehmen und mitbestimmen dürfen, beispielsweise im Klassenrat. Um Verantwortung übernehmen zu können, sollten die Schülerinnen und Schüler lernen, sich selbst einzuschätzen, ihr Handeln zu reflektieren und zu verantworten, Entscheidungen zu treffen und Respekt gegenüber anderen zu zeigen. Diese Kompetenzen sollten im Unterricht geschult werden, um den Kindern und Jugendlichen bei ihrer persönlichen Entwicklung zu helfen (vgl.ebd.).
Drei weitere wichtige Aspekte der Beziehungsförderung sind Wertschätzung, Authentizität und Empathiefähigkeit. Wertschätzung kann in Form von Lob ausgedrückt werden. Dabei nennt Eichhorn (2017) einige Faktoren, die für das Übermitteln von Lob besonders wichtig sind. „Gutes Lob ist auf die Anstrengung und weniger auf das Ergebnis bezogen; ist kurz; ist auf spezifisches Verhalten bezogen; ist aus Sicht des Schülers begründet […]; ist erst gemeint“ (Eichhorn, 2017, S.97). Neben der Wertschätzung, die durch eine Lehrkraft ausgestrahlt werden sollte, ist deren Authentizität von großer Bedeutung. Eine Lehrkraft sollte ihren Schülerinnen und Schülern vermitteln, dass sie die Arbeit gern macht, dass sie glaubwürdig ist und dass man ihr vertrauen kann. Für die Empathiefähigkeit einer Lehrkraft werden zwei Dinge benötigt: die Fähigkeit zum Perspektivwechsel und die Fähigkeit zum Einfühlen (vgl. Syring, 2017). „Schülerinnen und Schüler, die sich im Unterricht wertgeschätzt fühlen, ihre Lehrkraft als authentisch, glaubhaft und vertrauensvoll wahrnehmen und um das Einfühlungsvermögen dieser wissen, werden den Unterricht mit hoher Wahrscheinlichkeit als angenehm empfinden, gern lernen und weniger stören“ (ebd., S.93).
[...]
1 Der Artikel wurde vom Englischen ins Deutsche übersetzt. Dabei wurde „inclusive“ als „integrativ“ übersetzt.
2 Wenn in den Kapiteln 2.2 und 2.3 von „inklusiv“ und „Inklusion“ im Zusammenhang mit statistischen Zahlen die Rede ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei sicher um Inklusion im oben definierten Sinne handelt. Dennoch wird der Begriff der Inklusion in diesem Zusammenhang in der Literatur genutzt und wird daher in dieser Arbeit übernommen.
3 Die Förderquote ist der Anteil an Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf in Förderschulen und allgemeinen Schulen.
4 Das Schuljahr 2017/18 wurde gewählt, da zum Zeitpunkt der Recherche keine neueren Daten vorlagen.
5 Die Hattie Studie gilt „als das Hauptwerk der gegenwärtigen, internationalen Bildungsforschung“ (Toman, 2017, S. 214), die Studie stellt „einen Meilenstein der empirischen Forschung zum Lehren und Lernen“ dar (Helmke P. D., 2013, S. 8).
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2020, Die Inklusion von Kindern und Jugendlichen. Schulkonzepte als Gelingensfaktor, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/976938
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