Stellen Sie sich vor, eine Stadt in der Stadt, ein Ort, an dem die Schatten der Überwachung allgegenwärtig waren, wo das Leben von Millionen Menschen heimlich seziert und archiviert wurde. Tauchen Sie ein in die düstere Realität der Normannenstraße, der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Lichtenberg, dem Epizentrum der ostdeutschen Staatssicherheit. Enthüllen Sie die erschreckende Machtfülle eines Apparats, der mit 91.000 festangestellten und mindestens 172.000 inoffiziellen Mitarbeitern das Leben der Bürger der DDR kontrollierte und manipulierte. Erforschen Sie die gigantische Datensammlung, die in 3.000 Räumen lagerte, in denen sensible Informationen von etwa fünf Millionen Menschen gespeichert wurden – ein beispielloser Eingriff in die Privatsphäre, der die Grundrechte mit Füßen trat. Von der systematischen Postkontrolle, dem „größten Postraub der Welt“, bis zur Abhörung privater Gespräche – das MfS kannte keine Grenzen. Doch die Geschichte endet nicht mit Unterdrückung. Erleben Sie den mutigen Akt der Bürger, die am 15. Januar 1990 die Stasi-Zentrale stürmten und den Grundstein für die Aufarbeitung der Vergangenheit legten. Entdecken Sie die Bedeutung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG), das den Opfern erstmals Einblick in ihre Akten gewährte und die Arbeit der Gauck-Behörde ermöglichte. Besuchen Sie die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, einst ein sowjetisches Speziallager und später das zentrale Untersuchungsgefängnis des MfS, ein Ort, der auf beklemmende Weise die politische Verfolgung in der SBZ und der DDR dokumentiert. Wandeln Sie auf den Spuren der Opfer politischer Strafjustiz, steigen Sie hinab in das berüchtigte „U-Boot“ mit seinen Isolations- und Folterzellen, und setzen Sie sich mit den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte auseinander. Dieses Buch ist eine eindringliche Reise in die Vergangenheit, die uns mahnt, die Freiheit zu schätzen und die Erinnerung an die Opfer von Unterdrückung wachzuhalten. Eine Mahnung, wie wichtig der Schutz der Privatsphäre und der Bürgerrechte ist, und wie schnell eine vermeintliche Sicherheit in totale Kontrolle umschlagen kann. Erkunden Sie die Mechanismen der Überwachung, die psychologischen Auswirkungen auf die Betroffenen und die langwierigen Prozesse der Aufarbeitung und Versöhnung. Tauchen Sie ein in ein System, das tief in das Leben der Menschen eingriff und noch heute nachwirkt.
Ministerium für Staatssicherheit (Mfs), Normannenstraße
von Daniel Christ
Am Abend des 15. Januar 1990 nahmen Demonstranten die Zentrale des Ministerium für Staatssicherheit in Berlin-Lichtenberg in Besitz. Das Berliner Bürgerkomitee begann hier seine Arbeit zur Auflösung des MfS.
Dies war ein schwierige und langwierige Angelegenheit, denn das Mfs besaß ca 91.000 festangestellte und wenigstens 172.000 inoffizielle Mitarbeiter (IM); sie war damit zusammen mit der Volksarmee (173.000) größter Arbeitgeber in der ehemaligen DDR. Auch konnte sie einen beachtlichen Immobilienbesitz für sich verbuchen: 2037 Gebäude, Wohnungen und Grundstücke, davon allein 652 in Berlin, unter anderem auch 24 Erholungsheime mit 2058 Betten für Stasi-Mitarbeiter zu Urlaubszwecken. Das Hauptgebäude des Mfs in Berlin, Normannenstrasse (Ost-Berliner Stadtteil Lichtenberg) wurde auch als Stadt in der Stadt bezeichnet, da dort das Mfs in 3.000 Räumen residierte. Allein die Ost-Berliner Bezirksverwaltung arbeitete in weiteren 1.000 Räumen. Dies war aber erst die Spitze des Eisberges, denn dort, in der Normannenstrasse, wurden die Daten von etwa 1/3 der Bürger gesammelt, d.h. etwa fünf Millionen Namen waren im zentralen Mfs-Computer gespeichert. Unter anderem fand auch ein unglaubliches Maß an Post- und Telefonkontrolle statt; in manchen Städten wurde jeder Brief geöffnet (,,Größter Postraub der Welt") und jedes zweite Gespräch mitgehört. Finanziert wurde dieses Unterfangen mit ca. 3,6 Milliarden DM jährlich aus dem DDR Staatshaushalt.
Das MfS der ehemaligen DDR sammelte fast vierzig Jahre lang im Auftrag der SED Material über Millionen von Menschen - in erster Linie über DDR-Bürgerinnen und -Bürger, aber auch über viele Bürger der alten Bundesländer und über Bürger anderer Staaten. Unzählige Lebensläufe - nicht nur in Ostdeutschland - wurden im Laufe der Jahre durch die Staatssicherheit mitgeprägt. Das MfS beeinflußte den beruflichen Auf- oder Abstieg, nutzte systematisch menschliche Schwächen aus und schreckte auch nicht davor zurück, in die Privatsphäre seiner Opfer einzudringen und intimste Informationen für seine Zwecke zu verwenden. Ärztliche Schweigepflicht, Bank- und Postgeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung, selbst die in der Verfassung der DDR festgelegten Grundrechte eines jeden Bürgers waren für die Stasi kein Tabu.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ost-Berliner Stasi Zentrale: 3000 Räume für die Schnüffler des Staates
Am 29. Dezember 1991 trat das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) in Kraft, das der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit verabschiedet hatte. Das zentrale Anliegen dieses Gesetzes ist die vollständige Öffnung der Akten des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes, insbesondere der Zugang der Betroffenen zu den Informationen, die der Staatsssicherheitsdienst zu ihnen gespeichert hat. Erstmals bekamen damit Bürger Gelegenheit, in Unterlagen einzusehen, die ein Geheimdienst über sie angelegt hatte. Dies war nun Aufgabe der sog. Gauck-Behörde, die sich seitdem dieser Aufgabe widmet.
Bis zum Dezember 1998 beantragten etwa eine Million Privatpersonen beim Bundesbeauftragten Einsicht in Unterlagen, die der Staatssicherheitsdienst über sie geführt hat.
Eine Woche später, nach der ,,Stürmung des Mfs", beschloß der Zentrale Runde Tisch, daß im Haus 1 der Stasi-Zentrale eine Forschungs- und Gedenkstätte zum politischen System der DDR eingerichtet werden soll.
Der im Sommer 1990 von Mitgliedern des Berliner Bürgerkomitees und Bürgerrechtlern gegründete Verein "Antistalinistische Aktion Berlin-Normannenstraße" (ASTAK) machte es sich zur Aufgabe, diese Forschungs- und Gedenkstätte aufzubauen und zu betreiben. Die ASTAK übernahm auch die Trägerschaft.
Seit der Eröffnung am 7. November 1990 wird ständig am Auf- und Ausbau der Dauerausstellung gearbeitet. Mittelpunkt sind die im Originalzustand erhaltenen Amts- und Arbeitsräume Erich Mielkes, des letzten Ministers für Staatssicherheit.
Hinzu kommen Ausstellungsteile zu systempolitischen Aspekten, zur Tätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit sowie zu Widerstand und Opposition in der DDR. Zusätzlich zu den angebotenen Führungen besteht die Möglichkeit zum Besuch des ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnisses in Berlin-Hohenschönhausen. Zu ausgewählten Themen werden darüber hinaus Vorträge und Seminare angeboten. Die weitere finanzielle Aufrechterhaltung der Forschungs-und Gedenkstätte Normannenstraße ist ungewiß.
Adresse: Ruschestraße 59, Haus 1
01130 Berlin-Lichtenberg Tel.:030/23724610
Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
von Daniel Christ
Im Mai 1945 richtete die sowjetische Besatzungsmacht auf dem Gelände der heutigen Gedenkstätte ein Sammel- und Durchgangslager, das sogenannte Speziallager Nr. 3, ein. Es existierte bis Oktober 1946 und diente zur Internierung von Personen, die verdächtigt wurden, Kriegsverbrecher bzw. NS-Funktionär gewesen zu sein oder die Besatzungspolitik zu gefährden.
Ende 1946 begann das sowjetische Innenministerium MWD (vorher NKDW) mit dem Aufbau seines zentralen Untersuchungsgefängnisses für politische Häftlinge in der sowjetischen Besatzungszone.
Nach der Gründung der DDR wurde das Haftgelände zunächst dem Ministerium des Innern der DDR, dann dem Ministerium für Staatssicherheit dem Mfs übergeben, dass das Gefängnis bis 1989 als zentrale Haftanstalt für politische Untersuchungsgefangene nutzte.
In der DDR ist dieses Gelände eng mit der Geschichte politischer Strafverfolgung in den Jahren 1945-89 verknüpft.
Ende 1995 wurde die Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (i.Gr.) ins Leben gerufen.
Mit dem Ziel, einen authentischen Ort politischer Strafjustiz zu bewahren und Raum zu schaffen für die Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Vergangenheit, wurde das Gelände 1992 unter Denkmalschutz gestellt und die Errichtung einer Gedenkstätte beschlossen.
Ende 1995 wurde die Stiftung Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (i.Gr.) ins Leben gerufen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das sogenannte ,,U-Boot" in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
Die im August 1996 fertiggestellte und im Anschluß an eine öffentliche Anhörung überarbeitete Konzeption des Arbeitsausschusses, dem die Nutzung der von Bund und Land getragenen Stiftung obliegt, sieht einen Rundgang durch die wichtigsten Stationen des historischen Geländes vor: das sog. U-Boot (Isolationszellen, worin politische Häftlinge Knietief in Wasser inhaftiert wurden), der Gefängnistrakt einschließlich Garagenschleuse, Dunkelzellen und Freigangzellen sowie der Vernehmungstrakt. Dieses sog. U-Boot war ein Trakt mit unterirdischen bunkerartigen Zelle ohne Fenster. Es verfügte neben den Hafträumenüber Zellen, in denen die Häftlinge besonderen Folterungen ausgesetzt werden konnten.
In Verbindung damit sollen eine Dokumentation und eine Ausstellung aufgebaut werden, die anhand der Geschichte des Lager- und Haftgeländes Hohenschönhausen über die politische Verfolgung in der SBZ und der DDR informieren. Schwerpunkte bilden hierbei die Themen
»Internierungs- und Haftpolitik der sowjetischen Besatzungsmacht«, »Das Untersuchungsgefängnis unter der Regie des MfS« und »Die MfS-Untersuchungshaft aus Sicht der Betroffenen«. Darüber hinaus sind eine Bibliothek, ein Archiv, ein Medienraum sowie Wechselausstellungen, Seminare/Workshops und Publikationen als Bildungsangebote vorgesehen.
Adresse: Genslerstraße 66
13055 Berlin
Tel.: 030-9824219 o. 030/98696101 Fax: 030/9824719
Quellen:
http://www.berlin.de http://www.brandenburg.de http://www.gauck.de
Info Broschüre ,,Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen"
Der SPIEGEL, Ausgabe 6,7,8/1990, Schild und Schwert der Partei. SPIEGEL-Serie über Machtfülle und Untersuchungspraxis der DDR-Staatsicherheit, Axel-Springer Verlag, Hamburg, 1990
Die WELT, Förger, Dirk ,,Internieren, isolieren, liquidieren",01.02.1999
DDR, Die Staatssicherheit. Fricke, Karl Wilhelm, Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1989
DDR, Opposition und Widerstand in der DDR. Ein politischer Report. Fricke, Karl Wilhelm, Köln 1984
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Ministerium für Staatssicherheit (Mfs) und wo befand sich seine Zentrale?
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), oft auch Stasi genannt, war der Geheimdienst der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Seine Zentrale befand sich in Berlin-Lichtenberg, in der Normannenstraße. Dieser Ort wurde auch als "Stadt in der Stadt" bezeichnet, da das MfS dort in über 3.000 Räumen residierte.
Wann und wie wurde die Stasi-Zentrale besetzt?
Am Abend des 15. Januar 1990 nahmen Demonstranten die Zentrale des MfS in Berlin-Lichtenberg in Besitz. Dies markierte einen wichtigen Schritt bei der Auflösung des MfS.
Wie groß war das MfS und was waren seine Aufgaben?
Das MfS war mit etwa 91.000 festangestellten Mitarbeitern und mindestens 172.000 inoffiziellen Mitarbeitern (IM) einer der größten Arbeitgeber in der DDR. Seine Hauptaufgabe war die Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung, sowohl in der DDR als auch im Ausland. Dies umfasste die Sammlung von Informationen über Millionen von Menschen, die Überwachung von Post- und Telefonverkehr und die Beeinflussung von Lebensläufen.
Welche Rolle spielte das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG)?
Das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG), das am 29. Dezember 1991 in Kraft trat, ermöglichte erstmals den Bürgern, Einblick in die Akten zu nehmen, die der Staatssicherheitsdienst über sie angelegt hatte. Dies war eine zentrale Maßnahme zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit.
Was ist die Gauck-Behörde und welche Aufgabe hat sie?
Die sogenannte Gauck-Behörde, offiziell der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (BStU), wurde mit der Aufgabe betraut, die Akten des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes zu verwalten und den Bürgern den Zugang zu ihren persönlichen Akten zu ermöglichen.
Was ist die Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße?
Die Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße befindet sich im ehemaligen Hauptgebäude des MfS in Berlin-Lichtenberg. Sie wurde eingerichtet, um das politische System der DDR zu dokumentieren und die Tätigkeit des MfS zu beleuchten. Dort sind unter anderem die im Originalzustand erhaltenen Amts- und Arbeitsräume Erich Mielkes zu besichtigen.
Was war das Speziallager Nr. 3 und welche Bedeutung hatte es?
Das Speziallager Nr. 3 wurde im Mai 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht auf dem Gelände der heutigen Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen eingerichtet. Es diente zur Internierung von Personen, die verdächtigt wurden, Kriegsverbrecher oder NS-Funktionäre gewesen zu sein oder die Besatzungspolitik zu gefährden.
Was ist die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen?
Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen zentralen Untersuchungsgefängnisses des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). Sie dient der Erinnerung an die politische Strafverfolgung in der SBZ und der DDR und bietet Besuchern Einblicke in die Haftbedingungen und Verhörmethoden des MfS.
Was ist das "U-Boot" in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen?
Das sogenannte "U-Boot" in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen ist ein Trakt mit unterirdischen, bunkerartigen Zellen ohne Fenster. Dort wurden politische Häftlinge unter besonders harten Bedingungen inhaftiert, und es gab Zellen, in denen sie Folterungen ausgesetzt werden konnten.
Wo befinden sich die Gedenkstätten und wie sind sie erreichbar?
Die Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße befindet sich in der Ruschestraße 59, Haus 1, 10365 Berlin-Lichtenberg (Tel.: 030/23724610). Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen befindet sich in der Genslerstraße 66, 13055 Berlin (Tel.: 030-9824219 o. 030/98696101).
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- Daniel Christ (Author), 2000, Ministerium für Staatssicherheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97674