Der Begriff der Zeit


Ausarbeitung, 1999

3 Seiten


Leseprobe


Martin Heidegger - Der Begriff der Zeit

(referiert von Emil Franzinelli - SS 1999)

- zu Martin Heidegger:
- Lebensdaten: 1889-1976
- von der Phänomenologie Husserls (nicht das Seiende wird behandelt, son- dern das Erscheinende) zur Existenzphilosophie, dann zur Seinsmetaphy- sik (Einflüsse: Hegel & Nietzsche)
- Themen und Hauptwerk: "Sein und Zeit", 1927
- H. stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang von Sein und Zeit
- "Der Begriff der Zeit": Vortrag vor der Marburger Theologenschaft, 1924
- Vorwissenschaft mit anthropologischem Ausgangspunkt: von den Grund- strukturen des Daseins des Menschen den Bezug zur Zeit erkennen

- sprachliche Verständnishilfen:

- Sein vs. Seiendes: generelles Sein (Existenz) vs. Sein im Jetzt
- Dasein: "Dasein ist Seiendes, dem es in seinem Sein um sein Sein geht."
- Sorgen: 1) um das Sein, 2) Anklammern an das Noch-nicht-vorbei
- Eigentlichkeit: das Dasein als Sein zum Tode (verstehen)
- Jeweiligkeit: menschliches jeweilige Seiende ("Ich bin" vs. "Man ist") - das menschliche Seiende als individuelles betrachtet, "aus dem Vorlaufen in die eigentliche Zeit alle Zeit jeweilig für sich" haben (S.19)
- Eigentlichsein des Menschen: die Endlichkeit der Zeitlichkeit erkennen; in seinem tätigen, "besorgenden" In-der-Welt-Sein seiner jeweiligen End- lichkeit nicht ausweichen ("man" stirbt), sondern entschlossen als jeweilige äußerste Seinsmöglichkeit annehmen ("ich" sterbe)
- "Man": "Dieser Niemand von dem wir selbst in der Alltäglichkeit gelebt werden, ist das „Man“." (keiner und doch alle miteinander)
- Alltäglichkeit: Nichtigkeiten des Lebens; bestimmte Zeitlichkeit, die vor der Zukünftigkeit flüchtig ist (um dies zu verstehen ist die Konfrontation mit der eigentlichen Zeit notwendig)
- eigentliche Zeit: das Leben eines Daseins, ohne meßbare Länge; Eröff- nung ihrer durch das Bewußtsein aus der Perspektive des zukünftigen Vorbeiseins, "das Dasein, begriffen in seiner äußersten Seinsmöglichkeit" (S.19); im Vorlaufen zu seinem Vorbei im "Wie" auf Gegenwart und Vergangenheit zurückkommend, sich so seine Zeit eröffnen
- Abläufe: aus endloser Zukunft in unwiederbringliche Vergangenheit
- Uhr: Verräumlichung der Zeit, Ortsbewegung, zeigt und fixiert uns das Jetzt, Messung einer nicht umkehrbaren Folge von Jetztpunkten
- eigentliche Vergangenheit vs. Vergangenes: Erinnern als Wieder-
holen im "Wie", Wiederholen im Zurückkommen vs. Vergegenwärtigen der Vergangenheit im "Was", das Erinnern an das Gewesene
- Wie vs. Was: Qualität vs. Quantität, "Wie-Betrachtung" vs. "Was-Be- rechnung" und "Was-Bestimmung"
- Tod, Vorbei, äußerste Seinsmöglichkeit, Zukünftiges: äußerste Möglichkeit des Daseins, um die dieses weiß: unbestimmt, aber gewiß

- Grundstrukturen des Daseins:

- Dasein als
- In-der-Welt-sein: "Besorgen" in der Welt
- Mit-einander-sein: Vorhandensein für Andere
- Selbstauslegung: das mit einem Anderen über etwas Sprechen
- Jeweiligkeit: "Ich bin"
- zumeist ist keiner in der Alltäglichkeit er selbst (Herrschaft des "Man")
- die Sorge um das Dasein stellt das (besorgende) Sein in die Sorge (das Sein des Daseins ist die Sorge)
- durchschnittlich befindet sich das alltägliche Dasein ohne Ich- Reflexion bei sich selbst in der alltäglichen Gegenwart
- die Auslegung des Daseins ist durchschnittlich von der Alltäg- lichkeit beherrscht

- Schließen vom Dasein auf dessen Zeitverständnis:

- das Dasein sorgt sich / ihm geht es um sein Sein > Welt-Zeit
- das Dasein ist immer schon verfallen an die anonyme Uneigentlichkeit des "Man" - Flucht vor der Einsamkeit des Selbstseins > "Man"-Zeit
- Dasein im Sein zum Tode: Erfahren der Eigentlichkeit > eigentliche Zeit

- Unterscheidung des Daseins "der" Zeit (zunächst in 1. und 2.):

1. Welt-/Gegenwarts-/Naturzeit (natürliche Uhr, expliziert als Ablaufsfolge, "die ständig durch das Jetzt rollt" [Zukunft>Jetzt> Vergangenheit]): In-der-Welt-sein
2. vulgäre "Man"-Zeit (mathematische Konstruktion, Beispiel Uhr, meßbare Zeit): das Dasein rechnet mit der Zeit: Miteinander- in-der-Welt-sein
3. eigentliche Zeit (im Vorlaufen zu seinem Tod): das Dasein, be- griffen in seiner äußersten Seinsmöglichkeit: Dasein = Zeit

- Weltzeit: 1. nicht umkehrbar: Z>Jetzt>V - Ablaufsfolge mit umgekehrter Richtung, 2. homogenisiert (Angleichung der Zeit an den Raum [t])

- Gegenwartszeit: "Dann ist die Zeit schon als Gegenwart ausgelegt, Ver- gangenheit ist interpretiert als Nicht-mehr-Gegenwart, Zukunft als unbe- stimmte Noch-nicht-Gegenwart: Vergangenheit ist unwiederbringlich, Zukunft unbestimmt." (S.23) - permanent zeitloses Verharren im Jetzt

- mathematische Modellkonstruktion (nach Aristoteles, 383-322): "Da die Zeit das Maß der Bewegung ist und des Bewegens und da sie die Be- wegung dadurch messen kann, daß eine bestimmte Bewegung abgegrenzt ist, die als Maß für die ganze gebraucht wird, so wie auch eine Elle eine Länge ausmißt, weil sie abgegrenzt ist als eine bestimmte Länge, die die ganze Länge messen soll, so bedeutet für die Bewegung ihr Sein in der Zeit, daß sie durch die Zeit gemessen wird, sie selbst und ihre Dauer." (Physik IV, 11, 221a)

- Uhr-Zeit: "Die Uhr zeigt uns das Jetzt, aber keine Uhr zeigt je die Zu- kunft und hat je Vergangenheit gezeigt. Alles Zeitmessen besagt: die Zeit in das Wieviel bringen." (S.22) (- S.20)

- rechnendes Dasein: "Das Dasein ist da mit der Uhr, wenn auch nur der nächst alltäglichen von Tag und Nacht. Das Dasein rechnet und fragt nach dem Wieviel der Zeit, ist daher nie bei der Zeit in der Eigentlichkeit. So fragend nach dem Wann und Wieviel verliert das Dasein seine Zeit."

- eigentliche Zeit: "Das Vorlaufen ergreift das Vorbei als eigentliche Möglichkeit jedes Augenblicks, als das jetzt Gewisse. Das Zukünftigsein als Möglichkeit des Daseins als jeweiligen [Daseins] gibt die Zeit, weil es die Zeit selbst ist." (S.20)

- Zielsetzung Heideggers bei seinem Vortrag:

- anthropol.: Zusammenhang sichtbar machen von dem, was in der Zeit ist, mit dem, was die eigentliche Zeitlichkeit ist (vs. alltägliche Zeit)
- Erkennen seines jeweiligen "Seins zum Tode", Erinnern des "Wie", hierdurch Befreiung aus der alltägl. Welt- und der alltägl. "Man"-Zeit
- das Dasein in der Eigentlichkeit seines jeweiligen (individuellen) Seins (die äußerste Seinsmöglichkeit, das Vorbei, den Tod) ergreifen - dem Vorbei nicht ausweichen, sondern als Möglichkeit vergegenwärtigen
- Aufgeben des Anklammerns an das Noch-nicht-vorbei
- Aufdecken der und Distanzierung von der Alltäglichkeit: "Dieses Vor- bei vermag das Dasein inmitten der Herrlichkeit seiner Alltäglichkeit in die Unheimlichkeit zu stellen." (S.18)

- Vorteile:

- "Das Vorbei jagt alle Heimlichkeiten und Betriebsamkeiten auseinan- der, das Vorbei nimmt alles mit sich in das Nichts." (S.17) (reflektie- ren aus der Zukünftigkeit des Vorbei-Seins über die Nichtigkeiten des alltäglichen Lebens wie Eitelkeiten, Winkelzüge, Geschwätzig- keit)
- Erkennen und Eröffnen seiner Eigentlichkeit (eigentlichen Zeit)

- bisherige Zusammenfassung:

1) Weltzeit - a) Ablauf Z>GW>V; b) Besorgen in der Welt, Sein im Jetzt
2) vulgäre "Man"-Zeit - a) Miteinander-sein in der Welt; b) Berechnen der Zeit
3) Eigentlichkeit - a) Zeit eröffnen aus dem Vorgreifen zum Vorbei; b) distanziertes Betrachten der Gegenwart und Vergangenheit im "Wie" - dadurch c) Entblößung der Alltäglichkeit

- Problem: Festhalten des Daseins am Noch-nicht-vorbei - Gründe:

a) Angst vor dem "Wann" des Todes (Frage nach dem "Wieviel noch")

- Sorge um sein Dasein, Anklammern an das Noch-nicht-vorbei

b) Verdrängung der Todesgewißheit

- Sorge um sein alltägl. Sein, um sein "In-der-Welt-besorgen"

- Zitate zur alltäglichen Zeit im Jetzt:

- "Was das Dasein von der Zeit sagt, spricht es von der Alltäglichkeit her. Das Dasein als in seiner Alltäglichkeit hängend sagt: die Vergangenheit ist das Vorbei, sie ist unwiederbringlich. Das ist die Vergangenheit der Gegenwart des Alltags, der in der Gegenwart seiner Betriebsamkeiten sich aufhält. Darum sieht das Dasein als so bestimmte Gegenwart das Vergangene nicht." (S.24)
- "Das Dasein flieht vor dem Wie und hängt sich an das jeweilige gegen- wärtige Was. Das Dasein ist das, was es besorgt; das Dasein ist seine Gegenwart." (S.21)
- "Das Dasein rechnet und fragt nach dem Wieviel der Zeit, ist daher nie bei der Zeit in der Eigentlichkeit." (S.20) > Verlust der Zeit

- Vergangenes als Vorbei betrachten, dadurch in der GW verbleiben

- Dasein in der alltäglichen GW, im "Was"

- Frage nach dem "Wie-lange-noch" - Sorge um das Dasein (- S.19)

- keine Zeit haben: Zeit in die "schlechte Gegenwart des Alltags werfen"

- Zitate zur eigentlichen Zeit im Vorlaufen:

- Das Vorlaufen "ist das Zurückkommen des Daseins auf seine Alltäglich- keit, die es noch ist, so zwar, daß das Vorbei als eigentliches Wie auch die Alltäglichkeit in ihrem Wie aufdeckt, in ihrer Geschäftigkeit und ih- rem Betrieb in das Wie zurücknimmt. Alles Was und Sorgen und Pläne- machen bringt es in das Wie zurück." (S.18)
- "Nur das Wie ist wiederholbar. Vergangenheit - als eigentliche Ge- schichtlichkeit erfahren - ist alles andere denn das Vorbei. Sie ist etwas, worauf ich immer wieder zurückkommen kann." (S.25)
- "Im Vorlaufen ist das Dasein seine Zukunft, so zwar, daß es in diesem Zukünftigsein auf seine Vergangenheit und Gegenwart zurückkommt." (S.19) - Wiederholung im "Wie"
- "Im Zukünftigsein ist das Dasein seine Vergangenheit; es kommt darauf zurück im Wie." (S.25)

- Vergangenheit und Gegenwart erinnern (im "Wie"), Motivation am Gewesenen (durch erinnerndes Vergegenwärtigen), um seine Möglich- keiten zu erkennen - Vergangenheit ist eben nicht das Vorbei!

- Zeit gibt es nur, wenn ein Subjekt Vergangenes erinnernd und künftiges erwartend vergegenwärtigt. Sonst gäbe es nur Abläufe (aus endloser Zukunft in unwiederbringliche Vergangenheit), aber keine Zeit

- Das Dasein muß zu seiner Vergangenheit werden (im Zukünftigsein),

um das "Wie" zu erkennen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Ergebnisse:

Das Dasein eröffnet sich seine eigentliche Zeit im Vorlaufen zu seinem Vorbei. Vergangenheit und Gegenwart werden aus dieser Perspektive qualitativ im "Wie" betrachtet. Außerdem: das Dasein ist sich nach Hei- degger dessen jeweilige, eigene, eigentliche Zeit.

- FRAGEN:

1) Gäbe es einen Ersatz für das Besinnen auf den Tod (z.B. Meditation, Psychedelika oder Sport), um aus dem alltäglichen, quantitativen "Was" auszubrechen und das qualitative "Wie" zu erfahren?

2) Kann es auch ein gemeinsames "Man"-"Wie" geben?

Ende der Leseprobe aus 3 Seiten

Details

Titel
Der Begriff der Zeit
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Autor
Jahr
1999
Seiten
3
Katalognummer
V97547
ISBN (eBook)
9783638959995
Dateigröße
354 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Begriff, Zeit
Arbeit zitieren
Emil Franzinelli (Autor:in), 1999, Der Begriff der Zeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97547

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