Gliederung
1 Einleitung
2 Begriffsklärung
3 Kognitive Theorie
3.1 Automatisierung
3.2 Restrukturierung
3 Kognitive Theorie und Zweitspracherwerb
4 Lerntheorien
4.1 Theorie des entdeckenden Lernens
4.2 Theorie des sinnvollen, verbalen Lernens
5 Konsequenzen / Möglichkeiten
6 Literatur
1. Einleitung
Auf dem Gebiet der Lernpsychologie herrschte lange der Behaviourismus vor: er konzentriert sich auf die äußeren Bedingungen des Lernens, Kernbegriffe sind Reiz-Reaktions-Lernen und operantes Lernen. In der Methodik des Fremdsprachenunterrichts spiegelt sich diese Sichtweise besonders in der audiolingualen Methode wieder, die in ihren pattern-drills das Reiz-Reaktions-Lernen nutzt: stimulus - response, stimulus - response usw. Seit den 60-er Jahren spricht man in der Psychologie von einer ,,Kognitiven Wende", die Erklärungen des Behaviourismus erwiesen sich für viele Fragen der Lernpsychologie als unzureichend, und man wandte sich zunehmend der Kognitionsforschung zu. Im Laufe dieser ,,neuen" Forschung deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass der menschliche Kognitionsapparat ein in sich stark strukturiertes Gebilde ist, welches ein System kleiner unabhängiger, aber miteinander interagierender Subsysteme darstellt (Felix 1983). Weiterhin wird davon ausgegangen, dass ein jedes dieser Subsysteme auf bestimmte Aufgaben spezialisiert ist. So z.B. auch ein System, dass für den Spracherwerb zuständig sein soll und dessen Besitz den Menschen vom Tier unterscheidet. In dieser Arbeit möchte ich auf eine der Theorien, die sich mit Kognition und Spracherwerb befassen, eingehen: die Kognitive Theorie. Dabei werde ich mich hauptsächlich an den Text ,,Cognitive Theory" aus Barry McLaughlins ,,Theories of Second Language Aquisition" halten, mich jedoch gleichzeitig bemühen, es nicht zur reinen Übersetzung werden zu lassen.
2. Begriffsklärung
Bevor ich auf die Inhalte der Kognitiven Theorie eingehe, möchte ich den Begriff der Kognition klären, der bei dieser Theorie ganz offensichtlich den Mittelpunkt bildet. Der Begriff ,,Kognition" wird inzwischen vielfältig genutzt, und deshalb möchte ich die allgemeine Defintion aus der Kognitionspsychologie und mit dem Lernen verbundene Definitionen anbringen.
- Psychologischer Kognitionsbegriff
Unter Kognitionen versteht man jene Vorgänge, durch die ein Organismus Kenntnis von seiner Umwelt erlangt. Im menschlichen Bereich sind dies besonders: Wahrnehmung, Vorstellung, Denken, Urteilen, Sprache. Durch Kognition wird Wissen erworben. Kognitive Prozesse lassen sich von emotionalen (gefühlsmäßigen) und motivationalen (aktivierenden) unterscheiden.
- Kognitives Lernen
Kognitives Lernen ist Informationsaufnahme und -verarbeitung. Es ist ein Prozess, an dem die jeweilige Person bewusst beteiligt ist. Das Ergebnis dieser Art von Lernen sind Strukturen und nicht relativ isolierte Verbindungen zwischen Reiz und Reaktion oder zwischen Verhalten und Konsequenz.
- Kognitive Lerntheorien
Der lerntheoretische Kognitionsbegriff bezieht sich auf die Lerntheorien, die Lernen als Prozess des Auf- und Ausbaus kognitiver Strukturen verstehen. Der Lerner soll die spezifischen Merkmale der Lerngegenstände bewusst wahrnehmen und verstehen und so in aktiver Auseinandersetzung mit der Umwelt seine kognitiven Strukturen ausbilden.
(nach: Tönshoff, 1992 und Edelmann, 1996)
3. Kognitive Theorie
Die Kognitive Theorie basiert auf grundlegenden Annahmen aus Psychologie und Psycholinguistik, sie stellt also eine Ableitung allgemeinerer Regeln auf den Bereich des Zweitspracherwerbs dar. Der Zweitspracherwerb wird hier als der Erwerb einer komplexen kognitiven Fähigkeit angesehen. Um die Sprache zu erlernen, müssen viele Aspekte gelernt und bis zur fließenden Beherrschung geübt werden. Das setzt die Automatisierung der einzelnen Teilfertigkeiten voraus. Lernen wird als kognitiver Prozess betrachtet, da es innere Repräsentationen mit einbezieht, die die Ausführung regeln und leiten - beim Spracherwerb z.B. basieren die Repräsentationen auf dem jeweiligen Sprachsystem und beinhalten Schemata für die Auswahl passender Vokabeln, Grammatik usw. Mit dem Erlernen der Sprache findet eine permanente Restrukturierung der kognitiven Strukturen statt, da die Lerner vereinfachen, generalisieren, mehr und mehr Kontrolle über ihre inneren Repräsentationsmuster erlangen. Automatisierung und Restrukturierung stellen also die Kernpunkte der Kognitiven Theorie dar.
3.1 Automatisierung
Das Beherrschen einer Sprache erfordert das Beherrschen einer Vielzahl von Anforderungen. Informationen sozialer, perzeptiver und kognitiver Art müssen ausgewertet und koordiniert werden: der Lerner muss fähig sein, die beabsichtigte Aussage eindeutig und den jeweiligen kommunikativen Normen entsprechend zu formulieren. Dem Menschen steht dafür nur ein begrenzter Arbeitsspeicher zur Verfügung, die benötigten Fähigkeiten müssen also geübt und überlernt, also zur Routine werden.
Es wurde festgestellt (u.A.: Hasher and Zacks 1979, Posner and Snyder 1975, Schneider and Shiffrin 1977, entnommen aus McLaughlin), dass ein Prozess entweder eine ziemliche große Kapazität zum Ablaufen benötigt oder aber automatisch abläuft und dann wenig Kapazität benötigt. Außerdem kann ein Prozess, für den einmal eine große Kapazität benötigt wurde, durch Übung automatisiert werden, so dass er nur noch wenig Kapazität benötigt. Shiffrin und Schneider beschreiben das Gedächtnis als Ansammlung von ,,nodes" (auf Grund der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem Begriff ,,Schema" aus der Lernpsychologie werde ich im Folgenden diesen Begriff verwenden). Diese ,,nodes" bzw. diese Schemata sind durch Lernen untereinander vielfältig verknüpft. Jedes Schema ist eine Gruppe von Informationselementen. Ein Großteil der Schemata ist inaktiv bzw. passiv und befindet sich im Langzeitgedächtnis. Wenn durch einen äußeren Reiz einige der Schemata aktiviert werden, befinden sie sich im Kurzzeitgedächtnis und man kann sie nutzen.
Nach Shiffrin und Schneider kann man die Schemata durch automatische und kontrollierte Informationsverarbeitung aktivieren. Bei der automatischen Informationsverarbeitung handelt es sich um eine gelernte Reaktion, durch die immer bei bestimmten Reizen / Inputs bestimmte Schemata aktiviert werden. Die Reaktion wurde durch die über viele Male erfolgte Verbindung zwischen demselben Input und denselben Schemata erlernt. Wenn Reaktionen einmal automatisiert sind, erfolgen sie schnell und sind schwer zu verändern oder zu unterdrücken. Kontrollierte Informationsverarbeitung dagegen ist keine erlernte Reaktion, sondern eine temporäre Aktivierung von Schemata einer Art. Da diese Aktivierung unter bewusster Kontrolle des Subjekts abläuft und dessen Arbeitskapazität bekanntlich begrenzt ist, kann in der Regel nur eine Art von Schemata auf einmal ohne Beeinträchtigung kontrolliert werden. Kontrollierte Prozesse sind also in der Kapazität eng begrenzt und benötigen mehr Zeit für ihre Aktivierung und Durchführung. Sie haben allerdings den Vorteil, dass sie relativ einfach aufzubauen, zu verändern und an neue Situationen anzupassen sind. Außerdem bilden sie die Grundlage für weiteres Lernen, denn Fertigkeiten können nur dann automatisiert werden, wenn sie vorher durch kontrollierte Prozesse angewendet wurden. Ist eine Fertigkeit automatisiert, kann der Lerner die kontrollierten Prozesse auf andere, komplexere Fertigkeiten anwenden. Kontrollierte Prozesse bilden also die Leiter, auf der der Lerner immer weiter nach oben zu komplizierteren Anforderungen gelangt.
In dieser Sichtweise bilden komplexe Fertigkeiten hierarchische Strukturen, sie werden also aus Teilfertigkeiten und deren Komponenten gebildet. Um die komplexe Fertigkeit zu erreichen, müssen erst sämtliche Unterstufen ,,erklommen" werden, der Lerner muss also erst alle Teilfertigkeiten beherrschen, ehe er die daraus zusammengesetzte Fertigkeit lernen und anwenden kann. Diese ist dann vielleicht wiederum Teil einer noch komplexeren Fertigkeit usw.
3.2 Restrukturierung
Um auf die erlernten Schemata und Informationen zugreifen und mit ihnen arbeiten zu können, muss der Lerner diese organisieren und strukturieren. Wenn zu bereits vorhandenem Wissen (Vorwissen) durch Lernen neues Wissen addiert wird, verändern sich die inneren kognitiven Repräsentationen und werden restrukturiert. Dabei muss man die Restrukturierung von der bloßen Addition oder Abstimmung neuer Informationen unterscheiden. Durch Restrukturierung werden neue kognitive Strukturen hinzugefügt, die eine neue Sichtweise ermöglichen. Im Lernprozess ergänzen die Prozesse der Restrukturierung die der Automatisierung: der Erwerb kognitiver Fertigkeiten erfordert Festigung, Verfeinerung und Restrukturierung des Wissens.
4 Kognitive Theorie und Zweitspracherwerb
Da auch der Zweitspracherwerb einen Erwerb einer komplexen kognitiven Fähigkeit darstellt, ist auch er mit dem stufenweisen Erwerb und Integration von Teilfertigkeiten verbunden, bei dem anfangs kontrollierte Prozesse dominieren und nach und nach automatisiert werden. Daher finden in den Anfangsphasen eine langsame Entwicklung von Fertigkeiten und mit zunehmender Automatisierung einzelner Aspekte das Überwinden von Fehlern statt. In späteren Phasen tritt die Restrukturierung ein, wenn die Lerner ihre inneren Repräsentationsmodelle verschieben. (McLaughlin)
McLaughlin geht in seinem Beitrag auch auf genauere Untersuchungen zwischen Muttersprachlern und Nichtmuttersprachlern ein, da eine Wiedergabe jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, möchte ich nur kurz zusammenfassen. Grundlegend lässt sich aus den Vergleichen der Schluss ziehen, dass Nichtmuttersprachler über weniger automatisierte Fertigkeiten verfügen als Muttersprachler, und daher mehr Zeit zur Sprachproduktion und -verarbeitung benötigen bzw. bei festen Zeitvorgaben i.d.R. mehr Fehler machen. Diese Ergebnisse unterstützen die Kognitive Theorie.
5 Lerntheorien
Im Folgenden möchte ich zwei kurze Beispiele kognitivistisch orientierter Lerntheorien geben. Sie stammen nicht aus der Sprachforschung, sondern aus der Lernpsychologie, sind aber in ihren Grundannahmen durchaus auf den Zweitspracherwerb übertragbar.
5.1 Theorie des entdeckenden Lernens
Die Theorie des entdeckenden Lernens von Bruner soll den Lerner zum selbständigen Problemlösen befähigen. Das Lernen geht zunächst induktiv von dem einzelnen Phänomen aus und führt zum Aufbau grundlegender Begriffe und Zusammenhänge. Bei späteren Lernvorgängen können diese Begriffe dann deduktiv angewendet werden. Die sprachliche Vermittlung des Wissens steht hier oft im Hintergrund und wird durch die direkte Interaktion mit der Umwelt ersetzt, der Wissenserwerb hängt eng mit motivationalen Prozessen zusammen. Auf den Spracherwerb bezogen lässt sich diese Theorie am ehesten durch einen Aufenthalt im Zielsprachenland anwenden, bei dem jedoch ein Lehrer zur Erklärung unbekannter Vokabeln und Strukturen zugegen sein sollte, damit diese erfolgreich erworben werden können.
5.2 Theorie des sinnvollen, verbalen Lernens
Ausubel konzentriert sich in seiner Theorie auf den rezeptiven Erwerb von Wissen. Dieser sollte sinnvoll (also nicht wortwörtliches Einpauken) und zufallsfrei geschehen, d.h. der neue Lernstoff soll in das Vorwissen integriert werden, und zwar an die passende Stelle, nicht per Zufall. Die Wissensstruktur ist hierarchisch gegliedert. Um die Assimilation, also die Eingliederung des Wissens zu erleichtern, werden advance organizer verwendet, die relevantes Vorwissen aktivieren sollen. Wenn man also im Sprachunterricht z.B. ein geschichtliches Thema behandeln möchte, kann man den Lerner unterstützen, indem man vorher ein entsprechendes Video, Bilder o.Ä. ansieht, um bereits vorhandenes Wissen darüber (Fakten oder Vokabeln) zu aktivieren.
6 Konsequenzen / Möglichkeiten
Für den Fremdsprachenunterricht ergibt sich aus den Ansichten der Kognitiven Theorie die Erkenntnis, dass nicht nur die externen und internen situationellen Gegebenheiten (wie soziales Umfeld, Lernort, Befindlichkeit des Lerners) das Lernen beeinflussen, sondern eben auch die Vorraussetzungen des menschlichen Kognitionssystems eine Rolle beim Spracherwerb spielen. Eine Art, die Erkenntnisse der Kognitiven Theorie im Unterricht zu nutzen, sind sogenannte kognitivierende Verfahren. Darunter werden Lehrverfahren verstanden, die auf die Bewusstmachung der kognitiven Vorgänge beim Lernen zielen, um dadurch kognitives Lernen gezielt zu fördern (Tönshoff 1992). Mögliche Einsatzfelder wären: das Training von Lern- und Kommunikationsstrategien, Landeskunde als bewusste Auseinandersetzung mit der Zielsprachenkultur und nicht allein zum Spracherwerb oder die Unterrichtsmethodik, wobei der Lehrer den Lernern seine methodischen Entscheidungen transparent zu machen versucht und so ihre Einsicht in den eigenen Lernprozess fördert. Wichtig für den Unterricht ist auch die Einsicht, dass Fehler nichts Schlechtes oder zu Vermeidendes sind, da sie für die Sprachentwicklung des Lerners notwendig sind und einfach bestimmte Stadien der Entwicklung markieren. Alles in allem gibt es für diesen Zweig der Forschung bei der genauen Bestimmung des Aufbaus der Kognitiven Struktur und der Entwicklung eines ,,Lernplans" (was angesichts der hohen Individualität der Struktur von Mensch zu Mensch wohl utopisch ist) jedoch noch viele offene Fragen zu klären.
7 Literatur
- Edelmann, Walter (1996): Lernpsychologie. Weinheim: Psychologie Verlags Union · Fanselow, Gisbert und Felix, Sascha W. (1990): Sprachtheorie I Grundlagen und Zielsetzungen. Tübingen: Francke.
- Felix, Sascha W., Habel, Christopher und Rickeit, Gert (Hrsg.) (1994): Kognitive Linguistik. Opladen: Westdeutscher Verlag.
- Felix, Sascha W.: ,,Kognitive Grundlagen des Fremdsprachenerwerbs". In: Eppeneder, R. (1983): Thesen zum Erwerb einer Fremdsprache. München: Goethe Institut (107-145). · McLaughlin, Barry (1987): Theories of Second Language Learning. London: Edward Arnold.
- Schwarz, Monika (1992): Einführung in die Kognitive Linguistik. Tübingen: Francke.
- Sucharowski, Wolfgang (1996): Sprache und Kognition. Opladen: Westdeutscher Verlag. · Tönshoff, Wolfgang (1992): Kognitivierende Verfahren im Fremdsprachen-unterricht, Hamburg: Verlag Dr. Kovac.
- Arbeit zitieren
- Katharina Brentrop (Autor:in), 2000, Fremdsprachenerwerbstheorien: Kognitive Theorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97527
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