Anthropologie
Begriffserklärung:
Anthropologie, alt = Menschenlehre, eine Wissenschaft, welche die physische und geistige Natur des Menschen umfaßt. Medizin, Psychologie und Philosophie. Anthropologie, neu = die Wissenschaft vom Menschen bes. unter biologischem, philosophischem, pädagogischem und theologischem Aspekt. Sie umfaßt auch die Soziologie, Sozialpsychologie, Völker- und Volkskunde.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
zur phil. Richtung:
Während in der Antike und im Mittelalter die Frage nach dem Wesen des Menschen noch ganz in die Systeme der Metaphysik eingebaut war, vollzog sich in der Neuzeit bei Descartes und Kant eine radikale Wende zum Subjekt, zunächst zum transzendentalen Subjekt, das die Erkenntnistheorien des dt. Idealismus, später des Neukantianismus bestimmte, bei Feuerbach, Kierkegaard und Nietzsche dann zum leibhaften Subjekt oder zur konkreten >Existenz<, was sich in der Lebensphilosophie und der Existenzphilosophie fortsetzte.
Indem Kant die zentralen phil. Fragen >Was kann ich wissen?< und >Was soll ich tun?< in die grundlegende Frage >Was ist der Mensch?< münden ließ, formulierte er erstmals die Aufgabe einer phil. A., ohne sie freilich, ebenso wie der dt. Idealismus, eigens in Angriff zu nehmen. Erst Feuerbach vollzog die >anthropolog. Wende< im Gegensatz gegen Hegels Philosophie des absoluten Geistes, indem er an die Stelle der Theologie die A. setzte, worin ihm Marx folgte. Kierkegaard radikalisierte hinsichtlich der einzelnen Existenz. Nietzsche thematisierte das leibhafte Leben und Erleben und erkannte ihm einen Primat vor dem rein intellektuellen Geist zu.
Über die Anthropologie heute und früher
Heute denkt man an die phil. Betrachtung des M. und seiner Sonderstellung in der Natur. Doch die Anfänge liegen in der Renaissance. Die Spätaufklärung untersuchte auf der Basis von Selbstbeobachtung und gesammelten Fallgeschichten, wie Geist und Körper miteinander zusammenhängen.
Die erste und berühmteste Monographie ist Ernst Platners Anthropologie f ü r Ä rzte und Weltweise (1772). Literarische Werke, die sich mit dem Thema A. beschäftigten, waren Goethes Werther ebenso wie Schillers R ä uber.
Edgar Morin: Das Rätsel des Humanen
Im 18. Jahrhundert (1789) brach die Ansicht über den guten Menschen zusammen à der Mensch als Bestie.
Der menschl. Antlitz hat viele Gesichter. Er besitzt eine unglaubliche Vielfalt mit vielen Gegensätzen.
Ode Marquard: Der Mensch und die Wissenschaft vom Menschen:
- Tiere sind an ihre Umwelt perfekt angepaßt und der Mensch hat eine physische Mängelverfassung, die er kompensieren muß. Er steht am Rande des Lebend. Der M. ist physisch gesehen ausgeglichen, kompensierend, neutral.
Kompensieren durch: Technik, Expressivität (Kultur) und Transzendenzen (Metaphysik)
Möglichkeiten, wie der Mensch gesehen wird:
- der Mensch als Geschöpf Gottes, ja sogar als Ebenbild Gottes (christlich)
- in der griechischen Mythologie sind die Menschen Geschöpfe von Prometheus (als eine Art Herausforderung an die Götter)
- der Mensch als Vernunftswesen, insofern Krone des Seins (➨ Aufklärung)
- der Mensch als emotionales Wesen (➨ Romantik)
- der Mensch als bedingtes, d.h. unter Einflüssen von außenstehenden Wesen, z.B. gesellschaftliche bedingtes, anlagemäßiges, als Teil der Evolution
- Determinismustheorie, Marxismus, Naturalismus
- der Mensch als Ansammlung untergründiger, unbewußter Triebe und Komplexe (➨ Freud)
- der Mensch (fast durchgehend) als Mängelwesen, das um zu überleben, diese Mängel kompensieren muß - der Mensch nur als Genträger
Erich Fromm
*1900 Ffm emigrierte in die USA
- Vertreter der Neopsychoanalyse
- tiefenpsychologies System, das neben den biologischen Antrieben besonders die kulturellen und sozialen Komponenten als Konflikt- und Neurosestoffe betont
Werke: Humanistisches Credo (Jenseits der Illusionen), in dem Fromm glaubt, dass der Mensch Teil der Natur ist und sie trotzdem transzendiert (über einen Bereich hinausgehen), weil er mit Vernunft und dem Bewußtsein seiner selbst begabt ist.
Das Freudsche Haus
Nach der Persönlichkeitstheorie von Freud ist der Mensch ein triebhaftes Wesen mit 2 Grundtrieben: Lebenstrieb und Todestrieb.
„Der Mensch soll arbeiten und lieben können!“, das sei Gesundheit.
Berühmte Formel: “Wo Es war, soll Ich werden“. Der Kulturmensch müsse versuchen, sich seiner Triebe und Antriebe bewußt zu werden, um auch Verantwortung für sie übernehmen zu können. Freud will den Menschen erwachen, reif und mündig sehen. Neurosen bedeuten für ihn ein Stehenbleiben vor dem Zustand der Reife. Nur unter diesem Aspekt versteht man die Forderung, dass der Mensch auf des Lustprinzip des Kindes verzichtet und an dessen Platz des Realitätsprinzip des Erwachsenen setzen soll.
Instanzenmodell:
Über-Ich
- Autoritäten, Traditionen, Institutionen (Eltern, Schule, Religion, Sitten), Ideale und Gewissen, Moralitätsprinzip. Es erzeugt Schuldgefühle und Angst vor Strafe bei Übertretung.
Ich
ÄZiel: Es soll die Wünsche des Es mit den Forderungen des Über-Ich koordinieren und dabei im Einklang mit der Realität stehen. Realitätsprinzip. Das Ich ist der logisch-rationale Teil der Persönlichkeit, der handeln muß.
Gegenspieler Es
-sexuelle und aggressive Treibe, Lustprinzip. Hier gibt es keine Hemmung, keinen Verstand, keine Logik und keine Moral.
Ich-Stärke ist, wenn es dem Ich gelingt einen Ausgleich zwischen Über-Ich und Es zu schaffen.
Ich-Schwäche führt zur Neurose.
Weitere Zuordnungen: oraler, analer und ödipal-phallischer Typus
Nicolai Hartmann
*1882 Riga +1950
Professor in Marburg, Berlin und Göttingen
- beeinflußt einerseits durch den Neukantianismus, sowie durch die Phänomenologie Edmund Husserls
Personalität
Wie muß die Person konkret bestimmt werden? Die Person...
- lebt in eine Ich-Du-Beziehung. Ein einsames Ich kann nicht Person sein.
- nimmt nur Teilaspekte von sich wahr und zwar mehr emotional als rational
- lebt in einer Leib-Seele-Einheit
- existiert immer in Situationen. Sie gerät in immer neue Konstellationen hinein, die von ihr Entscheidung und Stellungnahme erfordern.
- ist im Kern ein emotionales Geschehen
- ist weltbezogen und hat teil an dem Weltganzen
- hat ein Gewissen
- ist nicht in der Gegenwart eingeschlossen, sondern sieht voraus in die Zukunft
- braucht, um sich zu entfalten geistige Werte: Kunst, Wissenschaft, Philosophie, Technik, Politik... ⇓ Erst mit dem Tod ist das Wachstum der Person abgeschlossen
Die 2. Geburt
Nach der biologischen Geburt wächst man in der 2. Gebärmutter, der Familie, auf. Wenn die Lösung stattfindet und man anfängt sich selbst zu finden, erlebt man die 2. -Geburt, die auch wie die erste ein schmerzvoller Prozeß sein kann.
Wege zum Frieden mit der Natur
antropozentrisches Weltbild: Auslöser Descartes → Mensch im Mittelpunkt; man sieht alles nur vom Menschen aus, so dass die Mitwelt zur bloßen Umwelt des Menschen schrumpft.
Der Mensch ist zur Biomasse, zum Rohstoff geworden. Erst hat sich der M. vom Tier zum Menschen entwickelt und dann wird sich bald das Individuum vom Kollektiv verabschieden. Der M. beginnt, sich selbst aus der Biomasse neu zu formen. → das Individuum wird aufgegeben. Der M wird zum Projekt, er wird als Rohstoff betrachtet, als Hautsack, gefüllt mit Genmaterial.
Die literarische Welt, Interview mit Francis Fukuyama: Das Projekt Mensch
Die Technologie könnte demnächst die Herrschaft über die Menschen gewinnen. Eine beunruhigende Frage ist, ob die Zukunft uns braucht. Die physische Bedrohung durch biologische und Computerviren und reproduzierende Roboter, müssen wir sehr ernst nehmen. Genauso ernst müssen wir auch die Herausforderung auf psychischer Ebene nehmen, die durch die Biotechnologie entstehen wird. Wieso geben wir nicht einfach die bedrohlichen Technologien auf? Weil es äußerst schwer ist, auf die Wissenschaft zu verzichten. Unter Wissenschaftlern herrscht die generelle Überzeugung, die bis auf Francis Bacon zurückgeht, dass der wissenschaftliche Fortschritt für die ganze Menschheit von Vorteil ist.
- Die Biotechnologie bedroht die Würde der Individualität und die Freiheit des Menschen.
- Die Politik wird sich völlig verändern, weil sie bislang auf eine Chancengleichheit ausgelegt war. Jeder mußte mit die ihm mitgegebenen biologischen Karten spielen.
- Arbeit zitieren
- Tina Marusic (Autor:in), 2000, Die Anthropologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97157
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