Inhaltsverzeichnis
I.) Erik Satie - zur Biographie
II.) Neogregorianik: „Ogives“ (1886)
a.) Neogregorianik
b.) „Quattre Ogives“
III.) „Trois Sarabandes“ (1887)
IV.) Neogrec: „Gymnopédies“ (1888)
a.)Neogrec
b.)„Gymnopédies“ (1888)
V.) Fazit
VI.) Literatur:
Vorwort
Als Erik Satie seine unzufriedenstellende musikalische Ausbildung am „Conservatoire de musique“ Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts abschloss, existierten gerade zwei modische Strömungen in den Künsten: Neogregorianik als Wiederaufnahme mittelalterlicher Ästhetik, und Neogrec, eine philhellenische und am Exotismus interessierte Richtung. In beiden machte der junge Komponist erste Schritte, während er gleichzeitig am Cabaret „Chat Noir“ in Montmartre als Pianist sein Geld verdiente. Auch aus dieser Welt, der Welt des Kabarett und der Künstler im Paris um die Jahrhundertwende kamen Einflüsse in seine Werke.
Völlig ungeachtet der üblichen Vorgehensweise war Satie ein Komponist, der weder eine Linie des neunzehnten Jahrhunderts fortführte, noch in eine der gängigen Schulen passte, oder wie Wilfried Mellers von ihm sagt, „dass er es ablehnte, seine Haltung im geringsten zu verfälschen oder zu entstellen - in einem Zeitalter, da die Versuchungen zu emotionaler Unaufrichtigkeit vielleicht stärker sind denn je zuvor“ (MELLERS 1980).
Die vorliegende Arbeit versucht zu zeigen, woher die beiden Hauptstilrichtungen kamen, was sie sich in groben Zügen zugrunde gelegt hatten und wie sich Erik Satie damit in seinen Kompositionen auseinandergesetzt hat, die heute seine bekanntesten geworden sind.
Köln, im Februar 2000
I.) Erik Satie - zur Biographie
Erik Satie wurde am 17. Mai 1866 im Département Calvados in Honfleur geboren. Als heute wohl berühmtester Sohn dieses zehntausend Einwohner zählenden Dorfes war auch er mit jenem „pince-sans-rire“ genannten trockenen Humor dieser Normannen ausgestattet1.
Satie war ungeachtet seiner schottischen Mutter sein ganzes Leben lang stolz auf seine normannische Herkunft und ließ deshalb die Schreibweise seines Vornamens in die skandinavische Form mit „k“ ändern.2
Die Kindheit Erik Saties müssen wir uns als heiter und unbeschwert vorstellen, eine besondere Rolle kommt darin dem geliebten Onkel Adrien zu, genannt „Onkel Seabird“3. Dieses kauzige und skurrile Mitglied der Familie Satie wurde nicht nur der engste Vertraute des jungen Erik, sondern legte auch die Grundsteine für zwei später wichtige Grundzüge in Saties Lebenseinstellung: die Liebe zum Surrealismus (die einem in Saties hintergründigen Spielanweisungen begegnet) und zum Komödianten- und Schaustellerwesen (wie es etwa in „Parade“ zum tragen kommt)4.
Die grundlegende Prägung auf musikalischer Seite dürfte Erik Satie wohl kaum durch die zweite Frau seines Vaters, eine Klavierlehrerin, erfahren haben, die er nicht mochte. Vielmehr vermittelte ihm sein erster Klavierlehrer in Honfleur, M. Vinot (von dem im Zusammenhang mit der „Neogregorianik“ und der „École Niedermeyer“ später noch die Rede sein wird) die ersten Schritte. Der Organist der Kirche Saint Léonard unterrichtete als Kirchenmusiker Grundlagen des Gregorianischen Chorals, wie er in der katholischen Messe verwendet wurde, spielte jedoch bei Konzerten des Philharmonischen Orchesters von Honfleur als Pianist eigene kleine Werke wie etwa „Valses brillantes“5.
Damit brachte er ihm genau jene Mischung nahe, die besonders für die Frühwerke, teilweise sogar noch für spätere Kompositionen entscheidend sein wird: Unterhaltungsmusik und Musik des Mittelalters in wertneutralem Nebeneinander. Interessant sind diese biographischen Details vor allem für die hier betrachteten Stücke der Periode von 1886 - 1891.
Mit dreizehn Jahren tritt Satie ins Pariser „Conservatoire de musique“ ein, das er bereits mit sechzehn Jahren unfreiwillig wieder verlassen muss: er schaffte es nicht, sich in der vorgeschriebenen Zeit für die Bewerbung um den hausinternen Klavierpreis zu qualifizieren6. Also schrieb er sich zunächst als Gasthörer ein und schaffte zwei Jahre später die Klavieraufnahmeprüfung. Quasi als Abrechnung mit der Stupidität des konservatorischen Drills7 schrieb er 1893 das Stück „Vexations“ (Quälereien), worin eine statische Basslinie abwechselnd solo und harmonisch ausgesetzt zu spielen ist, je einmal in enger und weiter Lage. Das vierzeilige Stück ist laut Spielanweisung achthundertvierzigmal zu wiederholen. Unter Berücksichtigung der Tempoangabe „Trés lent“ erreichte John Cage bei der ersten kompletten Uraufführung 1963 eine Dauer von 19 Stunden8. Das Stück ist seiner Form nach sicherlich als krasse Satire auf die Praxis des Harmonielehreunterrichts am Conservatoire zu verstehen.
In der Klavierklasse blieb er nur ein Jahr, verließ dann das ihm verhasste Conservatoire und ging daraufhin zunächst zum Militär, um den quälenden Lektionen zu entfliehen. Doch bald hält er es auch dort nicht mehr aus, so dass er sich eine Nacht mit bloßem Oberkörper in die Kälte stellt, sich eine Bronchitis zuzieht und auf Genesungsurlaub heimgesandt wird9.
Aus diesem kehrt der als nicht mehr diensttauglich Eingestufte nach Paris zurück und zieht mit seinem Freund Contamine de Latour nach Montmartre. Im Künstlerviertel beginnt seine zweite Karriere als Künstler, hier entstehen die Kompositionen, die Gegenstand vorliegender Arbeit sind. Seine musikalisch-technische Kompetenz scheint zu dieser Zeit aber nicht sehr fundiert gewesen zu sein, wenn wir seinem Freund glauben dürfen: „[...] er bastelte sich eine persönliche Kunst. Seine musikalische Ausbildung war sehr unvollständig, so raffte er die Elemente, die er beherrschte, zusammen und machte sich daraus ein besonderes Rezept, erklärte den Rest für nicht existent und sogar schädlich für eine gute musikalische Schreibweise. Er war in der Situation eines Menschen, der nur dreizehn Buchstaben des Alphabetes kennt und beschließt, mit nur diesem Material neue Literatur zu schaffen, als vielmehr sein mangelndes Können zuzugeben.10 “
Erik Satie scheint lange Zeit unter dem Makel der unzureichenden Ausbildung gelitten zu haben; später kommentierte er sie lediglich auf gewohnt trockene Weise: „Jeder wird Ihnen sagen, dass ich kein Musiker sei. Das stimmt.“11
II.) Neogregorianik: „Ogives“ (1886)
a.) Neogregorianik
12 Seit Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in Literatur, Baukunst und Musik eine schwärmerische Strömung, die aus Gegenwartsflucht und Verklärung dasjenige als Objekt ihrer Bewunderung und als Maßstab ihrer Ästhetik einsetzte, was sie für das historische Mittelalter hielt. Vielmehr handelte es sich um einen stark vom Zeitgeschmack eingefärbten Abdruck des Mittelalters.
Ein schönes Beispiel dafür stellt Victor Hugos berühmter Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ dar: darin finden sich ausgedehnte Schilderungen des mittelalterlichen Stadttreibens, des Volkes und der Gebäude (vor allem der gotischen Kathedrale, die selbst fast als eine Art Hauptfigur erscheint) - und dennoch bleibt die Bedeutung dieser Schilderungen rein die der Staffage, der historischen Folie für die menschlichen Dramen auf ihrer Oberfläche. Atmosphäre zählt hier mehr als wissenschaftliche Genauigkeit.
Diese Genauigkeit findet sich in einer parallelen zweiten Bewegung. Sie erforscht auf philologischer Grundlage einerseits die Literatur des Mittelalters, was sich in der Neuherausgabe verschiedener Chansonnesde-gestes und des „Rolandsliedes“ (1837) ausdrückt.
Doch auch die Architektur entdeckt mit Interesse die vergangene Epoche, wodurch eine Baustilrichtung entsteht: die Neugotik. Besonders imposantes Beispiel hierfür sind die Houses of Parliament (1836) in London.
In Deutschland fällt die Remotivierung des Mittelalters auf fruchtbaren, wenngleich zunächst eher schwärmerischen Boden. Hier hält bereits 1746 Johann Jacob Bodmer die berühmte „Manessische Liederhandschrift“ in Händen, wie zwei Generationen nach ihm Ludwig Tieck, und es wird das Wörterbuch der Gebrüder Grimm zur Grundlage der sprachgeschichtlichen Forschung. Und so führt 1773 Johann Wolfgang von Goethes Aufsatz „Von deutscher Baukunst“ durch die These, die Gotik habe ihre Wurzeln in Deutschland, zu jener national- architektonischen Begeisterung, der der Kölner Dom seine Fertigstellung verdankt.
Im katholischen Frankreich wurde die Beziehung zum Mittelalter in der Musik nie so gekappt wie in Bildender Kunst und Literatur, wo Klassizismus in der Architektur und die Latinisierung der Sprache den historisch interessierten Blick eher auf Rom lenkten, denn auf die Zeit danach. In der Architektur wurden die neugewonnenen Kenntnisse vor allem eingesetzt, um den reichen Schatz an gotischen Kathedralen und Schlössern dem Verfall zu entreißen und fachgerecht zu restaurieren.
Der berühmteste Restaurator mittelalterlicher Bauwerke, Eugène Emanuelle Viollet-le-Duc, verfasste Schriften über seine Arbeiten, die Erik Satie studierte13, wie das „Dictionnaire raisonné de l’architecture Francaise du XIVe siècle“. Darin findet sich unter dem Stichwort „Ogive“ (Spitzbogen) eine genaue Erläuterung einschließlich einer architektonischen Zeichnung. Zweifelsohne angeregt durch diese Studien komponiert Satie 1886 seine „Quattre Ogives“. Diese Musik schöpft, wie gleich zu zeigen sein wird, aus dem Geist des Mittelalters, ohne es lediglich zu kopieren. Parallel zur „Neogotik“ in der Architektur kann man bei dieser ganzen Bestrebung von „Neogregorianik“ in der Musik sprechen.14
Satie war nun sicherlich nicht der einzige Komponist seiner Zeit, der sich in Stil und Oeuvre mit mittelalterlicher Musik auseinander setzte. Sicherlich war er jedoch der einzige, der es auf so unromantische, präzise Art tat, wie vergleichsweise Viollet-le-Duc in der Architektur. Grete Wehmeyer zeigt sogar auf, dass die Verwendung der außerharmonischen Parallelakkordik, der wir in den Ogives begegnen, ihm als erstem zuzuschreiben ist, statt wie gewöhnlich Claude Debussy.15
Den französischen Messebesuchern (wie Satie) war der gregorianische Gesang in veränderter Form geläufig und im 19. Jahrhundert entstand sogar der Wunsch, die kirchliche Musizierpraxis auf ihre originalen mittelalterlichen Quellen zurückzuführen. So wurde seit dem Ende des 18. Jahrhunderts versucht, den liturgischen gregorianischen Choral in seiner Urform zu rekonstruieren. Besonders hervorgetan hat sich hier das Kloster Solesmes, das beispielsweise Debussy besuchte. Bei Satie gibt es dafür allerdings keine Belege. Doch lässt sich über den bereits eingangs zur Sprache gekommene erste Klavierlehrer Saties, M. Vinot, eine direkte Verbindung zur neogregorianischen Bewegung herleiten.
M. Vinot war ein Schüler der „École Niedermeyer“. Diese von Louis Niedermeyer 1853 eröffnete Schule war das Nachfolgeinstitut der berühmten „École royale de musique classique et religieuse“, die sich durch ihren Gründer und Leiter, Alexandre Etienne Choron, besonders der Rückbesinnung auf die Musik des Gregorianischen Chorals verschrieben hatte. Von dieser Seite dürfte Erik Satie die Grundlagen und den hauptsächlichen Anstoß zur Beschäftigung mit der Musik des Mittelalters erfahren haben.16
b.) „Quattre Ogives“ (1886)
Im Folgenden soll gezeigt werden, wie die „Neogregorianik“ Niederschlag im Schaffen Erik Saties gefunden hat. Wie Grete Wehmeyer feststellt ist das Überraschende, „das keiner der herkömmlichen Parameter mehr den Satz beherrscht, weder die Rhythmik, die Melodik, die Harmonik, noch der formale Ablauf dominieren. Sie behalten nicht einmal ihre Eigenkraft, sondern verbinden sich - indifferent, statisch und unexpressiv - zu einem Klangband, das ein akustisches Klima schafft, das die Szene musikalisch möbliert, musique d ’ ameublement ist, wie Satie das später nennt.“17
Die Untersuchung der „Quattre Ogives“ von 1886, wobei hier die Betrachtung allein des ersten (siehe Notenanhang) als paradigmatisch für alle vier gelten kann, zeigt auf den ersten Blick sogleich die Besonderheit im Stil, die Satie von allen Musikern seiner Zeit trennt: sie sind (ganz im Sinne des Mittelalters) Zustandsmusik ohne Entwicklung oder Expressivität.
Satie hat offensichtlich Musik des Mittelalters studiert. Schon das Notenbild, dem wie in Kompositionen vor 1600 jegliche Taktstriche fehlen, schafft hier Stücke ohne metrische Betonungen.
Die Form ist eindeutig die der Reihung.18 Satie baut alle vier Stücke völlig parallel auf: immer in vier Abschnitte untergliedert und in ABCB- Gestalt. Entsprechend einem perotinischen Parallelorganum der NotreDame-Epoche lässt er eine Melodie unisono in Oktavparallelen im Piano vortragen. Der nächste Abschnitt zeigt dieselbe unveränderte Melodie im Fortissimo im vollstimmigen Satz weiter Lage. Abschnitt C bringt sie wieder mehrstimmig im Pianissimo und in enger Lage. Abschließend folgt eine Wiederholung des Fortissimo -Teiles.
Demnach haben die Abschnitte untereinander den Bezug der reinen Variation im Satz, ohne eine Expressivität durch thematische Arbeit oder Veränderung anzusteuern. Bei den mehrstimmigen Stellen handelt es sich um die unter II a.) beschriebene Parallelakkordik.
In den Intervallen der Melodik hält sich Satie erstaunlich eng an die Vorgaben der mittelalterlichen Modustheorie. Er verwendet nur die „sangbaren“ Schritte der Sekunde, von wenigen Terzen und Quarten unterbrochen. Sowohl der Ambitus d-d’ mit lediglich einem (erlaubten) überzähligen e’, als auch der Modus (mit Finalis d’ und Binnenphrasenende a) sind eingehalten.
Die Rhythmik setzt sich aus gleichförmigen Achteln, Vierteln und Halben zusammen, was den Eindruck des Zustandes, der Statik noch unterstreicht.
Die Harmonik ist aber nichts desto trotz hochmodern und unterläuft die Dur-Moll-Tonalität auf dem Umweg über kirchentonartliche Verwandtschaften. Satie kopiert also nicht lediglich, sondern überträgt den Geist des Mittelalters in die neuzeitige Tonsprache.
Satie hat also mit seinen „Quattre Ogives“ bereits einen großen Schritt hin zu seinen späteren Stilvorstellungen gemacht, der ihn deutlich von seinen Zeitgenossen absetzt. Oder, wie Grete Wehmeyer sagt: „Satie nahm das Vorbild der mittelalterlichen Musik so ernst, dass er nicht nur den Wechsel von Einstimmigkeit und paralleler Mehrstimmigkeit nachahmte, sondern auch von der rationalen Metrik der westeuropäischen Musik des 19. Jahrhunderts abging [...]. Damit assoziierte er [...] die Musik vor der Notre-Dame-Schule. Durch diesen Rückgriff hat er zwischen 1886 und 1895 schon die europäische Musik aus der Zwangsjacke der rationalen Metren befreit. Diesen Schritt taten Schönberg, Stravinsky oder Bartók [...] erst 15 Jahre später.“19
III.) „Trois Sarabandes“ (1887)
Die Uraufführung der zweiten „Sarabande“ durch Maurice Ravel am 16.01.1911, führte zu einem Wendepunkt in Erik Saties Karriere, also doch relativ spät in seinem Leben. Auf einen Schlag erfuhren seine antikontrapunktischen Frühwerke einen allgemeinen Beliebtheitsaufschwung, so dass sich auch Debussy beeilte, eine eigene Orchestration von Saties dritter „Gymnopédie“ aufzuführen.
Ironie des Schicksals, dass Satie gerade 1908 sein privates Kontrapunktdiplom bei Vincent d’Indy absolviert hatte, mit dem er nachträglich die Legitimation als „ordentlicher Komponist“ erreichen wollte20. Als Ergebnis dieses Umschwunges im Ansehen entstehen seine humoristischen Stücke für Klavier von 1912-1915.
Die drei „Sarabandes“ von 1887 sind in dreierlei Weise ein wichtiger Angelpunkt in Saties hier betrachteter früher Werkgruppe. Zum einen zeigt sich hier bereits die später für alle Werke Saties grundlegende Kompositionsweise, das „Baukastenprinzip“, das im Folgenden noch näher erklärt wird. Desweiteren sind sie die erste einer Reihe von Veröffentlichungen in Dreiergruppen. Satie sagte dazu, dass eine von ihm neu aufgegriffene Form ihre Gültigkeit darin zeigen musste, dass er mehrere Stücke davon komponierte: gefielen sie ihm, hatte die Form Bestand.21 Außerdem sind die „Sarabandes“ die einzigen Stücke, zu denen mehrere (Druck-)Fassungen überliefert sind, deren Entstehungsgeschichte wir also recht klar nachvollziehen können.
An Gemeinsamkeiten mit der alten Form der Sarabande, einem spanischen Schreittanz aus dem 17. Jahrhundert, der vor allem in der Blütezeit der Suite zu Ehren kam, finden wir zunächst das in allen drei Stücken zugrunde liegende Dreiermetrum (¾-Takt). Ebenso zeigt sich die häufig noch durchschimmernde synkopierte Betonung auf zweiter Zählzeit (die ja den besonderen Schreitcharakter der Sarabande ausmacht). Aus den überlieferten Frühfassungen wissen wir, dass Satie die „Sarabandes“ zunächst auch in der strengen, für die Sarabande üblichen AA’BB’-Form, also zwei jeweils wiederholten Abschnitten mit Dominantschluss des ersten Teiles, angelegt hatte. Erst in letzter Überarbeitung erweiterte er den B’-Teil und verwischte dadurch die klare Zweiergliederung.
Stellvertretend sei an dieser Stelle die erste der drei „Sarabandes“ betrachtet (siehe Notenanhang). Die Form zeigt wieder Reihungscharakter, hier jedoch ausgearbeitet zu Saties „Baukastenmethode“. Satie arbeitete ab jener Zeit so, dass er sich Ausschnitte, Glieder und musikalische Gedanken in Skizzenbücher notierte. Ganze Kompositionen entstanden daraus, indem Satie diese Elemente aneinander reihte und kombinierte, beliebig wiederholend und ohne zwingende Logik22. Das heißt andererseits, dass Satie hier wieder die Entwicklung im herkömmlichen „Sonatensinn“ unterwandert und konterkariert.
Gezeigt sei dies am Beispiel der Abänderungen der ursprünglichen Fassung der ersten „Sarabande“ von 116 Takten, einer „Sarabande vive“, zur ihrer heutigen Fassung von 104 Takten. Zunächst hatte Satie einen A-Teil (T. 1 - 21), der unverändert wiederholt wurde (T. 22 - 42). Darauf folgte der B-Teil (T. 43 - 79), der ebenfalls komplett wiederholt wurde (T. 80 - 116). Hier ging Satie noch mit der Praxis zweiteiliger Stücke der Zeit Couperins oder Rameaus konform.
Die Änderungen sehen nun so aus: Nachdem der A-Teil unvariiert wiederholt wurde, folgt der B-Teil, jedoch mit einer neuen Überleitung (T. 78 - 79). Im B’-Teil folgen einem regulär aus B wiederholten Teil (T. 80 - 83, entsprechend T. 43 - 46):
- zwei Takte reine As-Dur-Akkorde (T. 84 - 85)
- ein weiteres Mal die Überleitung (T. 86 - 87, wie T. 78 - 79)
- ein Wiederholungsteil aus B (T. 88 - 91, wie T. 59 - 62)
- abermals die As-Dur-Fläche (T. 92 - 93)
- und dann von Takt 94 - 104 in Variation zu T. 69 - 77 der Teil, der in der ersten Fassung auch den Schluss darstellte (dort T. 106 - 116).23
Man kann gerade an diesem Stück sehr gut erkennen, wo Satie bereits aufgegriffene Teile nur durch eine Viertelpause getrennt unverändert einfügt oder auch ganze Abschnitte kombiniert - eben wie mit Teilen eines Baukastens. Ein weiteres Beispiel dafür könnte das „Repetitionsmotiv“ sein (zum ersten Mal allein in T. 11), das in den ersten einundzwanzig Takten allein viermal auftaucht: zweimal als markanter Ausklang einer Phrase (T. 8 und 20), zweimal mit weitem Sprung nach oben (T. 11 und 16). Satie liebte anscheinend solche gliedernden Einschübe, die manchmal auch die Funktion von musikalischen Gelenken haben (vgl. T. 78/ 79)24. Das Motiv aus Takt 11 erscheint völlig unvermutet, im Fortissimo gegen die Piano- Umgebung abgesetzt.
Wie wir gesehen haben, hat die Komposition der drei „Sarabandes“ von 1887 eine wichtige Funktion für Saties Weg zu seinem Stil der „unentwickelten“ - der Zustandsmusik.
IV.) Neogrec: „Gymnopédies“ (1888)
a.) Neogrec
Bereits unter Napoleon III entwickelte sich in Frankreich ein Architekturstil, das Neogrec, das griechische und orientalische Elemente aufnahm. Ausgelöst war dieser Baustil durch ein gesteigertes Interesse gegenüber dem klassischen Griechenland, nachdem sich 1770 die Griechen gegen die türkischen Besatzer erstmals erhoben hatten. Eine Welle von Philhellenismus und Sympathie lenkte den Blick nun auf das Land und seine für Europa bedeutsame Geschichte und verdrängte damit Rom als Vorbild.
In Deutschland fand der Durchbruch der philhellenischen Gesinnung mit den beiden Veröffentlichungen J. J. Winckelmanns „Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und der Bildhauerkunst“ (1755) und „Geschichte der Kunst des Altertums“ (1764) statt, in Frankreich kam er etwas später.
Aber auch beim Neogrec haben wir es, ähnlich wie bei der Neogotik, mit einer eher assoziativen, staffagenartigen Stilrichtung zu tun; das Griechische bekommt hier auch den Stellenwert des Exotischen.
Ein Bild davon machen kann man sich an dieser Stelle mit einem Auszug eines Gedichtes der 1821 veröffentlichten „Lieder der Griechen“ von Wilhelm Müller, in dem auf Lord Byrons Beteiligung an den griechischen Freiheitskämpfen angespielt wird. Dem Textdichter der „Schönen Müllerin“ und der „Winterreise“ Schuberts, diese Lieder sogar den bei Zeitgenossen weit bekannten Beinamen „Griechenmüller“ ein:
„Die Ruinen von Athen an England
Laß dir unsern Dank gefallen, Hort der Freiheit, Engeland!
Hast zum Herrn der hohen Pforte einen edeln Lord gesandt,
Daß er sich für uns verwende; und er that es ritterlich!
Griechen, hört, was er errungen hat mit scharfem Federstrich!
Wenn der jungen Freiheit Blume wird getreten in den Staub,
Wenn die heil’ge Stadt Athenes wird des rohen Heiden Raub,
Dann, auch dann - begreift es, Griechen - sollen wir doch unversehrt
Stehn, beschirmt im Sturm der Waffen durch des wilden Feindes Schwert.
Laß dir unsern Dank gefallen, Hort der Freiheit Engeland!“
Man sieht schon an diesen wenigen Zeilen, woran sich die Begeisterung Wilhelm Müllers zweiunddreißig Jahre nach der Französischen Revolution entzündete: die Griechen wurden zur Metapher für die unterdrückten Freiheitlichen im eigenen, restaurativ eingestellten Land.
Doch zurück zur Musik. In Frankreich war es Louis Albert Bourgault-Ducoudray, der durch seine Orient- und Griechenlandreise von 1874 das alte Hellas auch musikalisch wieder zugänglich machte. Er übersetzte alte Aufsätze über Tonsysteme, wie die byzantinische Theorie, ins Französische und übertrug alte Tonarten mit ihren Intervallzusammensetzungen in die heutige Notenschrift. Ob Satie die Schriften Bourgault-Ducoudrays studiert hatte ist unbekannt, aber sehr wahrscheinlich, denn die darin vorkommende „griechisch-chromatische Tonleiter“:
taucht sehr gehäuft in Saties Skizzenbüchern auf und wurde auch oft von ihm verwendet. Dass er sie quasi „selbst gefunden“ hat, ist auch nicht anzunehmen. Ziemlich sicher ist jedoch, dass sich Satie seine Neogrec-Anregungen nicht auf der Pariser Weltausstellung geholt hat, wie beispielsweise Debussy seine javanischen Inspirationen.25
b.)„Gymnopédies“ (1888)
Der Titel „Gymnopédies“ leitet sich zunächst einmal von gr. „gymnos“ (nackt) und gr. „paidion“ (Kind, Junge) ab. Gymnopädien war ein jährlich wiederkehrendes Fest der Spartaner, auf dem von nackten Jugendlichen entsprechende Tänze gleichen Namens aufgeführt wurden.
Man bezweifelt jedoch, wie Grete Wehmeyer richtig bemerkt, dass ein so humoriger Mensch wie Erik Satie seine Anregung zu diesem Titel den spartanischen Feierlichkeiten verdankt, wenn man die Erzählung Contamine de Latours kennt: „Wir waren von einem bezaubernden, inzwischen verstorbenen Humoristen ins Chat Noir eingeführt worden: Vital-Hoquet, der mit dem Pseudonym Narcisse Lebeau unterschrieb. [...] Satie träumte schon von seinen Gymnopedies. Um die Wahrheit zu sagen, er hatte noch nicht mehr als den Titel gefunden: Die Fremdartigkeit des Wortes gab ihm jedoch schon einen Nimbus. Als wir nun am ersten Abend in das Kabarett der Rue Victor-Massé eintraten [...] kündigte Vital-Hoquet feierlich an: „Erik Satie, Gymnopädist.“ Worauf Rodolphe de Salis, Gründer und Inhaber des Chat Noir, sich bis auf die Erde verbeugte und antwortete: „Das ist ein ganz hübscher Beruf“.“26
Viel wahrscheinlicher ist, dass der Titel aus einem Gedicht des Freundes Contamine de Latour selbst entnommen ist, das dieser am 18.08.1888 in der Zeitschrift „Musiques des Familles“ veröffentlichte:
„Oblique et coupant l’ombre un torrent éclatant
Ruisselait en flots d’or sur la dalle polie,
Où les atomes d’ambre au feu se miroitant,
Mêlaient leur sarabande à la gymnopedie.
Von oben bis unten das Dunkel durchschneidend ergoß sich ein strahlender Sturzbach in goldenen Fluten auf den spiegelnden Stein, wo die Ambrakerne - im Feuer schillernd - ihre Sarabande mit der Gymnopedie mischten.“27
Der Form nach handelt es sich auch nicht wirklich um Tänze aus dem antiken Griechenland - davon existieren keine Zeugnisse. Vielmehr hat Satie diesen drei Stücken, die zweifelsohne seine bekanntesten geworden sind, mit ihrem Titel einen archaischen Charme mit auf den Weg geben und damit an der gräzisierenden Mode unter Napoleon III. teilnehmen wollen. Im Grunde genommen sind es aber langsame Walzer aus der Welt des Kabaretts, in die Satie in Montmartre eingetaucht war und wo er sich als Pianist seinen Unterhalt verdiente. Aus dieser Zeit stammen die „Gymnopédies“28.
Wieder finden wir die Reihung als Grundprinzip vor, doch huldigen die Stücke, deren erstes hier stellvertretend betrachtet wird (siehe Notenanhang), in konventionellerer Weise dem Geschmack als Saties vorherige Kompositionen. Vielleicht liegt das daran, dass sie der Welt des Kabarett entstammen.
Im Notenbild finden wir Taktstriche, das Grundmetrum ist der ¾- Takt. Satie überschrieb alle drei Stücke mit Tempoangaben („lent et triste“, „lent et doloureux“, „lent et grave“), die bereits darauf hinweisen, dass es sich bei den „Gymnopédies“ um Ausdrucksmusik handelt im Gegensatz zu den „Ogives“ oder den „Sarabandes“.
Während im Bass ein wiegendes Ostinato aus punktierter Halben und Akkord vier Takte lang die Stimmung vorbereitet, mit „innehaltender“ Betonung auf der zweiten Zählzeit (G-Dur mit großer Sept und D-Dur mit großer Sept), entfaltet sich in der Oberstimme eine Melodie in weitgeschwungenen Bögen, die erst auf einer mehrtaktigen Haltenote zur Ruhe kommt. Dass sie sich lediglich aus Vierteln und punktierten Halben zusammensetzt unterstreicht ihren archaischen, quasi „griechischen“ Charakter und ihre melancholische Innerlichkeit.
Diese Melodie lässt sich wie folgt gliedern:
- abwärtsgerichteter Bogen ➔ a (T. 5 - 12)
- Wiederholung mit aufwärtsgerichtetem „Frageschluss“ ➔a’ (T. 13 - 21)
- aufsteigender Bogen, „erster Anlauf“ ➔ b (T. 22 - 26)
- aufsteigender Bogen, „zweiter Anlauf“, sequenzartig höher transponiert mit auslaufendem Nachspiel hin zu zwei Halteakkorden ➔ b’ (T. 27 m. A. - 39)
- Ostinato als Zwischenspiel (T. 40 - 43)
- Wiederholung von Teil a (T. 44 - 51), a’ (T. 52 - 60), b (T. 61 - 65) und b’, wobei letzterer über eine Art harmonisches Scharnier (T. 72) einen anderen Ausgang nimmt (T. 66 m. A. - Schluss)
Daraus ergibt sich zusammengefasst für das Stück der Aufbau:
➨ a-a’-b-b’-a-a’-b-b’’
also fast eine AAB-Form. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass Satie hier in herkömmlicherer Weise mit Material wie „Melodie“ oder „Form“ umgeht als in seinen zwei vorherigen Kompositionen. Dennoch kann von einer entwickelnden Behandlung der Thematik keine Rede sein.
V.) Fazit
Erik Satie war ein Mensch, dessen Humor ihn das Konventionelle meiden ließ und der sich den Zeitgeist zunutze machte, um dem Zeitgeschmack zu opponieren. Das tat er entweder, indem er sich am bedingungslosesten aneignete, was dem wahren Gehalt der studierten Strömung zugrunde lag, oder indem er experimentierfreudig seine Neigung zu religiöser Musik mit der zu Unterhaltungs- und Kabarettmusik mischte. Dabei umging er bewusst in einer für die zeitgenössischen Komponisten wegweisende Art die vertrauten Normen wie Melodik, Metrum, Form und Rhythmus und setzte sie für sich außer Kraft.
VI.) Literatur:
Notenausgaben:
Ohmen, Wilhelm (Hrg.): „Erik Satie/ Klavierwerke“, Bd. 2: „Sarabandes, Préludes, Ogives, [...] e. a.“, Schott Verlag, 1998
Satie, Erik: „Three Gymnopédies“, Tayborn Publishing Manchester, 1992
Sekundärliteratur:
Jensen, Eric F.: „Satie and the ‚Gymnopédie’“, in: „Music and Letters“, Bd. 75 (1994), S. 236 ff.
Mellers, Wilfired H.: „Erik Satie und das Problem der ‚zeitgenössischen Musik’“, in: „Musik-Konzepte: Erik Satie“, Bd. 11 (1980), S. 7 ff.
Müller, Wilhelm: „Gedichte/ Gesamtausgabe“, Verlag Otto Hendel, Halle a. S., o.A. (1877)
Orledge, Robert: „Satie’s Sarabandes and their importance to his composing career“, in: Music and Letters“, Bd. 77 (1996), S. 555 ff.
Volta, Ornella (Hrsg.): „Erik Satie/ Schriften“, 1988
Wehmeyer, Grete: „Erik Satie“, Kassel 1974
Wehmeyer, Grete: „Erik Satie“, Reinbek bei Hamburg, 1998
[...]
1 Wehmeyer, G.: „Erik Satie“ 1998, S. 12 (WEHMEYER 1998)
2 a.a.O., S. 12
3 a.a.O., S. 13
4 a.a.O., S. 14 f.
5 a.a.O., S. 17
6 a.a.O., S. 20
7 a.a.O., S. 21
8 a.a.O., S. 125
9 a.a.O., S. 25
10 Contamine de Latour: „Satie intim“, Paris, August 1925
11 WEHMEYER 1998, S. 24 (Erik Satie: „Escrits“, S.19)
12 vgl. Wehmeyer, G.: „Erik Satie“, 1974 (WEHMEYER 1974), S. 21 ff.
13 WEHMEYER 1974, S. 22
14 a.a.O., S. 22
15 WEHMEYER 1998, S. 39: „Dank seiner Versenkung in den gregorianischen Choral fand Satie eine Neuerung, die seinem Freund Claude Debussy zugeschrieben wird, weil dieser sie häufig benutzte: die Parallelakkordik, die zum Beispiel die Grundlage für Debussys Klavierstück „La cathédrale engloutie“ bildet. Satie hat diese Art des harmonischen Fortschreitens außerhalb der funktionalen Harmonik früher benutzt als Debussy, das bezeugen die Ogives.“
16 WEHMEYER 1974, S. 24
17 a.a.O., S. 34
18 a.a.O., S. 34 ff.
19 a.a.O., S. 35 f.
20 Orledge, Robert: „Satie’s Sarabandes and their importance to his composing carier“, in: „Music and Letters“, Bd. 77 (1996), Oxford, S. 555 ff. (ORLEDGE 1996)
21 a.a.O., S. 556
22 WEHMEYER 1974, S. 47 f.
23 ORLEDGE 1996, S. 561
24 WEHMEYER 1974, S. 68
25 a.a.O., S. 30 ff.
26 a.a.O., S. 26
27 a.a.O., S. 26
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Inhalt dieses Dokuments über Erik Satie?
Dieses Dokument ist eine akademische Analyse der frühen Werke des Komponisten Erik Satie, insbesondere der "Ogives" (1886), "Trois Sarabandes" (1887) und "Gymnopédies" (1888). Es untersucht Einflüsse wie Neogregorianik und Neogrec auf Saties Kompositionsstil und analysiert die musikalischen Merkmale dieser Werke.
Was sind die Hauptthemen in Saties "Ogives"?
Die "Ogives" sind vom Neogregorianischen Stil beeinflusst und zeichnen sich durch den Verzicht auf traditionelle musikalische Parameter wie Rhythmik, Melodik und Harmonik aus. Sie weisen statische, unexpressive Klangbänder und parallele Akkordfolgen auf, inspiriert vom gregorianischen Choral und der mittelalterlichen Architektur (Spitzbogen, frz. Ogive). Die Stücke sind Zustandmusik ohne Entwicklung.
Was ist das "Baukastenprinzip" in Saties "Sarabandes"?
Das "Baukastenprinzip" beschreibt Saties Kompositionsweise, bei der er musikalische Fragmente, Glieder und Gedanken in Skizzenbüchern festhielt und diese dann zu Kompositionen zusammensetzte, indem er sie aneinanderreihte und kombinierte. Dies führt zu einer Reihungsform ohne zwingende Entwicklung im herkömmlichen Sinn.
Welchen Einfluss hatte der Neogrec auf Saties "Gymnopédies"?
Der Neogrec, eine Stilrichtung, die griechische und orientalische Elemente aufnahm, beeinflusste Satie bei der Titelgebung der "Gymnopédies". Die Stücke selbst sind jedoch eher langsame Walzer aus der Welt des Kabaretts und nehmen an der gräzisierenden Mode unter Napoleon III. teil.
Was war Saties musikalische Ausbildung?
Satie besuchte das Pariser "Conservatoire de musique", verließ es aber, da er sich nicht für den Klavierpreis qualifizieren konnte. Obwohl seine formale Ausbildung als unvollständig galt, entwickelte er einen einzigartigen und innovativen Kompositionsstil.
Wer war M. Vinot und welchen Einfluss hatte er auf Satie?
M. Vinot war Saties erster Klavierlehrer in Honfleur und vermittelte ihm die Grundlagen des Gregorianischen Chorals. Er war ein Schüler der "École Niedermeyer", einer Institution, die sich der Rückbesinnung auf die Musik des Gregorianischen Chorals verschrieben hatte. Vinot brachte ihm Unterhaltungsmusik und Musik des Mittelalters in wertneutralem Nebeneinander nahe.
Was ist die Bedeutung des Klosters Solesmes im Zusammenhang mit Saties Musik?
Das Kloster Solesmes war ein Zentrum für die Rekonstruktion des liturgischen gregorianischen Chorals in seiner Urform. Obwohl es keine direkten Beweise dafür gibt, dass Satie Solesmes besuchte, ist es wahrscheinlich, dass er durch seinen Lehrer M. Vinot mit der neogregorianischen Bewegung in Kontakt kam.
Was bedeutet der Titel "Gymnopédies"?
Der Titel "Gymnopédies" leitet sich von den griechischen Wörtern "gymnos" (nackt) und "paidion" (Kind, Junge) ab und bezieht sich auf ein jährlich wiederkehrendes Fest der Spartaner, bei dem nackte Jugendliche Tänze gleichen Namens aufführten. Es wird jedoch vermutet, dass Satie den Titel eher aus einem Gedicht seines Freundes Contamine de Latour entlehnte.
Was sind die Hauptmerkmale der Musik von Erik Satie?
Saties Musik zeichnet sich durch Humor, die Meidung des Konventionellen und die Vermischung von religiöser Musik mit Unterhaltungs- und Kabarettmusik aus. Er umging bewusst vertraute Normen wie Melodik, Metrum, Form und Rhythmus und schuf so einen einzigartigen und innovativen Stil.
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- Carsten Hinrichs (Author), 2000, Neogregorianik und Neogrec - Die frühen Werke des Erik Satie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97147