Stellen Sie sich vor, Sie stehen am Rande einer tiefen Schlucht, die eine Seite repräsentiert den biblischen Schöpfungsglauben, die andere die drängenden Ökologieprobleme unserer Zeit. Können diese beiden Welten, die scheinbar so weit voneinander entfernt sind, wirklich miteinander in Einklang gebracht werden? Diese hochaktuelle Untersuchung wagt den Brückenschlag und seziert die vermeintliche Rechtfertigung für den Raubbau an der Natur, indem sie zentrale Bibelstellen wie „Macht euch die Erde untertan“ (Gen 1,28) einer kritischen Analyse unterzieht. Entdecken Sie, wie der biblische Auftrag zur Herrschaft über die Schöpfung oft missverstanden wurde und welche alternativen Lesarten uns einen verantwortungsvolleren Umgang mit der Natur ermöglichen. Der Autor entlarvt die anthropozentrische Verzerrung, die sich im Laufe der Zeit in unser Verständnis eingeschlichen hat, und plädiert für eine Rückbesinnung auf die Theozentrik der Psalmen, in denen die Schöpfung als Lobpreis Gottes besungen wird. Ergründen Sie die Wurzeln der Naturentfremdung und die daraus resultierende Gottesentfremdung, die unsere moderne Umweltkrise befeuern. Die Reise führt von den kosmologischen Vorstellungen des alten Ägypten und Mesopotamien bis hin zur christlichen Mystik und Spiritualität, die in der unmittelbaren Begegnung mit Gott eine tiefe Naturverbundenheit entdeckt. Lassen Sie sich von der Weisheit Bonaventuras inspirieren, der in allen Kreaturen Gottes Wirken erkennt, und erfahren Sie, wie die Schöpfung selbst zur Offenbarung Gottes wird. Dieses Buch ist ein Weckruf, eine Einladung zur Umkehr und ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Schöpfungsspiritualität, die uns hilft, unseren Platz im großen Ganzen neu zu definieren. Es ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die nach einer ethischen und spirituellen Grundlage für ein nachhaltiges Leben suchen, ein Schlüssel zum Verständnis der komplexen Beziehung zwischen Mensch, Gott und Natur. Tauchen Sie ein in eine Welt voller überraschender Einsichten und lassen Sie sich von der Schönheit und Verletzlichkeit der Schöpfung neu berühren, um die dringende Notwendigkeit eines verantwortungsvollen Handelns für zukünftige Generationen zu erkennen. Die biblische Schöpfungsgeschichte, neu interpretiert für das 21. Jahrhundert – eine provokante und wegweisende Analyse, die Ihr Denken verändern wird.
Biblischer Schöpfungsglaube und Ökologieprobleme
1. Einleitung
- Das Nützlichkeitsprinzip
- Ökologische Krise: Der Angriff des Menschen auf die Ordnung
- Vorwurf an das Christentum: Herrschaftsanspruch über die Natur
2. Macht Euch die Erde untertan - das dominium terrae (Gen 1,28)
- Bedeutung des Wortes radah: unterwerfen, herrschen, den Fuß daraufsetzen
- Das historische Umfeld: Ausgehendes Exil, Untergang Babylons, persische Toleranzpolitik des Kyros
- P als Antithese zuägyptischen und mesopotamischen Kosmologien, Rolle des Menschen hervorgehoben
- Gottes Zuwendung und Bund auch an die anderen Lebewesen (Gen 9)
- Natur Ernährer und Schicksalsmacht:: Herrschen als Möglichkeit, dem Schicksal entgegentreten zu können
- Die Möglichkeit der Überbevölkerung der Erde war für den biblischen Menschen noch unvorstellbar
3. Der Mensch als Abbild und Ebenbild Gottes (Ps 8,6; Gen 1,27) · Gottesebenbildlichkeit als Hoheitszeichen Gottes auf Erden · Ebenbildlichkeit bedeutet direkte Bezogenheit auf Gott
- P anthropozentrisch ausgerichtet, aber in der Bibel ist immer die Theozentrik übergeordnet
4. Funktion der Psalmen innerhalb des Schöpfungsglaubens
- Nicht Schöpfungsbericht wichtig, sondern das Lob der Schöpfung
- Weltschöpfung und Welterhaltung (creatio continua)
- Verflechtung von Schöpfergott und Rettergott, wobei der Rettergott für Israeliten der wichtigere war
5. Gott in allen Dingen finden - Christliche Mystik und Spiritualität · Der Christ der Zukunft ein Mystiker- Karl Rahner
- Mystik als Offenheit des Menschen für die unmittelbare Begegnung mit Gott
- Mystiker: Tertullian, Augustinus, Scholastiker, Luther
- Im letzten Jh. Reduzierung des Schöpfungsglaubens auf eine Allursächlichkeit Gottes
Schöpfung dialektisch: Endlichkeit als das Andere Gottes, Schöpfung aber wirklicher Ausdruck Gottes, Gott zeigt sich in ihr
Biblischer Schöpfungsglaube und Ökologieprobleme
1. EINLEITUNG
Die ökologische Krise ist unübersehbar. Der Mensch bedient sich allerorten der Natur. Sie ist bei ihm vom Subjekt zum Objekt degradiert. Seine Handlungen sind allein dem Nützlichkeitsprinzip unterworfen.
Aber, müssen wir uns fragen, hat Gott die Welt nach einem Nützlichkeitsprinzip gestaltet? Ist die enorme Vielfalt der Natur nur zum Nutzen geschaffen? Sind all die unzähligen Farben, Formen, Bewegungen und Geräusche nur dazu da, uns zu dienen, uns zum Nutzen zu gereichen?
Nicht vorstellbar. Auch der biblische Mensch hat so nicht gedacht.
Die Vielfalt ist der Schatz der Natur und gleichermaßen der Kosmos, das Geordnete, das die Natur erhält.
Die ökologische Krise ist die Zerstörung dieses Kosmos, ist ein Angriff auf das Geordnete, ein Angriff auf die Vielfalt der Natur, also auch ein Angriff auf die Schöpfung. Wasser- und Luftverschmutzung, Müllberge voll Wohlstandsmüll (von Dingen, die noch nicht einmal dem Nützlichkeitsprinzip entsprechen), Überbevölkerung, Ozonloch, Atomkraft und als neueste Herausforderung die Gentechnik, das alles ist das Ergebnis einer Umordnung der Dinge, denen Gott seinen rechten Platz zugewiesen hat.
Das Artensterben ist an sich nichts außergewöhnliches, das hat es zu jeder Zeit gegeben. Das fatale daran ist zum einen die Geschwindigkeit, zum anderen daß es der Mensch ist, der die freien Nischen für sich in Anspruch nimmt.
Der Raubbau an der Natur und die damit verbundenen ökologischen Problem sind Zeichen einer Naturentfremdung. Der christliche Glaube, der in Gott den Weltschöpfer und Welterhalter sieht, wie uns die hier vorgestellten Psalmen eindrücklich belegt haben, muß die Naturzerstörung gleichermaßen als Gottesentfremdung anklagen. Es ist die Frage, ob uns die Naturentfremdung von Gott entfremdet oder die Gottentfremdung von der Natur. Dem Christentum wird z.B. von Carl Amery vorgeworfen, dem Herrschaftsanspruch des Menschen über die Natur und damit auch die Legitimation der freien Verfügung über die Natur Vorschub geleistet zu haben. Diesem Vorwurf müssen wir nachgehen. Nun will ich es nicht dabei belassen zu sagen, daß diese Zerstörung von Gott bestimmt nicht gewollt sei. Man könnte an dieser Stelle ein spirituelle Naturverbundenheit ins Feld führen, die uns rein gefühlsmäßig sagt, daß wir auf dem falschen Weg sind. Das kann aber nicht die Antwort auf den Vorwurf sein.
Vielmehr möchte ich anhand der Bibel nachvollziehen, was es mit diesem Herrschaftsanspruch auf sich hat, ob wir ihn falsch interpretieren oder ob es nicht genügend andere Stellen gibt, die uns eine andere Sicht auf die Natur erlauben oder sogar abnötigen.
2. MACHT EUCH DIE ERDE UNTERTAN - DAS DOMINIUM TERRAE (GEN 1,28)
Gen 1,28 a Da segnete sie Gott,
b da sprach zu ihnen Gott: c Mehret euch!
d Und seid zahlreich!
e Und füllet (an) die Erde!
f Und unterwerft sie (mit Gewalt)!
g Und herrschet über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über jedwedes Lebendige, was sich auf der Erde bewegt
Die Aufforderungen Gottes an den Menschen kommen quasi einem Befehl gleich (wiederholte Imperative in c-g).1 Eingangs geht der Segen Gottes an den Menschen. Die Segnung verheißt den Wunsch nach Glück, Erfolg, Fruchtbarkeit und Vermehrung der Güter. Dem Menschen wird also eine Sonderrolle zugesprochen.
Zur Bestimmung des Begriffs radah:
radah: unterwerfen, herrschen, den Fuß darauf setzen, niedertreten; Lev 26,17; besonders im Zusammenhang mit der Herrschaft des Königs 1 Kön 5,4; Ps 110,2; 72,8; analog in Ps 8,7. Inbesitznehmen, Num 32,21f; Jos 18,1 hegendes Leiten, Ez 34,4; Ps 49,15
Nach Lohfink soll radah als“in Besitz nehmen“ übersetzt und verstanden werden. Dies dürfte aber eine zu euphemistische Übersetzung sein und nicht den Kern dieses Verbes treffen. Betrachten wir das historische Umfeld für die Entstehung der Priesterschrift: Ausgehendes Exil, Untergang Babylons als Großmacht, persische Toleranzpolitik unter Kyros dem Großen. Die Priesterschrift ist als Antithese zu ägyptischen und mesopotamischen Kosmologien zu verstehen. Diesen liegt noch zugrunde, daß die Götter den Menschen geschaffen hat, um ihn für sie die Arbeit machen zu lassen. Die Unterordnung des Menschen unter die Götter wird betont. Die Aussage von Gen 1 steht dazu im Kontrast. Der Mensch ist als Abbild Gottes geschaffen, die Schöpfung wird auf ihn hin ausgerichtet erzählt. Der Mensch bekommt einen Herrschaftsanspruch zugesprochen, und zwar jeder Mensch. Möglicherweise liegt hier auch eine Art Demokratisierungsdenken vor, der die Beherrschung des Menschen durch den Menschen verhindert, obwohl das Verhältnis zwischen den Menschen nicht näher definiert wird. Aber der Herrschaftsanspruch geht gleichermaßen an alle Menschen, es wird kein König oder sonstiger Führer hervorgehoben, dem allein eine solche Macht zugesprochen wird.
Betrachten wir aber noch einige Bibelstellen bezüglich der Stellung der übrigen Natur. Der Bund mit Noach gilt auch für die Tiere (Gen 9,9f.): „Hiermit schließ ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen und mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Tieren des Feldes, mit allen Tieren der Erde, die mit euch aus der Arche gekommen sind.“
Gottes Zuwendung ist also nicht auf den Menschen beschränkt. Daß „nie wieder alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden“ sollen (Gen 9,11) ist ein Zeichen gegen die Zerstörung der belebten Natur, und zwar der ganzen.
Gerne überlesen wird das dominium terrae der subhumanen Natur (Gen 8,17): „Alles Getier, das mit dir ist ...soll sich tummeln auf Erden, fruchtbar sein und sich vermehren.“ Formuliert wird hier ein Gebot, das populationsbiologisch ein Faktum ist.2 In jeder Spezies steckt eine Populationslawine. Daß sich eine Art nicht ungehindert ausbreiten kann, liegt daran, daß sich irgendwann während des Wachstums eine Ressource verknappt. Ungehindertes Wachstum kommt in der Natur nicht vor. einzige mögliche Ausnahme ist der Mensch. Sein Wachstum ist unlimitiert, da er verschiedene Ressourcen nutzt, und zwar auf Kosten der übrigen Natur. Er entzieht der Kreisläufen der Natur einseitig bestimmte Komponenten und erzeugt eine Unordnung und ein Ungleichgewicht.
Aber im Gegensatz zu heute, wo der Mensch die Natur beherrscht, war die Situation beim biblischen Menschen noch anders. Für ihn war der Kampf ums tägliche Überleben, Hunger und Krankheit noch viel stärker lebensbestimmend. Die Natur war zwar Ernährer aber auch Schicksalsmacht, der der Mensch ausgeliefert war (Hi 40,25-41,26, Ps 22, 13f). Verfolgung durch Feinde werden desöfteren mit der Furcht vor Raubtieren verbunden wie in Ps 17,11f dargestellt: „sie lauern mir auf, jetzt kreisen sie mich ein; sie trachten danach, mich zu Boden zu strecken, so wie der Löwe voll Gier ist zu zerreißen, wie der junge Löwe, der im Hinterhalt lauert.“ Hier werden Bilder benutzt, die dem damaligen Menschen geläufig und vorstellbar waren. Die Angst vor dem Raubtier muß dem damaligen Menschen also gegenwärtig gewesen sein.
Im Unterwerfen der Tiere mag sich die Hoffnung ausdrücken, sich aus der Naturabhängigkeit lösen zu können. Indem der Mensch sich über die Tiere stellt, sie beherrschen kann, verliert er seinen Schrecken vor ihnen: „Furcht und Schrecken vor euch soll sich auf alle Tiere der Erde legen, auf alle Vögel des Himmels, auf alles, was sich auf der Erde regt, und auf alle Fische des Meeres; euch sind sie übergeben.“ (Gen 9,2). Die Rettergottvorstellung, die das Alte Testament durchzieht, wird auf diese Weise auf den Schöpfergott projeziert: „Entreiße mein Leben dem Schwert, mein einziges Gut aus der Gewalt der Hunde! Rette mich vor dem Rachen des Löwen, vor den Hörnern der Büffel rette mich Armen!“ (Ps 22,21f). Die Gottesvorstellung thematisiert hier die Rettung vor den Feinden und vor den Gefahren der Natur.
Die Vorstellung, der Mensch könnte einmal die Erde überbevölkern, kannten die damaligen Menschen mit Sicherheit nicht. Vielmehr waren viele Nachkommen ein Segen und eine Verheißung Gottes an Noach (Gen 9,1.7) und an Abram (Gen 15,5). Auch heute gelten viele Nachkommen in einigen Regionen dieser Welt als Segen und als Vermögen für die Zukunft.
3. DER MENSCH ALS ABBILD UND EBENBILD GOTTES
Ps 8,6: Du hast ihn ein wenig geringer gemacht als Gott
Gen 1,27: Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. (par. Gen 9,6)
Ihn Ägypten und Babylonien wurde der Herrscher oft als Ebenbild Gottes bezeichnet. Gerhard von Rad schreibt dazu: „Wie auch irdische Großkönige in Provinzen ihres Reiches, in denen sie selbst nicht aus- und eingehen, ein Bildnis ihrer selbst als Wahrzeichen ihres Herrschaftsanspruches aufstellen - so ist der Mensch in seiner Gottesebenbildlichkeit auf die Erde gestellt als Hoheitszeichen Gottes. Er ist recht eigentlich als der Beauftragte Gottes dazu aufgerufen, Gottes Herrschaftsanspruch auf Erden zu wahren und durchzusetzen.“3
In der Ebenbildlichkeit drückt sich die direkte Bezogenheit des Menschen auf Gott aus. Der Mensch ist also Beauftragter Gottes, dessen Ordnung auf Erden sicherzustellen. Er ist nicht aufgerufen, selbst eine neue Ordnung aufzustellen. Jede Eigenständigkeit im Sinne eines Sich-um-Gott-und-die-Welt-nicht-Kümmerns ist Verrat an der Gottesebenbildlichkeit. Bezogen auf den Vorwurf der „gnadenlosen Folgen des Christentums“ ist zu sagen, daß die Ausbeutung gerade nicht dieser Gottesebenbildlichkeit entspricht.
Man darf behaupten, daß die Priesterschrift anthropozentrisch orientiert ist. Aber dabei darf nicht vergessen werden, daß diese immer hinter einer Theozentrik zurücksteht, wie sie z.B. in vielen Psalmen zum Ausdruck kommt. Je mehr diese Theozentrik aber in der aufgeklärten Zeit zurücktritt, umso mehr wird die Anthropozentrik hervorgehoben. Diese Haltung wird zurecht als Grund für unser eigenmächtiges Verhalten gegenüber der Natur angeprangert. Man darf dann aber nicht der Bibel den Vorwurf machen, diese Haltung gut zu heißen.
4. FUNKTION DER PSALMEN INNERHALB DES SCHÖPFUNGSGLAUBEN
Alle Schöpfungspsalmen rekurrieren nicht auf die Schöpfung als den die Welt konstituierenden Anfangsakt, sondern preisen den Schöpfergott als den Herrn seiner gegenwärtigen Schöpfung. Das Lob wird nicht nur durch den Menschen ausgesprochen, sondern von der gesamten Schöpfung, so Psalm 145,10: „Es preisen dich alle deine Werke“, oder Ps 96,12: „es juble das Feld, und was darauf steht, alle Bäume des Waldes sollen jauchzen.“ Nicht die cratio ex nihilo ist das Hauptthema, sondern die creatio continua.4 Nach Spiekermann ist das Lob des Schöpfers auch älter als die Lehre vom Schöpfer oder der Schöpfung. Die Erhaltung der Schöpfung, die zukünftige Perspektive, ist für das Volk Israel bedeutsamer als der Rückgriff auf das Anfangshandeln Gottes.5
Die Psalmen zeigen immer wieder die Verflechtung von Rettergott und Schöpfergott (Ps 33, 74), der für die Geschichte des Volkes eine wichtigere Rolle spielt als der Schöpfergott. Man bedenke dabei, daß viele Psalmen wahrscheinlich in der Exilszeit entstanden sind. Schöpfung bleibt aber immer auch ein Geheimnis. Der Mensch wird unter, nicht neben Gott gestellt (Hi 7,17ff; 15,14, Ps 8). Die der Schöpfung inne wohnende Ordnung bleibt ihm verschlossen.6, und soll es auch bleiben (Hi 28,20): „Die Weisheit aber, wo kommt sie her und wo ist der Ort der Einsicht. Verhüllt ist sie vor aller Lebenden Auge, verborgen vor den Vögeln des Himmels.“
Bei Deuterojesaja ist die Schöpfung dem gegenwartsrelevantem Handeln und der Geschichtsund Heilsverkündigung zugeordnet (Jes 43,1-7; 44,24ff).
5. GOTT IN ALLEN DINGEN SUCHEN UND FINDEN - CHRISTLICHE MYSTIK UND SPIRITUALITÄT
Karl Rahner sagte einmal: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein oder er wird nicht sein." Mystik bezeichnet die Offenheit des Menschen für die unmittelbare Begegnung mit Gott sowie die gnadenhafte Fähigkeit und Bereitschaft, das eigene Leben, die Welt als ganzes, mit allem, was in ihr geschieht als Moment der unmittelbaren Beziehung zu Gott zu verstehen.7
Die Bemächtigung der Welt durch den Menschen hatte zur Folge, daß die erfahrbare Welt nicht mehr Medium für Gottesbegegnung und Gotteserfahrung sein konnte. Im letzten Jahrhundert reduzierte sich der Schöpfungsglaube meist auf die Aussage der göttlichen Ursächlichkeit.8 Damit gingen aber wichtige Aussagen der Bibel verloren. So z.B. daß nicht erst in der Heilsgeschichte, sondern schon in der Schöpfung ein Ereignis stattfand, in dem Gott sich ausspricht und auf den Menschen zugeht. So sagt G. von Rad, daß "die Erfahrungen von der Welt ... immer auch Gotteserfahrungen, und die Erfahrungen mit Gott ... Welterfahrungen"9 seien. Theologen wie Tertullian, Augustinus, die Hochscholastik bis hin zu Luther sprachen vom zweifachen Buch der Gottesoffenbarung, dem Buch der Schöpfung und der Heiligen Schrift.
Man kann die spirituelle Sicht dieser Zeit mit einem Wort Bonaventuras zusammenfassen: Wer vom Glanz der geschaffenen Dinge nicht erleuchtet wird, ist blind; wer durch dieses laute Rufen der Natur nicht erweckt wird, ist taub; wer von diesen Wundern der Natur beeindruckt, Gott nicht lobt, ist stumm; wer durch diese Signale der Welt nicht auf den Urheber hingewiesen wird, ist dumm. Öffne deine Augen, wende dein geistiges Ohr ihnen zu, löse deine Zunge und öffne dein Herz, damit du in allen Kreaturen deinen Gott entdeckest, hörest, lobest, liebest..., damit nicht der ganze Erdkreis sich anklagen gegen dich erhebe!"10 In Weish 13,5 kommt die Verbundenheit von Geschöpf und Schöpfer zum Ausdruck: „Denn von der Größe und Schönheit ihrer Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen.“
Diese Ansichten sind in der Theologie verloren gegangen.
Schöpfung muß aber dialektisch gesehen werden. Sie ist und bleibt wegen ihrer Endlichkeit das "Andere Gottes". Aber auf der anderen Seite ist die Schöpfung wirklich Ausdruck Gottes, Er selbst zeigt sich in ihr, Er selbst und nicht etwas von ihm verschiedenes.11 (Ps 50; Ps 19, Weish 6,12-16). „Denen, die nach ihr verlangen gibt sie (die Weisheit) sich sogleich zu erkennen“ (Weish 6,13), „Sie geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind; freundlich erscheint sie ihnen auf allen Wegen und kommt jenen entgegen, die an sie denken.“ (Weish 6,16).
Die Schöpfung ist ebenso eine Zusage an den Menschen, und zwar eine Rede Gottes "an die Kreatur durch die Kreatur. Wenn der Mensch zu Gott spricht: „Rede, daß ich dich sehe!“, so ist es die Antwort Gottes.
Und uns tritt diese Schöpfung noch heute in ihrer Schönheit entgegen. (Weish 13,1-5). Auch im Neuen Testament finden sich dafür Zeugnisse (Lk 12,24 par. Mt 6,26; Lk 12,27f par. Mt 6,28)
Denn die Schöpfung läßt sich kurz zusammenfassen mit Gen 1,31: „Gott sah alles an, was er gemacht hat: Es war sehr gut“.
6. FAZIT
Eine Legitimation des Raubbaus an der Natur läßt sich nur ableiten, wenn einseitig wenige Stellen der Bibel herangezogen werden, ohne daß das historische Umfeld ihrer Entstehung und ihre Intention betrachtet werden.
Die Bibel sieht vielmehr Gott als Weltschöpfer einer „guten“ Schöpfung und als Welterhalter. Der Mensch ist zwar in der Natur hervorgehoben, aber als Abbild Gottes diesem Rechenschaft schuldig. Einen Auftrag oder die Rechtfertigung von Naturzerstörung läßt sich aus der Bibel nicht herleiten, ebenso aber auch eine Bewahrung in heutiger ükologische Sicht. Dies aber nur, weil eine solche Entwicklung auf der Erde für die Verfasser den Schöpfungsschriften nicht vorstellbar waren und sich auch nicht mit einem gläubigen Leben vereinbaren ließen.
7. Literatur
DIE BIBEL. Einheitsübersetzung. Herder 1990
FLOß, J.P.: „Macht Euch die Erde Untertan!“. Aufforderung zu einer Ausbeutung der Welt? Eine bibeltheologische Orientierung zu Genesis 1,28. in: Eichholz Brief. Zeitschrift zur politischen Bildung 1/96, 33. Jahrgang. Hrsg. Rüther, G., S. 5-14.
GRESHAKE, G.: Gott in allen Dingen finden. Schöpfung und Gotteserfahrung. Freiburg: Herder, 1986.
HÖFFE, O.: Abschied vom anthropozentrischen Denken?. Über das Fundament einer ökologischen Ethik. in: Eichholz Brief. Zeitschrift zur politischen Bildung 1/96, 33. Jahrgang. Hrsg. Rüther, G., S. 15-28.
KESSLER, H.: Das Stöhnen der Natur. Plädoyer für eine Schöpfungsspiritualität und Schöpfungsethik. Düsseldorf: Patmos, 1990
PREUß, H.D.: Theologie des Alten Testaments. Bd. 1. JHWHs erwählendes und verpflichtendes Handeln. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer, 1991.
SCHWARZ, H.: Die biblische Urgeschichte. Gottes Traum von Mensch und Welt. Freiburg: Herder, 1989.
Gen 1,26: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land.
Gen 1,28 a Da segnete sie Gott,
b da sprach zu ihnen Gott: c Mehret euch!
d Und seid zahlreich!
e Und füllet (an) die Erde!
f Und unterwerft sie (mit Gewalt)!
g Und herrschet über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über jedwedes Lebendige, was sich auf der Erde bewegt
Gen2,3: Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte.
Gen 8,17: Alles Getier, das mit dir ist ...soll sich tummeln auf Erden, fruchtbar sein und sich vermehren.
Gen 9,2: Furcht und Schrecken vor euch soll sich auf alle Tiere der Erde legen, auf alle Vögel des Himmels, auf alles, was sich auf der Erde regt, und auf alle Fische des Meeres; euch sind sie übergeben.
Gen 9,9f.: Hiermit schließ ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen und mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Tieren des Feldes, mit allen Tieren der Erde, die mit euch aus der Arche gekommen sind.
Gen 15,5: Er führte ihn hinaus uns sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf, und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst. Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein.
Lev 26,17: Eure Gegner treten euch nieder;...
1 Kön 5,4: Denn er herrschte über das ganz Gebiet diesseits des Stromes...
Hi 28, 20f: Die Weisheit aber, wo kommt sie her und wo ist der Ort der Einsicht. Verhüllt ist sie vor aller Lebenden Auge, verborgen vor den Vögeln des Himmels.
Hi 40,31f: Kannst du seine Haut mit Spießen spicken, mit einer Fischharpune seinen Kopf? Leg nur einmal deine Hand daran! Denk an den Kampf! Du tust es nie mehr.
Ps 8 5 Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst
6 Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt
7 Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt:
8 All die Schafe, Ziegen und Rinder und auch die wilden Tiere,
9 die Vögel des Himmels und die Fische im Meer, alles was auf den Pfaden der Meere dahinzieht
Ps 17,11f: sie lauern mir auf, jetzt kreisen sie mich ein; sie trachten danach, mich zu Boden zu strecken, so wie der Löwe voll Gier ist zu zerreißen, wie der junge Löwe, der im Hinterhalt lauert.
Ps 22,13f: Viele Stiere umgeben mich, Büffel von Baschan umringen mich. Sie sperren gegen mich ihren Rachen auf, reißende brüllenden Löwen.
Ps 22,21f.: Entreiße mein Leben dem Schwert, mein einziges Gut aus der Gewalt der Hunde! Rette mich vor dem Rachen des Löwen, vor den Hörnern der Büffel rette mich Armen!
Ps 50 9 Doch nehme ich von dir Stiere nicht an noch Böcke aus deinen Hürden
10 Denn mir gehört alles Getier des Waldes, das Wild auf den Bergen zu Tausenden
11 Ich kenne alle Vögel des Himmels was sich regt auf dem Feld ist mein eigen.
12 Hätte ich Hunger, ich brauchte es dir nicht zu sagen denn mein ist die Welt und was sie erfüllt
Ps 72,8: Er herrsche von Meer zu Meer, vom Strom bis an die Enden der Erde.
Ps 110,2: Vom Zion strecke der Herr das Zepter deiner Macht aus: "Herrsche inmitten deiner Feinde"
Weish 6, 12 Strahlend und unvergänglich ist die Weisheit, wer sie liebt, erblickt sie schnell und wer sie sucht, findet sie
13 Denen, die nach ihr verlangen gibt sie sich sogleich zu erkennen.
14 Wer sie am frühen Morgen sucht, braucht keine Mühe er findet sie vor seiner Türe sitzen.
15 Über sie nachzusinnen ist vollkommene Klugheit; wer ihretwegen wacht, wird schnell von Sorge frei.
16 Sie geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind; freundlich erscheint sie ihnen auf allen Wegen und kommt jenen entgegen, die an sie denken.
Weish 11,20: Du hast aber alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet.
Weish 13,5: Denn von der Größe und Schönheit ihrer Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen.
Jes 43,3: Denn ich, der Herr, bin dein Gott, ich der Heilige Israels, bin dein Retter...
Lk 12,24 || Mt 6,26: Seht auf die Raben: Sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keinen Speicher und keine Scheune; denn Gott ernährt sie.
Lk 12,27f || Mt 6,28: Seht euch die Lilien an: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht. Doch ich sage euch: Selbst Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen. Wenn Gott aber schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird, wieviel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen!
[...]
1 Floß, J.P., S. 8
2 Höffe: Abschied vom anthropozentrischen Denken?, S. 18
3 Schwarz, S. 32
4 Preuß: Jahwe, S. 261
5 Ebd., vgl. Hi 38
6 Zumindest was die Naturgesetzlichkeiten betrifft, stimmt das heute nicht mehr.
7 Greshake: Gott in allen Dingen finden. S.7
8 Ebd., S. 22
9 Kessler, S. 82
10 Ebd., S. 87
Häufig gestellte Fragen zu "Biblischer Schöpfungsglaube und Ökologieprobleme"
Was ist das Hauptthema des Textes "Biblischer Schöpfungsglaube und Ökologieprobleme"?
Der Text untersucht die Beziehung zwischen dem biblischen Schöpfungsglauben und den aktuellen ökologischen Problemen. Er analysiert den Vorwurf, das Christentum habe den Herrschaftsanspruch des Menschen über die Natur gefördert und damit zur ökologischen Krise beigetragen. Der Text beleuchtet, wie die Bibel interpretiert werden kann, um eine verantwortungsvollere Sichtweise auf die Natur zu entwickeln.
Was bedeutet "dominium terrae" (Gen 1,28) im Kontext des Textes?
"Dominium terrae" (Macht euch die Erde untertan) bezieht sich auf Gen 1,28, wo Gott den Menschen auffordert, die Erde zu beherrschen. Der Text analysiert die Bedeutung des hebräischen Wortes "radah" (unterwerfen, herrschen) und untersucht das historische Umfeld der Priesterschrift, um zu verstehen, wie dieser Herrschaftsanspruch interpretiert werden sollte. Es wird argumentiert, dass "radah" nicht als absolute Ausbeutung, sondern als verantwortungsvolle Inbesitznahme und Pflege der Erde verstanden werden sollte.
Inwiefern ist der Mensch laut Bibel Abbild und Ebenbild Gottes?
Der Text bezieht sich auf Ps 8,6 und Gen 1,27, die den Menschen als Abbild und Ebenbild Gottes darstellen. Dies bedeutet, dass der Mensch eine besondere Beziehung zu Gott hat und beauftragt ist, Gottes Ordnung auf Erden sicherzustellen. Der Mensch ist nicht dazu aufgerufen, selbst eine neue Ordnung aufzustellen oder sich um Gott und die Welt nicht zu kümmern, da dies als Verrat an der Gottesebenbildlichkeit angesehen wird.
Welche Rolle spielen die Psalmen im Schöpfungsglauben?
Der Text betont, dass die Psalmen nicht auf die Schöpfung als den konstituierenden Anfangsakt rekurrieren, sondern den Schöpfergott als den Herrn seiner gegenwärtigen Schöpfung preisen. Das Lob wird nicht nur vom Menschen, sondern von der gesamten Schöpfung ausgesprochen. Nicht die "creatio ex nihilo" (Schöpfung aus dem Nichts) ist das Hauptthema, sondern die "creatio continua" (Welterhaltung). Die Psalmen zeigen auch die Verflechtung von Rettergott und Schöpfergott.
Was bedeutet christliche Mystik und Spiritualität im Zusammenhang mit der Schöpfung?
Der Text zitiert Karl Rahner, der sagte: "Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein oder er wird nicht sein." Mystik bezeichnet die Offenheit des Menschen für die unmittelbare Begegnung mit Gott und die Fähigkeit, das eigene Leben und die Welt als Moment der unmittelbaren Beziehung zu Gott zu verstehen. Die erfahrbare Welt sollte als Medium für Gottesbegegnung und Gotteserfahrung dienen. Die Schöpfung wird dialektisch gesehen: Sie ist das "Andere Gottes" wegen ihrer Endlichkeit, aber auch ein Ausdruck Gottes, in dem Er sich selbst zeigt.
Wie lautet das Fazit des Textes?
Das Fazit des Textes ist, dass eine Legitimation des Raubbaus an der Natur nur dann aus der Bibel abgeleitet werden kann, wenn einseitig wenige Stellen der Bibel herangezogen werden, ohne das historische Umfeld ihrer Entstehung und ihre Intention zu berücksichtigen. Die Bibel sieht Gott als Weltschöpfer einer "guten" Schöpfung und als Welterhalter. Der Mensch ist zwar in der Natur hervorgehoben, aber als Abbild Gottes diesem Rechenschaft schuldig. Einen Auftrag oder die Rechtfertigung von Naturzerstörung lässt sich aus der Bibel nicht herleiten.
- Quote paper
- Christoph Schmitz (Author), 1999, Biblischer Schöpfungsglaube und Oekologieprobleme, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97042