Inhalt
1 Einleitung
2 Begriffe und Definitionsproblematiken
2.1 Der Terror-, Terrorismusbegriff und seine Dimensionen
2.2 Das Definitionsproblem im internationalen Rahmen
2.2.1 Das Kriegsrecht als Lösung des Definitionsdilemmas?
3 Internationale Sicherheit
3.1 Der obsolete Sicherheitsbegriff
3.2 Der erweiterte Sicherheitsbegriff
4 Terrorismus als Bedrohung internationaler Sicherheit?
4.1 Staatsterrorismus-Zukunft des Konflikts?
4.2 Gibt es eine Bedrohung durch Nuklearterrorismus?
5 Fazit
6 Literatur
1 Einleitung
Terrorismus ist ein recht emotional besetztes Thema. Moralische Entrüstungen und Sensationsgier spiegelten in der Vergangenheit die Kontroversen um dieses Thema wieder. In der Wissenschaft gilt es vor allen Dingen nüchtern, emotions- und vorurteilslos an die Thematik heranzugehen um sie dann zu analysieren.
Nach den Hochrufen Anfang der neunziger Jahre, in denen unter anderem eine neue Weltordnung ausgerufen wurde und mit dem Ende des Ost-West-Konflikts jegliches Konfliktpotential verschwunden zu sein schien, ist die Multipolarität die unterhalb des OstWest-Konfliktes stets existierte zur Realität geworden. Destabilität, Chaos als Folge sich auflösender Staatenverbände, Waffenproliferation, Umweltzerstörung, Flucht und Vertreibung, Nationalismus, Fundamentalismus, organisierte Kriminalität und nicht zuletzt Terrorismus scheinen die internationale Sicherheit in der heutigen Welt zu bedrohen. Aus dieser Feststellung lautet die Fragestellung dieser Arbeit: Wir leben heute in der Paradoxität einer regionalisierten wie globalisierten Welt, die außerdem durch eine Zunahme der Interdependenz gekennzeichnet ist. Kann internationaler Terrorismus unter diesen Bedingungen eine Bedrohung der globalen Sicherheit bedeuten?
In meiner Arbeit will ich zuerst auf die Geschichte und den Terror- und Terrorismusbegriff eingehen um dann einen Überblick über die Sicherheit in Vergangenheit und Gegenwart zu geben, wobei ich insbesondere auf den für die heutige Weltlage von besonderer Bedeutung erscheinenden Begriff der erweiterten Sicherheit eingehen werde. Dem folgt die Untersuchung der Bedrohung der internationalen Sicherheit durch den Terrorismus. In meiner Arbeit kann ich aufgrund der Komplexität des gesamten Themenkomplexes nicht auf die Diversivität des Terrorismus an sich eingehen.
Die Literaturlage zum Thema Terrorismus ist zwar recht vielfältig, jedoch sind neuere Arbeiten zum internationalen Terrorismus, wie zur Bedrohung internationaler Sicherheit durch Terrorismus fast nicht vorhanden.
2 Begriffe und Definitionsproblematiken
Terror und Terrorismus sind zwei schillernde Begriffe, denen eine besondere Sichtweise zugrunde liegt. Deshalb sind sie in der Vergangenheit häufig instrumentalisiert worden.
Auseinandersetzungen zu diesem Thema werden oft emotional und polemisch geführt, was im besonderen auf den sozail-revolutionären Terrorismus zutrifft. Doch zuerst gilt es, die Bedeutung und den Hintergrund der Termini genauer zu untersuchen. Dabei stellen sich unter anderem folgende Fragen: Was ist internationaler Terrorismus und was kennzeichnet ihn? Was unterscheidet Terror von Terrorismus? Und: Inwiefern bedroht Terrorismus die internationale Sicherheit?
2.1 Der Terror-, Terrorismusbegriff und seine Dimensionen
Beide Begriffe haben ihren Ursprung in der Französischen Revolution und tauchen erstmals als „la regime de terreur“ auf. Der Ausdruck „terreur“ ist in erster Linie auf die Diktatur des „Comité de Salut Publice“ zurückzuführen: (Unter der Führung Robespierres wurden in dieser Schreckensherrschaft der Jakobiner ab Oktober 1793 bis Juli 1794 16500 Menschen öffentlich hingerichtet.) Ziel dieses Regimes war die Errichtung einer radikaldemokratischen, egalitären Republik. Zu diesem Zweck wurden mittels summarischer Justiz alle Feinde der Republik schon bei bloßem Verdacht hingerichtet, was dazu führte, daß die vormals sympathisierende Bevölkerung sich gegen „den Terror von oben“ wandte. Robespierre wurde daraufhin gestürzt
und am 28. Juli 1794 hingerichtet.
Von dieser Art des eben beschriebenen Terrors ist der „Terror von unten“ zu unterscheiden, der im allgemeinen von schwachen Gruppen ausgeht und sich gegen die etablierte Macht richtet. In Gestalt des Tyrannenmords trat diese Form schon in der Antike auf. Zur Legitimitation des Tyrannenmords kann man im Grunde zwischen einer radikalen Theorie, die jedem Bürger dieses Recht zugesteht und einer gemäßigten, die es nur nachgeordneten Behörden gewährt, unterscheiden. Des weiteren wird Tyrannenmord zwischen illegaler Usurpation und im Falle tyrannischer Machtausübung bei simultaner Legalität dieser Macht differenziert.
Inwieweit verschiedene Legitimationslehren des Tyrannenmords als Vorläufer der Ideologie von Terroristen gelten können ist streitbar und noch heute angesichts der im 20. Jahrhundert vorgefallenen Putschversuche und dem Mordversuch an Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 aktuell.
Der sozial-revolutionäre Terrorismus dieses Jahrhunderts ist in der geschichtlichen Tradition der revolutionären russischen Bewegung „Narodnaja Volja“ (Volkswille) aus der Zeit um 1879 zu sehen. Ihr gehörten Studenten und Akademiker an, die in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts gegen das halbfeudale und autokrate Gefüge Rußlands kämpften. Angesichts des Kontrastes zwischen den russischen Verhältnissen und den rasanten Veränderungen in der westlichen Industriestaaten, die schon sozialistische und demokratische Ideen entwickelten, wollten sie den Sozialismus mittels Dorfkommunen ohne einen „kapitalistischen Umweg“ in Russland einführen. Ihnen wird unter anderem das Attentat auf Zar Alexander II. zur Last gelegt.
Die Begriffe Terror und Terrorismus dienen dazu, jeglicher Form physischer Gewalt die Legitimation abzusprechen und beziehen sich nicht auf eindeutig definierte Gewaltakte, sondern auf die Angst und Schrecken einflößende Wirkung dieser potentiellen Gewalt. Außerdem beinhaltet insbesondere der Terrorismusbegriff eine moralische Wertung, denn wenn eine Gruppe ihren Gegner erfolgreich als Terroristen etikettiert, dann hat sie eine andere damit überzeugt, ihrem Standpunkt zu folgen. Zumindest aber lehnen die „Überzeugten“ die Argumentation der vermeintlichen Terroristen ab. Durch diesen Mißbrauch des Terminus werden politische Interessen mittels einer manipulativen Dimension der Definitionsfindungen realisiert.
Terror und Terrorismus sind semantisch aber auch faktisch recht unterschiedliche Begriffe. So wird in der englischsprachigen Literatur „terror“ als sozialpsychologischer Effekt von Furcht und Panik gedacht, deren Ursach wiederum Gewalt ist. Ferner wird im angelsächsischen Sprachgebrauch nicht zwischen Terrorismus und Staatsterrorismus unterschieden. Dies sollte in der deutschsprachigen Literatur differenziert betrachtet werden: Terror wird hier als staatliche Schreckensherrschaft abgegrenzt. Terrorismus ist demgegenüber eine Form des Angriffs gegen den Staat und dessen Ordnung. Folglich ist im deutschen Sprachgebrauch der Begriff des Staatsterrorismus nicht mit dem des Staatsterrors zu verwechseln, da ein Staat sowohl Terror ausüben, als auch den Terrorismus gegen andere Länder unterstützen und forcieren kann.
Die Unterschiede die hier angesprochen werden, liegen im Ausmaß und Umfang der Gewalt. In einem Land, das Regimeterror betreibt, ist diese nämlich viel größer und übersteigt somit auch das Ausmaß des „low intensity war“, der den Terrorismus unter anderem charakterisiert. Die sehr hohe Opferzahl hat ihre Ursachen im uneingeschränkten Agieren der „Regierungsschergen“, die im Gegensatz zu den Terroristen weniger riskieren, da sie im Auftrag ihres Staates handeln und deshalb nicht durch staatliche Institutionen verfolgt und belangt werden. Außerdem sind diese „Mörder im Auftrag ihrer Regierung“ nicht auf Sympathisanten angewiesen, die eine eingeschränktere Gewaltanwendung verlangen würden.
Weiterhin wird der Terrorismusbegriff vom Inhalt her auch mit dem des Guerillakampfes verwechselt. Tatsächlich sind beide Formen der Gewalt irreguläre Kampfmethoden, die hin und wieder kombiniert eingesetzt werden, doch faktisch ist der Guerillakampf eine militärische Strategie, die auf die Vernichtung des Feindes abzielt. Terrorismus dagegen wird vor allem aufgrund seiner Signalwirkung angewandt. Prinzipiell wird von den Guerilleros der Unterschied zwischen Kombattanten und Zivilisten dort respektiert, wo der Terrorismus keinen Unterschied macht, um seiner Botschaft Nachdruck zu verleihen. Gemeinsam besitzen beide Begrifffe die Theorie der politischen Mobilisierung von Menschen und die „(...) Beziehung zwischen der Militäraktion und der Haltung und Reaktion der Zuschauenden (...)“, die erstmals von Mao Tse Tung bewußt eingesetzt worden ist. Terroristen nutzen nicht selten das Mißverständnis in der Bevölkerung aus und bezeichnen sich als Guerilleros dabei mißbrauchen sie die positiven Assoziationen, die dieser Begriff zu wecken vermag, denn Guerilleros kämpfen meist in Ländern, die Staatsterror betreiben. Außerdem setzen sie sich häufig militärisch für die Rechte einer im eigenen Land diskriminierten Minderheit ein.
2.2 Das Definitionsproblem im internationalen Rahmen
Befaßt man sich heute mit dem Terrorismus, ist es sinnvoll sich im Voraus einige Gedanken über die Wirkung des Terror- beziehungsweise über die Bedeutung des Terrorismusbegriffs zu machen, denn beide Begriffe besitzen sowohl die bereits im vorigen Kapitel angesprochene subjektiv-manipulative, als auch eine konkret pragmatische Dimension. Deshalb werde ich für diese Arbeit eine Definition vornehmen von der aus ich das Problem des internationalen Terrorismus genauer betrachten will:
Internationaler Terrorismus beinhaltet kriminelle Vorfälle, die eine internationale Auswirkung haben. Entweder geschieht dies, indem Terroristen ins Ausland fahren, um dort zuzuschlagen, oder es handelt sich um Vorfälle, bei denen Terroristen zwar in ihrem Heimatland bleiben, der Akt der Gewalt aber im Ausland stattfindet oder die Opfer der Gewaltanwendung nach ihren Verbindungen zu einem anderen Land ausgewählt werden. Des weiteren handelt es sich bei diesen Vorfällen meist um planmäßig vorbereitete und schockierende Gewaltanschläge, die aus dem Untergrund begangen werden und sich gegen Personen und Objekte richten, welche staatliche oder im weiteren Sinne öffentliche Macht repräsentieren. Akteure sind meist kleine Gruppen, die nicht über die Kraft verfügen, die etablierte Macht des Rechts und des Gesetzes auf breiter Front mit konventionellen Mitteln oder durch den Aufstand der Masse anzugreifen. Für sie ist charakteristisch, daß sie ihr Ziel nicht durch Handlungen, sondern durch die Reaktion auf ihre Aktionen erreichen.
Doch schon Walter Laqueur hat 1978 die Unmöglichkeit einer präzisen Definition des Terrorismus betont, da diese gänzlich falsch oder zu vage wäre.
Da einzelne Staaten unterschiedliche bis sogar gegensätzliche Vorstellungen über die terroristische Bedrohung ihrer Souveränität haben, kann es, abgesehen von der Unmöglichkeit einer präzisen Definition des Terrorismus laut Laqueur, im internationalen Rahmen keinen Konsens geben. Diese Differenz in der Auffassung rührt unter anderem daher, daß Staaten generell für sich in Anspruch nehmen, die legitimen Instanzen der Rechtsdurchsetzung zu sein. Gleichgültig, wie undemokratisch oder repressiv diese Staaten sein mögen sie beharren sie auf den Einsatz physischer Gewalt, um diesen Anspruch zu bekräftigen. In Folge dieser Argumentation verkürzen repressive Staaten das Terrorismusproblem häufig auf Gewaltakte nichtstaatlicher Akteure wie zum Beispiel gesellschaftliche Gruppen oder Einzelpersonen. Häufig sind es gerade diese Staaten, die mit Hilfe ihrer Gewaltapparate die Zivilbevölkerung terrorisieren, also Staatsterror betreiben. Des weiteren läßt sich eben dieser Staatsterror von dem oben definierten unterscheiden und innerhalb meiner vorgenommenen Definition kann man noch den nationalistischen, religiösen oder politisch motivierten Terrorismus unterscheiden. Es gibt in der Literatur mehr als hundert Definitionsansätze, doch im Rahmen der internationalen Gemeinschaft scheitert der Konsens im Grunde an der Verflechtung der als Terror oder als Terrorismus anzusehenden Gewaltakte.
2.2.1 Das Kriegsrecht als Lösung des
Definitionsdilemmas?
Die klischeehafte Redensart „des einen Terrorist ist des anderen Friedenskämpfer“ setzt das Fehlen von Verhaltensnormen in Konfliktfällen voraus. Kombattanten ist es in der Tat erlaubt, im Falle des Krieges gegen einige Verbote „legal zu verstoßen“ wie zum Beispiel gegen das Verbot zu töten. Doch wurden Terroristen in der Vergangenheit nur mittels gesetzlich definierter Verhaltensweisen wie Mord, Entführung oder Zerstörung von Eigentum belangt trotzdem sie sich nicht als Kriminelle, sondern als Soldaten im Kriegseinsatz sahen. Nun gibt es aber auch im Krieg Vorschriften, die den Einsatz bestimmter Waffen und Vorgehensweisen für strafbar erklären. Eben gegen diese Vorschriften verstoßen Terroristen im internationalen Umfang. Sie besitzen nicht den Status eines Soldaten und sollten somit auch keinen größeren Freiraum beim Begehen von Gewalttataten besitzen. Wenn nun das Kriegsrecht Anwendung fände, könnten Terroristen sowohl für Straftaten in Friedenszeiten, als auch für völkerrechtswidrige Kriegsverbrechen belangt werden. Das beinhaltet auch die Auslieferung der Kriegsverbrecher, da dies im Kriegsrecht festgeschrieben ist und von weit mehr Ländern ratifiziert wurde, als es von Verträge über den internationalen Terrorismus in Zukunft realistisch erscheint.
3 Internationale Sicherheit
Da internationaler Terrorismus eine Bedrohung der Sicherheit darstellt, ist es zunächst unerläßlich den Sicherheitsbegriff faßbar zu machen, wobei hier auf die Problematik der erweiterten Sicherheit eingegangen werden muß, um, gegenüber dem veralteten Sicherheitsverständnis mit nationalstaatlichen Akteuren, der Aktualität des Problems gerecht zu werden.
Dem Begriff Sicherheit ist eine objektive und eine subjektive Dimension eigen. Bei einem Leben in Sicherheit handelt es sich nämlich objektiv um ein Leben ohne Gefahr, auf subjektiver Ebene um ein Leben ohne Angst und Furcht. Da auch der Sicherheitsbegriff manipulierbar ist und eine gewisse Ideologieanfälligkeit aufweist, ist es sinnvoll zu fragen um wessen Sicherheit, vor welcher, durch wen verursachten Gefahr es geht. Ferner ist zu untersuchen, mit welchen Mitteln diese Sicherheit erzeugt werden soll, auf wessen Kosten dies geht, welche Folgen daraus resultieren und wer die Entscheidungsbefugnis besitzt.
3.1 Der obsolete Sicherheitsbegriff
Internationale Sicherheit kann durch Machtkontrolle, Machtgleichgewicht oder Machtausübung erreicht werden und faßt alle zwischenstaatlichen Ansätze zur Gewährleistung deräußeren Sicherheit der Mitglieder des internationalen Systems wie Bündnispolitik, Millitärallianzen oder internationale Organisationen zusammen.
In der Vergangenheit gab es verschiedene Ansätze zur Verwirklichung internationaler Sicherheit, die bis 1917 gleichbedeutend mit europäischer Sicherheit war. So scheiterte der Status quo der „balance of power“ mit dem 1. Weltkrieg. Ziel europäischer Politik war es mit Absprachen, Bündnissen und notfalls Koalitionskriegen die Machtbalance in Europa aufrechtzuerhalten. Das Prinzip kollektiver Sicherheit im Völkerbund scheiterte mit der Nichtratifizierung des Versailler Vertrags seitens den USA und dem Ausschluß Deutschlands und Rußlands. Des weiteren mißlang im Völkerbund das kollektive Prinzip des Einsatzes aller Staaten gegen einen Agressor am Primat des Nationalstaats. Die internationale Sicherheitspolitik nach dem 2. Weltkrieg war durch die Bipolarität der Supermächte USA und UdSSR gewährleistet, die mit ihrem Stimmverhalten im Sicherheitsrat selbst die dem Universalismus verpflichteten Vereinten Nationen dominierten.
Das Prinzip der kollektiven Sicherheit, das den Vereinten Nationen als Grundlage ihres Handelns dient und eng mit dem Friedensbegriff verknüpft ist, konkurriert nicht erst seit Bestehen der UNO mit dem Sicherheitsverständnis der nationalen Verteidigung. Dieses nämlich geht von der Souveränität des Staatsgebietes und -volkes aus, wobei sich der Einzelstaat mit anderen gegen eine Bedrohung organisieren kann. Das Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung untergrub die universale Ordnungsfunktion des Sicherheitsrates, denn das Prinzip der kollektiven Sicherheit, welches vorsah, „(...) den Frieden der Staaten untereinader durch eine automatische Beistandspflicht zu garantieren, wurde im Sinne einer ,kollektiven Verteidigung‘ uminterpretiert, die sich nun gegen eine gemeinsame Bedrohung von außen richtete.“ Sicherheit wurde somit zu einem „interbloc balancing process“, später zur „balance of power“, welche die Welt schon vor dem 1. Weltkrieg gesehen hatte. Mit diesem Prozeß haben sich die Anhänger der realistischen Schule ihr politisches Umfeld aus dem Art. 51 der UN-Charta eigenmächtig geschaffen. Die Formation regionaler Militärbündnisse war somit erforderlich geworden und bestimmte fortan das Gefüge der internationalen Beziehungen.
Trotzdem es eine Unvereinbarkeit von dem Verständnis kollektiver Sicherheit und nationaler Sicherheit gab, konnte sich während des Ost-West-Konfliktes ein Konsens herausbilden. Demnach ist Sicherheitspolitik in erster Linie Kriegsverhinderungspolitik. Sicherheitspolitik müßte zum Oberbegriff allen politischen Handelns mutieren, wollte ein Staat, der um seine Sicherheit besorgt ist, jedes berechtigte Interesse für sicherungswürdig halten. Deshalb ist es dienlich den Sicherheitsbegriff auf bestimmte sicherungswürdige Güter einzugrenzen. Da Krieg in jedem Fall die Abwesenheit von Sicherheit also Unsicherheit darstellt, kann man Sicherheit auch nicht subjektiv als die Totalsumme der vitalen Nationalinteresses sehen, für die ein Staat einen Krieg in Kauf nehmen würde. In der Vergangenheit war die eigene Systemerhaltung das oberste Gut der Sicherheit. Bei dieser Minimalforderung konnte zwischen physischer Integrität, also dem Erhalt des Territoriums, der politischen Autonomie, als dem Erhalt der politischen Funktionen, und der gesellschaftlichen Identität, folglich dem Erhalt der systemimmanenten Grundstrukturen, unterschieden werden.
Unsicherheit beruhte auf zwei Ursachen: Bei der Betrachtung der endogenen Faktoren bestimmten systemimmanente Bedingungen wie Legitimationsprobleme, soziale Unruhen, bürgerkriegsähnliche Zustände oder Wirtschaftsprobleme die Studien. Als die exogenen Ursachen von Unsicherheit untersucht wurden, ging man in der Tradition der realistischen Schule von der anarchischen Struktur des internationalen Staatensystems aus, die dieses zu einem Konfliktsystem erklärte.
Da das Konfliktsystem aufgrund von wechselseitiger Unberechenbarkeit und Interessenskonflikten Unsicherheit produzierte, sollte dies durch voraussehbares Handeln reduziert werden, indem die einzelnen Staaten bestimmte Rollen übernehmen. Zum Sicherheitsdilemma führte aber die Absicht, Krieg durch Abschreckung zu verhindern. Dieser Zusammenhang animiert den einzelnen Staat, Sicherheit durch eine Vergrößerung des Gewaltpotentials zu erreichen. Folglich wird das staatliche Bedürfnis, Sicherheit zu erlangen aus der Sicht eines anderen Staates als Bedrohung perzipiert, und er ist im Interesse seiner eigenen Sicherheit geneigt, darauf zu reagieren.
Politisch läßt sich der Sicherheitsbegriff betrachten, wenn man alle militärischen Strukturen abgrenzt. Information und Kommunikation erhalten hier eine bedeutende Rolle. Sie enthalten vertrauensbildende Maßnahmen, informelle Kontakte und gezielte politische Sprache, die auf die Androhung von Gewalt verzichtet. Für den Produktionsprozeß der Sicherheit sind folglich alle politischen Signale in Richtung Gewaltabstinenz dienlich. Wenn man den Sicherheitsbegriff aus der militärischen Perspektive betrachten wollte, stellte sich die Frage nach dem Sinn militärischer Strukturen als Kriegsverhütungsinstrument und nicht als Kriegsführungsinstrument. Militärischer Vorsprung war schließlich das Kernelement von Rüstungsspiralen und erzeugte somit Unsicherheit.
Schlußfolgernd mußte Sicherheit in der Vergangenheit als „(...) Eindruck der Wirklichkeitswahrnehmung von Menschen, Menschengruppen und Staaten verstanden [werden], der dadurch objektiven Charakter gewinnt, indem verschiedene, in einem Konfliktsystem interagierende Parteien, zu einer kongruenten Definition der Situation gelangen.“ Inwieweit der Einfluß von Rüstungswirtschaft und Militär auf die Sicherheitpolitik eingegrenzt werden kann hängt in Zukunft von der zunehmenden Demokratisierung dieses Sachbereichs und der Ausdehnung der Entscheidungsbefugnisse der Parlamente ab.
3.2 Der erweiterte Sicherheitsbegriff
Sicherheit zwischen den Staaten umfaßt heute auch die zwischenstaatliche Kooperation in Wirtschaft, Diplomatie und Politik. Die Prosperität wird in Zukunft aber vermehrt von der „Offenheit der Staaten“ gegenüber dem internationalen System abhängen. Deshalb gehen wir heute von einem erweiterten Sicherheitsbegriff aus. Das bedeutet, daß sich das Verständnis von Sicherheit nicht grundlegend gewandelt hat, trotzdem ist eine Anpassung der Sicherheitspolitik an die jetzige Weltlage mit den exemplarischen Begriffen Globalisierung, Regionalisierung und Interdependenz (als Antwort der realistischen Schule auf die Integrationstheorie) erforderlich.
„Um der Welt des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden, muß [die Sicherheitspolitik] den Prozeß der Globalisierung nachholen, ihren Inhalt und ihre Instrumente radikal erweitern und diversifizieren.“ Ziel muß werden „(...) von der nationalen Interessenpolitik der vergangenen Jahrhunderte in eine Ära globaler Verantwortungspolitik [zu] gelangen.“ Die Angriffspunkte liegen somit nicht mehr in eindeutig nationalstaatlichen Territorien, sondern, unter anderem durch Globalisierung der Kommunikation, den zunehmenden Umweltgefahren und der Waffenproliferation, in zwischenstaatlichen Bereichen oder in der Zuständigkeit sowohl staatlicher als auch nichtstaatlicher internationaler Organisationen. Durch den Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa stehen uns eine Vielzahl von Staaten gegenüber, die heruntergewirtschaftet sind, mit Korruption zu kämpfen haben und eine massive Verarmung der städtischen Bevölkerung aufweisen. Das Sicherheitsdefizit und die Unübersichtlichkeit der demokratischen Strukturen macht es den westlichen Industriestaaten schwer, die etwaige Bedrohung in Osteuropa untergetauchter Terroristen einzuschätzen.
Zu dieser Problematik kommt außerdem hinzu, daß die Anzahl der an internationalen Organisationen beteiligten Staaten zugenommen hat. Durch den Zusammenbruch des Ostblocks und der UdSSR sind eine Vielzahl von Staaten hinzugekommen, die es den zwischenstaatlichen Organisationen in Zukunft erschweren werden, Kompromisse und Entscheidungen zu finden. Schließlich bedeutet eine Vielzahl von Staaten eine Vielzahl von nationalstaatlichen Interessen, die sich möglicherweise gegen Entscheidungen zur Souveränitätsbeschneidung stellen. Demgegenüber steht das Bedürfnis, möglichst alle Staaten in einer internationalen Organisation zu vereinen, um wirkungsvoll handeln zu können. Des weiteren ist erwähnenswert, daß alle Prozesse, die mit den Umwälzungen zwischen 1989 und 1991 begannen, noch nicht abgeschlossen sind. Die europäische Gemeinschaft wird mit ihrer Osterweiterung zusätzlich eine Palette neuer Probleme aufnehmen, die in der Vergangenheit in Westeuropa bereits überwunden wurde, dazu gehören Umwelt- und Sozialprobleme, Re-Nationalisierung, fehlendes Demokratieverständnis und Autonomieforderungen von Minderheiten.
Während die Bedrohung des traditionellen Sicherheitsbegriffs auf ein externes Bündnis oder einen anderen Staat abzielte, sollte ein erweitertes Verständnis von Sicherheit unter anderem auch die internen Probleme der Legitimation, Politikfähigkeit und Integration einbeziehen. Eine besondere Herausforderung stellt die Regionalisierung dar. Hier sind in den letzten Jahren unterschiedlichste Formen von Zerfallserscheinungen und regionalen Zusammenschlüssen aufgetreten:
Regionalisierung bezeichnet den Prozeß zunehmender oder sich verstetigender Interaktionen, sowohl kooperativer als auch konfrontativer Art, von mindestens zwei Akteuren, die sich territorial auf den selben Raum und funktional auf das gleiche Gut beziehen können. Dieser Vorgang findet innerhalb eines bestimmten Kontextes statt, der integrativer oder desintegrativer Natur sein kann und durch die Handlung der Akteure produziert und transformiert wird. Kooperativ ist eine Regionalisierung, wenn sie durch Zusammenarbeit von Akteuren entsteht; sie ist konfrontativ charakterisiert, wenn ein Konflikt Ursache der Zerfallserscheinungen ist. Integrativ heitßt eine Regionalisierung, wenn ein Gebilde entsteht, das mehr als Summe seiner Elemente ist. Zerfällt ein solches Gebilde liegt ein desintegrativer Vorgang vor.
Grundsätzlich entsteht Regionalisierung durch verstärkte Interaktion einzelner Staaten, oder durch übergeordnete Desintegration. Ist letztere kooperativ, entstehen aus einer Superstruktur wie zum Beispiel der UdSSR kooperative Substrukturen entsprechend der heutigen GUS. Ist Desintegration konfrontativ, entstehen bei dem Zerfall der Superstruktur konfrontative Substrukturen. Als Beispiel kann man hier den konfrontativen Prozeß im zerfallenden Jugoslawien angeben, der angesichts der Kosovo-Krise noch immer nicht beendet scheint. Regionalisierung kann aber auch durch Interaktion von Staaten entstehen. Der Zusammenschluß der EU-Staaten zu einer Superstruktur ist zum Beispiel ein solche integrative, kooperative Region. So eine Superstruktur muß aber nicht ausschließlich durch Kooperation entstehen, sie kann auch integrativ-konfrontativ sein wie die Region des nahen Ostens. Man spricht hier auch von Krisenregionen, in denen zum Beispiel langanhaltende Grenzstreitigkeiten und örtlich begrenzte Rivalitäten auftreten.
Grundsätzlich wird man in Zukunft davon ausgehen müssen, daß das Sicherheitsverständnis sich regionalen Bedingungen anpassen muß. So wird man abwägen, ob der Export westlicher Demokratievorstellungen so problemlos zu realisieren sein wird wie „wirtschaftliche Vertragserfolge“ und ob man Sicherheit möglicherweise mit finanziellen Investitionen in labilen Regionen schneller und nachhaltiger erreicht. Angesichts der politischen Lage in Peru wird weiterhin die Frage sein, ob Regionen, die demokratische Strukturen entwickelt haben diese angesichts andauernder Krisen auch zu halten vermögen.
4 Terrorismus als Bedrohung internationaler
Sicherheit?
Die Frage dieser Arbeit lautet nun: Inwiefern kann Terrorismus die internationale Sicherheit gefährden? Da Terrorismus „nur“ ein „low intensity war“ ist, konnte er nicht einzelnen Staaten als Gegner gegenübergestellt werden, was dazu führte, daß in der Sicherheitspolitik die Bedrohung des Terrorismus nur als Randbemerkung auftauchte und es keine klare Strategie zur Bekämpfung gab. Bestenfalls tauchte Terrorismus als Gefährdungsperzeption der inneren Sicherheit auf, obwohl es schon „(...) eine gestiegene Sensibilität [für Vorfälle] z.B. in Frankreich, Belgien, Italien oder in anderen europäischen Staaten (...)“ gab. Mit dem erweiterten Verständnis von Sicherheit nach dem Ost-West-Konflikt muß man auch die Bedrohung des internationalen Terrorismus dieser Auffassung anpassen. Im Grunde ist dies ein Vorgang, in dem versucht wird, anhand von veränderten Sicherheitsstrukturen Schwachstellen aufzudecken, um erstens auf die Gewaltprävention hinzuarbeiten und zweitens anhand von möglichen Szenarien ein Verständnis von der Komplexität unserer Nationalinteressen im Verhältnis zur internationalen Sicherheit zu erzeugen und darin eingebundene Gefahrenpotentiale herauszuarbeiten.
4.1 Staatsterrorismus-Zukunft des Konflikts?
Durch ökologische, ökonomische, politische und ideologische Polyzentrierung bietet das internationale System viele Angriffspunkte. Da der internationale Terrorismus die Schwelle zum offenen Krieg nicht überschreitet und ihm das Merkmal des „low intensity war“ eigen ist, scheint er für einige Staaten die geeignete Chance zu sein, um andere Staaten gerade dort zu schädigen oder zu manipulieren. Dies mag darauf zurückzuführen sein, daß er ein billiges Mittel zur Kriegführung in Anbetracht der Tatsache ist, daß konventionelle Kriege kostspieliger und zerstörerischer geworden sind und die öffentliche Meinung auf die kriegführenden Parteien an Einfluß gewinnt. Außerdem scheinen Länder, die nicht in der Lage sind, mit konventionellen militärischen Mitteln zu drohen, den Terrorismus als Alternative zu betrachten.
Neben diesen Erwägungen spielt letztendlich auch die Möglichkeit, einen anderen Staat zu höheren, kostenintensiveren Sicherheitsaufwendungen zu zwingen, eine Rolle. Alle diese Überlegungen eines den Terrorismus finanzierenden Staates unterstützen im Endeffekt Terroristen und machen es ihnen leichter, was mitunter schwerwiegende Konsequenzen hat: Sämtliche Probleme, die Terroristen bislang zu defensiven, aus dem Untergrund begangenen Anschlägen zwangen, werden beseitigt. Sie werden mit hochentwickeltem Kriegsmaterial, Zufluchtsmöglichkeiten und Geld von Seiten der Staatsterrorismus betreibenden Länder versorgt. Sie können ihren Aktionsradius vergrößern und da für die Terroristen der Zwang, die Bevölkerung für ihre Sache zu gewinnen, also eine Sozialisation zu erzeugen, wegfällt, weil sie schließlich im Auftrag einer Regierung arbeiten, sind sie in einem weiten Maße ungebunden. Deshalb üben sie ihre Anschläge seltener aus, die dann in der Regel zerstörerischer sind. Schließlich gilt es einen Krieg mit anderen Mitteln zu führen, oder ihn zu ersetzen.
Neben der Regionalisierung der Konflikte, dem fast vollständigen Verschwinden zwischenstaatlicher Kriege in interdependenten Weltregionen und dem machtdiffusen Zustand der regionalisierten Welt, wirken auch mit Zunahme innerstaatlicher Konflikte alle Faktoren begünstigend für Staatsterroristische Länder, jedoch ist neben diesen Faktoren auch die Ursache der Interdependenz-die Globalisierung-ein maßgebender Aspekt bei der Betrachtung des durch Staaten gestützten Terrorismus.
Zum Beispiel ist der Iran ein Land, das international agierende terroristische Gruppen schon fast „traditionell“ unterstützt, da er aber wirtschaftliches und außenpolitisches Interesse an der Teilnahme der sich mehr und mehr globalisierenden Welt hegt, wird dieses Interesse unter Umständen nicht praktisch umgesetzt. 21 Jahre nach der islamischen Revolution ist das an Ölressourcen gesegnete Land noch besonders stark von den integrativen radikalislamischen Kräften unter Khamenei beeinflußt, was einen internationalen Orientierungskurs aus innenpolitischer Sicht schon erschwert. Von den westlichen Medien und den USA wird der Iran bis in jüngste Zeit noch als „Schurken-Staat“ angesehen. Trotz des Arrangements Frankreichs (hat Wirtschaftsverträge mit dem Iran abgeschlossen) und Deutschlands (bemüht um Kontakt und Dialog mit der politischen Führung Irans), werden vor allem die USA dem Land weiterhin vorwerfen, die Gelder als Finanzquelle für weitere staatlich unterstützten Terroristenaktionen einzusetzen. Was verständlich ist, weil der Iran auf der einen Seite die Friedensbemühungen zwischen Palästinensern und Israeliten behindert und auf der anderen Seite die USA des öfteren Opfer von Anschlägen auf ihre Botschaftsgebäude in verschiedenen Ländern war. All dies wurde durch Finanzierung diverser Terroristengruppen von Seiten Irans realisiert.
Mit der Wahl Khatamies hat aber „(...) eine lebendige Zivilgesellschaft ihren Wunsch nach demokratischen Rechten und individuellen Freiheiten zum Ausdruck gebracht und eine Reform des politischen Systems von innen heraus angemahnt, indem sie einen relativen ,Außenseiter‘ der islamistischen Staatsklasse ihre Stimme gab.“
Schon Staatspräsident Rafsanjani leitete eine wirtschaftliche Liberalisierung ein und passte sich den Empfehlungen der internationalen Finanzorganisationen an. Heute besitzt der Iran mehrere Freihandelszonen und führt regen Handel mit Dubai und Abchasien. In wie weit der Iran in Zukunft sein Image als Terroristen-unterstützender „Schurken-Staat“ ablegen wird hängt für die westliche Welt einmal vom Bekenntnis zu demokratischen Vorstellungen und außerdem von der Emanzipation der iranischen Regierung, von den Radikalislamisten und Rechtsgelehrten unter der Führung Großajatollah Khameneis ab.
4.2 Gibt es eine Bedrohung durch Nuklearterrorismus
Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts sind eine Reihe von neuen Staaten geneigt, sich nukleare Optionen zu eröffnen, sei es nun auf dem zivilen Sektor der Energiegewinnung oder zur Anschaffung von Atomwaffen. Ein Beleg für diese Tendenz sind die Auseinandersetzungen mit Nordkorea, dem Irak und der indisch-pakistanische Konflikt. Neben diesem Problem sind auch viele Staaten an der friedlichen Nutzung von Kernenergie interessiert. Nun kann man es einem Staat nicht verwehren, seine Energieproduktion zu optimieren, aber für die internationale Sicherheit ergibt sich damit das Problem, daß die dafür benötigte Technologie durch gewisse Modifizierungen auch für die Zündung von Atom- und Wasserstoffbomben genutzt werden kann. Somit gewinnt ein Staat, oder wie in dem von mir betrachteten Fall eine terroristische Gruppe, Zugriff auf ein Gewaltpotential von enormer Bedeutung. Weil der internationale Brennstoffkreislauf von der Gewinnung bis zur Wiederaufbereitung des Urans transnational ist, liegt hier eine besondere Schwachstelle. In der Öffentlichkeit löste das Problem im Sommer 1994 Besorgnis und Furcht aus als in der Presse von Plutoniumschmuggel und Nuklearterrorismus die Rede war. Aber schon 1983 wies Präsident Ronald Reagan auf die Gefahr des Nuklearterrorismus im Rahmen der Strategischen Verteidigungsinitiative hin. Präsident Clinton begründete mit der latenten Gefahr des Nuklearterrorismus das Konzept der „Counterproliferation“, die die traditionelle „Nonproliferationspolitik ergänzen sollte.
Bei der Gefahr des Nuklearterrorismus handelt es sich um ein „High Risk-Low Probility“- Szenario. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist in diesem gedachten Fall eher gering, die Konsequenzen aber sind gravierend. Diese Einschätzung erklärt auch die große Resonanz in den Medien und der Bevölkerung. Zunächst gilt es, die begriffliche Weite dieses Schlagwortes Nuklearterrorismus aufzuzeigen. Demnach kann sich die Gewalt entweder auf Einsatz oder Mißbrauch der Nuklearenergie beziehen, die durch Zündung einer Nuklearwaffe oder beabsichtigte Vestrahlung einer Person oder eines Areals durch radioaktiv strahlende Substanzen erreicht werden. Der nukleare Aspekt kann aber auch Ziel der terroristischen Aktion (Atomreaktoren) sein.
Allerdings hat bis heute noch keine Gruppe oder Einzelperson, geschweige denn eine terroristischen Vereinigung eine „Nuklearfähigkeit“ erlangt, indem sie eine Waffe stahl oder selbst konstruierte. Die Annahme Nuklearterrorismus könne Realität werden, beruht meist auf ungeprüften Grundannahmen und übernommenen Überzeugungen. Deshalb sind zwei Fragen der Aufklärung des Phänomens dienlich: 1. Wollen Terroristen über Kernwaffen verfügen? 2.
Können sie über Atomwaffen verfügen? Sind Terroristen also in der Lage Kernwaffen zur Verwirklichung ihrer Forderungen zu beschaffen, indem sie sie fertigen oder entwenden? Tatsächlich haben Terroristen bis heute nicht versucht, in den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen. Obwohl ihnen ein hohes Maß an Gewalt zuzutrauen wäre und das Vertrauen in die Legitimation ihres Handelns, besonders bei dem religiös-terroristischen Gruppen, sehr hoch ist, erstreckt sich diese Gewaltbereitschaft nicht auf Massenvernichtungsmittel. Aktionen mit außergewöhnlich vielen Todesopfern sind selbst bei „konventionellen“ Anschlägen (z.B. Absturz der Pan Am über Lockerbie, Saringaseinsatz in der U-Bahn Tokios) selten, wenn man bedenkt, daß auch mit einfacheren Mitteln eine hohe Opferzahl erreicht werden kann (z.B. Vergiftung von Grund- oder Trinkwasser). Dieses Verhalten würde besonders gegen die Gewohnheiten von ideologisch-politisch oder separatistisch-nationalistisch motivierten Terroristen sprechen, die mit dem Einsatz von Gewalt in erster Linie Aufmerksamkeit und Solidarisierung erzeugen wollen und primär keine hohe Opferzahl anstreben. Zur Beantwortung der zweiten Frage kann man gegen der verbreiteten Meinung, Atomwaffen seien heute angesichts des Nuklearschmuggels und der bekannten Konstruktionspläne leicht herzustellen, das Argument angeben, daß eine Reihe von Staaten trotz erheblichem Aufwands es nicht geschafft haben eigenständig Nuklearwaffen zu produzieren. Der Irak versuchte nahezu zwanzig Jahre lang funktionsfähige Kernwaffen zu produzieren, scheiterte aber trotzdem das Land Atomexperten aus westlichen Industriestaaten rekrutierte. Da bei dem Einsatz von Plutonium bei einer Bombenkonstruktion kompliziertestes technisches „Know- how“ und Technik aus dem militärischen Sektor erforderlich sind, kann man nahezu ausschließen, daß geschmuggeltes Plutonium Verwendung bei Waffenkonstruktionen finden könnte. Außerdem sind die Mengen von Uran 235, das den Bau einer Atomwaffe enorm erleichtern würde, so hoch, daß ein Schmuggel im internationalen Bereich angesichts der Sicherheitsmaßnahmen ausgeschlossen werden kann.
Staatlich geförderter Nuklearterrorismus ist unwahrscheinlich, weil ein Staat prinzipiell niemals einer Gruppe den Zugang zu einer Waffe ermöglichen würde, die das Potential besitzt, ihn selbst zu zerstören. Selbst Proliferationswege aus der ehemaligen UdSSR sind unwahrscheinlich, da das Land die Gefahr für die eigene Sicherheit, jedoch in Anbetracht seiner Verantwortung gegenüber anderen Staaten auch die Sicherheit Westeuropas, realisiert hat und alle nötigen finanziellen Ressourcen in die Nuklearstreitkräfte leitet. Da Russland Nuklearmacht ist, wird es die Nuklearsprengköpfe als Faktor seiner „Machtgarantie“ ausreichend kontrollieren. Am realistischsten scheint die Möglichkeit, daß Terroristen sich Zugang zu Nuklearmaterial verschaffen, welches in den ehemaligen Teilrepubliken der UdSSR stationiert oder gelagert wurde.
Grundsätzlich muß jedoch angenommen werden, daß radioaktives Material wie auch chemische oder biologische Kampfstoffe vereinzelt eingesetzt werden. Vor allem einmal als wirksames Drohmittel, denn man kann die Gefahr einer unverhältnismäßigen Zerstörungskraft nicht leichtsinnig als Drohung „verwirrte[r] Einzeltäter“ abtun. Des weiteren ist es möglich, daß vor allem kleinere Mengen, etwa zur gezielten Verstrahlung von Menschen oder zur Vergiftung eines abgegrenzten Gebietes, zum Einsatz kommen (Einsatz von Saringas in der Tokioter U-Bahn).
Auf jeden Fall wird es in Zukunft erforderlich sein, dem Nuklearterrorismus mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Dies ließe sich vorerst lapidar mit der Tatsache begründen, daß das Szenario zu fatal wäre, als daß man beispielsweise an dieser Stelle Gelder für präventive Maßnahmen einspart. Wenn man bedenkt, daß Massenvernichtungswaffen es Terroristen erstmals ermöglichten, einen souveränen Staat empfindlich und wirksam zu treffen, sollte es angesichts der langen Wirkungsdauer internationales Sicherheitsinteresse sein, präventive Maßnahmen zur Eindämmung der unkontrollierten Verbreitung von Kernwaffen einzuleiten. Abrüstungshilfe, „Know-how“-Transfer, westliche Finanzhilfen und Maßnahmen zur Reaktorsicherheit könnten erste Schritte sein. Die USA haben bereits reaktive Schritte eingeleitet, also Maßnahmen ergriffen die einen Einsatz bei klaren Indikatoren ermöglichen.
Diese „Nuclear Emergency Search Teams“ könnte auch bei Reaktorunfällen eingesetz werden und unterstehen dem amerikanischen Energieministerium.
Somit muß es Interesse werden, daß plötzlicher Aktivismus vermieden wird und die Gefahr als solche schon im Voraus und langfristig einkalkuliert werden kann.
5 Fazit
Internationaler Terrorismus kann heute mehr denn je die internationale Sicherheit bedrohen. Zumindest gibt es genügend Schwachstellen im internationalen System, die von Terroristen ausgenutzt werden könnten. Man könnte sagen, daß mit der fortschreitenden Entwicklung internationaler Terrorismus an sich unwahrscheinlicher wird, die Ausmaße der Zerstörung und die vielfältigen Angriffspunkte lassen aber zur Vorsicht und Prävention raten. Terrorismus wird sich durch nationale oder internationale Militärmaßnahmen wohl kaum wirkungsvoll bekämpfen lassen, da es erstens keinen internationalen Terrorismus eigener Qualität gibt und sich zweitens Terroristen dem Zugriff entziehen, so daß ein Zugriff auf ein Asylgeberland als Einmischung in seine Souveränität gewertet werden kann und Krieg provoziert. In Zukunft wird sich zeigen in wie weit der religiös-fundamentalistische Terrorismus an Schlagkraft hinzugewinnt und ob der sozial-revolutionäre, mit anderen Worten der politisch motivierte, Terrorismus gänzlich verschwindet. Zu erwarten ist außerdem eine Zunahme des ethnisch-nationalen Terrorismus. Letzterer könnte im Extremfall sogar in Europa an Schlagkraft gewinnen, wenn man angesichts der konfrontativen Regionalisierung im Balkanraum in Betracht zieht, daß sich das Ethnienproblem nicht ohne weiteres lösen läßt. In diesem Fall muß sich Europa eventuell eingestehen, daß ungelöste Konflikte in der Balkanregion auf die „Konfliktmanager“ zurückschlagen könnten. Es dürfte also im Sicherheitsinteresse Europas sein, gerade diesen Konfliktherd weiterhin zu befrieden, insbesondere, weil er vor der „Haustür“ stattfindet. Angesichts der Krise in Tschetschenien könnte man mitähnlichen Aktionen in Russland rechnen, sollte der Kaukasus unter Umständen sogar unter russischer Hegemonie befriedigt werden.
Will man mittelfristig den Terrorismus auch aus rechtlicher Position wirkungsvoll bekämpfen, ist es sinnvoll terroristische Gewaltakte, die als Straftaten des nationalen Rechts gelten, einer höheren, internationalen Institution zu übergeben. Der Prozeß zur Schuldklärung des Lockerbie-Attentats ist demgegenüber nur ein Provisorium. Wenn es so kompliziert sein sollte, Terroristen vor Gericht zu stellen, ist es zwingend notwendig, einen internationalen Gerichtshof zu etablieren. Ziel muß es sein, einen Konsens zu finden. Einen Konsens sowohl über die Bedrohung der internationalen Sicherheit als auch über die Entlassung und Rauslösung von Nationalstaaten als Akteure internationaler Tragweite. Auch das Asylrecht könnte einer harten Probe unterstellt werden, wenn es darum geht, Terroristen auszuliefern, die einen diktatorischen Staat bekämpfen. Somit steht Asylrecht contra Auslieferung von Terroristen. Es bedarf also eindeutiger Rechtsvorschriften im internationalen Rahmen, doch denen muß ein Minimalkonsens vorausgehen, der es ermöglicht Terrorismus international als strafbar zu erklären.
Am ehesten lassen sich noch bilaterale Vereinbarungen unter Staaten verwirklichen, die eineähnliche Verfassung,ähnliche Normen und einähnliches Ziel bezüglich der Wahrung ihrer Sicherheit haben. Solche Vereinbarungen sind zum Beispiel zwischen Frankreich und Spanien bezüglich des ETA-Terrorismus realisiert worden.
In Zukunft wird die Weltaufteilung in erste, zweite und dritte noch eine Rolle bei der Entstehung von terroristischen Organisationen spielen. Fatal wird dieser Fakt, wenn diese Trennlinie nebenbei Religionszugehörigkeit und Ethnienzugehörigkeit einbezieht, dieses sind Potentiale die verständlicherweise Gewalt als letztes Mittel der Aufmerksamkeit hervorrufen. Dagegen können aber insbesondere die westlichen Industriestaaten vorgehen, indem sie mit Investitionen bestimmte Regionen fördern, die für den Westen selbst eine Gefahr darstellen.
Terrorismusbekämpfung ist nicht, wie etwa in den siebziger Jahren in Deutschland, durch verstärkte Präsenz der Staatsmacht und durch das Beschneiden der Bürgerrechte realisierbar. Um effektiv zu handeln, muß den Staaten in Zukunft klar werden, was ihnen die Legitimation durch die eigene Bevölkerung bedeutet, die es ja im Endeffekt zu schützen gilt. In ihrem Interesse handelt der einzelne Staat. Pflicht eines jeden Staates und jeder internationalen Superstruktur ist es, somit präventiv zu handeln um den Schutz der Sicherheit zu gewährleisten.
6 Literatur:
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Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.1.1999.
Süddeutsche Zeitung vom 19.06.2000.
< http://www.archiv.ZEIT.de/daten/pages/199947.putin.html> am 14.04.2000.
- Arbeit zitieren
- Kristian Grau (Autor:in), 2000, Internationaler Terrorismus Bedrohung der internationalen Sicherheit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97013
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