In einer zertrümmerten Nachkriegswelt, in der die Schatten der Vergangenheit noch allgegenwärtig sind, irrt Beckmann, ein aus sibirischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrter Soldat, umher, auf der Suche nach einem Zuhause, das es für ihn nicht mehr gibt. Wolfgang Borcherts erschütterndes Drama "Draußen vor der Tür" ist ein eindringliches Zeugnis der Verlorenheit und Entwurzelung einer ganzen Generation. Beckmann, gezeichnet von den Grauen des Krieges und traumatisiert von der Gleichgültigkeit der Nachkriegsgesellschaft, findet sich als Fremder im eigenen Land wieder. Seine Versuche, in der Trümmerlandschaft Fuß zu fassen, scheitern an der kalten Ablehnung derer, die die Vergangenheit lieber vergessen würden. Der Oberst, der ihm im Krieg die Verantwortung für den Tod seiner Kameraden übertrug, lacht ihn aus; der Kabarettdirektor will von der Wahrheit nichts wissen und Frau Kramer, die neue Bewohnerin seines Elternhauses, konfrontiert ihn mit dem Selbstmord seiner Eltern. Verzweifelt sucht Beckmann nach Schuldigen und nach Sinn, konfrontiert mit seiner eigenen Schuld und der kollektiven Verantwortung einer Nation. Begleitet von "dem Anderen", einer Stimme der Hoffnung und des Optimismus, ringt Beckmann mit dem Leben und dem Tod, mit der Frage nach der Existenz Gottes und der Möglichkeit der Vergebung. "Draußen vor der Tür" ist ein erschütterndes Plädoyer gegen den Krieg, gegen die Verdrängung und für die Menschlichkeit, ein zeitloses Mahnmal, das bis heute nichts von seiner Aktualität verloren hat. Borcherts Werk ist ein Schlüssel zur Aufarbeitung der deutschen Nachkriegszeit, ein Spiegelbild der seelischen Narben, die der Zweite Weltkrieg hinterlassen hat. Es ist eine Geschichte über Schuld, Verantwortung, Vergebung und die schwere Suche nach einem Platz in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Ein bewegendes Stück Literaturgeschichte, das zum Nachdenken anregt und die Frage aufwirft: Wer trägt die Verantwortung für die Toten und die Lebenden in einer zerstörten Welt? Borchert zeichnet ein beklemmendes Bild der deutschen "Stunde Null", in dem die Heimkehrer vor den Trümmern ihrer Existenz stehen und nach einem Sinn suchen, während die Gesellschaft um sie herum versucht, die Vergangenheit zu vergessen und eine neue Zukunft aufzubauen. "Draußen vor der Tür" ist mehr als nur ein Drama, es ist ein poetisches Requiem für eine verlorene Generation und ein dringender Appell für Frieden und Versöhnung.
Zum Autor:
Wolfgang Borchert wurde am 20. Mai 1921 in Hamburg geboren. Sein Vater, Fritz Borchert, war Lehrer, seine Mutter, Hertha Borchert, eine in Norddeutschland schon damals recht bekannte Schriftstellerin. Gezwungenermaßen tritt er eine Buchhändlerlehre an. Parallel hierzu nimmt er jedoch Schauspielunterricht. 19-jährig stellt er sich der Schauspielabschlussprüfung, besteht sie, gibt die Buchhändlerlehre auf und schließt sich ab März 1941 der Landesbühne Osthannover - einem Wandertheater - an. Nach viermonatigem Engagement muss er Bühnenbretter gegen Panzergräben eintauschen: Im Juli 1941 tritt er als Panzergrenadier seinen Wehrdienst in einer Nachrichtenersatzabteilung in Weimar - Lützendorf an. Drill und Demütigungen der Militaristen, aber auch Denunziationen und Despotie im faschistischen Staat treiben ihn rasch als erklärten Regimegegner in die Oppositionsrolle. Die unmittelbare Nachbarschaft des Konzentrationslagers Buchenwald trägt ihr übriges hierzu bei. Im November 1941 erhält Borchert seinen Marschbefehl an die Ostfront. Bei Königsberg (Kalinin) besteht er im Dezember seinen ersten Einsatz. Zu Beginn des Jahres 1942 erkrankt er (zum erstenmal) an Gelbsucht und erleidet eine Handverletzung. Überführung in ein Lazarett in Schwabach. Dort wird Borchert im Mai festgenommen und nach dreimonatiger Untersuchungs- und Einzelhaft in Nürnberg vor Gericht gestellt. Der Antrag lautet auf Tod durch Erschießen wegen des dringenden Verdachts auf Selbstverstümmelung. Nach einem Freispruch erneute Verhaftung. Diesmal lautet der Vorwurf, Borchert habe sich „mündlich und schriftlich negativ gegen Staat und Partei“ geäußert, des weiteren habe er sich der „Zersetzung der Wehrkraft“ schuldig gemacht. Bemerkungen, wie: „Meine Kameraden, die vor vierzehn Tagen herausgekommen sind, sind alle gefallen. Für nichts und wieder nichts. Ich empfinde die Kasernen als Zwingburgen des Dritten Reiches. Ich fühle mich selbst als wesenlosen Kuli der braunen Soldateska.“ bringen ihm vier Monate Gefängnis, anschließend sechs Wochen verschärfte Haft mit nachfolgender Frontbewährung ein. Als Waffenloser nimmt er ab Dezember 1942 in den Kämpfen um Tropez Melder-Aufgaben war. Fußerfrierungen und erneute Gelbsuchtanfälle zwingen ihn im Januar 1943 ins Seuchenlazarett Smolensk. Nach zwei Monaten ist er transportfähig und kann heimatnahe auf deutschem Boden weiterbehandelt werden. Einen Heimaturlaub im September nutzt er für kabarettistische Auftritte im Hamburger Bronzekeller. Kurzzeitig kehrt er in seine Garnison nach Jena zurück und verrichtet seinen Wehrdienst in einer Durchgangskompanie Kassel - Wilhelmshöhe. Wegen nachhaltiger Dienstunfähigkeit beabsichtigen seine Vorgesetzten, Borchert aus dem aktiven Kriegsdienst zu entlassen und ihn zur moralischen Unterstützung der kämpfenden Truppe im Fronttheater einzusetzen. Er feiert seine Entlassung in der Hindenburg Kaserne mit dem Vortrag einer Goebbels - Parodie. Dieses bleibt (erwartungsgemäß!?) jedoch nicht ohne Folgen. Einen Tag vor seiner Entlassung hat die allgegenwärtige Denunziation wieder einmal zugeschlagen. Grund: Seine politischen Witze. 1944 sitzt Wolfgang Borchert fast neun Monate ohne Verurteilung im Gefängnis Berlin - Moabit. Seine Entlassung im September verbindet das Gericht in seinem Urteil mit der Auflage „Feindbewährung“. Die Zeit bis zu diesem Einsatz verbringt er in Jena. 1945 gerät er bei Frankfurt am Main in die Hände französischer Einheiten. Während des Transportes in die Kriegsgefangenschaft nach Frankreich gelingt ihm die Flucht. In einem 600-km-Marsch entlang der Frontlinie wandert er in Richtung Norden und kommt am 10. Mai schwerkrank in Hamburg an. Ab September 1945 tritt er wieder in einem Kabarett auf, im „Janmaaten im Hafen“, und wird Mitbegründer des Theaters „Die Komödie“. Nebenbei arbeitet er im November als Regieassistent für eine Inszenierung von „Nathan der Weise“ am Hamburger Schauspielhaus. Im Dezember verschlimmert sich sein Krankheitszustand akut. Von Jahresbeginn 1946 an bis Ostern hält der inzwischen unheilbar kranke Borchert sich im Krankenhaus auf und entfaltet dort hektische schriftstellerische Aktivitäten. In rascher Folge entstehen fünf Erzählungen und Prosaskizzen, darunter auch „Die Hundeblume“, eine psychologische Studie aus dem Zellenalltag. Neben der Aufarbeitung seiner Erfahrungen während der Haft sind auch die Situation des Heimkehrers, dessen Sichtweise in der Szenerie der Trümmerlandschaft und die „Stunde Null“ wichtige Themen für Borchert. In Form von Kurzgeschichten und knappen Porträts bis hin zur szenischen Darstellung im Stück „Draußen vor der Tür“ bearbeitet er diesen Problemkreis. Ab Ostern ist Borchert wieder zu Hause. Es bleibt ihm laut Aussage der Ärzte nur noch ein Jahr zu leben. Bis Ende 1946 sind insgesamt 24 Prosastücke entstanden, außerdem erscheint eine Sammlung von Gedichten aus den Jahren 1940- 1945 mit dem Titel „Laternen, Nacht und Sterne“. Im Herbst (oder frühen Winter) 1946 entsteht „Draußen vor der Tür“. Schon nach kurzer Zeit, am 13. Februar 1947, wird das Werk in einer Hörspielfassung des Norddeutschen Rundfunks Hamburg gesendet. Das Stück entstand in nur ca. 7 Tagen. Borcherts Untertitel zu dem Drama „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“ entsprach bei weitem nicht der Realität, denn die Resonanz nach der Übertragung war überwältigend. „Draußen vor der Tür“ und die meisten seiner weiteren Werke handeln vom Elend der Hungernden und der Kriegskrüppel, von Heimkehrern und Heimatlosen. Am 22. September 1947 bricht Wolfgang Borchert zu einem längeren Kuraufenthalt nach Basel auf, den seine Freunde ihm ermöglicht haben. Im Oktober verfaßt er hier sein berühmtes Manifest „Dann gibt es nur eins!“, ein Appell gegen Krieg, Rüstung und für das Leben. Am 20. November 1947 stirbt Wolfgang Borchert im Alter von 26 Jahren in Basel. Einen Tag nach seinem Tod wird das Drama „Draußen vor der Tür“ in den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt.
INHALT:
Wolfgang Borchert schrieb dieses Drama im Spätherbst 1946in wenigen Tagen. Als Hörspiel wurde es am 13. Februar 1947 erstmals vom Nordwestdeutschen Rundfunk gebracht. Die Sendung wurde mehrmals wiederholt und auch von anderen deutschen Sendern übernommen. Als Bühnenstück erlebte es seine Uraufführung in der Inszenierung Wolfgang Liebeneiners am 21. November 1947, einen Tag nach dem Tode des Dichters, in den Hamburger Kammerspielen. Fast alle bedeutenden deutschen Bühnen haben das Stück in ihren Spielplan aufgenommen. Verfilmt wurde es unter dem Titel „Liebe 47“, Regie Wolfgang Liebeneiner. Außerdem wurde es in mehrere europäische Sprachen übersetzt. Als Buch erschien es im November 1947 im Rowohlt Verlag.
Das Stück erzählt die Geschichte des Rußlandheimkehrers Beckmann, der nach drei Jahren sibirischer Gefangenschaft seine Frau in den Armen eines anderen findet. Er ist, wie es in der Vorbemerkung heißt, „einer von denen, die nach Hause kommen und die dann doch nicht nach Hause kommen, weil für sie kein Zuhause mehr da ist. Und ihr Zuhause ist dann draußen vor der Tür. Ihr Deutschland ist draußen, nachts im Regen, auf der Straße. Das ist ihr Deutschland.“ Beckmann, der Heimkehrer mit dem steifen Knie und der grotesken Gasmaskenbrille, beschließt, seinem Leben ein Ende zu machen. Doch die Elbe will ihn nicht; bei Blankenese wirft sie ihn wieder ans Ufer. Noch einmal muss er versuchen, im Leben Fuß zu fassen. Aber seine Versuche schlagen fehl. Eine Frau nimmt ihn mit und schenkt ihm die Kleider ihres verschollenen Mannes - da kehrt dieser, einbeinig und auf Krücken, zurück. Beckmann sucht seinen ehemaligen Oberst auf, um ihm „die Verantwortung zurückzugeben“, die ihm jener im Krieg für einen Spähtrupp aufgeladen hat und deren Folgen ihn heute nicht mehr schlafen lassen - aber der Oberst lacht ihn aus. Ein Kabarettdirektor, bei dem er nun mit tristen Liedern vom Leiden des Krieges Arbeit sucht, speist ihn mit Phrasen ab - „Positiv! Positiv, mein Lieber! Denken Sie an Goethe! Denken Sie an Mozart! Die Jungfrau von Orleans, Richard Wagner, Schmeling, Shirle Temple!“ - und schickt ihn weg - denn „wer will heute etwas von der Wahrheit wissen?“ An der Wohnungstüre seiner Eltern öffnet eine Frau Kramer und erzählt ihm, dass die beiden Alten sich inzwischen das Leben genommen haben. Beckmann will endgültig aufgeben: seine Straße führt hinunter, wieder der Elbe zu. „Der Andere“, eine Art lebensbejahendes, optimistisches Ego, das ihn auch auf seinen bisherigen Lebensstationen begleitet hat, versucht vergebens, ihn zur Umkehr zu bewegen. In einem Traum begegnet er einem weinerlichen alten Mann, dem „lieben Gott“, den er mit sarkastischem Mitleid seiner Wege schickt, und, in Gestalt eines Straßenkehrers, dem Tod, den er bittet, eine Tür für ihn offenzuhalten; auch seine „Mörder“ erscheinen ihm noch einmal, der Oberst, der Direktor, Frau Kramer, seine Frau mit ihrem neuen Freund; am Ende kommt der Einbeinige, um seinerseits von Beckmann Rechenschaft zu fordern - er ist in die Elbe gegangen, und so ist Beckmann ebenfalls zum Mörder geworden. Als er aus dem Traum erwacht, muss er erkennen, dass er kein Recht auf einen Selbstmord hat, dass er allein weiterleben muss, verraten, wie er ist: keiner hört ihn, keiner gibt ihm mehr Antwort.
Interpretation:
Das Buch „Draußen vor der Tür“ beginnt mit einer Vorbemerkung; „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will“. Wolfgang Borchert hielt an dieser Vorbemerkung fest, obwohl das Bühnenstück auf fast allen Bühnen Deutschlands aufgeführt wurde. Er begründete diese Widersprüchlichkeit einer Baseler Presseagentur so: „Dass eine Reihe von Bühnen mein Stück aufführt ist reine Verlegenheit - was sollen sie sonst tun? (Außerdem will es kein Intendant mit Vater Rowohlt verderben - das ist alles). Denn mein Stück ist nur Plakat, morgen sieht es keiner mehr an.“ Mit dem ursprünglichen Titel „Ein Mann kommt nach Hause“ leitet Wolfgang Borchert die Vorrede ein und verwendet den ursprünglichen Titel in der Mitte der Vorrede noch einmal. Mit dem letzten Satz in der Vorrede „Das ist ihr Deutschland“ unterstreicht Borchert den ursprünglichen Titel, dass es ihm nicht um ein „allgemeinmenschliches“ Thema sondern um die „Situation in Deutschland geht“. Für Borchert war das Wort „Deutschland“ ein mit zwiespältigen Gefühlen behafteter Begriff. „So lange an Deutschlands Grenzen Paraden marschieren und nationale Sicherheit gefordert werden“ wollte er nicht über das Militär und den Nationalsozialismus diskutieren und „So lange die Zigarettenstummel fremder Militärmächte auf der Straße liegen“ wollte er nicht über Demokratie und persönliche Freiheit sprechen. Die Vorrede Borcherts kündigt einen Mann an, der sich innerlich und äußerlich verändert und eine vollkommene veränderte Heimat wiederfindet.
„Vorspiel“ und „Der Traum“:
Das Buch von Borchert fängt nicht mit der ersten Szene an, sondern Borchert lässt sein Stück mit einem "Vorspiel" und einem Traum beginnen. „Draußen vor der Tür“ ist ein Stationendrama. Im Stationendrama ist der Held, dessen Entwicklung es schildert, von Gestalten, die er an den Stationen seines Weges antrifft, aufs deutlichste abgehoben. Sie erscheinen, indem sie nur in seinem Zusammentreffen mit ihnen auftreten, in seiner Perspektive und so auf ihn bezogen. Und da den Grund des Stationendramas nicht eine Vielzahl von einander weitgehend gleichgestellten Personen, sondern das eine zentrale Ich bildet, sein Raum also kein a priori dialogischer ist, verliert auch der Monolog hier den Ausnahmecharakter, den er im Drama notwendig besitzt. Damit ist aber die unbegrenzte Eröffnung seines „verborgenen Seelenlebens“ allererst formal begründet. In der Konsequenz der subjektiven Dramatik liegt ferner, dass die Einheit der Handlung durch die Einheit des Ich ersetzt wird. Dem trägt die Stationentechnik Rechnung, indem sie das Handlungskontinuum in eine Szenenfolge auflöst. Die einzelnen Szenen stehen hier in keinem kausalen Bezug, bringen einander nicht, wie im Drama, selber hervor. Vielmehr erscheinen sie als isolierte Steine, aufgereiht am Faden des fortschreitenden Ich. Die dramatische Szene schöpft ihre Dynamik aus der zwischenmenschlichen Dialektik, sie wird vorwärtsgetrieben dank dem futuristischen Moment das dieser innewohnt. In der Szene des Stationendramas hingegen entsteht keine Wechselbeziehung, der Held trifft zwar auf Menschen, aber sie bleiben ihm fremd. Damit wird die Möglichkeit des Dialoges selbst in Frage gestellt.
Der Zusammenhang des Stationendramas „Draußen vor der Tür“ wird nur durch die Gestalt Beckmanns gewährleistet. Beckmann selbst ist - bis auf das Vorspiel - , das aus einem Dialog zwischen Gott und Tod als Beerdigungsunternehmer besteht, nicht existent, lediglich sein Selbstmordversuch ist Anlass zu dieser Diskussion. Beckmann wird im Vorspiel vielmehr in den Zusammenhang mit der Situation der damaligen Zeit gestellt, verdeutlicht am Beispiel, dass der einzelne Mensch nichts zähle „Ein Mensch stirbt. Und? Nichts weiter.?, oder „Wie die Fliegen kleben die Toten an den Wänden dieses Jahrhunderts“, eine Anspielung auf die beiden Weltkriege, die Millionen von Todesopfern forderten. Im „Der Traum“ ändert sich, nach den Regieanweisungen die Stimmung von einer eher bedrohlichen in eine eher friedliche. Statt bisher: „Der Wind stöhnt. Die Elbe schwappt gegen die Pontons „ heißt es später: „In der Elbe. Eintöniges Klatschen kleiner Wellen. Die Elbe.“. Auch sprachlich ändert sich die Atmosphäre. Die Elbe - vorher ein dunkler Fluß - wird zu einem gutmütigen und bestimmenden Wesen, denn die Elbe wollte Beckmanns „armseliges bißchen Leben nicht“ und akzeptierte so den Tod nicht. Auch verlangte sie einen individuellen Tod; deshalb waren Beckmanns Gründe nicht ausreichend. „Die Hose sollte man dir strammziehen, Kleiner, jawohl! Auch wenn du sechs Jahre Soldat warst. Alle waren das. Und die hinken alle irgendwo.“
1. Szene:
Die erste Szene ist eine konkrete, realistische Wiederholung des „Traumes“ und „Vorspiels“, welche von der Identifikation des Helden mit Soldatentum, Stalingrad, Verwundung und Selbstmordversuch handelt. Der Dialog in der ersten Szene zwischen Beckmann und dem Anderen zeigt ,dass Beckmann eine negative und der Andere eine eher positive Orientierung besitzt. Der Andere, der „Jasager“ gilt als der „Antreibende, der Heimliche, Unbequeme“ und „Ich bin Optimist, der an den Bösen das Gute sieht und die Lampen in der Finsternis“. Beckmann dagegen der „Neinsager“ versucht, mit dem „Nein“ dem Tod zu entsprechen; sein Gegenspieler „Der Andere“ mit seinem „Ja“ hingegen, dem „Weitermachen“. Am Ende der Szene scheint Beckmanns Leiden vorüber zu sein, denn Beckmann, dem Kriegskrüppel, bietet ein Mädchen jetzt ein neues Zuhause. Dieses Angebot entstand gerade weil er „so häßlich und bescheiden“ ist und eine „so hoffnungslose, traurige Stimme“ hat. „Such dir ein anderes Bett, wenn deins besetzt ist“, hatte die Elbe gesagt. Die Möglichkeit war Beckmann hier geboten. Doch nicht nur die Enttäuschung, die ihm seine Frau zugefügt hatte, war Grund für den Selbstmordversuch, sondern auch: „Das Bein, das Bett, das Brot“ und die Trümmer - das tote Kind.
2. Szene:
Die erste und die zweite Szene sind durch die Begegnungen mit „dem Anderen“, der am Anfang der ersten Szene und am Ende der zweiten Szene auftritt, als Rahmen angelegt. Mit Beginn der zweiten scheint für Beckmann ein Weg aus der aussichtslosen Situation gefunden zu sein, denn das Mädchen „fröhlich, nicht hart“ und „herzlich“ kümmert sich um Beckmann wie eine Mutter. Sie nimmt ihn mit „legt“ ihn „trocken“. Als das Mädchen Beckmanns Gasmaskenbrille abnimmt löscht sie zugleich seine Soldatenexistenz aus. Mit diesem Verlust der Existenz und ohne Aussicht auf eine neue sieht Beckmann „alles nur noch ganz verschwommen“ und sieht fast „nichts mehr“, selbst das Mädchen, welches vorher ganz nah war ist „mit einmal ganz weit weg“. Der Kommentar Beckmanns, „Vielleicht bin ich ein auch ein Gespenst. Eins von gestern, das heute keiner mehr sehen will.“ zeigt, die Weigerung Beckmanns mit dem Ablegen der alten Sachen die Vergangenheit auszulöschen. Nachdem Beckmann von dem Mädchen eingekleidet wurde, sieht er sich auf einmal als schuldig Unschuldiger, denn er sitzt in den Kleidern eines anderen neben dessen Frau. Einen Tag zuvor war Beckmann in der gleichen Situation, nur am Vortag war er das Opfer. Dieser „Andere“ - Traum, Vision, Realität werden ununterscheidbar - tritt geisterhaft auf, einbeinig, auf Krücken. Beckmann erkennt die Ähnlichkeit der Situation „Das habe ich gestern nacht auch den Mann gefragt, der bei meiner Frau war.“ Dieser verließ das Zimmer aber der Einbeinige blieb.
Während die Ursache für Beckmanns Unglück nicht faßbar war, kennt der Einbeinige einen Schuldigen, den er mit dem Namen zu nennen wußte. Diesen Namen sprach er „leise, aber mit ungeheurem Vorwurf“ aus „Beckmann..., Beckmann..., Beckmann...“. Beckmann trägt die Schuld an der Verwundung des Einbeinigen, dem er befohlen hatte: „Sie halten Ihren Posten unbedingt bis zuletzt“. Um sich nicht als Schuldigen zu bekennen, sagte er: „ Das bin ich nicht! Das will ich nicht mehr sein“. Um einen Ausweg aus seiner Schuld zu finden, wollte er sich umbringen, aber „Der Andere“, der „Jasager“, schlug ihm eine Alternative vor. Er soll die Verantwortung zurückbringen zu dem, der sie ihm gegeben hatte: „Ja! Ich bringe ihm die Verantwortung zurück. Ich gebe ihm die Toten zurück. Ihm! Ja, komm, wir wollen einen Mann besuchen, der wohnt in einem warmen Haus, wir wollen ihm etwas schenken - einem lieben, guten, braven Mann, der sein ganzes Leben nur seine Pflicht getan, und immer nur die Pflicht!“.
3. Szene:
In der 3. Szene trifft nun Beckmann auf den Oberst, dem er seine Verantwortung, die „Toten“, die er auf dem Gewissen hat, zurückgeben will. Seine Gasmaskenbrille spielt wieder einmal eine Rolle: „Sag ihm doch, er soll die Brille abnehmen. Mich friert, wenn ich das sehe“, „Warum werfen sie den Zimt nicht weg? Der Krieg ist aus“. Diese Reaktion zeigt wieder einmal, dass die Menschen, - wie die Durchschnittsfamilie in dieser Szene - mit dem Krieg und den Heimkehrern nichts zu tun haben wollen. Auf den Zweck seines Besuches kommt Beckmann erst nach längerem Dialog in einem Zustand des Wachschlafes zu sprechen. „Ganz weit weg“, „schlaftrunken, traumhaft“ erzählt Beckmann seinen Traum vom General, der blutschwitzend eine Todessymphonie auf einem Knochenxylophon spielt. Beckmanns Traum, den er selbst als „ganz seltsam“ empfindet, bildet eine Anklage gegen den Krieg. „Die in den Krieg hineingetriebenen Menschen dienen mit ihren abgeschlagenen Gliedmaßen als Instrument für das grauenvolle Konzert eines Generals, den das Blut der Erschlagenen fett gemacht hat. Der Krieg missbraucht den Menschen als Werkzeug einer perversen Ästhetik der Zerstörung, als Spielzeug in einem makaberen, sinnlosen Spiel. Das Horrorszenario des Traumes enthüllt das Grauen des Krieges, dem die realistische Darstellung nicht länger beizukommen vermag. Nicht die Dokumentation grauenvoller Details führt in einer Zeit der totalen Destruktion des Menschlichen zur Erkenntnis der Wahrheit, sondern nur noch die phantastische Inszenierung des Grauens selbst.“ Die Kritik am Oberst, die er in seinem Wachschlaf erhob, belastet diesen, aber sie entlastet Beckmann nicht. Der Oberst empfindet für die Vergangenheit nicht einmal Schuld und Verantwortung, wie Beckmann, er findet sie nur noch komisch. „Der Oberst will Beckmann nicht verletzen, aber er ist so gesund und so sehr naiv und alter Soldat, dass er Beckmanns Traum nur als Witz begreift“ steht als Regieanweisung zu der vorher beschriebenen Situation. Aber auch der Oberst wendet die gleiche Technik an, um die Vergangenheit zu vergessen. „Schmeißen Sie Ihre zerrissenen Klamotten weg, ziehen Sie sich einen alten Anzug von mir an und dann werden Sie wieder ein Mensch, mein lieber Junge!“.
4. Szene:
In der 4. Szene sucht der Direktor eines Kabaretts nach Jugendlichen, „die zu allen Problemen aktiv Stellung ... nehmen“, „einen Geist wie Schiller“ und „die den dunklen Seiten des Lebens gefaßt ins Auge ... sehen, unsentimental, objektiv, überlegen.“. Beckmann nutzt die Chance beim Direktor vorzusprechen. Er wählt hierzu einen poetischen Vortrag, der sein durchlittenes Schicksal widerspiegelt. Dass dieses Thema das Publikum nach Ansicht des Direktors nicht sonderlich interessiere, möchte Beckmann nicht recht einsehen, da es doch durch und durch der Wahrheit entspräche : „Mit der Wahrheit hat die Kunst doch nichts zu tun! Wo kämen wir hin, wenn alle Leute plötzlich die Wahrheit sagen wollten! Wer will den heute etwas von der Wahrheit wissen?“ weist der Direktor ihn zurück. Auch er verdrängte die Verantwortung für die Heimkehrer und die Kriegsopfer, er hat „schließlich keinen nach Sibirien geschickt“. Beckmanns voller Verachtung gemeinte Antwort „Nein, keiner hat uns nach Sibirien geschickt. Wir sind alle ganz von alleine gegangen. Und einige sind alleine dageblieben“ ist schließlich die Reaktion auf die Abweisung des Direktors, der Beckmann im Grunde nur wegen der Befürchtung ablehnt, dass ein Anfänger wie Beckmann seinen wirtschaftlichen Ruin bedeuten könnte. Am Schluss der Szene steht Beckmann wieder „Draußen vor der Tür“; der „Andere“ schaltet sich abermals ein, der Beckmann empfiehlt „Du mußt nach Hause.[...] Da, wo man zuerst hingehen sollte, daran denkt man zuletzt“.
5.Szene:
Häufig gestellte Fragen
Wer ist Wolfgang Borchert?
Wolfgang Borchert war ein deutscher Schriftsteller und Dramatiker, geboren am 20. Mai 1921 in Hamburg und gestorben am 20. November 1947 in Basel. Er ist bekannt für seine Werke, die sich mit den Schrecken des Krieges und der Nachkriegszeit auseinandersetzen.
Was ist "Draußen vor der Tür"?
"Draußen vor der Tür" ist ein Drama von Wolfgang Borchert, das im Spätherbst 1946 entstand. Es handelt von dem Kriegsheimkehrer Beckmann, der in der Nachkriegszeit keinen Platz in der Gesellschaft findet.
Wann wurde "Draußen vor der Tür" uraufgeführt?
Das Hörspiel "Draußen vor der Tür" wurde am 13. Februar 1947 vom Nordwestdeutschen Rundfunk gesendet. Die Bühnenfassung erlebte ihre Uraufführung am 21. November 1947 in den Hamburger Kammerspielen, einen Tag nach Borcherts Tod.
Worum geht es in "Draußen vor der Tür"?
Das Stück erzählt die Geschichte von Beckmann, einem Kriegsheimkehrer, der aus sibirischer Gefangenschaft zurückkehrt und feststellen muss, dass seine Frau einen anderen Mann hat und er keinen Platz mehr in der Gesellschaft findet. Seine Versuche, im Leben Fuß zu fassen, scheitern. Er sucht seinen ehemaligen Oberst auf, um ihm die Verantwortung für die im Krieg erteilten Befehle zurückzugeben, wird aber ausgelacht. Auch ein Kabarettdirektor weist ihn ab, als er mit tristen Liedern über das Leiden des Krieges Arbeit sucht. Schließlich erfährt er, dass sich seine Eltern das Leben genommen haben. Beckmann versucht, sich das Leben zu nehmen, wird aber von der Elbe ausgespuckt. Er erkennt, dass er allein weiterleben muss, verraten und ohne Antwort auf seine Fragen.
Was sind die zentralen Themen in "Draußen vor der Tür"?
Die zentralen Themen sind die Erfahrungen der Kriegsheimkehrer, die Orientierungslosigkeit in der Nachkriegszeit, die Schuldfrage, die Verdrängung der Vergangenheit, die Verantwortung der Gesellschaft und die Sinnlosigkeit des Krieges.
Was symbolisiert die Gasmaskenbrille in dem Stück?
Die Gasmaskenbrille symbolisiert Beckmanns Vergangenheit als Soldat und seine Entfremdung von der Zivilgesellschaft. Sie steht für die Schrecken des Krieges und die Unfähigkeit, diese hinter sich zu lassen.
Welche Rolle spielt "Der Andere" in dem Stück?
"Der Andere" ist eine Art optimistisches Ego Beckmanns, das ihn begleitet und ihn zur Umkehr bewegen will. Er repräsentiert die lebensbejahende Seite Beckmanns, die versucht, ihn von Selbstmordgedanken abzubringen und ihm neue Perspektiven aufzuzeigen.
Was bedeutet die Aussage "Draußen vor der Tür ist ihr Deutschland"?
Diese Aussage bedeutet, dass die Kriegsheimkehrer keinen Platz mehr in der Nachkriegsgesellschaft finden und sich ausgeschlossen fühlen. Ihr "Zuhause" ist die Straße, der Regen und die Trümmer - ein Symbol für die Zerstörung und Orientierungslosigkeit ihrer Existenz.
Welche Kritik übt Borchert in "Draußen vor der Tür"?
Borchert übt Kritik an der Verdrängung der Vergangenheit, der Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber den Kriegsopfern, dem Militarismus und der Sinnlosigkeit des Krieges.
Was bedeutet der Traum in dem Stück?
Der Traum ist eine Möglichkeit für Borchert Kritik zu äußern, indem er den Krieg verurteilt. Der Traum ist eine Anklage gegen den Krieg in dem die in den Krieg hineingetriebenen Menschen dienen mit ihren abgeschlagenen Gliedmaßen als Instrument für das grauenvolle Konzert eines Generals, den das Blut der Erschlagenen fett gemacht hat.
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- Harald Messner (Author), 2000, Borchert, Wolfgang - Draussen vor der Tür #, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96901