Ein schauerliches Geheimnis umgibt das neu erbaute Kloster bei Sendomir, wo hinter den dicken Mauern eine Geschichte von Leidenschaft, Eifersucht und unbarmherziger Rache lauert. Zwei Reisende suchen Unterschlupf und werden Zeugen eines Mönchs, dessen verwildertes Aussehen und bitteres Lachen tiefere Abgründe erahnen lassen. Graf Starschensky, einst ein Mann von unerschütterlichem Selbstvertrauen und Besitz, findet sein Leben in einem Strudel aus Besessenheit wieder, als er Elga begegnet, einem Mädchen von betörender Schönheit. Ihre Ehe, gekrönt von der Geburt einer Tochter, wird von dunklen Schatten verdunkelt, als Gerüchte über einen heimlichen Liebhaber die Runde machen. Misstrauen und rasende Eifersucht treiben den Grafen zu einer grausamen Tat, die nicht nur das Leben seiner Frau und ihres vermeintlichen Liebhabers, Oginsky, für immer verändert, sondern auch sein eigenes Schicksal besiegelt. Das Schloss Sendomir wird zum Schauplatz einer Tragödie, die in Feuer und Verzweiflung endet, während Starschensky, gepeinigt von Schuld, in der Abgeschiedenheit des Klosters Buße sucht. Doch die Zeit heilt keine Wunden, sondern offenbart die Grässlichkeit seiner Tat immer wieder aufs Neue. Franz Grillparzers Erzählung ist ein Meisterwerk psychologischer Spannung, das die Grenzen zwischen Liebe und Wahnsinn, Schuld und Sühne auslotet. Tauchen Sie ein in eine Welt, in der trügerische Fassaden zerbrechen und die dunkelsten Geheimnisse der menschlichen Seele ans Licht kommen, in der die Vergangenheit die Gegenwart heimsucht und die Erlösung in unerreichbarer Ferne liegt. Erleben Sie eine Geschichte von Verrat und Verzweiflung, die den Leser bis zum überraschenden Ende in ihren Bann zieht und die Frage aufwirft, ob wahre Buße überhaupt möglich ist. Entdecken Sie ein Werk, das die Abgründe der menschlichen Natur offenbart und die zeitlose Frage nach Gerechtigkeit und Vergebung stellt, eingebettet in die düstere Atmosphäre eines polnischen Klosters, in dem die Geister der Vergangenheit niemals zur Ruhe kommen. Lassen Sie sich von Grillparzers meisterhafter Sprache und der packenden Handlung fesseln und tauchen Sie ein in eine Welt voller Intrigen, Leidenschaft und unerbittlicher Konsequenzen.
“Das Kloster bei Sendomir“ beruht auf einer wahr überlieferten Begebenheit. Diese Erzählung erschien 1827.
Zwei Reisende nächtigen in einem neu erbauten Kloster der Woiwodschaft Sendomir in Polen. Ein verwildert aussehender Mönch bedient sie. Auf die Frage, „welch gottgeliebter Mann“ dieses Kloster habe bauen lassen, antwortet er mit „schmetternden Hohngelächter“. Nur widerstrebend lässt er sich schließlich herbei, die Geschichte des Klosters zu erzählen. Es wurde von einem Graf Starschensky gegründet, der zuvor das Schloss bewohnt hatte, dessen verkohlte Mauern man von dem Zimmer, in dem die Reisenden sich befinden, noch sehen kann. Starschensky lebte zufrieden in einem „über alles gehenden Behagen am Besit; seiner selbst“, bis ihn in Warschau eines Nachts Elga, ein zerlumptes Mädchen „von üppiger Schönheit“, auf der Straße anspricht und um Hilfe für ihren kranken Vater bittet. Großzügig unterstützt Starschensky die ganze Familie mit Geld und nimmt schließlich Elga zur Frau. Finanzielle Schwierigkeiten zwingen den Grafen, bald nach der Hochzeit auf seine Landgüter zurückzukehren. Überraschend vorbehaltlos erklärt sich Elga, die Geschmack an rauschenden Festen gefunden hatte, damit einverstanden. Auf Schloss Sendomir schenkt sie einer Tochter das Leben. Das Kind gleicht ganz der Mutter bis auf die befremdlich abweichende Farbe seines Haares und seiner Augen. Des Grafen wiederhergestelltes „Behagen“ wird von neuem getrübt, als ihn sein Hausverwalter auf einen mysteriösen nächtlichen Besucher Elgas hinweist. Erregt verlangt er von seiner Frau eine Erklärung. Elga aber beteuert glaubhaft, sie sei unschuldig. Einige Tage später aber entdeckt Starschensky in einem Schmuckkästchen Elgas ein Porträt Oginskys, einen entfernten Verwandten, und bemerkt dessen fatale Ähnlichkeit mit Elgas Kind. Unverzüglich in Warschau eingeholte Erkundigungen über Oginsky bestärken den Grafen in seinem Verdacht. Zum Äußersten entschlossen, bringt er Oginsky gefesselt und geknebelt auf das Schloss und sperrt ihn in die alte Warte. Nachdem auch der letzte Versuch, Elga zu einem Geständnis zu bewegen, gescheitert ist, führt Starschensky zu mitternächtlicher Stunde, unter einem „trauergefärbten Himmel“, Elga zusammen mit ihrer Tochter ins Turmgemach der alten Warte. Triumphierend konfrontiert er sie dort mit Oginsky, der mündlich und schriftlich bezeugt, Vater des Kindes zu sein. Nachdem Oginsky durch einen kühnen Sprung aus dem Fenster entkommen ist, fordert Starschensky Elga auf, das Kind zu töten. Als sie sich, „mit abgewandtem Auge“ anschickt, diesem Befehl Folge zu leisten, bringt er sie um. In der selben Nacht noch brennt das Schloss nieder. Das Kind setzt Starschensky bei der Köhlersfamilie aus. Dann verkauft er seinen gesamten Besitz und gründet ein Kloster, um Buße zu tun. „Die Zeit aber, statt den Stachel abzustumpfen, zeigte ihm stets gräßlicher seine Tat“. Als der Mönch seine Erzählung beendet hat, öffnet sich die Tür und der Abt ruft drohen ins Zimmer: „Wo bleibst du, Starschensky?“ Der Mönch zuckt zusammen und schleppt sich „wie ein verwundetes Tier“ zur allnächtlichen Totenmesse.
Interpretation
Die Erzählung, von Grillparzer selbst - weil „Prosa“ nie „poetisch“ sein könne - als ein minderwertiges Nebenprodukt abgetan, lässt deutlich den autobiographischen Anlass ihrer Entstehung erkennen: Der Dichter unterhielt zwischen 1818 und 1827 eine ehebrecherische Beziehung zu Charlotte von Paumgartten, der Gattin seines Vetters, die an die an dieser Liebe zugrunde ging. Sie starb 1827, kurz ehe diese Erzählung in Schreyvogels Zeitschrift „Aglaja“ erschien. Wie Erny in „Ein treuer Diener seines Herren“ und Lukrezia in „Ein Bruderzwist im Hause Habsburg“ gehört Elga zum Typus jener ins Rätselhafte stilisierten Frauengestalten in Grillparzers Dramen, deren Bild zwischen engelreiner Unschuld und abgründiger Verworfenheit schwankt. Der Versuch, gewaltsam klare Verhältnisse herbeizuführen, den hier Graf Starschensky unternimmt, bewirkt indes nur das unaufhaltsame Fortwuchern einer mehr erlittenen als begangene Schuld. Aber die Verwandtschaft des Klosters bei Sendomir mit Grillparzers Dramen ist nicht nur thematisch, sondern auch formal begründbar: Wie in den Dramen, so entfaltet sich auch das Geschehen dieser Erzählung als ein Enthüllungsvorgang, wobei aus der Trivialliteratur übernommene Schaumotive virtuos als Versatzstück eingesetzt werden. Das bevorzugte Stilmittel zur Herausarbeitung erzählerischer Höhepunkte ist der rein dramatische, nicht epische kommentierte Dialog.
Die Grundlage dieser Erzählung ist dramatisch, und dies drückt auch der Stil aus. Der Dialog bestimmt die Art der Darstellung. Häufig lässt der Mönch seine Personen in wörtlicher Rede sprechen oder seine Erzählung geht unvermittelt in Rede und Gegenrede über: „Wer sagt das?
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in „Das Kloster bei Sendomir“?
„Das Kloster bei Sendomir“ ist eine Erzählung von Franz Grillparzer, basierend auf einer wahren Begebenheit. Sie handelt von Graf Starschensky, der, nachdem er seine Frau Elga aufgrund von Ehebruch und daraus resultierendem Eifersuchtswahn umgebracht und sein Schloss niedergebrannt hat, ein Kloster gründet, um Buße zu tun. Die Geschichte wird durch einen Mönch, der Starschensky selbst ist, an zwei Reisende erzählt, die in dem Kloster übernachten.
Welche Themen werden in der Erzählung behandelt?
Die zentralen Themen sind Eifersucht, Schuld, Sühne, Verrat und die Undurchschaubarkeit menschlichen Handelns. Die Erzählung thematisiert auch die Frage, ob menschliche Mittel zur Sühne von Unrecht führen können, oder ob sie zu noch größerem Leid führen.
Wer sind die Hauptfiguren?
Die Hauptfiguren sind Graf Starschensky, seine Frau Elga und Oginsky, der vermeintliche Vater ihres Kindes. Starschensky ist ein wohlhabender Graf, der von Eifersucht getrieben wird. Elga ist eine rätselhafte Frau, deren Motive schwer zu durchschauen sind. Oginsky spielt eine zentrale Rolle, obwohl er nur indirekt präsent ist.
Welche Rolle spielt das Kloster in der Erzählung?
Das Kloster ist sowohl der Ort, an dem die Geschichte erzählt wird, als auch das Ergebnis von Starschenskys Versuch, seine Schuld zu sühnen. Es symbolisiert seine Buße und seine lebenslange Qual angesichts seiner Tat.
Wie ist die Erzählung aufgebaut?
Die Erzählung ist als Binnenerzählung aufgebaut. Ein Mönch erzählt zwei Reisenden die Geschichte des Klosters und dessen Gründer. Der Fokus liegt auf der Enthüllung von Starschenskys Vergangenheit und seiner tragischen Tat.
Welche stilistischen Mittel verwendet Grillparzer?
Grillparzer verwendet dramatische Dialoge, um die Höhepunkte der Erzählung hervorzuheben. Er bedient sich Schaumotiven aus der Trivialliteratur und setzt Jamben ein. Die Sprache ist gedrängt und die Spannung wird durch Verzögerungen und das schrittweise Enthüllen von Informationen erzeugt.
Inwiefern ist die Erzählung autobiografisch?
Es wird vermutet, dass die Erzählung autobiografische Züge trägt, da Grillparzer selbst eine ehebrecherische Beziehung führte. Elgas Figur wird als eine rätselhafte Frau dargestellt, deren Bild zwischen Unschuld und Verworfenheit schwankt, ähnlich wie die Frauengestalten in Grillparzers Dramen.
Was will Grillparzer mit der Erzählung aussagen?
Grillparzer will weder eine Ehebruchsgeschichte erzählen, noch sein eigenes Leben darstellen. Er zeigt die rätselhafte Frau, die ihrem Geliebten treu ist, und den Mann, der aus Leidenschaft und Stolz Unrecht sühnen will und daran scheitert. Grillparzer enthält sich jeder Wertung und enthüllt die seelischen Abgründe nur andeutungsweise.
- Quote paper
- Harald Messner (Author), 2000, Grillparzer, Franz - Das Kloster Bei Sendomir, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96899