1. Die Begriffe „Aufmerksamkeit“ und „Konzentration“
- im Alltag: keine klare Unterscheidung voneinander; keine eindeutige Definition
- etymologische Analyse: Aufmerksamkeit bezieht sich auf die Wahrnehmung und Kon- zentration auf das Arbeiten
2. Aufmerksamkeit
2.1. Selektive Aufmerksamkeit (selective attention)
- selektive Aufmerksamkeit gibt es als fokussierte Aufmerksamkeit (focussed attention) und geteilte Aufmerksamkeit (devided attention) → siehe Phänomen „Cocktail-Party“
2.1.1. Individuelle Unterschiede
(a) beim dichotischen Hören → im ersten Teil des Versuchs auf das rechte Ohr achten, im zweiten Teil auf das linke Ohr ➔ besonders bei Rechtshändern „Vorteil des rechtenOhrs“
(b) Untersuchungen zum zentralen und beiläufigen Lernen → Vpn müssen bei einer Serie von Karten mit zwei unterschiedlichen Reizen auf eine Reizkategorie achten (zentrales Lernen) ➔ hohe negative Korrelation zw. Wert im zentralen und beiläufigen Lernen spricht für hohe selektive Aufmerksamkeit
(c) Untersuchungen zum Stroop-Effekt → Reaktion der Vpn auf Farb- und Farbwortkarten ➔Leistungen im Stroop-Test wurden als Maß für die Fähigkeit angesehen, die Aufmerk- samkeit fokussieren zu können
⇒ bis heute keine empirischen Belege für eine allgemeine Fähigkeit „Aufmerksamkeit“
2.1.2. Alter
(a) Fähigkeit, Aufmerksamkeit beim dichotischen Hören auf ein Ohr zu richten, verbessert sich zwischen 5 und 14 Jahren beträchtlich und im höheren Alter wieder geringere Leis- tungen
(b) 2 Hauptergebnisse beim zentralen und beiläufigen Lernen:
- steigende Leistungen bei zentralen Aufgaben bis zum Erwachsenenalter; Werte für beiläufiges Lernen bleiben relativ stabil bis zum 12. Lebensjahr und danach fallen sie wieder bis sie beim Erwachsen fast dem Zufall entsprechen; leichte signifikante Re- duktion der Leistungen in beiden Aufgaben bei Personen von Ende 60 bis Anfang 70
- Änderung der Korrelation zwischen beiden Leistungen mit dem Alter: bei jüngeren Kindern positive Korrelation, bei älteren negative Korrelation, bei Erwachsenen Null- korrelation
(c) Leistungen beim Stroop-Effekt bis zum Erwachsenenalter ansteigend und dann wieder Abnahme
2.1.3. Geschlecht
- Weder bei Kindern noch bei Erwachsenen Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der selektiven Aufmerksamkeit
2.1.4. Persönlichkeit
- Introvertierte schlechter in der Aufmerksamkeitsverteilung als Extravertierte (Eysenck & Eysenck)
- Wirkung des Selbstschemas auf die selektive Aufmerksamkeit
2.2. Daueraufmerksamkeit (Vigilanz)
2.2.1. Individuelle Unterschiede
- Vigilanz verlangen solche Situationen, in denen ein Individuum über einen längeren Zeit- raum hinweg Ereignisse beobachten soll, die sich recht ähnlich sind, und es auf bestimmte kritische Ereignisse, die relativ selten sind, möglichst schnell reagieren soll
- Leistungsmessung durch Trefferrate, Anzahl der falschen Alarme und Reaktionszeit
- Einteilung der Vigilanzaufgaben in:
(a) sukzessive Diskriminationsaufgaben
(b) simultane Diskriminationsaufgaben
⇒ individuelle Differenzen in Vigilanz weder völlig aufgabenspezifisch noch auf das Persönlichkeitsmerkmal „Vigilanz“ rückführbar
2.2.2. Alter
- Verbesserung der Vigilanzleistung mit dem Alter der Kinder · Ab Mitte 50 nimmt Entdeckungsrate in Vigilanzaufgaben ab
2.2.3. Geschlecht
- keine Unterschiede in Vigilanzleistung bei Kindern und Erwachsenen
2.2.4. Persönlichkeit
- wenig bzw. kein Zusammenhang zwischen Intelligenz und Vigilanzleistung
- Introvertierte zeigen weniger falsche Alarme, mehr richtig entdeckte Signale und geringe- ren Vigilanzabfall (im Beobachtungszeitraum sinkt die Trefferrate und steigt die Reakti- onszeit)
- bessere Vigilanzleistung bei Feldunabhängigen als bei Feldabhängigen
⇒ bis heute keine Theorie, die selektive Aufmerksamkeit oder Daueraufmerksamkeit als Persönlichkeitsmerkmal annimmt
3. Konzentration
3.1. Konzentration als Zustand und als Persönlichkeitsmerkmal
- erster Konzentrationstest im vorigen Jahrhundert, um:
1. Bedingungen menschlicher Leistungen zu untersuchen, wie Übung, Ermüdung usw. und
2. Persönlichkeitsmerkmale zu messen
- Konzentration seit Beginn der wissenschaftlichen Psychologie momentaner Zustand eines Menschen und
- Konzentration = Persönlichkeitsmerkmal, dessen aktuelle Ausprägung und Messung von Bedingungen abhängen, die momentan beim zu messenden Individuum gegeben sind
3.2. Zentrale Merkmale der Konzentration
- seit Shiffrin und Schneider Unterscheidung von kontrollierter und automatischer Ver- arbeitung → Konzentration = absichtliche, kontrollierende, anstrengende Koordination von Handlungen
- zentraler Koordinationsmechanismus der Konzentration:
- Mechanismus Konzentration = neuronal begründetes System, mit dem ein Individuum Aktionsmuster bewußt und absichtsvoll koordiniert → Auswahl von Aktionsmustern und deren Versorgung mit Energie sowie Kontrolle ihres Ablaufs über die Wahrneh- mung ➔ ein konzentriert arbeitendes Individuum koordiniert, aktiviert und kontrolliert in zeitlich möglichst geringem Abstand
- Aktionsmuster beanspruchen sehr wenig Kapazität des KZGs, da das Individuum sie immer wieder extern abrufen kann oder sie im LZG noch verfügbar sind.
- zu koordinierende Aktionsmuster können automatisiert sein, ihre Koordination erfolgt aber immer absichtsvoll und bewußt → konzentriertes Arbeiten erlebt der Mensch als anstrengend und ermüdend
3.3. Das Akku-Modell der Konzentration
- Arbeitsweise des zentralen Koordinationsmechanismus ist vergleichbar mit Akku in einer Kamera:
- Akku versorgt die in der Kamera programmierten Aktionsmuster mit Energie (z.B. Blitzlicht) und ermöglicht damit, daß diese ablaufen können
- stärkere Akkus können in kürzerer Zeit mehr Aktionsmuster mit Energie versehen und dadurch ablaufen lassen; schwächere Akkus benötigen zwischen einzelnen Aktions- mustern längere Erholungspausen (aber Akku wieder aufladbar)
- bei unterschiedlichen Bedingungen (Temperatur usw.) unterschiedlich gutes Arbeiten des Akkus
⇒ d. h., Menschen unterscheiden sich von Natur aus in den Stärken ihrer Konzentration; zusätzlich bei jedem Menschen Schwankungen, die abhängig von bisher geleisteten Arbeiten bzw. Arbeitsbedingungen sind
- unterschiedliche Akkus energetisieren unterschiedliche Aktionsmuster pro Zeiteinheit und Energie kann pro Aktionsmuster höher/niedriger sein; zu bestimmten Zeitpunkten im Prozeß Aktivierung der falschen Aktionsmuster
➔ je länger ein Individuum bei gleicher Geschwindigkeit und möglichst wenig Fehlern arbeiten kann, um so belastbarer ist seine Konzentration
3.4. Maße für Konzentration
- Anzahl der pro Zeiteinheit richtig bearbeiteten Aufgaben sehr reliables Maß für Kon- zentration
- Anzahl der insgesamt bearbeiteten Aufgaben zuverlässiges Maß für Konzentration
➔ Maße stehen für Geschwindigkeit der Koordinierungsleistung
- Konzentrationsfehler nur dann reliables Maß für individuelle Fehlerneigung, wenn sie über langen Zeitraum gezählt werden
- Unterscheidung von drei zentralen Merkmalen am zeitlichen Verlauf einer Konzentrati- onsleistung:
- mittlere Höhe
- Streuung
- Gestalt
3.5. Messen von Konzentration
- Messung der Konzentration um so valider, je weniger sie durch systematisch kovariieren- de Bedingungen verfälscht wird - solche Bedingungen sind z.B.:
3.5.1. Wahrnehmung
- es muß eine völlig eindeutige und nicht erschwerte Wahrnehmung der Reize gewährleistet sein
3.5.2. Gedächtnis
- wenn Aufgaben kurzfristige Gedächtnisprozesse verlangen, in denen bei Gesunden deutli- che interindividuelle Unterschiede bestehen, kann man damit nicht Konzentration messen
3.5.3. Lernfähigkeit und Lösen von Problemen
- verlangen Tests Lernleistungen, dann sind sie keine Konzentrationstests
- wenn Fähigkeiten zur Lösung von Problemen einzusetzen ist, dann eignet sich der Test nicht zur Konzentrationsmessung
3.5.4. Unterscheidung in Strategien und Geübtheit
- nur dann hinreichende Konzentrationserfassung, wenn verschiedene Vpn einen Test nicht mit sehr unterschiedlichen Strategien bearbeiten
- Umgehung des Problems der Übung durch Verwendung einfacher Aufgaben, die den Vpn aus dem Alltag vertraut sind
4. Pauli-Test (Arbeitskurve von R. Pauli)
- Testart: allgemeiner Leistungstest
- Testmaterial: Testbogen, Schreibgerät, Stoppuhr
- Durchführung:
- anwendbar ab 7 Jahren
- Einzel- und Gruppenversuch möglich
- Vpn sollen fortlaufend und so schnell wie möglich einstellige Zahlen addieren und nach festgelegten Anweisungen notieren; alle drei Minuten gibt es ein Zeichen, und die Vpn müssen die Stelle markieren, die sie beim Rechnen gerade erreicht haben
- Auswertung:
- zuerst gesonderte Auszählung der Additionen für alle 20 Teilzeiten → Summe = Ge- samtleistungswert
- Berechnung von Gipfellage, Steighöhe, Schwankungsprozent
- Feststellung der Anzahl der Fehler und Verbesserungen an Stichprobe von 400 Addi- tionen
- Teilleistungen werden als Ausgangswerte für die drei Arbeitskurven benötigt:
- erste Arbeitskurve = Verbindung der einzelnen Teilleistungswerte → Kurvenver- lauf wird nach Umrechnungsprozeduren zweimal geglättet ➔ drei Kurvenverläu- fe, die Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Vpn geben sollen
4.1. Gütekriterien
4.1.1. Objektivität
- Auswertungsobjektivität ist gegeben
- Durchführungsobjektivität gilt als nicht gesichert, wenn Vl versuchen, die Vpn zu Höchst- leistungen zu motivieren
4.1.2. Reliabilität
- Additionsmenge ist hoch reliabel (ca. r = .90)
- Fragwürdigkeit der Zuverlässigkeit der übrigen Testwerte
4.1.3. Validität
- Bartenwerfer (1964): „anhaltende Konzentration bei geistiger Tempoarbeit“
- Bäumler (1964): „Grundfähigkeit des rechnerischen Umgangs mit Zahlen“
- die Arbeitskurve - doch ein Willenstest?
- E. Kraeplin spricht von der „Triebkraft des Arbeitswillens“
- R. Pauli: „Man bekommt nicht nur ein Bild über die Höhe der Rechenfertigkeit, son- dern auch Einblicke in primäre Faktoren (z.B. Geschwindigkeit der Auffassung, Sicherheit, Erfassung der Vorteile, Art der Ermüdung, Ausdauer sonstige volitionale Momente), die Quantität und Qualität der Additionleistungen bedingen.“ (1921)
Literatur
- Brickenkamp, R. (1997). Handbuch psychologischer und pädagogischer Tests. Göttingen: Hogrefe
- Westhoff, K. (1995). Aufmerksamkeit und Konzentration. In: Enzyklopädie der Psychologie, Themen- bereich C, Serie VIII, Bd. 2 (Verhaltens- und Leistungsunterschiede). Göttingen: Hogrefe
- Brandstätter, H. (1995). Die Arbeitskurve nach Kraeplin-Pauli - doch ein Willenstest? Z. f. Arbeits- und Organisationspsychologie, 39, 2.
- Steck, P. (1996). Die Prüfung der Dauerkonzentration mit einer Apparatversion des Pauli-Tests. Di- agnostica, 42, H. 4, 332-351
- Testmanual: Die Arbeitskurve nach Emil Kraeplin und Richard Pauli. Mainzer Revision
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