INHALT
1. Einleitung
2. Die Seinsfrage
3. Die phänomenologische epoché
4. Das Phänomen
4.1. Das Sein des Phänomens ist reelle Immanenz
4.2. Das Sein des Phänomens ist Eidos
4.3. Das Sein des Phänomens ist Kontinuität
4.4. Das Sein des Phänomens ist Anwesung
5. Die aletheia, die entbergende Lichtung
6. Fazit
DIE ENTWICKLUNG DER SEINSFRAGE AUS DER PHÄNOMENOLOGISCHEN REDUKTION
">Ins Innere der Natur<-
O du Philister!-
>Dringt kein erschaffner Geist?< Mich und Geschwister
mögt ihr an solches Wort nur nicht erinnern!
Wir denken: Ort für Ort Sind wir im Innern."
[J. W. Goethe]
1. Einleitung
Was heißt "sein", wie kann es als Problemstellung entdeckt und befragt werden und welchen Weg kann man zur Herausbildung einer Sensibilisierung für "sein" als etwas zutiefst Fragwürdiges und Befragenswertes nehmen?
Anliegen dieser Ausarbeitung ist es, einen solchen Weg zu entdecken und zu gehen. In diesem Zusammenhang werden insbesondere Beziehungen, Gegensätze und Weiterführungen der auf Bewußtseinsgegebenheiten ausgerichteten Position der Phänomenologie im Sinne Husserls und der Ontologie Heideggers, an den dafür als geeignet angesehenen Stellen, als hilfreiche Unterstützung auf dem Weg zur Ausarbeitung der Seinsfrage aufzuzeigen sein.
Zur Seinsfrage gibt es keine vergleichbaren Fragen, es liegt etwas Einzigartiges in dieser Frage. Es genügt deshalb nicht, sie nur als Information mitgeteilt zu bekommen und zu vernehmen, so wie eine beliebige andere Frage. Nach "sein" zu fragen heißt, um es als Fragwürdigkeit zu wissen. Dieses Wissen soll erarbeitet werden. Die Möglichkeit, die Seinsfrage aus einem echten Erstaunen selbst zu fragen, ist nach Heidegger darüberhinaus dasjenige, was die menschliche Vernunft in ihrer Besonderheit auszeichnet. Die Seinsfrage fragen heißt, um den Unterschied von Sein und Seiendem wissen. Dieser Unterschied soll dargelegt werden. "Der Unterschied von Sein und Seiendem ist, wenngleich nicht ausdrücklich gewußt, latent im Dasein und seiner Existenz da ... Existenz heißt gleichsam >im Vollzug dieses Unterschiedes sein<. Nur eine Seele, die diesen Unterschied machen kann, hat die Eignung, über die Seele eines Tieres hinaus die Seele eines Menschen zu werden."1
Um es weniger pathetisch zu formulieren: Es sollen hier keine Untersuchungen der menschlichen Seele vorgenommen werden, sondern es soll gezeigt werden, daß in der Seinsfrage, die aber den Menschen als Fragenden tatsächlich in besonderem Maße angeht, eine echte Problemstellung liegt, der sich keine ernsthafte Philosophie entziehen kann und darf.
Es liegt hier nun die Überlegung zugrunde, daß es möglich sein muß, ein echtes Seinsverständnis (in Form der Frage) jenseits von mystisch-spekulativen Ansätzen, derer es gewiß viele gibt, zu begründen. Die Seinsfrage soll insbesondere nicht aus einem "Verneinen" der lediglich als "vordergründig" vermuteten Welt des Seienden resultieren. Es soll nicht nach einer "wahreren" oder "realeren" Welt gefragt werden, welche das "Sein" im Gegensatz zum "Schein" der sinnlich erfahrbaren und logisch erfassbaren (Schein)Welt der Dinge verkörpert. Es soll vielmehr eine Haltung gegenüber diesem "immanent Gegebenen", den möglichen Gegenständen der Wissenschaft, eingenommen werden, die diese gerade in ihrem Sein "sein lässt".
Nicht über das Seiende hinweg und hinter das Seiende soll gefragt werden, sondern im Seienden selbst soll zur Sprache kommen, daß es sich als solches dem Sein "verdankt". Es soll nicht danach gefragt werden, was das Seiende als Seiendes ist, wenn eine Antwort auf diese Frage viel zu schnell in anderem "höheren und höchsten" Seienden gefunden wird. Wir fragen nicht, um eine solche Antwort zu erhalten. Wir fragen auf die Gefahr hin, daß überhaupt keine Antwort auf unsere Frage möglich ist.
"...wir wollen mit der scheinbar so abstrakten Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit des Seinsverständnisses nichts anderes, als uns aus der Höhle ans Licht zu bringen, aber in aller Nüchternheit und in der völligen Entzauberung eines rein sachlichen Fragens."2
Soweit Heidegger in Anknüpfung an Platons Höhlengleichnis. Wie aber gelangt man zu der "so abstrakten Frage", wenn das alltägliche Denken und Fragen eines Subjekts sich sonst ausschließlich mit den konkreten Dingen und Objekten als allein Befragenswerte befasst? Jaspers nennt diese Subjekt-Objekt-Spaltung, die Gerichtetheit eines Ich auf ein Objekt, den "Grundbefund des denkenden Daseins".3 Hierin liegt nach ihm das Wesen der auf die Erkenntnis von Seiendem zielenden Geisteshaltung begründet, die es zu überwinden gilt, um dem "Umgreifenden" innezuwerden. Dieses Umgreifende, das Sein, ist die Transzendenz schlechthin. Jaspers spricht von Nihilismus, der bezüglich der Wirklichkeit und Wahrheit von allem, was durch Sprache und Gegenständlichkeit seine Bestimmtheit gewinnt durchlebt werden muß4, und der eine Befreiung zum eigentlichen Sein darstellt. Doch es wird zu prüfen sein, ob ein solcher "Nihilismus" überhaupt angemessen ist, um die Subjekt-Objekt-Spaltung derart wirksam zu überwinden, so daß Sein befragbar wird. Dasjenige, wovon dieser Nihilismus, der sich zuweilen auch als Skeptizismus oder Relativismus gegenüber der Möglichkeit des Erkennens der sogenannten "Wirklichkeit" äußert, absieht, eben diese Wirklichkeit, soll hier nämlich ins Zentrum des Interesses gestellt werden. Dies klingt zunächst nach einem Widerspruch; Sein -im Unterschied zu Seiendem- soll befragt werden und um diese Frage zu stellen wird auf eine Möglichkeit des Verständnisses der Wirklichkeit von eben diesem Seienden zurückgegangen. Und doch ist das Seiende unabdingbar für das Fragen des Seins. Zu zeigen ist nämlich, daß die "klassische" Subjekt-Objekt-Spaltung bereits für die lediglich auf Seiendes gerichtete Erkenntnishaltung zum Verhängnis wird, weil sie auch dort Wesentliches ungeklärt lässt. Schon die Frage nach den Dingen, dem Seienden, muß so formuliert werden, daß ihr Sinn sich nicht mehr auf Objekte eines erkennenden Subjektes bezieht. Wird die Subjekt-Objekt-Spaltung bewußt oder unbewußt anerkannt, dann ist der Weg zum Zweifel an der "Wirklichkeit der Wirklichkeit" offen. Die Abwendung von dieser Wirklichkeit mit dem Ziel des Dahinterliegenden, des "Transzendenten", welches die "wahre Wirklichkeit" sein soll, endet in ontologischer Mystik oder in allumfassendem Relativismus und Agnostizismus. Will man aber das Sein aus dem Seienden verstehen (und dies scheint doch der nächstliegende und sicherste Weg zu sein), den Weg also gehen, den jede große Philosophie, die mehr als Mystik ist, geht, so muß am Seienden, an seiner Wirklichkeit und seiner Wahrheit, daß es ist was es ist und wie es scheint, festgehalten werden. Erst wenn das Seiende dergestalt gesichert ist, kann sich "Seinsbewußtsein" (im Sinne der Entdeckung der Fragwürdigkeit) manifestieren. Jeder Zweifel am Seienden, daß es ist was es ist, soll demnach schlichtweg unmöglich werden. Ob und wie dies gelingen kann und was dies für die Seinsfrage zur Folge hat, steht hier zur Disposition.
Nicht der Verlust der "Absolutheit der Dinge", sondern gerade dessen Verfestigung kann die Basis der Seinserfahrung in der Form des Erkennens einer "Problemstellung", dem Sensibilisieren für die Bedeutung von "sein" werden. Eine solche Verfestigung der Geltung der Dinge, so wie sie sind, als wirkliche, scheint sich aber bei Anerkenntnis der Subjekt-Objekt-Spaltung nur für die Wenigsten als möglich zu erweisen. Das Fragen bleibt dann dem Problem der möglichen oder unmöglichen Übereinstimmung von "Erkenntnis" und "Erkanntem" verhaftet. Deshalb muß schon die "natürliche" Geisteshaltung, diejenige also, die auf Seiendes noch "gerichtet" ist, im Gegensatz zu einer Haltung, die vom Sein angedacht wird, und die auch in den verschiedenen Philosophien nur selten zutage tritt, auf die Subjekt-Objekt-Spaltung zu verzichten lernen. Gerade nicht um die Seinsfrage losgelöst von der Welt zu stellen, sondern um allererst das Seiende angemessen zu verstehen. Aus einem solchen Verständnis heraus wird der Fragende offen für den Sinn von "sein". Gelingt dies, so kann Seiendes in seiner Gegebenheit vom Sein her verstanden werden, ohne daß Seiendes in seinem Sein "eingebüßt" würde, ohne "Verschwinden aller Gegenständlichkeit" und ohne "unter Erlöschen des Ich"5. Beides (die Gegenstände und das Ich) sollen hier wichtige Marksteine auf dem Weg zur Entwicklung der Seinsfrage darstellen, die es zu erhalten gilt, wenn auch in einem anderen Verständnis als dem vom Objekt-erkennenden Subjekt. So leistet die Entwicklung der Seinsfrage auch, daß Seiendes und der Sinn dessen "Wirklichkeit" vielleicht in angemessener Weise zugänglich werden kann, als es noch für die "natürliche" Geisteshaltung, der Welt der Subjekte und Objekte, möglich war. Auch in solchen Gedankengängen, in denen der Wert der Wirklichkeit, des Seienden, für die Frage nach dem Sein anerkannt wird, (so z.B. bei Jaspers, der "das bestimmte Denken zum Äußersten" treiben will6 ) scheint dies doch in gewisser Weise immer nur als ein "auf Kosten" der gegebenen Wirklichkeit vonstatten gehen zu können. Auch worin dieser "Wert" begründet liegt, der das reale Seiende in seinem So-sein als unabdingbar für die Entwicklung der Seinsfrage macht, wird meist nicht in befriedigender Klarheit deutlich gemacht. Dies soll hiermit nun versuchsweise unternommen werden.
Dazu ist es nötig einen Begriff von "Wirklichkeit" zu gewinnen, der diese weder als willkürliches Konstrukt eines Subjektes noch (und das ist meist die ebenso unumgängliche wie unverständliche Konsequenz des Ersteren) als ein im herkömmlichen Sinne "Scheinhaftes", als Täuschung auffasst. In der Rückkehr (oder der erstmaligen Hinwendung) zu den Sachen selbst wird das Sein als philosophisches "Denkproblem" erfahrbar, bzw. die Möglichkeit eröffnet, das latent vorhandene Verständnis von Sein als echte Fragwürdigkeit zu formulieren. "Dieses unser Verstehen von Sein und vollends das Sein selbst ist daher das Fragwürdigste alles Fragens."7
Eine Untersuchung der Tragweite des Bedeutungshorizontes des Begriffes "Phänomen", als eine Weise des Verständnisses von "Wirklichkeit des Seienden", soll dann das Zentrum der Überlegung bilden und ob und wie daraus die Seinsfrage "Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr nichts", (und ebenso auch andere Formulierungen derselben) wie Heidegger sie in der "Einführung in die Metaphysik" aufwirft, herzuleiten und zu fragen ist, was heißen soll: "sich in den Zustand dieses Fragens nötigen"8.
2. Die Seinsfrage
Durch die Entwicklung der Seinsfrage wird nicht etwas völlig Neues entdeckt, das bisher unbekannt war. Wer nach etwas fragt, und da macht auch die Frage nach "sein" (auch wenn dies kein "etwas" ist) nun keine Ausnahme, ist sich des Ziels der Frage schon in der einen oder anderen Weise bewußt. So muß auch Sein stets schon irgendwie verstanden sein, wenn überhaupt eigens danach gefragt werden kann. Nur ist dieses Verständnis als etwas Selbstverständliches meist verschüttet und bleibt daher ungefragt. Es muß nun ein Ansatz aufgefunden werden, dieses Selbstverständliche erst fragwürdig werden zu lassen. Dieser Ansatz soll in demjenigen gefunden werden, was im weitesten Sinne das "Etwas-aussagen" genannt wird. Dieses gilt doch schon immer als eine der selbstverständlichsten Leistungen der menschlichen Vernunft: die Fähigkeit des "Etwas-aussagens". Und zwar ist damit nicht die Fähigkeit des "richtigen" Aussagens gemeint, also das Urteil oder die Aussage 2+2=4 als "richtig", oder im allgemeinen Sprachgebrauch als wahr, von der falschen Aussage 2+2=5 zu unterscheiden. Hier soll keine
Überlegung angestellt werden, was Richtigkeit als solche in einer Aussage überhaupt auszeichnet, und auf welche Weise die Verbindung eines Subjektes mit einem Prädikat durch das "ist" hergestellt werden muß, so daß ein logischer Gehalt zustande kommt, oder anders formuliert: die Frage, welche Subjekte mit welchen Prädikaten sinnvolle Verknüpfungen ergeben. An der Aussage "A = b" interessiert hier also nicht, ob das Subjekt A denn nun auch "tatsächlich" die b-Eigenschaft hat, oder nicht vielmehr stattdessen die c-Eigenschaft. Ebensowenig soll die Frage problematisiert werden, ob das Subjekt A prinzipiell b sein könnte, oder solcher Zusammenhang nicht widersinnig wäre, wie in der Aussage "Der Kreis ist viereckig". Auch ob durch die Aussage eine mögliche Realität, ein tatsächliches Vorhandensein von A und b (z.B. "Gott ist allgegenwärtig") berechtigter- oder unberechtigterweise behauptet wird, bleibt unbeachtet.
Die Beschäftigung mit diesen Problemen, so wichtig sie für eine Sprach- und Aussagenlogik sind, besteht ihrem Wesen nach darin, nach Regeln zu suchen, gemäß derer Seiendes in Beziehung zu anderem Seienden, bzw. ausgesagtes Seiendes in Beziehung zur "Realität" gesetzt werden kann und die angemessene logische und sinnvolle Umsetzung dessen in Sprache. Allen diesen Problemen liegt mehr oder minder deutlich das adäquatio-Verständnis zugrunde; es geht darum die Regeln einer Übereinstimmung aufzuweisen. Es werden Aussagen hinsichtlich dessen, was und wie ausgesagt wird, untersucht und der Aufbau einer Aussage im allgemeinen analysiert.
Die Seinsfrage zu stellen, jenes allem obigen zugrundeliegende Seinsverständnis zu vergegenwärtigen, erfordert aber eine andere Blickrichtung auf die Aussage. Was hier als das eigentlich Befragenswerte auftaucht ist die Tatsache, daß in der Aussage Seiendes als solches überhaupt erst vermeint wird. Seiendes zu vermeinen heißt nicht, es als Seiendes zu vermuten, hypothetisch zu unterstellen, daß etwas seiend wäre, obschon es auch nicht sein könnte oder in "Wirklichkeit" vielleicht gar nicht seiend ist, sondern lediglich die Fähigkeit zu sagen und denken: "Dies ist", "Etwas ist" und "Etwas ist so", wobei nicht das "Dies" oder das "Etwas" das eigentlich Befragenswerte ist. Seiendes als solches zu vermeinen heißt: sich aussagend auf Seiendes zu beziehen, die Bedeutung des "ist" zu verstehen und nicht umhin können sie -wenn auch zunächst unreflektiert- anzuerkennen und anzunehmen.
Der Weg zur Seinsfrage hat hier also seinen ersten Anknüpfungspunkt in der Aussage gewonnen. Dabei ist es ebenso wichtig zu bemerken, daß "Aussage", so wie sie hier verstanden werden muß, sich nicht im gesprochenen Wort erschöpft. Es geht deshalb nicht um das Wort"sein" oder "ist", sondern vielmehr um den impliziten Bedeutungshorizont. Eine Aussage ist demnach, so formuliert es Heidegger, ein "Beziehungsganzes aus Wort, Bedeutung, Denken, Gedachtem und Seiendem"9. Aussagen sind in ihrer Bedeutung wesentlich auf Seiendes bezogen. Dieser Bezug ist es, der erst "Bedeutung" aufkommen lässt, und dies unabhängig davon, ob dieses bestimmte Seiende "real vorhandenes" oder Nicht-seiendes, "nichtiger Schein" ist.
Die Aussage in dem hier zu verstehenden Sinne darf auch nicht auf ein bestimmtes grammatikalisches Konstrukt der Sprache reduziert werden. Fragen, Bitten, Wertungen, Imperative und dergleichen sollen in die hier dargelegte Überlegung ebenso mit einbezogen sein, als und insofern auch in diesen der Bezug auf den Sinn von "sein" grundlegend und maßgebend ist. Wenn also in diesem Zusammenhang von "Aussagen" gesprochen wird, dann heißt dies eben nicht nur, daß ein Satz mit dem Hilfsverb "sein" oder der Kopula "ist" gebildet wird. Es mag Sprachen geben, in denen dieses Wort "sein" oder "ist" gar nicht in dieser Weise existiert. Es sind deshalb nicht diese Wörter und deren Bedeutungen, nach denen in der Seinsfrage gefragt wird. Sie zeigen aber (zumindest in den indo-germanischen Sprachen) deutlicher, wie das "ist" und dessen Sinn eine Aussage erst als eine sinnvolle konstituiert.
"Etwas aussagen" heißt nun ganz allgemein: Sinn als solchen zu verstehen. Wer eine Aussage macht (ausspricht oder denkt) hat schon vorab etwas verstanden. Das Wort "sein" oder "ist" muß dazu durchaus nicht eigens gesprochen oder gedacht werden. Imperative und Sätze wie "Geh!" und "Er geht" sind keine Aussagen im Sinne der Logik oder der Grammatik. Sie sind nicht von der Sprachstruktur "S ist P", ein Seiendes S ist so oder so beschaffen. Sie scheinen auf den ersten Blick ohne das "ist" oder "sein" auszukommen. Sie zeigen aber (auch wenn man sie nicht als "Aussagen" bezeichnen mag) doch eine spezifische, ihnen je eigene Bedeutung und diese Bedeutung ist es, die hier das "seiend-sein" ausmacht. Die Bedeutung, wie immer sie auch ihrem "Inhalt" nach, dem, was bedeutet wird, beschaffen sein mag, impliziert notwendig, da ß das "seiend zu sein" verstanden wurde. Dieses grundlegende Seinsverständnis ist es, welches überhaupt erst "Bedeutung" möglich macht, unabhängig davon, ob die jeweilige Bedeutung das "so-sein" oder "Was-sein" eines seienden Gegenstandes beinhaltet oder davon, daß sich die Aussage überhaupt nicht auf Gegenstände bezieht. Auch der Imperativ hat zweifellos eine Bedeutung, er meint etwas, das verstanden werden kann. Dieses Vermeinte ist aber seiend, es ist es selbst, es hat Bedeutung, weil "sein" einen Sinn hat. Aussagen sagen also nicht "das Sein" aus, in der Form, daß das Wort "sein" selbst genannt werden muß, sondern aussagend wird Seinsverständnis "miterfahren" und zugrundegelegt. Und genau dieses grundlegende Vorverständnis ist das Erstaunlichste und Fragwürdigste schlechthin. An der Bewußtmachung dieses Verständnisses knüpft jedes Fragen nach "sein" notwendigerweise an.
Die Entwicklung der Seinsfrage wird hier nun in einem gewissen Gegensatz zu Heideggers Weg, den er in "Sein und Zeit" aufzeigt, vorgenommen. Heidegger lehrt dort, sowie im "Umkreis" dieses Werks (insbesondere in der Phänomenologie-Vorlesung SS 1927), daß Seiendes immer schon "enthüllt" sein muß, damit eine Aussage darüber möglich ist10. Dies beinhaltet, daß das "ist" schon vorweg verstanden sein muß. "Das Seinsverständnis dessen, worüber die Rede ist, erwächst nicht erst durch die Aussage, sondern diese spricht jenes aus."11 Dies allein ist noch kein Widerspruch zu dem oben Gesagten. Auch hier wurde nicht behauptet, daß die Aussage Seinsverständnis "macht", sondern es als vorweg-seiend aufweist. Doch ist das "ist" nach Heidegger keineswegs in der Aussage (der "apophansis") selbst ursprünglich vorverstanden. Die Aussage ist vielmehr etwas "Abkünftiges". Ursprünglicher kann nach "Sein" gefragt werden aus dem "Sein des Daseins" als Sein in einem schon vorweg erschlossenen Bewandtniszusammenhang, dem In-der Welt-sein als "Sorge" (besorgendes Zu-tun-haben in der Welt). Dieses Verständnis ist "hermeneutisch", d.h. auslegend im Gegensatz zu "apophantisch", aufzeigend. Wie aber steht Heidegger nun zur Aussage selbst? Den primären Charakter einer Aussage sieht Heidegger in einem Tatbestand den er wie bereits erwähnt "apophantisch" nennt. Gemeint ist, daß die Aussage dasjenige, worüber sie aussagt, aufzeigt, das heißt, das Seiende "von ihm selber her, so wie es an sich ist, sehen lässt"12.
Die Betonung dieser Definition liegt auf dem "so wie"; die apophantische Aussage führt also die reine Beschaffenheit des Ausgesagten vor und zeigt es nur in seiner essentia, nur das "Als- solches" auf. Dieses Aufzeigen des Seienden nur als etwas "Vorhandenes" isoliert es aus der Erschlossenheit eines Bedeutungszusammenhangs und lässt es nur sichtbar (aber "praktisch" bedeutungslos) sein. Heidegger spricht in diesem Zusammenhang auch vom reinen "Anstarren" des Nur-noch-vor-sich-Haben von etwas als Nicht-mehr-verstehen.13
Die ontologische Struktur des Vorverständnisses von "sein" gründet nach Heidegger deshalb im In-der-Welt-sein, was das "je schon Aufhalten bei irgendwelchem Seienden" meint14.
Nach Heidegger ist dieses "Aufhalten bei" aber nicht in der Aussage zu finden, sondern es muß auf die Welt als "Ganzes der Bedeutungszusammenhänge" zurückgegangen werden, wobei diese Bedeutungen ausschließlich praktische "um-zu"-Beziehungen sind, in denen das Seiende nicht einfach aufgefunden, sondern im tätigen, alltäglichen Umgang benutzt wird. Dies geht jeder apophantischen Aufweisung des Seiendem-als-solchem voraus und ist deshalb ursprünglicheres Sein-bei-Seiendem. Das wesentliche Moment des In-der-Welt-seins, welchem das Seinsvorverständnis zugrundeliegt und aus welchem es einzig (so Heidegger in Sein und Zeit) befragt werden kann, besteht nun gerade im Rückgang auf die "Zuhandenheit" im Gegensatz zur reinen "Vorhandenheit" der apophantischen Aussage. Das In-der-Welt-sein ist als das "Aufhalten- bei-Seiendem" Ausdruck dafür, daß der Mensch (das Dasein) sich schon vorweg in einem Bewandtniszusammenhang mit den zuhandenen Dingen (dem "Zeug") versteht. Das Da-sein versteht sich aus der Welt der Um-zu-Bedeutungen.
Hieran stellt sich aber in dieser Untersuchung die Frage, ob durch das In-der-Welt-sein als Seinsweise auch und gerade des aussage-fähigen Daseins das schon vorweggehende Seinsverständnis abschließend und ausschließlich aus der Seinsweise der "Sorge" erklärt werden kann. In "Sein und Zeit" liegt der Schwerpunkt noch auf dem faktischen Zeugzusammenhang. 15 Aus diesem heraus versteht das Da-sein "Sein". Die "Welt" selbst, als Gegensatz zur reinen Innerweltlichkeit, der "Summe" des Seienden, ist diese dem Da-sein schon vorweg seiende, "praktische" Bewandtnisganzheit und nur sie entbirgt eben das "Seinsvorverständnis".
Das Seinsverständnis ist das stets Zugrundeliegende, doch kann es ausschließlich auf die Weise als solches verstanden und erfasst werden, daß das Da-sein lediglich als "praktisch-sorgendes" Sein-bei-Seiendem gilt? Ist also nur "Zuhandenes" dasjenige, welches ein Seinsverständnis voraussetzt und entbirgt, im Gegensatz zum "Vorhandenen", das dann als ebenfalls Seiendes kein vorgängiges Seinsverständnis entdecken ließe?
"Sein" schon immer zu verstehen ist die zweifellos entscheidende Seinsweise des Da-seins und zwar gleichermaßen als "Sorgendes" wie "Aussagendes". Um dies einsichtig zu machen, muß aber das in-der-Welt-sein weiter gefasst werden, insofern als es das aussagende Da-sein dem "sorgenden" gleichstellt bzw. "integrativ" mit enthält. Die Seinsfrage kann also durchaus eine erste und sinnvolle Problematisierung durch den Rückgang auf die Aussage erfahren, vollständig entwickelt werden muß sie dann in der Zusammenschau von der "Sache-an-sich-selbst" und deren "Bewandtnisganzheit" Es muß dann auch geklärt werden, in welcher "Beziehung" das Da- sein zu einer "Welt" steht, die nicht nur Bewandtnisganzheit ist und in welchem Sinn von einer "Beziehung" überhaupt gesprochen werden kann, um das grundlegende Seinsverständnis zu erhellen. Ist es die Seinsweise des Da-seins, welche "Welt" vorentwirft oder entwirft die "Welt" vielmehr erst das Da-sein und ist es nicht eben das vorgängig-mitgängige Seinsverständnis, das hiervon zeugt? Die Seinsweisen des Da-seins werden bei dieser Auffassung des Problems durchaus zu etwas Sekundärem. Vom "aus-der-Welt-sein" (aus jener abkünftig), von der Welt her versteht sich das Da-sein dann selbst und also die Frage nach "Sein".
Wenn der "Weg zum Sein" über die Aussage gewählt wird, so deshalb, weil eben in der Aussage das Sein als ihre Grundbedingung berührt wird und in der Aussage stets gegenwärtig ist. Aussagen haben eine Bedeutung, einen Sinn und diesen Sinn verdanken sie dem ihnen zugrundeliegenden Seinssinn. Weil das Da-sein zugunsten des Seins zunächst in den Hintergrund treten soll und gerade im sich-selbst-so-zeigen des Seienden (welches nicht mehr apophantisch, sondern "phänomenal" aufgefasst werden muß und eine Integration von "Sorge" und Apophansis, von "Zeug-beziehung" und "Sache an-sich-selbst" leistet) "sein" sich entbergen soll, wird hier die
Aussage (in der dargelegten weitesten Bedeutung) als Ansatz gewählt. Die Untersuchung des Wesens der Aussage kann deshalb nicht das Sein selbst als ein mögliches Ausgesagtes zutage fördern, aber sie kann die Seinsfrage aufwerfen und näher zu fassen helfen.
Zur Aussage und der darin liegenden Möglichkeit ein Seinsverständnis zu entwicklen, gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen:
Um Heideggers Standpunkt (in "Sein und Zeit") noch einmal zu pointieren, sei Pöggeler genannt, der Heideggers Auffassung wiedergibt, daß die Aussage ob ihres apophantischen Wesens kein echtes Seinsverständnis emöglichend sei. Die Aussage ist "entweltlichende Nivellierung" der primären Welterfahrung des Menschen. Diese Erfahrung ist Praxis, die die Erschlossenheit eines Bewandtniszusammenhangs bedeutet, was eben in der Aussage nicht zum Tragen kommt16.
Bei Bröcker17 ist die Bedeutung des "ist", wie es in der Aussage auftaucht, unabhängig davon, ob die Aussage apophantisch im Sinne Heideggers (und somit nur das Vorhandene aufweisend) verstanden wird oder nicht. Bröcker möchte den theoretisch-logischen Anteil der Bedeutung des "ist" für das Seinsverständnis (als den rein Essenz-aufweisenden) neben dem "praktischen" (Heidegger benutzt den Begriff "praktisch" selbst nicht) erhalten wissen. Auch und gerade aus diesem "logischen" Anteil kann seiner Ansicht nach die Seinsfrage entwickelt werden. "Sein begegnet ursprünglich im Ist-Sagen,"18 und zwar im logisch-apophantischen Aufweis des Vorhandenen. Dieses Ist-Sagen ist logischer Natur heißt deshalb, daß es nicht auf theoretisch- wissenschaftliche, interessenlose Betrachtung des reinen So-sein eingeschränkt ist, sondern in seiner Seinssinn-entbergenden Bedeutung auch den existentialen Sorgebezug des Daseins miteinschließen kann.19
Hier schließt also im wesentlichen der Gedanke an, daß das Seiende in seinem enthüllten Selbst- sein nicht notwendigerweise nur auf seine reine Was-Vorhandenheit (seine apophansis) reduziert gedacht werden muß. Seiendes muß so entdeckt werden können, daß es ebensogut seinen "Welt- Zusammenhang" (z.B. in Form der Zuhandenheit), gleichursprünglich mitenthüllt. Wenn Seiendes nie "isoliert" ist, dann muß ein "Sich-selbst-aufzeigen so wie es ist" implizit einen jeweiligen Zusammenhang mitaufzeigen können. Das Seiende soll sich selbst als eines "im Ganzen" aufzeigen oder aufweisen, sich selbst so aus-sagen. Soll nach dem Sinn von Sein, wie er (auch) in der Aussage schon verstanden ist, gefragt werden, so muß eine Art von "Aufweisung des Seienden-an-sich-selbst" gefunden werden, die den Unterschied des Seienden als rein "Vorhandenes" einer theoretischen Betrachtung (apophantisches Als) und als zuhandenes "Zeug" in seinem Bewandtniszusammenhang (hermeneutisches Als)20 schon mit in sich einschließt.
Oder anders ausgedrückt: Die "Aufweisung" muß ebenso die "reine Essenz", wie den Verweiszusammenhang eines Seienden entbergen. Diese Aufweisung wird das "Phänomen" sein. Ein weiterer Gedanke, der eine Möglichkeit der Entdeckung des Seinsverständnisses durch die Aussage nahelegt, findet sich bei Tugendhat.21 Dieser zeigt, daß Heideggers Wahrheitsbegriff als aus der Aussage abgeleitet verstanden werden kann. Zunächst also ist die Aussage etwas, in dem Seiendes selbst in seinem Sein als Enthülltes zum Erscheinen kommt. Diese "Definition", die bereits oben so zugrunde gelegt wurde, lässt sich auch bei Heidegger wiederfinden: Die Aussage "meint als enthüllende das vorhandene Seiende in seinem enthüllten, d.h. wahren So-sein."22 Tugendhat knüpft nun an den Wahrheitsbegriff Heideggers an, den dieser im Zusammenhang mit der Aussage anführt. Der Wahrheitsbegriff Heideggers definiert sich nicht als logische Richtigkeit, Stimmigkeit oder adäquatio, sondern ist "aletheia", geschehende Unverborgenheit.
Tugendhat zeigt, daß dieser Wahrheitsbegriff bei Heidegger als "Wahrheit einer Aussage" verstanden werden kann, daß also "Unverborgenheit" wesenhaft für eine Aussage sein muß. Nachdem Heidegger das "So-wie etwas sich zeigt" aus der apophantischen Definition der Aussage verbannt hat und damit die apophansis gleichsam überwindet, kann er nun "die These erreichen: "Wahrsein (Wahrheit) der Aussage muß verstanden werden als Entdeckendsein". Erst mit dieser Wendung hat Heidegger...seinen eigenen Wahrheitsbegriff gewonnen,..."23 Ob der Begriff "Wahrheit" in diesem Zusammenhang sinnvoll gebraucht ist, wird bei Tugendhat diskutiert. Hier ist lediglich zu bemerken, daß die Aussage als solche, auch als apophansis, bzw. nachdem diese vom reinen "so-wie" auf das "Entdeckend-sein" hin überstiegen wurde, auch für Heidegger ein Verständnis von "aletheia" zu ermöglichen scheint. Zusammenfassend: Es sollte gefragt werden, was "sein" bedeutet, die Seinsfrage sollte gestellt werden. Es wurde ein Ansatzpunkt gesucht, an dem diese Frage festmachen kann, etwas was auf "Seinssinn" verweist und diesen aufzeigt, so daß er allererst befragt werden konnte. Als ein solcher Ansatz wurde die Aussage entdeckt. Aussagen haben eine Bedeutung, in der sie etwas als- solches an-sich-selbst aufzeigen. In Aussagen stehen wir Seiendem selbst gegenüber. Im tätigen Umgang mit Seiendem haben wir zwar ein unreflektiertes Vorverständnis von dessen Sein, aber wir wollen zunächst Seiendes als es selbst befragen und müssen es daher "apophantisch" und darüber hinaus schließlich “phänomenal“ sich sehen lassen. Wird nach dem der Möglichkeit dieses "Sehenlassens" vorgängigen Verständnis gefragt, so wird nach dem Seinsverständnis gefragt. Ob und wie dieses Verständnis (auch oder ausschließlich) aus dem "tätig-sorgenden" In- der-Welt-sein des Daseins möglich ist, wurde außer acht gelassen. Aussagend wird "sein" immer schon verstanden und dieses Verständnis scheint in der Aussage auf. Dabei wurde bereits (mit Heidegger) erkannt, daß das Seinsverständnis nicht im "so-wie", also im gegenständlichen "Was" der Aussage, sondern im Seiendes-als-solches-entdeckend vorgängig verstanden ist.
Die Seinsfrage fragt deshalb: Was ist an dieser allen Aussagen zugrunde liegenden Bedeutung, was meint "Es ist", warum ist es denkbar und kann (und muß) verstanden werden? "Dergleichen wie Sein muß es in irgendeinem Sinne geben, wenn wir mit Recht davon reden und wenn wir uns zu Seiendem verhalten, es als Seiendes, d.h. in seinem Sein verstehen. Wie "gibt es" Sein?"24 Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? (Das "Warum" darf hier nicht so verstanden werden, daß es im Rahmen eines kausalen Gefüges nach einer Ursache für die Wirkung Sein-von-Seiendem fragt, für die ein anderes "höheres" Seiende (Gott, Idee der Ideen, etc.) dastünde (s.o.), sondern nachdem es-als-solches-Ermöglichenden.) "Auf welchem Grunde steht, zu welchem Grunde geht das Seiende?"25 Was ist der "Sinn von Sein"? (Sinn ist hier nicht ein Ziel oder Zweck, sondern die Bedeutung des Sprechens und Denkens von "seiend- sein".)
Es ist nun verständlich, warum ein Andenken der Grundbedingung der Aussage als solche und nicht die Regeln des richtigen Aussagens und dessen Beziehungen die Seinsfrage aufzuwerfen imstande sind, sofern man denn diesen Weg gehen will. (Daß ein Blick auf das Intendierte, das "Was" der Aussage in seinem Selbstsein nicht in diesem Zusammenhang auch sinnvoll sein wird, ist hiermit durchaus noch nicht behauptet.)
Erstaunlich ist nämlich gerade nicht die Unbezweifelbarkeit der Richtigkeit und Stimmigkeit bestimmter Aussagen, sondern die vorgängige Gegebenheit der Bedeutung des "ist", des immer schon vorhandenen Seinsverständnisses. Dieses Seinsverständnis kann in der Aussage aufgewiesen und aus ihr heraus befragt werden. Die Aussage selbst verstellt dieses Verständnis nicht, sie zeigt es. Die Frage lautet also nicht, wann oder warum eine Aussage ein richtige Aussage ist, sondern was die Bedingung für die Möglichkeit des Etwas-Aussagens überhaupt ist. Was ist die Bedingung für die Möglichkeit, daß Aussagen etwas bedeuten können? In dieser Betrachtungsweise, um es deutlich zu sagen, wird nun keineswegs das Sein selbst mit der Aussage identifiziert oder gar vollständig daraus erklärt. Es ist die Seinsfrage, die hier eine Möglichkeit (neben anderen, wie z.B. der Rückgang auf das Sein des Daseins, die Existenz des Menschen) findet, aufgeworfen zu werden und sich zu manifestieren, so daß die eigentliche Fragwürdigkeit von "sein" überhaupt deutlich wird. Der "ontologische Vorrang" des Daseins, d.h. die Entwicklung der Seinsfrage "aus" der Existenz darf nicht als die einzige Möglichkeit verstanden werden (was auch das Spätwerk Heideggers zeigt).
Es mögen Zweifel auftreten, ob ein bestimmtes Seiendes so oder so ist oder ob es überhaupt existent ist und die Aussage anstelle des "Es ist" nicht "Es ist nicht" zu lauten hätte. Aber daß das "ist" (ebenso wie das befragte "Sein") eine Bedeutung hat, welche unabhängig davon ob es jeweils als Wort gedacht oder gesprochen ist und unabhängig von Sein oder Nichtsein eines konkreten Seienden etwas vermeint ist unzweifelhaft. "Auch die falsche Aussage richtet sich nach etwas, was sich zeigt. Auch der Schein ist unverborgen."26 Worin liegt dieser spezifische Bedeutungshorizont und wie läßt es sich an eine Beschreibung desselben annähern? Wie kann das scheinbar Selbstverständlichste einer Frage nach ihm selbst eine Richtung geben? Es ist doch gewiß, daß etwas ist. Jene faszinierende Gewißheit soll in der Seinsfrage ihrem Wesen nach zur Sprache kommen können. Jedes Seiende ist auf so erstaunlichste Weise unumgänglich seiend, daß diese Offenbarkeit bemerkenswert erscheint. Offenbar aber ist das Seiende nur als Phänomen.
3. Die phänomenologische epoché
Im vorangegangenen Abschnitt wurde die Seinsfrage auf zwei Arten formuliert, die auf den ersten Blick nur vom sprachlichen Ausdruck her unterschiedlich zu sein scheinen. Es wurde gefragt: "Warum ist überhaupt Seiendes?" und es wurde nach dem Bedeutungshorizont, dem Sinn von Sein gefragt. Der zweite Ausdruck scheint das Sein von der Seite desjenigen, der die Seinsfrage formuliert, also vom Menschen her anzugehen. Es wird gefragt: "Was heißt Sein für uns, was ist gemeint, was "passiert im und mit dem Bewußtsein", wenn Sein gedacht wird. Das Seinsverständnis oder Seinserlebnis des Sein-Erfahrenden steht im Mittelpunkt.
Die Frage "Warum ist überhaupt Seiendes" zielt ebenfalls auf Sein ab, sofern man nicht lediglich die (kausale) "Ursache von Seiendem" in einem hierarchisch höherstehendem Seienden vermutet. Sie fragt nach dem Sein als dem Grund dafür, daß Seiendes überhaupt erst sein kann. Und doch scheint in dieser Frage noch etwas anderes mitenthalten und vorausgesetzt zu sein, nämlich eine gewisse Unfraglichkeit, daß Seiendes existiert. "Warum ist überhaupt Seiendes" gründet offenbar schon in der Tatsache, daß Seiendes ist und sucht nun einen Grund dafür. Aber diese Tatsache sollte doch eigentlich eigens problematisiert werden. Ist es also, wie in dieser Frage geschehen, berechtigt, das Seiende vorauszusetzen? Wenn dies getan und so gefragt wird, so muß man sich aber Rechenschaft darüber geben, was gemeint ist, wenn Seiendes als "seiend" oder existierend gedacht wird.
Vor einem Mißverständnis sei hierbei nun besonders gewarnt, welches, bei falscher Auffassung der Frage "Warum ist überhaupt Seiendes?", naheliegend ist. Dieses Mißverständnis besteht darin, daß der "Ort", an welchem man das Seiende als seiend versteht, schon von vornherein festgelegt ist und eine echte Rechenschaft über den eigentlichen Sinn von "seiend-sein" unmöglich zu machen droht. Der "Ort" ist meist schnell lokalisiert, nämlich jenseits eines ebenfalls -wenn auch auf andere Art- seienden Bewußtseins. Damit ist die bereits erwähnte Subjekt-Objekt-Spaltung begründet, auf deren Basis jedes Erkenntnisproblem auf ein adäquatio-Problem hinausläuft. Es ist die Frage, ob und wie es möglich ist, daß ein Seiendes, nämlich die Vorstellungen, die sich im Bewußtsein bilden, mit anderem Seienden, nämlich den jenseitigen (transzendenten), vorgestellten Dingen übereinstimmt. Es ist die Frage, ob es jemals gelingen kann, die Welt, so wie sie "wirklich" ist, durch die menschlichen Vorstellungen abzubilden.
Das Treffen der Dinge durch das vorstellende Bewußtsein, die Triftigkeit dessen, wird nun entweder bejaht oder verneint, aber nur selten wirklich problematisiert. Wird die Seinsfrage aufgeworfen, so ist es aber nötig eben ein genaues Verständnis von “Seiend-sein“ zu gewinnen, denn das Seiende war ja gerade der Ausgangspunkt und Anstoß, um nach "sein" zu fragen. Eine Art solcher Problematisierung dessen, was "Seiendes" überhaupt bedeutet, findet sich in der Phänomenologie Husserls, genauer: in der Überlegung zur epoché.
In der natürlichen Geisteshaltung wird eben die unabhängige Existenz von Seiendem und Bewußtsein unreflektiert unterstellt. "Natürliche Erkenntnis...ist ihrer Triftigkeit ganz sicher und hat keinen Anlaß an der Möglichkeit der Erkenntnis und an dem Sinn der erkannten Gegenständlichkeit Anstoß zu finden"27. Die skeptische und deshalb nicht minder natürliche Erkenntnis leugnet Erkenntnis, die sie als Abbildhaftigkeit versteht, indem sie die "wahre" Welt, das sich in stetigem Wandel befindliche "Leben", als von den menschlichen Erkenntnisformen gänzlich unterschiedlich und deshalb unerkennbar charakterisiert. (Wie sie, die skeptische und relativistische Lehre, allerdings diese Andersartigkeit und Unerkennbarkeit feststellen, ihrer einsichtig werden konnte, verschweigt sie.) Durch die phänomenologische epoché wird nun Enthaltsamkeit geübt gegenüber aller Transzendenz im Sinne der natürlichen Geisteshaltung. Was dieser als absolut und gesetzt galt, nämlich die Jenseitigkeit der Dinge in Bezug auf das Bewußtsein, wird eingeklammert. Auch das Bewußtsein als Seiendes unter Seiendem hält der epoché nicht stand. Husserl rettet lediglich das tranzendentale Bewußtsein, also dasjenige, welches Gegenständlichkeiten überhaupt erst ermöglichen und konstituieren soll, aus seiner radikalen Reduktion. Dieses Bewußtsein wird als "Intentionalität" charakterisiert. Das Wesen des transzendentalen oder reinen Bewußtsein ist Gerichtetheit auf ein Etwas, einen Gegenstand. Damit hat Husserl dem Bewußtsein jeglichen Substanzcharakter abgesprochen. Das Bewußtsein ist kein Seiendes. Levinas formuliert dies treffend: "Die große Originalität Husserls besteht darin, zu sehen, daß die "Beziehung auf den Gegenstand" nicht etwas ist, das zwischen Bewußtsein und Gegenstand tritt, sondern daß die Beziehung auf den Gegenstand" das Bewußtsein selber ist."28
Die epoché, durch die eben dieses einsichtig wird, ist somit insbesondere gegen die der natürlichen Einstellung zugrunde liegenden und bereits mehrfach erwähnten Subjekt-Objekt- Spaltung gerichtet. Es wird, wie oben dargelegt, die Transzendenz der Welt und damit die Erkenntnisdualität ausgeschaltet, aber -und das ist das Bedeutende- nicht die Welt selbst in ihrem Sein. Der betrachtete (oder vorgestellte, phantasierte, geträumte etc.) Gegenstand an sich ist derselbe in der natürlichen wie der phänomenologischen Geisteshaltung und auch das Betrachten, Vorstellen, Phantasieren und Träumen ist dasselbe. Die Welt bleibt erhalten nach Durchführung der epoché. In der Kontrastierung der epoché zum cartesischen Zweifel, der -im Gegensatz zur epoché- nur innerhalb der natürlichen Einstellung seinen Sinn hat und über diese nicht hinaus führt, kommt Ströker zu dem Schluß: "Daß in Husserls epoché alle Seinssetzungen..." auszusetzen" sind und die Welt "dahingestellt" bleibt, hat bei Husserl keinen skeptischen, sondern den positiven Sinn, daß sie in ihrem Bestande nicht angetastet...wird, sondern daß sie so gerade "Gegenstand"... werden soll."29 (Man beachte die zweifache Bedeutung des Wortes "dahingestellt" im obigen Zitat; einerseits: "unbeachtet", aber auch "her-gestellt", "er-stellt") Die epoché muß so verstanden werden, daß sie erst die eigentliche "Zugänglichkeit" der Welt leistet. Die bloße Setzung der transzendenten Welt wird aufgegeben, damit die Welt selbst zur Sprache kommen kann. Nicht die Welt, nicht ein Seiendes ist anders, die Welt wird nicht "ärmer", nicht eigentlich reduziert durch die phänomenologische Reduktion. Es ist das ihr zugrundeliegende Seinsverständnis, das transformiert wird. "Wir verstehen nun, daß wir in der Tat durch die universal betätigte epoché hinsichtlich des Seins oder Nichtseins der Welt diese für die Phänomenologie nicht einfach verloren haben; wir behalten sie ja qua cogitatum."30
Rombach, der das Folgende allerdings auf Heideggers Weiterbildung der Phänomenologie bezieht, merkt hierzu an, daß die natürliche Einstellung das Sein nicht aus dem Grunde, sondern nur als gesetzte Faktizität versteht. Die Selbstauslegung des Seins (in den Phänomenen, den Ergebnissen der Reduktion) sei der eigentliche und einzige Sinn von "Selbstgegebenheit".31
Nach Rombach wird allerdings in der ursprünglichen Fassung der epoché (also noch bei Husserl) das Sein selbst als Faktizität durch die epoché mit eingeklammert. Ob diese Kritik Husserls Ansatz gerecht wird, soll hier nicht diskutiert werden. Festzuhalten ist allerdings, daß die epoché für diese Untersuchung als eine Seinsverständnis ermöglichende Maßnahme aufzufassen ist, weil sie die oben geforderte "Rechenschaft" darüber ablegt, was die Rede von "Seiendem" überhaupt meint. Dies geschieht dadurch, daß sie wesenhaft ein Absehen von der im unreflektierten Denken als "real" angenommenen Existenz zugunsten der Frage nach dem "Sinn von Existenz" darstellt, sei dies nun Husserl oder Heidegger zu verdanken. Wieder sei Rombach zitiert: "Das Analysat der Phänomenologie (die er durch Heidegger in eine Ontologie abgewandelt sieht) ist nicht mehr die Art und Weise, wie sich ein Subjekt mögliche Objekte erschließt, sondern die Art und Weise, wie diese Objekte selbst und "an sich" sind und wie dieses Sein des Seienden in fundamentalster Schicht das Sein des Menschen selbst ist."32 Ein Bezug auf die oben bereits erwähnte apophansis scheint hier ebenso ins Auge zu fallen, wie die Unmittelbarkeit, mit der sich die Seinsfrage aus dem der Phänomenologie eigenen Ansatz, der Reduktion, wie von selbst zu entwickeln scheint. Das "Sein des Seienden" tritt erst ins Blickfeld und wird so "fragwürdig", wenn das Verständnis des Seienden auf die der epoché eigenen Art und Weise "transformiert" wurde.
"..,die Frage, was es bedeutet, daß die Gegenstände dem Bewußtsein gegeben sind, was ihre Transzendenz oder ihre Gegenständlichkeit für das Bewußtsein bedeutet, ist zugleich die Frage nach der Bedeutung der Existenz der Dinge schlechthin. Denn die Existenz über die man vernünftig reden kann, kann nur die Existenz sein, die sich dem Bewußtsein enthüllt...Zu glauben, daß die Sachen an sich anders existierten als sie sich offenbaren, hieße das Merkmal des "an sich" verkennen... und sich einzubilden, daß sie als Bilder oder Zeichen einer anderen Welt gegeben seien."33
Die epoché holt die "transzendenten Dinge" wieder in die Immanenz ihrer Gegebenheitsweisen zurück, in dem sie den Sinn, die Bedeutung von "Transzendenz" und "Existenz" für das Bewußtsein in den Vordergrund hebt. Ob sich allerdings hier etwas "dem" Bewußtsein oder "für" das Bewußtsein gibt, oder nicht vielmehr "als" Bewußtsein überhaupt erst "gegeben" ist (eine Überlegung, die noch vorgenommen werden soll), ändert nichts an der Einsicht, daß hier Sinn und Bedeutung von "Existenz" und "Existenz selbst" nur als Einheit zu verstehen sind. Es ist ein wichtiger Schritt getan, wenn die Frage nach der "Existenz" der Dinge sich Rechenschaft von ihrer eigenen Möglichkeit gibt, indem sie zuerst fragt, welche Bedeutung die Frage nach "Existenz" für den Fragenden denn eigentlich hat, bevor einem Seienden Existenz zu- oder abgesprochen wird.
Auf die Seinsfrage transformiert, bedeutet dies doch nichts anderes, als daß es das Sein selbst ist, welches fragend angedacht wird, wenn man nach der Bedeutung, nach dem Sinn fragt, den "sein" für uns hat. ", eigens dem Sein nachfragen, heißt dann nichts anders als: nach dem Sinn von Sein fragen."34
Die epoché, die die Welt eingeklammert hat, hat eben die Identität der eingangs dieses Abschnitts gegenüber gestellten Formen der Seinsfrage gezeigt; Der Sinn, den "Seiendes" für uns hat, "macht" eben dessen Existenz. Seiendes existiert, weil dieser Satz "Seiendes existiert" etwas bedeutet. Was nun der Sinn der Seinsfrage ist und warum "überhaupt Seiendes ist und nicht vielmehr Nichts", dies ist die hier gestellte Aufgabe. Sie (die epoché) hat gezeigt, daß nur eine Identität dieser beiden Frageformen sinnvoll anzunehmen ist. Sie nötigt uns diese Identität anzuerkennen.
"Die Existenz der Welt ist die allgemeine Thesis,...Andrerseits müssen wir den Skeptizismus überwinden, der eben deshalb möglich ist, weil der Sinn dieser Thesis dunkel ist."35
Skepsis ist nur dort möglich, wo der Sinn von Existenz, die Bedeutung des "seiend-sein" unerhellt bleibt und Existenz nur transzendierend hinausgemeint wird. Skepsis ist das Ausbleiben der Seinsfrage, welche "Existenz" überhaupt erst erhellt.
Die epoché überwindet also die "Welt" als das "objektive Element" der Subjekt-Objekt-Spaltung. Die epoché führt in die Eigentlichkeit der Einung von Subjekt und Objekt. Erst aus dieser Einung ist Sein erfahrbar, aus eben dem Erlebnis einer Gegebenheit, die nicht mit dem An-sich generell bricht, sondern die kein An-sich-Objektives auf ein An-sich-Subjekt bezieht. Es wird durch die Reduktion jenes adäquatio-Problem, das allen erkenntnistheoretischen Dualismen zugrunde liegt außer Kraft gesetzt. Die epoché führt somit in ein tieferes Verständnis des "An-sich". Sie ist keine willkürlich angenommene "Arbeitshypothese", sondern sie ist bedingt durch ein wesentliches Erstaunen und Erschrecken vor dem Ausgesetztsein an die "Gegebenheit als solche", der "Fremdheit" alles Seienden als solches. Wenn dieses Erstaunen aufbricht, wird Seiendes "phänomenal" gesehen, dann werden die Dinge "Phänomene".
Die epoché ist kein Absehen von der Welt-an-sich, kein Sich-richten auf lediglich einen anderen Ort, nämlich das psychische Bewußtsein, und deshalb auch kein Solipsismus. Das reale und psychische Bewußtsein ist stets nur etwas gegenständlich Intendiertes und wird deshalb mit "eingeklammert".
Gilt dies aber auch für das tranzendentale, das reine Bewußtsein, welches als "die Intentionalität" selbst charakterisiert wurde? Das Bewußtsein als Intentionalität ist nicht der Ort der Gegebenheit der Phänomene, denn wie sollte ein solcher Ort lokalisiert werden können? Es wurde gesagt, das tranzendentale Bewußtsein ist kein Seiendes, bleibt die Frage mit welcher Berechtigung davon gesprochen werden kann, da es doch augenscheinlich -als Nicht-Seiendes- nicht gegeben zu sein scheint.
Pöggeler interpretiert Heidegger, wenn er schreibt: "Ist auch für Heidegger Sein Gegebensein und in diesem Sinne Phänomen, so ist es doch nach seiner Auffassung gerade die phänomenologische Reduktion, durch die Husserl die Phänomenologie verläßt: sie geht vom Erfahren und Erkennen, das den Menschen möglich ist, weg, um zum Bewußtsein als Gegenstand einer absoluten Wissenschaft zu kommen. "Die Herausarbeitung des reinen Bewußtseins...ist nicht phänomenologisch gewonnen, d.h. im Rückgang auf die Sachen selbst, sondern im Rückgang auf eine traditionelle Idee der Philosophie",.."36
Mit welcher Berechtigung Heidegger hier unterstellt wird, daß für ihn Sein gleichzusetzen ist mit Gegebensein und Phänomen (und sei es auch nur im Rahmen der Existentialanalysen als Sein des zuhandenen und vorhandenen Seienden) soll nicht diskutiert werden. Aber der folgende Gedanke hat als solcher doch offenbar seine Berechtigung; Ist das transzendentale Bewußtsein als ein "phänomenologisches Residuum" aus der epoché überhaupt zu erhalten?
Natorp37 fasst Husserls Argumentation dergestalt auf, daß derjenige Akt, der das reine Bewußtsein und das tranzendentale Ego "erkennt" bzw. dessen Sein durch die Schau rechtfertigt, als ein Akt zweiter Stufe zu verstehen ist. Dieser Akt bezieht sich nämlich auf alle anderen Akte, welche ihrerseits durch Intentionalität, also die "Gegenständlichkeit setzenden Akte", denen, die je Seiendes vermeinen, ausgezeichnet sind. Doch während diese Akte der ersten Stufe auf die Setzung des -in phänomenologischem Sinne zu verstehenden- transzendendeten Gegenstandes, das Erlebnis des "Etwas vermeinens", gerichtet sind, ist der Akt, der diese Akte intendiert, seinerseits nun nicht auf ein Seiendes gerichtet. Dieser Akt zweiter Stufe ist "gerichtet" auf das Erleben selbst, und deshalb schon im eigentlichen Sinne überhaupt nicht mehr gerichtet, sondern verbürgt als immanente Wahrnehmung mit Notwendigkeit das (für Husserl) absolute Bewußtsein, welches eben dadurch prinzipiell nicht mehr (auch nicht durch epoché) negierbar ist. Was bleibt ist der "unaufhebliche Gegensatz des immanenten Bewußtseins zu allem gegenständlich Gesetzten".38
Natorps Kritik an dieser Argumentation, die sich von Husserls Position aber letztlich nicht wesentlich entfernt, richtet sich denn auch vornehmlich gegen die These, daß reines Bewußtsein durch Akte zweiter Stufe "absolut" gegeben sein kann. Er sieht die absolute Gegebenheit des Bewußtseins als eine der kantischen regulativen Vernunftidee ähnliche Forderung, aber "tatsächliche" Gegebenheit in Form der Erkenntnis des Bewußtseins stets nur -wie auch die des absoluten tranzendenten (hier: dem Erlebnis selbst nicht angehörigen) Gegenstandes- als "Grenzenlosigkeit im Fortgange" und gegeben in einer immer nur endlichen Anzahl von Aspekten.
";die Aufgabe der "Subjektivierung" (..) ergibt sich der Sache nach, für Husserl wie für mich (Natorp), nicht weniger als die der "Objektivierung", als "unendliche Aufgabe"; das absolute (reine, d.i. vorgegenständliche) Bewußtsein ist, nicht minder als der absolute (reine, d.i. überbewußte) Gegenstand -"Idee" im kantischen Sinne der "Grenzenlosigkeit im Fortgange"39. Auch die folgende Fragestellung findet sich bei Natorp40, wird aber scheinbar nicht weiter problematisiert; Wenn das Bewußtsein als ein auf Gegenständlichkeit gerichteter Akt charakterisiert wird und der Akt eben die Konstitution der Gegenständlichkeit leistet, wie kann dann ein Akt "der zweiten Stufe" möglich sein, der eben das reine Bewußtsein nicht "vergegenständlicht"?
Und noch weiter gefragt: Was berechtigt überhaupt die Rede von "Akten"? Wer mit der epoché ernst macht "weiß" nichts von Akten, nichts von der Art der Konstitution des Phänomens. Nur es selbst ist das Gegebene. Das Bewußtsein (auch das transzendentale) ist mit jedem Phänomen gleichursprünglich gegeben; das ist die einzige Feststellung, zu der die Phänomenologie berechtigt und in der Lage ist.
Als weiteres Beispiel für diese Problematik bei Biemel:
"Während also Husserl das transzendentale Ego von der Welt trennt,..., ist für Heidegger das Dasein dasjenige Seiende, das allererst Welt erschließt, eben indem es jegliches Seiende in den Bereich der Offenbarkeit bringt bzw. zwingt."41
"Jegliches Seiende" hieße demnach auch: es selbst, als es auch hier als "Seiendes" bezeichnet ist.
Das Problem eines "regressus ad infinitum", was hier bedeutet: Das "Seiend-machende" als Seiendes (wenn auch als Da-sein und damit vom übrigen Seienden unterschiedliches) zu erklären oder den "Akt der Konstitution" zu konstituieren, scheint auf diese Art nicht zu beseitigen zu sein. Auf der Basis der epoché ist das Bewußtsein als "konstituierende Intentionalität" ebenso wenig sinnvoll anzunehmen, wie ein dem übrigen Seienden entgegengesetztes "Welt erschließendes Dasein". Beides ist strenggenommen weder als noch durch eine konstituierende Intentionalität aufweisbar und wo wäre dann phänomenologisch noch ein Platz dafür?
Und doch ist das Schicksal der Frage nach der Bedingung einer "Konstitution" des Seienden nicht der "regressus" oder die Tautologie, denn beide Ansätze sind der Lösung schon denkbar nahe, wie auch die spätere Entwicklung Heideggers und die Anmerkungen Max Müllers42 zu Husserls "spekulativen Voraussetzungen" der Phänomenologie zeigen. Müller weist zu Recht nach, daß Husserls Intentionalität des reinen Bewußtseins als ein Letztes, eine "absolute Ursprungsregion" nicht angenommen werden kann. Vielmehr wird hier sogleich das Sein genannt:
"Wer sagt denn, daß es unmöglich sei, daß erst das Sein in seiner Ankunft sich...durch...seine fordernden Ansprüche...gerade als das "immerschon-frühere" ausweise,"43. Die Bedingungen für ein intentionales Sich-richten des Bewußtseins sieht Müller darin, daß dasjenige, nachdem man sich richtet, ebenso wie das sich-richtende Bewußtsein selbst, sich schon vorweg in der "Helle" des Seins gelichtet findet.44 Setzt allerdings die Phänomenologie das intentionale Bewußtsein als Absolutes, so bleibt Sein für das Verständnis des danach Fragenden unerhellt. Dieser bleibt dem intentionalen Bewußtsein verhaftet, stets in der Gefahr, es zwar in einer "besonderen" Seinsweise, aber dennoch als Seiendes zu verstehen und den Sprung vom Bewußtsein zum Sein nicht vollziehen zu können. Das Seiende, bzw. die "Bewußtseinskorrelate" können eben nicht durch ein Bewußtsein in ihrem Sein erklärt werden. Die epoché muß also, wie bereits dargelegt, so verstanden und durchgeführt werden, daß auch diese Setzung als eine transzendente außer Betracht bleibt. Es muß das Bewußtsein (auch das tranzendentale, ebenso wie jede Form des tranzendentalen cogito) aus der "phänomenalen" Welt, die das eigentliche "Residuum" der epoché ist, (zunächst) verbannt werden, insofern das Phänomen ihm als Korrelat, als "Gegenstand" noch im wörtlichen Sinne "entgegen steht".
Das Bewußtsein muß vielmehr aus dem Phänomen (gemäß einem Verständnis des Dasein aus dem Sein), als dessen Seinsweise selbst, verstanden werden, es ist "schon mit" einer Welt -als Seinsweise des Welt-seins-, die nicht eingeklammert, sondern vielmehr erst erschlossen wird: Die phänomenale Welt.
Es muß vom Bewußtsein ebenso wie dessen möglichen Akten abgesehen werden. Beides ist entweder nur selbst als Phänomen zu verstehen oder muß schlechterdings als nichtseiend zu gelten haben, da es phänomenal nicht aufweisbar ist. Beides legt ein transzendentales Subjekt und subjektive "Erkenntnisaktivität" im Sinne der Gerichtetheit nahe. Diese aber sind als Bedingungen für die Möglichkeit des Phänomens zu verneinen. Das Phänomen ist (dank der Reduktion) das Unbedingte.
4. Das Phänomen
Der Bedeutungshorizont von "Phänomen" hat durch den vorangegangenen Abschnitt nunmehr diese weiteste Extension erfahren, indem das "korrelative Element" des Phänomens (genannt Bewußtsein) nicht vor einer Untersuchung der Seinsweise des Phänomens selbst als in irgendeiner Form gesetzt oder zunächst überhaupt als seiend angenommen werden soll. Was bleibt nun noch über das Phänomen zu sagen, wenn die Charakterisierung als "Korrelat" nicht zulässig ist?
Das aus dem griechischen Wort "phainomenon" abgeleitete "Phänomen" bedeutet: Das, was sich zeigt, zum Vorschein kommt, erscheint.
"Ein Phänomen nennen wir eine "Erscheinung" -in einer Erscheinung kommt etwas zum Scheinen, zeigt sich so."45 "Phainomenon besagt daher: das, was sich zeigt, das Sichzeigende, das Offenbare" sowie das "Sich-an-ihm-selbst-zeigende"46. "Erscheinung" und "Sich-selbst- zeigendes" soll nun aber als Identität verstanden werden. Das, was erscheint ist nicht "bloß vordergründiger Schein" von etwas, das selbst im Hintergrund und verborgen bleibt. Die Erscheinung (so hat es die epoché gezeigt und so muß "Erscheinung" gedacht werden) ist in nichts "Dahinterstehendem" gegründet. Die Erscheinung gründet in sich selbst. Als eine Erscheinung ist das Phänomen es selbst. Und nur in diesem ursprünglicheren Verständnis von "Phänomen" als Erscheinung (unbelastet von allen Vorstellungen von "Bewußtseinskorrelation" und "Abbildhaftigkeit") liegt eine Möglichkeit für die Entwicklung der Seinsfrage; geleitet durch die Frage, wie denn dieses merkwürdige Etwas "Erscheinung" seinem Wesen nach beschaffen ist und schließlich, was es überhaupt "erscheinend sein läßt".
Das Phänomen ist also eine Erscheinung und gerade diese soll im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Die Fragen wie, durch wen, was oder wofür etwas erscheint sollen überhaupt nur als "phänomenale Fragen" (als Fragen "an das Phänomen" selbst und an kein "Dahinter") ihre Berechtigung haben. Daß "Etwas erscheint" ist das zunächst allein Befragenswerte. All jene genannten weitergehenden Probleme müssen ausschließlich auf der Basis der "Erscheinung des Erscheinenden" und von dieser aus beleuchtet werden.
Ist der Phänomenbegriff so weit gefaßt, dann werden sich Probleme ergeben, das Phänomen-sein als Kategorie, als die "Phänomenalität", im Sinne logisch-analytischer Definitionen objektivierbar zu machen und sich darüber klar zu werden, was man mit "Phänomen" meint. Die Bedeutung von "Phänomen" ist jetzt gegen nichts (Seiendes) mehr abzusetzen.
Aber eine Definition in obigem Sinne ist für diese Untersuchung, die sich die "Seinsfrage" als Problem gestellt hat, auch gar nicht von Bedeutung. Will man nämlich die Seinsweisen des Phänomens charakterisieren, so kann man nur beschreiben, als was und wie es sich selbst gibt, anstelle festzumachen, was es ist (und was es nicht ist = definieren). Dies ist selbstverständlich keine "Erkenntnis von der Erkenntnis", nicht das "Schauen eines Gegenstandes" wird hier geschaut. Es wird nicht versucht, mit den "Mitteln" des Erkennens das Erkennen selbst zu fassen. Das reine Beschreiben des Wesens des "Erscheinens des Erscheinenden" im Phänomen ist keine "Erkenntnis von etwas Erkennbarem", so wie es in der Wissenschaft, der Logik oder einer Erkenntnistheorie vonstatten geht. Es ist eine Einsicht, die sich aus dem Phänomen selbst ereignet. Die epoché erst ist die "Maßnahme", die das Phänomen sich als solches ereignen lässt. Sie ist diejenige Haltung, die sich dem Phänomen öffnet. Was sich dann aus dem Phänomen selbst zeigt, kann "geschaute Eigenwirklichkeit" genannt werden, auf nichts jenseits dieser Eigenwirklichkeit verweisend, weder Schöpfung eines Subjektes, noch Abbild eines Dinges-an-sich (auf welches hin das Phänomen mittels Kausalschluß transzendiert werden könnte). Das Phänomen hat keine "Platzhalterfunktion", keine Aufgabe des Verweises auf ein Nicht-es-Selbst, ein ihm Transzendentes. Es stellt nichts dar, außer sich selbst in seinem Sein, insofern ist es klare, unbezweifelbar geschaute "Evidenz". Dieser Evidenzbegriff bezeichnet hier (unabhängig von der differenzierten Bedeutung dessen in Husserls Phänomenologie) eine Art des "Erkennens", die ihre Unbezweifelbarkeit aus der Schau, dem sich- Öffnen (dem Sein-lassen) erhält und als Gegensatz zur Stimmigkeit der "adäquatio-Erkenntnis" verstanden werden muß. "Jede Evidenz ist Selbsterfassung eines Seienden oder Soseienden in dem Modus "es selbst" in völliger Gewißheit dieses Seins, die also jeden Zweifel ausschließt."47
Selbsterfassung und Zweifellosigkeit sei hier verstanden im Rahmen der Reduktion, also ausschließlich bezogen auf "phänomenal" Seiendes. Diese Zweifellosigkeit der Selbstgegebenheit eines Phänomens leidet demnach nicht darunter, daß dieses Phänomen durch ein Späteres als Täuschung gegebenenfalls revidiert werden müßte. Wer glaubt, den Gegenstand X zu sehen, der sich aber bei näherem Hinsehen als Y entpuppt, ist nur in der "natürlichen Einstellung" wirklich getäuscht worden. Die Tatsache, daß zunächst X gesehen und vermeint wurde (und zu einer weitergehenden Aussage läßt sich die Phänomenologie eben nicht hinreißen), ist "phänomenal" nach wie vor unbezweifelbar. Im Phänomen ist also nichts vermeint, was nicht auch gegeben wäre und sofern etwas über-das-Gegebene-hinaus vermeint ist, ist es lediglich als ein Solches-Vermeinendes gegeben. Phänomen-sein ist erlebte (erscheinende) Evidenz einer Gegebenheit. Das Phänomen ist das Selbstgegebene, aus sich selbst und durch sich selbst. Es ist kein Abhängiges. Es ist in seinem Sein autonom. Es "erzählt keine Geschichte"; Es ist, was es ist. Es "berichtet" nicht über Wirkliches, es ist das Wirkliche. Ein Phänomen ist deshalb stets ein Selbstgegebenes, weil ihm jeder Symbol- oder Verweischarakter fehlt. "Die Welt der Dinge ist nicht mit Bildcharakter oder Symbolcharakter einer anderen Welt gegeben, sondern immer mit dem Charakter des "an sich". "48
Das Phänomen be-deutet nichts im Sinne einer "Hindeutung auf Anderes". Das Phänomen ist seine eigene Bedeutung, es ist als Erscheinung die "Erscheinung seiner selbst". Es existiert hier keine Dualität sondern Identität von der "Erscheinung im Phänomen" und einem "Anderen", was erscheint. Wie noch zu zeigen ist, geht das "Was" der Erscheinung in dieser selbst erst auf und ist weder jenseitig noch unabhängig davon überhaupt möglich. Eine Differenzierung des Phänomens nach seinen Seinsweisen ist vor diesem Hintergrund keine "Lehre von der Erkenntnis" oder "Phänomenwissenschaft". Der Bereich der "Erkenntnistheorie" und auch der Transzendentalphilosophie ist verlassen worden. Es geht nunmehr um Ontologie, die sich erst für das Sein des Phänomens und dessen Seinsweisen überhaupt öffnet.49
4.1 Das Sein des Phänomens ist reelle Immanenz
Ein Phänomen ist das Erscheinen eines Erscheinenden und muß zunächst aus diesen seinen "Bestandteilen" verstanden werden. Dasjenige Erscheinende, was erscheint ist je so gegeben. Es steht nie isoliert, sondern ist nur in einer "Weise des Erscheinens" wirklich.
",so zeigt es sich doch, daß es eigentlich gar keinen Sinn hat von Sachen zu sprechen, die einfach da sind und nur geschaut werden brauchen, sondern dieses "einfach dasein" das sind gewisse Erlebnisse von spezifischer und wechselnder Struktur, als da ist Wahrnehmung, Phantasie, Erinnerung, Prädikation u.s.w., und in ihnen... konstituieren sich die Sachen, die reell in ihnen gar nicht zu finden sind. "Gegebenheit der Sachen", das ist sich so und so in solchen Phänomenen darstellen."50
Das Erscheinende, die "Sache" ist also mit der "Umgebung des Erscheinens" aufs Engste verbunden, aber keineswegs identisch. Das Erscheinen selbst in seiner spezifischen Weise ist ursprünglich phänomenal, es ist dem Phänomen immanent und zwar "reell immanent". Dieser Begriff Husserls wird in seiner Philosophie vielfältig benutzt, soll hier aber so gebraucht und verstanden werden, daß er eben die Art und Weise der Erscheinung eines Erscheinenden kennzeichnet. Deshalb wird für diese Zwecke vorrangig der "frühere" Husserl (1907) herangezogen.
"Also zwei absolute Gegebenheiten haben wir, die Gegebenheit des Erscheinens und die Gegebenheit des Gegenstandes" (des Erscheinenden) ", und der Gegenstand ist innerhalb dieser Immanenz nicht in dem reellen Sinne immanent, er ist nicht Stück der Erscheinung."51
Husserl will also zwischen der “Immanenz“ des Erscheinenden (welche auch als das dem Erlebnis selbst Tranzendente bezeichnet wird) und der Immanenz der Erscheinung einen Unterschied gesetzt wissen und nur letzteres ist die "reelle Immanenz". Das Erscheinende selbst ist nicht die (reelle) Erscheinung.
"Und das Gegenständliche kann erscheinen, während es gleichwohl weder reell im Erkenntnisphänomen ist, noch auch sonst als cogitatio ist."52
Insofern und zu dem "Teil" in dem es "reelle Immanenz" ist, ist jedes Phänomen dasjenige, was als so-wie-es-je-ist gegenwärtig erscheint. Dieses "so" ist, sofern es nicht selbst als Erscheinendes in der Reflexion zum "Gegenstand" gemacht und erfasst wird, als ein "individueller Moment" eingebunden in einen bestimmten Horizont des Erscheinens. Das "so" ist der Zusammenhang, in dem das einzelne Erscheinende "jetzt" erscheint. Auch das "So" wird zum Erscheinenden, zum Gegenstand, sobald nämlich die jeweilige Erscheinungsweise eigens reflektiert wird, z.B. das Wesen der Wahrnehmung oder Phantasie schauend "untersucht" wird. Es wird dann als Gegenstand bzw. Erscheinendes einer Erscheinung eigens erfasst. Dies darf aber nun nicht so verstanden werden, daß jegliche reelle Immanenz durch solcherart Reflektion völlig in ein Erscheinendes aufgelöst werden könnte. Es geht hierbei eben darum zu zeigen, daß jegliches Erscheinende nur als solches seiend sein kann, somit nur dann überhaupt erscheint, wenn es eben diese "Einbettung" in seine Erscheinungsweise erfährt, aus der es prinzipiell nicht heraustreten kann. Auch eine sicherlich mögliche Vergegenständlichung einer spezifischen Wahrnehmungs- oder Empfindungsart ist selbst wiederum im "Erscheinungsstrom", in einem "Jetzt" und dessen spezifischen Kontext wesenhaft eingebunden.
"Jeder reelle Teil des Erkenntnisphänomens,..., ist wieder eine Einzelheit, und so kann das Allgemeine, das ja keine Einzelheit ist, nicht reell im Allgemeinheitsbewußtsein enthalten sein."53 Was Husserl hier vom Allgemeinen sagt, gilt aber für jegliches Erscheinende, jede sogenannte Was-heit. Die Betonung des Allgemeinen birgt hier die Gefahr, daß das Erscheinende nur als Idee im platonischen Sinne aufgefaßt wird. Hingegen ist die Unterscheidung von Singulärem und Allgemeinen nicht tatsächlich treffend in Bezug zur Rede von dem erscheinenden "Etwas".54 Festzuhalten sei hier lediglich das Folgende:
",jedes Denkphänomen hat seine gegenständliche Beziehung und jedes,..., hat seinen reellen Inhalt, als Belauf der Momente, die es im reellen Sinne komponieren;"55
Das Phänomen ist kein Vereinzeltes, sondern stets in einen Erlebnisstrom eingebettet und die reelle Immanenz als Bezeichnung einer Seinsweise des Phänomens trägt letztlich eben dieser Tatsache des in-einem-Kontext-Stehens Rechnung. Das "Reelle" eines Phänomens ist die Art und der Horizont einer jeweiligen Erscheinung zu ihrer Zeit. Das Sein des Phänomens ist also reelle Immanenz, das so Selbstgegebene in seinem spezifisch-gegenwärtigen Erscheinungssinn.
4.2. Das Sein des Phänomens ist Eidos
Die genannte Tatsache, daß jedes Phänomen Teil eines Erlebnisstroms ist und nur als solches das erscheinende "Etwas" überhaupt erscheint, hat vielfach zu der Vermutung Anlaß gegeben, daß nun schlichtweg "alles im Fluß" sei und nichts Beständiges, nichts Bleibendes existierte. "die Starrheit...muß überwunden werden. Denken ist Bewegung, nicht Stillstellung die vermeinten Festpunkte des Denkens müssen aufgelöst, verflüssigt werden in die Kontinuität des Denkprozesses. So ist nichts, sondern wird nur etwas gegeben Der Prozeß selbst ist das Gebende für die "Prinzipien"; nur so ..."gibt sich" Gegebenes."56
Natorps Anmerkungen zu Husserls "Ideen zu einer reinen Phänomenologie" machen die Einseitigkeit deutlich in der das "Gegebene", das "Erscheinende" nur der Art seiner Erscheinung nach betrachtet wird. Es ist gewiß richtig, das Gegebenes sich nur "im Prozeß", nur in einem "fließenden Kontext" zu geben vermag. Nun ist hierbei aber nur das "Reelle", nur die Art der Gegebenheit gesehen. Aber worin besteht das Wesen des Gegebenen, was ist es, was ist die Sache selbst an-sich, die im "Fluß" gegeben wird? Das Erscheinende selbst ist wie bereits angedeutet nicht die "Erscheinung".
Im Phänomen erscheint also ein Erscheinendes. Das Phänomen bezieht sich unabhängig des jeweiligen Erscheinungssinnes und unabhängig des Kontextes (des "Fließens") auf ein "Etwas". Dieses sich-beziehen-auf wird von Husserl als Leistung des Bewußtseins unter dem Begriff der "Intentionalität" (cogito cogitatum) gefaßt. Daß hier Intentionalität nicht einem Bewußtsein zugerechnet werden soll, sondern diese nur "an sich" und "als solche" interessant ist, wurde bereits erläutert. Es ist aber unstrittig, daß es ein "Gegenstand" ist, der im Phänomen gegeben ist. Dieses Wesen des Phänomens mag deshalb selbst "intentional" genannt werden können, da es ein Erscheinendes, eben diesen Gegenstand (sei er eigens "erfasst" oder nicht) zeigt, der nicht "Stück der Erscheinung" ist. "Die Phänomenologie ...ist Wissenschaft...von den Erkenntnissen als Erscheinungen ..., in denen sich diese oder jene Gegenständlichkeiten darstellen,...und andrerseits von diesen Gegenständlichkeiten selbst als sich so darstellenden."57
Jedes Phänomen lässt sich demnach hinsichtlich seiner "Art der Vergegenständlichung" und seines "vergegenständlichten Gegenstandes selbst" differenzieren. Das Phänomen vollendet sich stets in den Wesenheiten, die es intentional (also je bezogen auf das "Etwas" und dieses wie gesagt hier unabhängig von einem Bewußtsein) darbietet. Diese Wesen sind als solche der Art ihrer Vergegenständlichung quasi “entbunden“, ohne das Phänomen selbst zu überschreiten. Das heißt, daß die Wesenheit, das intendierte Etwas, einen Sinn hat, welcher nicht der Sinn des Erscheinungszusammenhang ist und welcher dennoch immanent geschaut werden kann. "Tun wir das in der Tat rein schauend, könnten wir da verständlicherweise noch zweifeln, was Rot überhaupt sei, was mit dergleichen gemeint sei, was es seinem Wesen nach sein mag? Wir schauen es ja, da ist es, das da meinen wir, diese Rotartung."58
Jedes Was-sein des Phänomens hat eine von der gegenwärtigen Situation, in der es erscheint, unabhängige Bedeutung. In dieser Bedeutung präsentiert es sein Wesen. Das "Was" erscheint zwar als "Jetzt-Gegenwärtiges", ist an-sich-selbst dem reinen "Kontext" aber immer schon enthoben, es steht aus dem "Jetzt" heraus. Die Intentionalität, die hier als Eigenheit des Phänomens bestimmt wird, ist dessen Essenz oder Wesenheit.
Ein weiterer Begriff, der Essenz oder Was-sein meint, ist der des "Eidos". Bei Husserl ist das "Eidos" fast immer im Zusammenhang mit der Schau von Allgemeinem genannt. "Das Eidos selbst ist ein erschautes bzw. erschaubares Allgemeines, ein reines, "unbedingtes", nämlich durch kein Faktum bedingt, seinem eigenen intuitiven Sinne gemäß."59 Das Eidos ist, wie schon erläutert, nicht reell immanent, es ist nicht durch das Faktum der Erscheinung in seinem Sein bestimmt. Das Eidos stellt sich so schon begrifflich in die Nähe der platonischen Idee. Husserl gelangt mit Hilfe der sogenannten "eidetischen Variation" zum "phänomenologischen Ideenkosmos", den reinen Wesenheiten. Auf diese Variation und das, was sie leistet, soll hier nicht näher eingegangen werden, sondern lediglich festgestellt werden, daß zum Wesen des Phänomens, welches "eidetisch" ist, eben der "Gegenstand" als ein unwandelbarer "Fixpunkt" ursprünglich dazugehört. "Eidos" ist hier das Seiende in seinem Aussehen, und -wie bereits dargestellt- unabhängig von der Unterscheidung in singuläres oder allgemeines "Etwas". "Etwas- zu-sein" heißt: in seiner Bedeutung ständig zu sein, sich selbst als Dasselbe zu bedeuten. Das Erscheinende "Etwas" im Phänomen, gar als dessen Seinsweise, wurde nicht immer als unproblematisch erkannt:
"Nicht nur die "Erscheinung" des Erscheinenden liegt im "Phänomen", sondern auch "das Erscheinende selbst".60 Rombach spricht in diesem Zusammenhang von der "Sprengung des Phänomens", dadurch, daß das Erscheinende in seinem An-sich, seiner "Alienität" selbst in das Phänomen eintritt. "Wenn sich im Phänomen...die volle und ganze Materialität des Objektes aufbaut, dann ist die Subjektivität gesprengt, in die hinein die "Reduktion" in gemessenen methodischen Schritten führen wollte."61 Diese Aussage besteht teilweise zu Recht. Spätestens jetzt wird es nämlich unmöglich, das Phänomen noch -in welcher Weise auch immer- als "Subjektives" zu kennzeichnen. Doch dies wurde hier bereits im vorangegangenen Schritt deutlich verneint. Was hier gezeigt werden sollte ist dies, daß das Phänomen durch das An-sich des Erscheinenden gerade nicht "gesprengt" wird, sondern daß es sich vollendet in diesem An-sich. Diese "Materialität" und "Alienität", von der Rombach spricht, ist eben das Wesen des Phänomens, sein Eidos. Das Phänomen "gehört" nicht zum erkennenden oder denkenden Subjekt und ist ihm auf keinste Weise zu eigen. Es ist ein Fremdes und ein Anderes, es "gehört" sich selbst und ist sich selbst zu eigen. Das erscheinende Etwas wäre als Teil eines "subjektiven" (für ein Subjekt seiendes) Phänomen mit diesem gänzlich unvereinbar, es sei denn, man bevorzugt die Position des naiven Solipsismus. Dem auf sich selbst "reduzierten" Phänomen (als "Ganzes", nicht nur als "relle Immanenz") hingegen ist sein Objekt ursprünglich "immanent", wenn sich diese Immanenz auch als "aus sich entrückt" (transzendierend, nicht transzendent) zeigt (was noch aufzuweisen ist). Phänomen-sein heißt Objekt-sein oder Eidos-sein.
Wie sich das Eidos nun an sich selbst zeigt, kann aber noch etwas präziser formuliert werden. "Das Sein des Phänomens ist Eidos" (welches es als sein Objekt aufzeigt) bedeutet nun nichts anderes, als daß das Phänomen durch diesen seinen intendierten Gegenstand (wobei das Intendieren vom Phänomen "ausgeht") ein "Aussehen" hat. Dieses Aussehen, sein Was-sein, ist nicht reell immanent. Es ist unabhängig vom Kontext der Erscheinung, es "fließt" nicht im "Strom der Erscheinungen" mit dahin, sondern es ist bleibend als ein stets Selbiges. Kein "Etwas" kann so "einzeln" oder singulär sein, daß es nicht zu jeder Zeit als solches wiederholt werden könnte (z.B. durch Erinnerung).
"Das Aussehen einer Sache nennen die Griechen eidos oder idea. Im eidos schwingt anfänglich mit, was auch wir meinen, wenn wir sagen: die Sache hat ein Gesicht, sie kann sich sehen lassen, sie steht...Sie ruht im Erscheinen, d.h. Hervorkommen ihres Wesens."62
Eidos heißt nach Heideggers Auslegung: die Ständigkeit. Und zwar "steht etwas" und hat "Stand", wenn es sich in Grenzung hält. Eidos ist eben dies: Definition, Abgrenzung, Endung erringen, Stand-gewinnung und so zum Gegen-stand werden.63
Das Sein des Phänomens ist Intentionalität und Eidos heißt also: Gegenstand-sein. Das Eidos (welches das intendierte "Etwas" ist) ist Ständigkeit, sein Entgegen-sein ist Abgrenzung gegen jedes Nicht-Selbige. Bezogen auf alles "Nicht-Selbige" (die je anderen Was-heiten) ist es singulär und in sich selbst allgemein. "Grenze und Ende sind jenes, womit das Seiende zu sein beginnt." 64
Seiendes erhält ein "Aussehen" durch Endung und Abgrenzung, es nimmt Gestalt an, es wird zu einem "Was", es voll-endet sich als es selbst. Das Eidos (das Erscheinende "Was" in der Erscheinung) ist das Vollendet-Begrenzte. Das in sich selbst Identische ist das, was als "Eidos" oder "Wesenheit" im Phänomen als das "Etwas" erscheint. Das Was-sein ist Ab-setzung und Auseinandersetzung (polemos), aus dem Einenden herausgesetzt, damit Anderes als entgegen- Gesetztes erst ermöglichend und durch diese Setzung gleichermaßen Selbst- und Bestimmtwerdung.65 Ein "Selbst" zu sein heißt "ekstatisch" formuliert: Das allem Nicht- Selbigen entgegen Gesetzte zu sein. "In solchem Auseinandertreten eröffnen sich Klüfte, Abstände, Weiten und Fugen. In der Aus-einandersetzung wird Welt."66 "Plato hat...gezeigt, daß...die Teilhabe an der Stasis für jedes Seiende notwendig ist. Nämlich deshalb, weil es unmöglich ist, etwas zu denken, ohne ständig auf es als auf dasselbe zurückkommen zu können." 67 Wenn also ein "Etwas" in Erscheinung tritt, so tut es das als ein "Dasselbiges". Und dazu noch ist im Phänomen dieses "Selbige" so gegeben, daß auf es "ständig zurück- und auf es zugekommen" wird und werden kann. Eidos ist ständige Wiederkehr des Gleichen.
Husserl hat keinen Zweifel mittels der eidetischen Variation das Eidos in absoluter Selbstgegebenheit schauen zu können. Aber wie dies einem intentionalen Bewußtsein, das sich auf das Eidos richtet, möglich sein kann, wird fraglich angesichts der unendlichen Extension des Eidos. Wenn es Allgemeinheit in Form einer ständigen Möglichkeit impliziert, kann es doch in keinem Phänomen abschließend und vollständig, d.h. absolut gegeben sein. Ist das Eidos also überhaupt nur ein spekulativ Vermeintes? Diese "Objektivierung" des Eidos müßte also -wie Natorp es formuliert- eine "unendliche Aufgabe" für ein Bewußtsein sein.68
Wenn man vom Bewußtsein und dessen möglichen "Aufgaben" jedoch absieht, dann zeigt sich der Sinn des Eidos und dessen "Unendlichkeit" jedoch stets auf eine ganz bestimmte Weise, die es ermöglicht, daß das Eidos in jedem Phänomen in der Gänze seiner Bedeutung gegenwärtig wird. Ein Begriff der hier mehr als nur "Unendlichkeit" besagen will ist die "fortschreitende Sammlung". Nicht das Bewußtsein ist es aber, welches fortwährend sammeln müßte, um sich dem Eidos zu nähern, sondern die Bedeutung jeden Was-seins erschöpft sich ausschließlich im "fortschreitenden Sammeln". Wenn man sich den Sinn von "Eidos" vor Augen führen will, so kann man es selbst nur als solche "fortschreitende Sammlung" begrifflich angemessen interpretieren.
Wesenheit ist allgemein-sein und als solches eine einende Sammlung der (ansonsten) vereinzelten Gegenständlichkeiten im Verlauf der Erscheinungen (im Fluß, welcher die relle Immanenz ist). Das Eine zum Anderen und in Eines zusammenbringen ist eben das Allgemein-sein, umfassender: das Was-Wesen-sein. Entgegen einem jeden individuellen "Jetzt" der Erscheinung, in der die Sache selbst erscheint, ist Eidos nicht-Jetzt, nämlich das Verhältnis des "Was" im "Jetzt" zu allem selbigen "Was" im Erscheinungsstrom, das eine "Jetzt" einem anderen hintragen, beilegen und somit das situative Moment aufhebend. Jedes Was-sein ist eidetisch heißt, es ist fortschreitend sammelnd, es kann als es selbst wieder und wieder gegenwärtig werden in jedem möglichen Phänomen. Es ist sammelnd, weil es das Schon-Gegebene ist und es schreitet fort, weil es als es selbst bleibend ist und so ein jedes "Was" wesenhaft ein noch-zu-Gebendes ist. Wenn im Phänomen ein "Etwas" erscheint, so in der Weise der Sammlung: Es ist gegenwärtig sich-vorweg (wesenhaft fortschreitend auf das noch-zu-Gebende) das-Gewesene-immer-schon sammelnd. Es ist "in sich selbst außer sich" und als eben solches stets vollendet und absolut gegeben. Es liegt im Eidos keine Forderung oder "Lücke", die es durch das Sammeln zu füllen gelte. Dies ist der wesentliche Unterschied der "Sammlung" zu Natorps "Forderung", die an ein Bewußtsein gestellt wird und die immer noch zu erfüllen wäre. Das Eidos selbst hingegen ist, da es nichts außer der "Sammlung" selbst ist, stets erfüllt und Fülle.
Das Eidos ist das Unwandelbare in der Zeit (ohne auf eine Zeitproblematik in diesem Zusammenhang eigens einzugehen) und diese Unwandelbarkeit selbst zeigt sich wiederum "ekstatisch". Das über-sich-hinaus oder transzendente Wesen (wenn man es so nennen will) des jeweiligen Eidos ist kein "Mangel" an Gegebenheit; der "Verweis" auf Gewesenes und noch-zu- Seiendes selbst ist evident. (Und mehr als der Verweis ist nicht gegeben.) Hier liegt das "Ekstatische" des Selbstsein des "Was" darin, daß es quasi nur dann "aktuell" sein kann, wenn es sich auch als "potentiell" zeigen kann. Ein noch-nicht-Seiendes ist durch das Über-sich-hinaus des Eidos in diesem mit-gegenwärtig. Wer ein Erscheinendes "Was" schaut, schaut gleichursprünglich dessen Ständigkeit. "Was-sein" ist Beständigsein. Heißt das, daß sich kein Gegenstand je wandeln könnte? Nein, es heißt, daß er als ein Gewandelter überhaupt nur gedacht werden könnte, sofern er als Identischer erinnernd wiederholbar ist. Als Beispiel ist X´ nur dann als Abwandlung von X erkennbar, wenn X als "Vergleich" erhalten bleibt (z.B. durch Erinnerung als Rückgang auf X). Dieses "Erhaltenbleiben" ist nun in jedem X stets mitverstanden. Es macht, daß X ein X ist und bleibt und nicht mit Y,Z,A,B usw. zusammenfällt. Der Satz X=X oder A=A besagt eben in seiner Tautologie nichts anderes, als daß die Ständigkeit als Vollendung des Seienden (als das "Endungerringen", das "Definiert-werden") der ("Was"-)Sinn von Seiendem ist. Eidos steht deshalb für nichts, das nicht im Sinne Husserls "geschaut" wäre, alles Vermeinte ist auch Gegebenes. Es ist "jetzt" evident geschaut als außer-sich-sein im nicht-(nur)-Jetzt.
4.3. Das Sein des Phänomens ist Kontinuität
Husserls Phänomenologie will eine reine Wissenschaft vom Wesen begründen und aus diesem Grund wird dem Eidos eine besondere Bedeutung beigelegt. Heidegger stellt in "Sein und Zeit" hingegen die geschichtliche, "situative" Faktizität des menschlichen Daseins in den Vordergrund, um aus dem Sich-verstehen des Menschen in der Welt die Seinsfrage abzuleiten. Bei verschiedenen anderen Ansätzen hat im Anschluß an die Obigen sowohl das Wesen und die "theoretisch-apophantische" Logik (mit der Betonung der Dinge als Fixpunkte) wie auch das geschichtliche, situative "Fließen" (der stete Wandel der Erscheinungen und die Relationen zwischen verschiedenen "Dingen") jeweils tendenziell Priorität.
Hier soll nun gezeigt werden, wie aus einer Zusammenschau beider "Elemente" des Phänomens die Seinsweise "Kontinuität" (und daran sich anschließend Zeitverständnis, worauf hier jedoch nicht eingegangen wird), hervorgehen kann. Erst die Einigung von der Gegebenheitsweise des Phänomens, der reellen Immanenz und seinem intendierten Eidos wirkt als das, was die Erscheinung von Phänomenen zu einem echt kontinuierlichen Erlebnisgeschehen macht. Jede einseitige Herausstellung des einen oder anderen geht also an dem vorbei, was sich tatsächlich als Phänomen selbst entbirgt.
Es wurde dargestellt, daß das Phänomen zwei besondere Seinsweisen sich zu eigen hat: die Art der Gegebenheit als der jeweilige "Horizont" eines "Etwas" in seinem Kontext (z.B. Zuhandenheit eines Dinges) und dem Eidos, dem "Etwas" selbst. Beides ist nie nur nebeneinander, sondern stets gleichursprünglich. Das Phänomen selbst ist reelle Immanenz und Eidos. In der jeweiligen Erscheinung liegt zweifellos ein "Individual-Aspekt", eine Art von Einmaligkeit, die mit anderen Einmaligkeiten vernetzt ist, originär begründet. Isoliert nach diesem Aspekt betrachtet (also das Phänomen im seinem Doppelgesicht verkennend), hieße Phänomen-sein: ein "Fluß" von vielen, jeweils individuellen, weil sich ständig wandelnden Erscheinungen.
Man könnte nun ein einzelnes Phänomen aus diesem "Fluß" herausgreifen und -tatsächlich auch zu Recht- behaupten, daß diese Einzelbetrachtung ja sinnlos sei, da das Phänomen nur im "Fluß" selbst wirklich ist und das Phänomen-sein nichts anderes hieße als "fließend-sein". Da "Fließen" eben mit "sich Wandeln" gleichgesetzt wird, ist auch die Rede vom Dauernden (Allgemeinen) und dem ständigen Eidos gleichermaßen sinnlos. So ließe sich nun auch behaupten, daß man aus dem "herausgegriffenen" Einzelnen nichts erkennen, ja es nicht einmal mehr denken kann, da es an dem einzig möglichen "Allgemeinem", nämlich dem Kontext oder "Fluß" nicht mehr partizipiert und so jeglichen Sinns entbehrt. Die zu Anfang aufgestellte Hypothese des "panta rhei" bewahrheitet sich scheinbar wie von selbst. Es gäbe somit nichts Wirkliches außer dem "Kontext". Ein Ergebnis, zu dem Bergson im wesentlichen kommt.
Doch wenn das Sein des Phänomens als Kontinuität erkannt wird, ist eben mehr damit gemeint als reines "Fließen" des Stromes der Erscheinungen. Die Bedeutung der "Kontinuität" beinhaltet notwendig eine Verbindung und Beziehung der einzelnen "Jetzt" zueinander, etwas, was das "Jetzt" zu transzendieren in der Lage ist und dadurch den "Strom" selbst in sich zusammenhält. So wie Zeit keine Abfolge von hintereinander "aufgereihten" einzelnen "Jetzt" ist, so ist auch "Kontinuität" als Seinsweise der Erscheinungen, die sich abwechselnd ineinander übergehen ein innerer Zusammenhalt des "Flußes" unter einem diesem selbst enthobenen und eben nicht "fließenden" Sein. Das Phänomen ist Jetzt-gegenwärtig heißt: es ist in seinem Sein Gegenwart. Etwas erscheint nur im und als Jetzt. Aber gerade das Jetzt ist (sofern es denn -wie oben- "isoliert" betrachtet würde) nicht nur eine leere Form. Stets ist es ein Inhalt, ein Was-sein, welches im Jetzt intendiert ist. Erst im Jetzt-Erscheinen eines Eidos, eines Identischen vollendet sich das ganze Sein des Phänomens, so wie es sich selbst gibt. Erst das Eidos gibt dem Phänomen seinen eigentlichen Sinn, der in einer steten Bezugnahme auf ein Wesen oder eine "Sache selbst" liegt. Das Phänomen ist in seinem "einzelnen Jetzt" stets ein "Dasselbe" und dadurch immer schon "das Andere" (das vor- und nachgängige Selbe), nämlich dasjenige, was es als Wesen schon immer war und sein wird. Das Phänomen als erscheinendes Eidos ist in seiner Singularität immer auch zugleich Idee (um dieses Begriffspaar zur Verdeutlichung nun doch noch heran zu ziehen). Sein Was-Wesen ist Gegenstand, Ständigkeit im Sinne der Dauerhaftigkeit und Beständigkeit. "Das Sein des Phänomens ist Kontinuität" bedeutet auch, daß die Ständigkeit des Eidos ebenso wie dessen Erscheinen als und im "Jetzt" in jedem einzelnen Phänomen evident gegeben ist. Das Phänomen ist dadurch als ein "Wesen habendes" sich selbst transzendierend. So muß es verstanden werden können: Als immanent transzendierend; ein Transzendieren, welches die Immanenz der Erscheinung nicht zu beseitigen imstande ist. Um kontinuierlich zu sein muß Allgemeines auf je individuelle Weise evident gegeben sein. Erst in seiner Dualität ist das Phänomen Kontinuität, die "Augenblicke" des jeweiligen Jetzt werden durch das über-punktuell Eidetische erst zu einer Kontinuität aufgespannt. Um den Eindruck des Kontinuierlichen zu vergegenwärtigen muß das Phänomen jetzt-sein sein, sich damit gegenüber anderem (früheren und künftigen) jetzt-sein differenzieren ("singulär") und zugleich mit diesen als Eidos immer schon in sammelnder Einheit sein ("all-einend"). Die Sammlung als stetes Fortschreiten, das "Sammeln" als nicht endender Prozeß, eignet die Kontinuität als in die Zukunft weisend. Um sich selbst als Eidos zu verwirklichen muß es "auf sich zukommen", diejenigen Phänomene in sich bergend, auf sie verweisend, die noch an diesem "Was" als Selbiges teilhaben werden können.
Das, was ist, ist sich wandelnd-Bleibendes, im "Fluß der Erscheinungen" das Ständige. Darin liegt der Sinn von Kontinuität. Das Phänomen ist sich erst durch das "ekstatische" Eidos als Kontinuität selbst (aus seinem "Jetzt", der rellen Immanenz) entrückt, insofern, als es das "Jetzt", (im Erscheinen), immer schon als "Nicht-jetzt" (immer schon Erscheinendes/Eidos) ist. Das Phänomen ist deshalb Kontinuität: Es erscheint ein "Etwas" im Jetzt nur indem es zugleich - als Eidos- das Jetzt schon überschreitet, indem es als "Nicht-(nur)-Jetzt" erscheint.
4.4. Das Sein des Phänomens ist Anwesung
Daß eine Interdependenz von psychischem Bewußtsein und dem ihm Gegebenen -als zwischen zwei unabhängigen Seinsbereichen- anzunehmen ist, wurde wie schon erwähnt bereits von Husserl selbst verneint. Wenn dies nämlich zugrunde gelegt werden sollte, käme man nicht umhin zwei unterschiedliche Seinsweisen hinsichtlich der Möglichkeit ihrer Adäquatio zu untersuchen, um daraus eine Gegebenheit als im-Bewußtsein-seiend zu erklären. So stellt sich das Erkenntnisproblem nur für die natürliche Geisteshaltung. In der phänomenologischen epoché hingegen wird lediglich auf das transzendentale oder reine Bewußtsein zurückgegangen. Dieses zeigt sich als alle Erscheinungen konstituierendes Bewußtsein und geht jedem Phänomen voraus. Die Phänomene werden aus dem absolut gesetzten Bewußtsein verstanden. So lehrt es die Phänomenologie. "Jenes Bewußtsein nämlich, "in" dem sich alle Transzendenz als "Phänomen" bekundet, kann...nicht ein empirisches Bewußtsein sein, vielmehr muß es als reines Bewußtsein aufgefaßt werden und überdies, insofern sich in ihm alle Transzendenz "konstituiert", als transzendentales Bewußtsein."69
Der schon erwähnte Max Müller bezeichnet nun aber den Ansatz des transzendentalen oder absoluten Bewußtseins als "den Ursprung schlechthin" als eine "spekulative These der Phänomenologie Husserls".70
Spekulieren und "Hinausmeinen" ist aber genau das, was sich die Phänomenologie von je her strikt verbietet. Nur an dem, was sich selbst darbietet wird das "Erkennen" festgemacht, nur dieses hat für das Erkennen Geltung. Das Phänomen aber ist allein dasjenige, welches sich darbietet und in seiner Darbietung liegt nichts, was auf eine "Konstitution" durch ein Bewußtsein hinweisen würde. Ein Phänomen ist kein "Korrelat"; es ist nur es selbst, durch nichts, von nichts und für nichts. Das Phänomen selbst ist das ursprünglich Absolute. Was also könnte eine "Konstitution" diesem seinem Sein noch hinzufügen? Das Phänomen ist und es zeigt sich in seinem Sein in bestimmter Seinsweise. Wer oder was (und vor allem wie) müßte sich noch darauf richten, um es in seinem Sein erst wirklich zu machen?
"Ein "Sichrichten nach" ist nur möglich, wenn das, nachdem ich mich richte, sich schon gezeigt hat und ich an ihm meine Ausrichtung vornehmen kann."71
Das Bewußtsein ist also doch das eigentlich "nachrangig" Offenbare. Es wird erst in den Erscheinungen, den Phänomenen, überhaupt gewärtigt. Wie, das ist noch zu zeigen. Vom Bewußtsein als dem Sich-richtenden wurde deshalb bis zu diesem Punkt stets abgesehen und nur das Phänomen selbst in seinem Sein anerkannt. Aber die Rede vom Bewußtsein und dem ego cogito kann doch nicht als völlig sinnlos abgetan werden, denn eine unbezweifelbare Bedeutung und ein Sinn liegt dieser ja zugrunde. Es ist ja tatsächlich etwas "vermeint", wenn von "Bewußtsein" gesprochen wird. Doch inwiefern ist dieses "Vermeinte" denn nun auch gegeben? Um diese Frage zu beantworten muß das Verständnis des cogito und des Bewußtseins wirklich "phänomenal", d.h. aus dem Phänomen selbst, erst im Anschluß an das eigentliche "residuum" der epoché und nicht als dessen stillschweigende Voraussetzung, begründet sein. Bei Husserl steht das Bewußtsein quasi schon als "Ziel" der epoché fest, bevor er sich mit Hilfe derselben die Welt der Phänomene überhaupt erschlossen hat. Wie aber nun zu einer "Selbstgewißheit" kommen, wie kann sich diese phänomenal offenbaren? "Sollte es also außer dem gläubigen, christlichen überhaupt kein evidentes Selbstbewußtsein, keine Selbstgewißheit geben? Es gibt sie, aber nicht im Rahmen der Intentionalität des Bewußtseins und daher nicht in der intentionalen Phänomenologie, sondern es gibt sie durch die Intentionalität des Seins,..., dessen Anwesenheit, dessen gegenwärtiger auf uns zukommender Anspruch jedem unserem Intendieren vorgängig ist."72
Bewußtsein ist also ein Anspruch, der an uns ergeht. Wer erhebt diesen Anspruch an uns? Müller sagt, es ist "das Sein". Wie, in welcher Form, ergeht dieser Anspruch? Er ergeht durch die Intentionalität des Seins, das Sein "richtet sich" also auf uns (und nicht etwa umgekehrt). Doch wie und wo können wir diesen Anspruch "auffinden"? Er liegt im Phänomen selbst als eine "Anwesenheit".
Das Phänomen hat eine intentio, ein Wesen, wie bereits festgestellt wurde. Und nun scheint dieses "Wesen" etwas zu tun, ein "Tun", dem wir das Bewußtsein verdanken. Es ist keine bloß vorhandene Wesenheit, sondern es ist eine "Wesung", es "geschieht" etwas. Und es ist ebensowenig nur auf das "Wesen", das "Was", das "Eidos" oder die "Sache", die im Phänomen erscheint beschränkt, denn die Wesung ist "An"-wesung. Die Seinsweise des Phänomens ist "Anwesung". Im Phänomen gewärtigen wir ein "Etwas", das uns gegeben ist, und dieses "Etwas" vollzieht sich an uns, es geht uns "an". Ein "Etwas" kann nur "Etwas" sein, wenn es anwest, und doch ist diese "Anwesung" immer schon mehr und völlig anders als das reine "Was des Etwas" an sich. Die Anwesung ist selbst überhaupt kein "Was". Sie ist das zum "Wesen" erst tauglich Machende und kann nicht als "Idee der Idee", nicht selbst als ein (höchstes) Eidos verstanden werden. Allein die höchste Fülle und "Dichte" des Wesens ist noch keine Anwesung. Wir vernehmen diese Anwesung und den darinliegenden Anspruch und nennen es "Bewußtsein". "Sein waltet, aber weil es waltet und sofern es waltet und erscheint, geschieht notwendig mit Erscheinung auch Vernehmung."73
Wir können uns selbst und die Dinge reflektieren, wir wissen von den Dingen als "bewußte", weil sie nicht nur "da" sind, sondern weil sie sich selbst als "Anspruch an uns" vollenden. Dieser Anspruch ist unmittelbar. Das heißt: Um die Dinge als Seiende "bewußt" werden zu lassen bedarf es keines "Aktes zweiter Ordnung", der auf andere Akte gerichtet wäre und so den Sinn der "Gegenständlichkeit" vergegenständlicht, und eines dritten Aktes, der sich seinerseits wieder auf diesen Zweiten richtet, usw. Bewußtsein ist keine "fortschreitende Sammlung" oder "Grenzenlosigkeit im Fortgange", wie Natorp es vermutet.74 Das hieße nämlich auch: Bewußtsein wäre eidetisch, also als ein "Ding" oder ein "Was" gegenständlich gegeben und könnte wie ein Erscheinendes erkannt werden. "Bewußtsein" nennen wir etwas, das dem Erscheinenden nicht wie eine dingliche Eigenschaft dazugetan wurde, sondern den Anspruch zu vernehmen, der in den Dingen, Eiden, Was-heiten wie sie uns erscheinen, an uns gerichtet ist. "Wir sind die im strengen Sinne des Wortes Be-Dingten."75
"Ich" sagen zu können heißt: eine Welt zu haben, die mehr ist als nur "da" zu sein, die mehr als reine "apophansis", aber auch mehr als "Zeugzusammenhang" ist. Diese Welt ist eine "phänomenale" Welt, eine Welt anwesender und uns "entegegen-wesender" Erscheinungen und nur aus dieser Welt können wir uns als "be-wußte Lebewesen" und so schließlich "sein" verstehen.
Mensch-sein heißt: von den Dingen, von seinen Phänomenen jeweils angesprochen zu werden und nicht aus diesem Anspruch hinaustreten zu können. "Anwesung" vernehmen ist die Fähigkeit zur Reflexion, die Fähigkeit um sich selbst zu wissen, weil man je ein Angesprochener ist. Diese Vernehmung des Anspruchs des Phänomens ist keine passive Rezeptivität, es ist ein Geschehen. Bewußtsein ist ein Ereignis als Seinsweise des Phänomens, mit ihm geschieht Vernehmung, beides ist ursprünglich zusammengehörig. "Vernehmung ist nicht eine Verhaltungsweise, die der Mensch als Eigenschaft hat, sondern umgekehrt: Vernehmung ist jenes Geschehnis, das den Menschen hat."76
Nicht daß ein Bewußtsein existierte und dann durch das Phänomen in Anspruch genommen (angesprochen) würde, es ist die Anwesung der Phänomene, das "Ansprechende" in diesen selbst, welches ihnen eigen ist und erst das Bewußtsein konstituiert.
Die umgekehrte "kopernikanische Wende" der Husserlschen Phänomenologie hieße dann:
Der Sinn von Bewußtsein wird vom Anspruch des Phänomens her verstanden. Dem Bewußtsein ist keine Gerichtetheit eigen, es ist vielmehr das allererst Er richtete. Das Bewußtsein wird durch die Phänomene erst konstituiert. Es liegt in allen Erscheinungen gegenwärtig und offenbar in Form des Anspruchs den diese erheben, wobei der Angesprochene durch den Anspruch selbst erst entspringt. Dieser Anspruch "spricht zum Menschen, doch nicht von außen. Er sagt uns "Neues" und doch nur genau unser Selbstverständnis."77 Diesen Anspruch, unser Selbstverständnis, erfahren wir in den Phänomenen. An die Stelle der cartesischen cogito-Gewißheit tritt (bei Durchführung einer phänomenologischen epoché, die auch das Bewußtsein zunächst mit einklammert) die Gewißheit des in der Ansprache der Phänomene Stehens. Das Bewußtsein als ein Absolutes und Erkenntnis Begründendes ist eine ebenso metaphysische Unterstellung, wie die Vorgängigkeit dessen in Bezug auf das Phänomen. Beides erklärt letztendlich nur eine Gegebenheit aus einer anderen, entwickelt aber keinen Sinn für das Rätsel der Gegebenheit (als "bewußte Gegebenheit") selbst.
5. Die aletheia, die entbergende Lichtung
Es wurde bis hierher dargelegt, wie sich das Phänomen in seinen Seinsweisen selbst offenbart. Dabei wurde entdeckt, daß sich im Phänomen ein Erscheinendes "Etwas", (bezeichnet als Washeit oder Eidos) in seiner jeweiligen Erscheinung (hier in freier Anlehnung an Husserl benannt als "reelle Immanenz") in der Weise der "Kontinuität" (als immanent-transzendierend) zeigt. Dieses Sich-zeigen geschieht in der eigentümlichen Art der "Anwesung".
Aber wo in all diesem ist "Sein"?
Wenn von Max Müller behauptet wurde, daß es das Sein ist, dessen "Intentionalität" sich als Anwesung zeigt78, und dieser Gedanke soll nun nicht bestritten werden, dann schließt sich aber die Frage an, ob man allein in der Anwesung dem "Sein" schon "habhaft" geworden wäre, ob schon durch das Erkennen des Seins des Phänomens als "Anwesung" alles über das Sein gesagt wäre. Wie leicht zu vermuten ist, ist dies nicht der Fall. Um der Gefahr der Überbetonung der "Anwesung" und Fehlauslegung als "das Sein des Phänomens schlechthin" vorzubeugen sei klargestellt: Die Anwesung ist nicht selbst "das Sein". Wir nennen sie "Denken" oder "Bewußtsein", weil sie uns das Seiende in seiner Sichtsamkeit (für uns) gibt und es dadurch ansprechen läßt.
Anwesung ist das, was Vernehmung leistet. In ihr aber waltet "aletheia", nämlich das Erscheinende in seinem Erscheinen in die Unverborgenheit stellend und dadurch erst Vernehmung gewährend. "Anwesung" und "aletheia" sind nicht identisch.
Mit dem Begriff der "Anwesung" ist der Sinn der Rede vom "Bewußtsein" phänomenologisch und ontologisch begründbar. Die Seinsfrage aber zielt auf die "aletheia". Anwesung ist erst, wenn "entbergende Lichtung" geschieht. "Sein besagt: im Licht stehen, erscheinen, in die Unverborgenheit treten. Wo solches geschieht, d.h. wo Sein waltet, da waltet mit und geschieht mit als ihm zugehörig: Vernehmung, aufnehmendes Zum-stehen-bringen des sich zeigenden in sich Ständigen."79
In der Auslegung des Seins als "Anwesung" oder auch "Anwesenheit" (meist noch gleichgesetzt mit "Gegenwart") liegt eine weitere Gefahr, die Heidegger erkannt und vor der er gewarnt hat. Diese Gefahr besteht in einem ausschließlichen Verständnis der Anwesung als höchste Fülle von "Wesenheit" oder Was-heit. Dieses Verständnis oder vielmehr Mißverständnis ist dazu geeignet die eigentliche Unverborgenheit auf das Aussehen des Erscheinenden oder das "Gesichtete" (zu unterscheiden von der "Sichtsamkeit") am Sichtbaren zu reduzieren und die Seinsfrage in einer Ideenlehre aufzulösen. Die Anwesung -wie bereits im vorangegangenen Abschnitt deutlich gesagt wurde- erschöpft sich nicht im Was-sein des Eidos oder in der "Idee". Durch die Anwesung als ein Anspruch muß, wenn sie Seinsverständnis ermöglichen und Sein erhellen soll, "aletheia", geschehende Unverborgenheit, an-sprechen. Wie Heidegger in "Platons Lehre von der Wahrheit"80 zeigt und kritisiert ist die "Geschichte der Seinsvergessenheit" dadurch ausgezeichnet, daß die Idee bzw. das Erscheinende in seinem Aussehen die eigene Unverborgenheit schon selbst mit in sich trägt, so daß Sein fortan nur noch Essenz und damit Was-sein des Seienden ist. "Das Wesen der Idee liegt in der Schein- und Sichtsamkeit...
Was die Idee hierbei in die Sicht bringt und so zu sehen gibt, ist für das auf sie gerichtete Blicken das Unverborgene dessen, als was sie erscheint. So wird das Unverborgene zum voraus und einzig begriffen als das im Vernehmen der idea Vernommene, als das im Erkennen Erkannte."81
"Dieser Auslegung des Seienden zufolge ist die Anwesung nicht mehr wie im Anfang des abendländischen Denkens der Aufgang des Verborgenen in die Unverborgenheit, wobei diese selbst als die Entbergung den Grundzug der Anwesung ausmachte. Platon begreift die Anwesung (ousia) als idea. Diese untersteht jedoch nicht der Unverborgenheit, indem sie das Unverborgene, ihm dienend, zum Erscheinen bringt. Vielmehr bestimmt umgekehrt das Scheinen (Sichzeigen), was innerhalb seines Wesens und im einzigen Rückbezug auf es selbst dann noch Unverborgenheit heißen darf."82
Die aletheia ist der Grundzug des Seins selbst, ein Grundzug, der seit der frühen griechischen Philosophie nicht mehr angedacht wurde, vermöge der "Vormachtstellung" der Idee. Die aletheia als entbergende Lichtung oder Unverborgenheit heißt bei Heidegger die "Wahrheit". Wahrheit ist keine adäquatio des Denkens mit den bedachten Sachen, sondern liegt im Seienden selbst als dessen geschehende Unverborgenheit. Auf das, was dafür oder dagegen spricht die aletheia als "Wahrheit" zu bezeichnen, wird nicht weiter eingegangen. Aber das Wesen dieser Unverborgenheit zu bedenken, ist dasjenige und einzige, was die Seinsfrage sich entfalten läßt. Unverborgenheit bedenken heißt: sich dem Geschehen dieser Unverborgenheit aussetzen. Die Ereignung dieses Geschehens und damit der Seinsfrage wurde hier aus dem Sein des Phänomens abgeleitet. Wohl gemerkt: nur "abgeleitet". Das Phänomen ist nicht "das Sein"! Was hilft es uns dann aber bei der Entwicklung der Seinsfrage? Warum wurde das Phänomen so ausführlich betrachtet? Weil diese Betrachtung zeigte, daß der Sinn von "Immanenz", "Eidos", "Kontinuität" und "Anwesung" ein eigentlich "phänomenaler" Sinn ist, was nichts anderes bedeutet, als daß die Seinsfrage etwas je anderes befragt, als dasjenige was hier lediglich als Seinsweisen des Phänomens aufgewiesen wurde und auf solches kann die Seinsfrage sich nun bei richtigem Verständnis des Phänomens nicht mehr beziehen. Dadurch erst bekommt die Frage nach dem Sein ihre eigentliche Fragerichtung. Diese Richtung kann nur negativ durch Ausschluß der falschen Richtungen aufgezeigt werden. Die Seinsfrage zu stellen heißt gerade auch: zu wissen, wonach man nicht fragt.
Man sieht dann: Sein ist nicht ein Erlebnis-immanenter "Gesamtkontext" der Dinge; Der Sinn dessen ist als eine Seinsweise des Seienden erkannt worden. Der "Kontext" oder Erlebniszusammenhang ist im Phänomen selbst schaubar. Sein aber ist das, was Schaubarkeit erst gewährleistet. Sein ist "das Andere".
Sein ist nicht Was-heit, Eidos oder Idee. Der Sinn von Eidos ist ein “Sinn von Seiendem“. Die Seinsfrage fragt aber nicht nach Ideen oder gar der "höchsten" Idee. Das Phänomen ist das Erscheinende-in-seiner-Erscheinung. Es ist als Erscheinendes kein Abbild einer Idee, sondern selbst Eidos. Das aber, was macht, daß Erscheinendes als "Was" erscheint, ist nicht Idee oder Ding-an-sich hinter den Erscheinungen. Es wird nicht gefragt nach "Dingen" hinter den Erscheinungen. Sein ist auch hier "das Andere".
Sein ist nicht die "fließende Kontinuität" (das heraklit`sche "panta rhei") der Erscheinungen. Es ist ein Fehlschluß, die Dinge oder Erscheinungen (was hier, wie hinlänglich dargestellt wurde, kein Unterschied ist) im ihrem Selbst in einem "Alles fließt" zu gründen. Das Sein ist weder ein "Alles" noch das "Fließen" oder "Werden". Der Sinn des "Flusses" liegt im Phänomen-sein begründet. Es gilt nicht: "Alles Sein ist Werden", denn Sein ist immer schon "das Andere". Sein ist nicht die Anwesung. Der Sinn der Anwesung bedeutet ein Verhalten der Erscheinung, insbesondere die Möglichkeit "Bewußtsein" phänomenal als "Sichtsamkeit" der Erscheinung zu beschreiben. Sein aber ist keine Sichtsamkeit. Die Sichtsamkeit wird erst vom Sein her möglich.
Sein ist wiederum "das Andere".
Jegliche "Seinsweise" ist nicht das Sein selbst.
Zu fragen bleibt nun noch dieses "Andere": Gefragt wird die "aletheia". Das Phänomen ist ein "Erscheinen" und in diesem ist "aufgehendes Walten", ist "aletheia".
"Das Erscheinen im ersten und eigentlichen Sinne nimmt erst als das gesammelte Sich-zum- Stand-bringen den Raum ein, erobert ihn erst...Das Erscheinen im zweiten Sinne tritt nur aus einem schon fertigen Raum heraus und wird in den schon festen Erstreckungen dieses Raumes durch ein Hinsehen gesichtet. Das Gesicht, das die Sache macht, wird jetzt entscheidend, nicht mehr sie selbst. Das Erscheinen im ersten Sinn reißt erst Raum auf. Das Erscheinen im zweiten Sinne bringt es nur noch zu einem Aufriß und zur Ausmessung des eröffneten Raumes."83
Durch die epoché, die sich nur vom Phänomen selbst verstehen lässt, wird jede Abbildhaftigkeit des Phänomens als Erscheinen von etwas Nicht-phänomenalem absurd. Es muß nun das Erscheinen des Phänomens als ein Erscheinen im eigentlichen (im ersten) Sinne vernommen werden. Eine Vernehmung von Erscheinen, die um der Unverborgenheit, um des Seins willen geschieht. "Vernehmung soll das Seiende so eröffnen, daß es das Seiende in sein Sein zurückstellt,..."84
Wenn das Phänomen "Erscheinen" ist, dann ist es kein Erscheinen, welches ein dahinterliegendes Seiendes dadurch, daß es "nur" erscheint verstellt. Das Erscheinen des Phänomens ist das in-die- Unverborgenheit-Hervorkommende, es ist nicht das Stimmige oder Richtige, es "bezieht" sich nicht auf eine abgebildete Idee, an der es teilhaftig wäre, sondern es ist wesenhaft unverborgen. Mit der Besinnung auf die Unverborgenheit, die aletheia, verlieren nun auch die klassischen Unterscheidungen wie "Idealismus" oder "Realismus" ihren Sinn. Wird an diesen Unterscheidungen festgehalten, ist aletheia nicht fragbar. Der Sinn von "Erscheinen" kann weder ein subjektiver noch objektiver sein und er liegt auch nicht in einer Beziehung zwischen diesen beiden. Solche Dualitäten müssen angesichts der Seinsfrage überwunden werden. Erst dann zeigt sich dem Fragenden: Der Sinn von aletheia waltet im Phänomen und ist doch nicht selbst Phänomen. Sein als aletheia heißt: "geschehende Unverborgenheit" und die Bedeutung einer solchen Unverborgenheit oder "entbergenden Lichtung" wird nur deutlich anhand jenes Geschehens, das die vorgängige Tauglichmachung des Erscheinen-von- Erscheinendem (und also des Phänomens) ist. "Lichtung ist am Seienden, aber so, daß Lichtung der Hervorgang dieses Seienden ist, der es erst hell macht."85
Unverborgenheit ist deshalb gleichermaßen Entbergen und Verbergen. Sich selbst verbergend entbirgt Sein Seiendes. Sein ist das Entbergend-Verborgene. Wenn mit letzter Konsequenz nach Sein gefragt wird, ist das Wissen um das nicht mehr (als Seiendes) entdeckbare Geheimnis "Sein" ebenso mitgängig, wie das Vorverständnis des Seinssinnes. Erst dann "ergründet" sich der Fragende selbst die (grundlose) Frage: "Der Sinn von Sein ist abgründig-ungründiger Grund: es ist kein Grund dafür anzugeben, daß überhaupt ein Verstehen von Sein aufbricht,..."86 Alles gründet in der aletheia und sie ist das letzte Unbegründbare. Die aletheia erhellt und bleibt doch selbst im Dunkeln.
"Doch das Sein - was ist das Sein? Es ist Es selbst. Dies zu erfahren und zu sagen, muß das künftige Denken lernen Das Sein ist das Nächste. Doch die Nähe bleibt dem Menschen am weitesten."87
6. Fazit
Der Ausgangspunkt der hier aufgezeigten Überlegungen war die Frage nach dem Sinn von Sein. Ist diese beantwortet worden? Kann abschließend eine Definition von "Sein" gegeben werden? Es liegt auf der Hand, daß dies nicht der Fall ist, aber ebenso deutlich sollte auch geworden sein, daß dies nicht beabsichtigt war. Die Frage nach "Sein" ist aufgeworfen worden. Ein Weg wurde gezeigt, der, wenn er beschritten wird, für tauglich befunden wurde, "Sein" fragwürdig und bedenkenswert zu machen. Das Selbstverständlichste überhaupt sollte zum Unverständlichsten schlechthin werden. Die Tatsache, daß "Etwas" ist und dieses "Etwas-sein" dem Sein verdankt ist, muß jeden, der sich dieser Tatsache aussetzt, zutiefst verstören. Wer diese Verstörung nacherlebt, hat die Seinsfrage gestellt, sie "zustande gebracht", er ist entschlossen für den Anspruch des Seins. Er fragt nachdem, was nicht selbst wieder wie ein "Etwas" seiend ist. Der Weg zur Entwicklung der Seinsfrage fand seinen Ausgangspunkt im Seienden selbst. Zu verstehen, was das Seiende als solches ist und wie es uns gegeben ist und die in ihm liegende "Wirklichkeit" einsichtig zu machen, versetzt erst in die Lage, die Frage nach der Bedingung für dessen Seins- Möglichkeit aufzuwerfen. Ist das Seiende als das stets Unmittelbare und Gewisse verstanden, dann kann nach dem eigentlichen Rätsel von Unmittelbarkeit und Gewißheit, dem Sein, das solches erst leistet, gefragt werden. Das Sein offenbart (spricht) und verbirgt (weil nie als Seiendes gegeben) sich durch das Seiende und nur wer das Seiende als es selbst erkennt und annimmt, ist in der Lage durch es hindurch das Sein befragend zu vernehmen.
Nicht "hinter" den Dingen wird man "Sein" finden, sondern in ihnen und aus ihnen heraus zeigt es sich als das "ganz Andere", sofern es einem gelingt, den Dingen "nah genug" zu kommen, daß sie sich selbst darbieten und geben können. Dies erfordert keine meditative Versenkung, sondern kritisches Hinterfragen dessen, was in der "natürlichen", sich selbst-verständlichen Geisteshaltung als seiend und wirklich gilt und sodann alles "Vermeinen" nur noch am Geschauten auszurichten. Die Welt zur Selbstgegebenheit bringen ist entschlossen sein für das, "was da ist" und schließlich für die Tatsache, daß es ist. Die Methode, die dies leistet, ist die phänomenologische epoché und die daraus resultierende Reduktion.
Warum die epoché? Weil sie die Dinge als sie selbst zeigt, sie selbst "sprechen" läßt und durch dieses "Sprechen", welches ein Ansprechen ist, Sein zur Sprache kommen kann. Es wird nicht mehr "etwas durch etwas" erklärt. Solipsismus und metaphysischer Realismus werden vor diesem Hintergrund eins. Das Phänomen verstanden als unverborgene Erscheinung entzieht dem Problem einer Übereinstimmung dessen (dem Phänomen als Abbild) mit einem "wahren" Seienden, einem "wirklicheren" Ding an sich, welches die Frage nach Wahrheit und Wirklichkeit stets an das Seiende gebunden bleiben läßt, jede Grundlage und Berechtigung.
Wenn Wirklichkeit unbezweifelbar geworden ist, ist das Fragen offen für das, was diese Wirklichkeit verbürgt und trägt. Ansonsten kreist es um Schein-Probleme, ob das Seiende denn auch "wirklich" das ist, als was es sich zeigt oder nicht vielmehr "nur so scheint", was und wieviel ein Subjekt seinem Erkenntnisobjekt "glauben" kann.
Die epoché zeigt überdies, daß man nicht außerhalb der Welt stehen muß, um diese zu beschreiben. Die Möglichkeit die Welt zu beschreiben, liegt schon in ihr und nur für den, der in ihr steht. Das Phänomen wird nicht von einem Meta-Standpunkt aus erklärt, die epoché bringt es als An-sich-selbst-sein zum zeigen. Zu beschreiben was man "sieht" ist der Sinn der Phänomenologie. Sätze über Phänomene sind deshalb nicht im "adäquatio-Sinne" wahr. Sie sind auch nicht falsch, sie stehen außerhalb dieser Unterscheidung. Sie fügen dem Ausgesagten nichts hinzu. Sie sind gewiß keine "synthetischen Urteile", obschon sie das Ausgesagte als ein “Neues“ aufweisen. Diese Aussagen erscheinen als Zirkelschlüsse oder Tautologien, sind es aber tatsächlich nur, wenn sie aus der Subjekt-Objekt-Spaltung heraus verstanden werden, demgemäß, daß ein aussagendes Subjekt sich dem Objekt in irgendeiner Form zu bemächtigen suchte und sodann feststellen müßte, daß es selbst mit seinem Objekt identisch ist. Sätze über Phänomene sagen uns Neues und doch nur unser diesen Sätzen vorgängiges Selbst- und Seinsverständnis. 88 Sie sind aber nichtsdestoweniger leere oder sinnlose Sätze. Sie bedeuten: Sein. Das Sein ist es, welches die Zirkel aufhebt. Das gegenständliche Erkennen scheitert nicht am Zirkel (wie Jaspers nun vermuten würde), sondern es vollendet sich erst dadurch, daß es durch den Zirkel in die entbergende Lichtung tritt und dadurch dieser Lichtung als ein Letztes und sich selbst schließlich gewiß wird.
“Aussagen“ bezüglich des Seins sind indes keine Aussagen wie im alltäglichen Sprachgebrauch. Sie sind nicht spekulativ, sie vermuten und vermeinen nichts. Sie stellen keine “Hypothese“ oder “Theorie“ bezüglich der Existenz von Seiendem auf. Sie sind rein deskriptiv, aber sie beschreiben keinen Gegenstand anhand seiner Eigenheiten, sie beschreiben eine Fragehaltung, ein Sich-öffnen für eine Antwort, die doch nie (als Aussage oder gar "Information") zu bekommen ist. Das "Es ist" ist der unmögliche und doch einzig "wirkliche" Gedanke, der Versuch ein Schweigen zu brechen, das nicht zu brechen ist. Der Sinn dieser "beschreibenden Frage" liegt eben im Fragen selbst und nicht in einem "Etwas", das zu beschreiben wäre. Vom Sein kann man nicht sprechen wie von einem beliebigen Seienden in der Welt, also muß man davon schweigen, wäre die (sprach)-logische Konsequenz.
Doch verstehen sich die obigen Sätze dieser Ausführung nicht als eine Beschreibung von "Sein", sondern als Beschreibung einer Fragehaltung nach "Sein". Daß das Ziel der Frage kein Seiendes ist, macht die Frage selbst deshalb nicht zu einer metaphysischen Aussage. Als solche wäre sie, ebenso wie der gesamte vorangegangene Gedankengang, sinnlos.
ANMERKUNGEN:
[...]
1 Heidegger, Martin, Die Grundprobleme der Phänomenologie, Gesamtausgabe Bd. 24 (Klostermann 1975), S.454
2 A.a.o., S.404
3 Jaspers, Karl, Einführung in die Philosophie, (Piper 1991), S.25
4 A.a.o., S.31
5 A.a.o., S.28
6 A.a.o., S.30
7 Heidegger, Martin, Einführung in die Metaphysik (Niemeyer 1966), S.63
8 A.a.o., S.1
9 Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, a.a.o., S.292ff.
10 A.a.o., S.299
11 A.a.o., S.301
12 A.a.o., S.297
13 Heidegger, Martin, Sein und Zeit, Gesamtausgabe Bd. 2 (Klostermann 1977) S.199
14 Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, a.a.o., S.296
15 Heidegger, Martin, Sein und Zeit, a.a.o., u.a. §§ 16-18,32,33,44
16 Pöggeler, Otto, Heideggers Neubestimmung des Phänomenbegriffs, in: Phänomenologische Forschungen Bd.9 (Alber 1980), S.147
17 Bröcker, Walter, Heidegger und die Logik, in: "Heidegger, Perspektiven zur Deutung seines Werks" hrsg. v. Otto Pöggeler (Kiepenheuer & Witsch 1970) S.298 ff.
18 A.a.o., S.300
19 vgl. a.a.o., S.298ff.
20 Heidegger, Sein und Zeit, a.a.o., vgl. insbes. §§ 32,33,44
21 Tugendhat, Ernst: Heideggers Idee von Wahrheit, in: "Heidegger, Perspektiven zur Deutung seines Werks" hrsg. v. Otto Pöggeler (Kiepenheuer & Witsch 1970) S. 286ff.
22 Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, a.a.o., S.311
23 Tugendhat, Heideggers Idee von Wahrheit, a.a.o., S.289, Tugendhat zitiert hier selbst aus "Sein und Zeit" §44. Die Stelle findet sich in der hier zugrunde gelegten Ausgabe auf Seite 289.
24 Heidegger, Grundprobleme der Phänomenologie, a.a.o., S.317
25 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, a.a.o., S.2
26 Tugendhat, Heideggers Idee von Wahrheit, a.a.o., S.292
27 Husserl, Edmund, Die Idee der Phänomenologie, mit einer Einleitung von Paul Janssen, (Meiner 1986) S.32
28 Levinas, Emmanuel: Über die >Ideen< Edmund Husserls, in: Wege der Forschung, Bd. XL, "Husserl", hrsg. v. Hermann Noack (Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1973), S.101
29 Husserl, Edmund: Cartesianische Meditationen, mit einer Einleitung v. Elisabeth Ströker (Meiner 1977) S. XXIIIff. der Einleitung
30 A.a.o., S.38
31 Rombach, Heinrich: Das Phänomen Phänomen, in: Phänomenologische Forschungen Bd.9 (Alber 1980), S.16
32 A.a.o., S.14ff.
33 Levinas, Über die >Ideen< Edmund Husserls, a.a.o., S.99
34 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, a.a.o., S.64
35 Levinas, Über die >Ideen< Edmund Husserls, a.a.o., S.100
36 Pöggeler, Heideggers Neubestimmung des Phänomenbegriffs, a.a.o., S.135ff.
37 Natorp, Paul: Husserls >Ideen zu einer reinen Phänomenologie<, in: Wege der Forschung XL, "Husserl", hrsg. v. Hermann Noack (Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1973), S.47ff.
38 A.a.o., S.49
39 A.a.o., S.59
40 A.a.o., S.49ff.
41 Biemel, Walter: Husserls Encyclopaedia-Britannica-Artikel und Heideggers Anmerkungen dazu, in: Wege der Forschung XL, "Husserl", hrsg. v. Hermann Noack (Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1973), S.312
42 Müller, Max: Phänomenologie, Ontologie und Scholastik, in: "Heidegger, Perspektiven zur Deutung seines Werks" hrsg. v. Otto Pöggeler (Kiepenheuer & Witsch 1970), S. 78ff
43 A.a.o., S.80
44 A.a.o., S.85ff.
45 Biemel, Husserls Encyclopaedia-Britannica-Artikel, a.a.o., S. 293
46 Heidegger, Sein und Zeit, a.a.o., S.38
47 Husserl, Cartesianische Meditationen, a.a.o., S.17
48 Levinas, Über die >Ideen< Edmund Husserls, a.a.o., S.103
49 ähnl. bei Rombach, Das Phänomen Phänomen, a.a.o., S.14, vgl. auch Rombach, Phänomenologie des gegenwärtigen Bewußtseins, (Alber 1980), S.169
50 Husserl, Die Idee der Phänomenologie, a.a.o., S.12
51 A.a.o., S.11
52 A.a.o., S.55
53 A.a.o., S.56
54 ähnl.Janssen, in der Einleitung zu Husserl, Idee der Phänomenologie, a.a.o., S.XXXIV ff.
55 A.a.o., S.73
56 Natorp, Husserls Ideen zu einer reinen Phänomenologie, a.a.o., S.42
57 Husserl, Die Idee der Phänomenologie, a.a.o., S.14
58 A.a.o., S.57
59 Husserl, Cartesianische Meditationen, a.a.o., S.73
60 Rombach, Das Phänomen Phänomen, a.a.o., S.12
61 A.a.o., S.13
62 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, a.a.o., S.46
63 A.a.o., S.46ff.
64 A.a.o., S.46
65 A.a.o., S.46ff.
66 A.a.o., S.47
67 Bröcker, Heidegger und die Logik, a.a.o., S.299
68 Natorp, Husserls Ideen zu einer reinen Phänomenologie, a.a.o., S.46 und S.58ff.
69 Husserl, Cartesianische Meditationen, a.a.o., S.XIIIff. der Einleitung
70 Müller, Phänomenologie, Ontologie und Scholastik, a.a.o., S.78ff
71 A.a.o., S.84
72 A.a.o., S.91
73 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, a.a.o., S.106
74 Natorp, Husserls Ideen zu einer reinen Phänomenologie, a.a.o., S.46, 50ff., S.59
75 Heidegger, Martin, Das Ding, in: drs. "Vorträge und Aufsätze" (1954) S.163ff.
76 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, a.a.o., S.108
77 Rombach, Das Phänomen Phänomen, a.a.o. S.28, Rombach bezieht sich hier allerdings auf die Phänomene der sog. "Urphänomenologie", die historischen Sinngebilde als Ergebnisse eines Konstitutionsprozesses.
78 Müller, Phänomenologie, Ontologie und Scholastik, a.a.o., S.91
79 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, a.a.o., S.106
80 Heidegger, Martin: Platons Lehre von der Wahrheit, in: drs. "Wegmarken" (Klostermann 1978), S.130ff.
81 A.a.o., S.130
82 A.a.o., S.138ff.
83 Heidegger, Einführung in die Metaphysik, a.a.o., S.139ff.
84 A.a.o., S.140
85 Schulz, Walter: Über den philosophiegeschichtlichen Ort Martin Heideggers, in: Heidegger, Perspektiven seines Werks, hrsg. v. Otto Pöggeler (Kiepenheuer & Witsch 1970), S.122
86 Pöggeler, Otto: Heideggers Topologie des Seins, in: drs. Philosophie und Politik bei Heidegger (Alber 1972), S.88
87 Heidegger, Martin: Brief über den Humanismus, in: drs. "Wegmarken" (Klostermann 1978), S.66ff.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Inhalt des Textes "DIE ENTWICKLUNG DER SEINSFRAGE AUS DER PHÄNOMENOLOGISCHEN REDUKTION"?
Der Text untersucht die Entwicklung der Seinsfrage ausgehend von der phänomenologischen Reduktion. Er befasst sich mit der Frage, was "Sein" bedeutet, wie es als Problemstellung entdeckt und befragt werden kann, und welchen Weg man nehmen kann, um eine Sensibilisierung für "Sein" als etwas Fragwürdiges zu entwickeln. Er beleuchtet Beziehungen, Gegensätze und Weiterführungen der Phänomenologie Husserls und der Ontologie Heideggers im Kontext der Ausarbeitung der Seinsfrage.
Welche Hauptthemen werden im Text behandelt?
Die Hauptthemen umfassen die Seinsfrage, die phänomenologische epoché, das Phänomen (einschließlich seiner Aspekte als reelle Immanenz, Eidos, Kontinuität und Anwesung), die aletheia (als entbergende Lichtung) und das Verhältnis von Sein und Seiendem.
Was ist die phänomenologische epoché und welche Rolle spielt sie bei der Entwicklung der Seinsfrage?
Die phänomenologische epoché ist eine Methode, die in der Phänomenologie verwendet wird, um Enthaltsamkeit gegenüber aller Transzendenz im Sinne der natürlichen Geisteshaltung zu üben. Sie klammert die Jenseitigkeit der Dinge in Bezug auf das Bewusstsein ein und ermöglicht es, das Sein als philosophisches Problem zu erfahren. Sie trägt zur Entwicklung der Seinsfrage bei, indem sie eine Rechenschaft darüber ablegt, was die Rede von "Seiendem" überhaupt meint.
Was wird unter dem Begriff "Phänomen" verstanden und welche Seinsweisen werden ihm zugeschrieben?
Das Phänomen wird als das Sich-Zeigende, das Offenbare verstanden. Seine Seinsweisen umfassen reelle Immanenz (die Art und der Horizont einer jeweiligen Erscheinung), Eidos (das Wesen oder die Bedeutung des Phänomens, unabhängig vom Kontext der Erscheinung), Kontinuität (die Verbindung und Beziehung der einzelnen Erscheinungen zueinander) und Anwesung (der Anspruch, der durch das Sein an uns ergeht und das Bewusstsein konstituiert).
Was bedeutet "aletheia" im Kontext des Textes und wie hängt sie mit der Seinsfrage zusammen?
"Aletheia" bedeutet "Unverborgenheit" oder "entbergende Lichtung". Sie ist der Grundzug des Seins selbst und liegt im Seienden selbst als dessen geschehende Unverborgenheit. Im Text wird gesagt, dass die Seinsfrage erst gestellt werden kann, wenn sich die Frage nach der aletheia stellt.
Wie unterscheidet sich der im Text dargestellte Ansatz zur Seinsfrage von Heideggers Ansatz in "Sein und Zeit"?
Während Heidegger in "Sein und Zeit" das Seinsverständnis primär aus dem "In-der-Welt-Sein" des Daseins ableitet, geht der Text davon aus, dass die Seinsfrage auch durch den Rückgang auf die Aussage entwickelt werden kann, sofern in der Aussage das Sein als ihre Grundbedingung berührt und gegenwärtig ist.
Welche Kritik wird an Husserls Konzept des transzendentalen Bewusstseins geäußert?
Der Text kritisiert, dass Husserls Ansatz des transzendentalen Bewusstseins als ein "Ursprung schlechthin" eine "spekulative These" sei, die die Phänomenologie verlassen würde, um zum Bewusstsein als Gegenstand einer absoluten Wissenschaft zu kommen. Es wird argumentiert, dass auch das transzendentale Bewusstsein aus der "phänomenalen" Welt verbannt werden muss, da es nicht selbst als Phänomen aufweisbar ist.
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- Sigi Schröder (Author), 2000, Die Entwicklung der Seinsfrage aus der phänomenologischen Reduktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96759