Diese Abschlussarbeit möchte Denkanstöße im Bereich Führung und Schlüsselkompetenzen für weitere wissenschaftliche Diskussionen und Publikationen geben.
Die Masterarbeit steuert dabei einen Beitrag zu diesem hochaktuellen Thema bei und liefert Erkenntnisse, welche Kompetenzen Manager und Führungskräfte besitzen oder sich zukünftig aneignen sollten. Sie beschäftigt sich mit Führungsmodellen der Motivations- und Führungsforschung sowie mit den notwendigen Schlüsselkompetenzen für eine erfolgreiche Führung.
Im ersten, einführenden Teil meiner Arbeit befasst sich der Autor mit einigen Grundbegriffen, die für die vorliegende Masterthesis von großer Bedeutung sind. Neben der Erläuterung von Begriffen wie Motiv, Motivation und Kompetenz wird detailliert auf die notwendigen Schlüsselkompetenzen und deren Bedeutung eingegangen. Den Hauptteil der Masterthesis bildet eine Befragung von mehr als 150 Personen. Der digitale und demografische Wandel wird in naher Zukunft unsere jetzige Arbeitswelt massiv auf den Kopf stellen. Begriffe wie Homeoffice, Jobsharing, Autonomie, Flexibilität und Work-Life-Balance werden immer wichtiger werden. Aufgrund dieses Wandels werden das Führungsverhalten, die Modelle und Führungsprozesse von Managern mehr denn je hinterfragt. Manager und Führungskräfte stehen heute schon vor der großen Herausforderung, in dieser schnelllebigen Zeit die Interessen der Organisation und der Mitarbeiter unter einen Hut zu bringen.
In einer global agierenden Wirtschaft, bei der der Maximierung und der Gier von einzelnen Akteuren kaum Grenzen gesetzt sind, ist es wichtiger denn je, der Frage nachzugehen, ob es eine Veränderung im Führungsverhalten braucht. Das Soziale der Marktwirtschaft muss wieder mehr in das Bewusstsein jedes Einzelnen treten. Die Verantwortung und der Erfolg der Führung müssen sich wieder stärker am Gemeinwohl der Organisation und am gesellschaftlichen Nutzen orientieren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas
1.2 Zielsetzung der Arbeit
2. Begriffserklärungen
2.1 Motivation
2.1.1 Die Equity-Theorie von John Stacy Adams
2.1.2 Die VIE-Theorie von Victor Vroom
2.1.3 Das Rubikonmodell des Handelns von Heinz Heckhausen
2.1.4 Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung von Albert Bandura
2.1.5 Das Phantom der intrinsischen Motivation
2.1.6 Das Phänomen des „Flow-Erlebens“ nach Mihaly Csikszentmihalyi
2.2 Motive
2.2.1 Die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow
2.2.2 Das ERG-Modell von Clayton Alderfer
2.2.3 Das Zwei-Faktoren-Modell von Frederick Herzberg
2.2.4 Die drei soziogenen Motive von David McClelland
2.2.5 Das duale Motiv-Modell von David McClelland
2.2.6 Die 16 Lebensmotive von Steven Reiss & Susan Haverkamp
2.3 Abgrenzung wichtiger Begriffe
2.3.1 Ressourcen
2.3.2 Kompetenz
2.3.3 Qualifikation
2.3.4 Potenzial
2.3.5 Performanz
3. Führung
3.1 Transaktionale Führung
3.2 Transformative Führung
3.3 Dienende Führung
3.4 Ressourcenorientiertes Führen
4. Bedingungen für aktuelle Führung
4.1 Hohe Komplexität
4.2 Hohe Kontingenz
4.3 Hohe Volatilität
4.4 Wertedynamik
5. Schlüsselkompetenzen des neuen Führens
5.1 Die fachspezifische Kompetenz
5.2 Die heuristische Kompetenz
5.3 Die intrapersonale Kompetenz
5.4 Die interpersonale Kompetenz
5.5 Die interpretative Kompetenz
5.6 Die inszenatorische Kompetenz
6. Forschungsmethodik
6.1 Fragebogen
6.1.1 Operationalisierung
6.1.2 Begriffsfindung für die Schlüsselkompetenzen nach Stahl
6.1.2.1 Fachspezifische Kompetenz
6.1.2.2 Heuristische Kompetenz
6.1.2.3 Intrapersonale Kompetenz
6.1.2.4 Interpersonale Kompetenz
6.1.2.5 Interpretative Kompetenz
6.1.2.6 Inszenatorische Kompetenz
6.1.3 Fragebogenkonstruktion
6.1.4 Fragebogenkatalog
6.2 Methodischer Steckbrief
7. Darstellung der Ergebnisse
8. Diskussion der Ergebnisse
8.1 Diskussion des Ergebnisses der fachspezifischen Kompetenz
8.2 Diskussion des Ergebnisses der heuristischen Kompetenz
8.3 Diskussion des Ergebnisses der intrapersonalen Kompetenz
8.4 Diskussion des Ergebnisses der interpersonalen Kompetenz
8.5 Diskussion des Ergebnisses der interpretativen Kompetenz
8.6 Diskussion des Ergebnisses der inszenatorischen Kompetenz
9. Schlussfolgerung und Managementempfehlungen
10. Relevanz der Ergebnisse und Limitation der Arbeit
Literaturverzeichnis
Der Verfasser ist sich der Bedeutung geschlechtergerechter Sprache bewusst. Auf eine durchgehende geschlechterneutrale Schreibweise wurde zugunsten der Lesbarkeit des Textes verzichtet. Werden im folgenden Text männliche Schreibweisen verwendet, so ist bei Entsprechung auch die weibliche Form inkludiert.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die vier Phasen des Rubikonmodells in Anlehnung an Gollwitzer (eigene Darstellung)
Abbildung 2: Arbeitszufriedenheit und Motivation (Stahl, 2020, in Druck)
Abbildung 3: Kompetenz (Stahl, 2018, S. 7)
Abbildung 4: Kompetenzbegriff (Stahl, 2018, S. 8)
Abbildung 5: Übergang von Kompetenz zu Qualifikation (Stahl, 2018, S. 9)
Abbildung 6: Übergang von Kompetenz zu Potenzial (Stahl, 2018, S. 10)
Abbildung 7: Übergang von Kompetenz zu Performanz (Stahl, 2018, S. 11)
Abbildung 8: Gegenüberstellung von trivialer Maschine und nicht trivialem System (Stahl, 2020, in Druck)
Abbildung 9: Handhabbare Zone für ein Balancieren zwischen Gegensätzen (Stahl, 2019, S. 17)
Abbildung 10: Die fachspezifische Kompetenz (nach Stahl, 2018, S. 23)
Abbildung 11: Der Wert der intrapersonalen Kompetenz (nach Stahl, 2018, S. 39)
Abbildung 12: Der Wert der interpersonalen Kompetenz (nach Stahl, 2018, S. 48)
Abbildung 13: Durchschnittliche Ausfülldauer des Fragebogens
Diagrammverzeichnis
Diagramm 1: Frage 1 – Geben Sie bitte Ihr Geschlecht an
Diagramm 2: Frage 2 – Wie alt sind Sie?
Diagramm 3: Frage 3 – Aus welchem Bundesland Österreichs kommen Sie?
Diagramm 4: Frage 4 – Was ist Ihre höchste abgeschlossene Ausbildung?
Diagramm 5: Frage 5 – In welcher Branche sind Sie tätig?
Diagramm 6: Frage 6 – Welche Position haben Sie in Ihrem Unternehmen inne?
Diagramm 7: Frage 7 – Inwieweit besitzt Ihr Vorgesetzter das nötige Fachwissen, um seine Funktion ausüben zu können?
Diagramm 8: Frage 8 – Inwieweit ist Ihr Vorgesetzter bestrebt, sein Fachwissen auf den letzten Stand zu bringen?
Diagramm 9: Frage 9 – Inwieweit verlässt sich ihr Vorgesetzter in Führungssituationen auf sein Fachwissen?
Diagramm 10: Frage 10 – Inwieweit erkennen Sie bei Ihrem Vorgesetzten, dass er in neuartigen Situationen, in denen Routine nicht mehr hilft, persönliche Problemlösungsverfahren (ein „Gewusst-wie“) anwendet?
Diagramm 11: Frage 11 – Inwieweit reagiert Ihr Vorgesetzter in solchen Situationen ohne erkennbare emotionale Reaktionen?
Diagramm 12: Frage 12 – Inwieweit ist Ihr Vorgesetzter in seinem Führungsalltag experimentierfreudig?
Diagramm 13: Frage 13 – Inwieweit zeigt Ihr Vorgesetzter die Bereitschaft zur Selbstreflexion?
Diagramm 14: Frage 14 – Inwieweit besitzt Ihr Vorgesetzter die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung?
Diagramm 15: Frage 15 – Inwieweit besitzt Ihr Vorgesetzter Fähigkeiten, um mit den eigenen Gefühlen oder sogar mit Stress umzugehen?
Diagramm 16: Frage 16 – Inwieweit besitzt Ihr Vorgesetzter die Fähigkeit, sich in andere Personen hineinzuversetzen?
Diagramm 17: Frage 17 – Inwieweit besitzt Ihr Vorgesetzter die Fähigkeit, persönliche Beziehungen zu Menschen verschiedenster Prägung aufzubauen?
Diagramm 18: Frage 18 – Inwieweit besitzt Ihr Vorgesetzter die Fähigkeit, im richtigen Zeitpunkt und richtigen Ausmaß etwas Persönliches preiszugeben?
Diagramm 19: Frage 19 – Inwieweit besitzt Ihr Vorgesetzter die Fähigkeit, wichtige Daten und Informationen von unwichtigen zu unterscheiden?
Diagramm 20: Frage 20 – Inwieweit ist ihr Vorgesetzter imstande, mit mehrdeutigen Mitteilungen umzugehen, ohne dabei verunsichert zu werden?
Diagramm 21: Frage 21 – Inwieweit fällt Ihr Vorgesetzter Urteile und Entscheidungen nach reiflicher Überlegung?
Diagramm 22: Frage 22 – Inwieweit achtet Ihr Vorgesetzter in seinem Verhalten darauf, bei anderen Personen einen bestimmten Eindruck zu hinterlassen?
Diagramm 23: Frage 23 – Inwieweit besitzt Ihr Vorgesetzter die Fähigkeit, bei seinen Auftritten die Aufmerksamkeit anderer zu erringen?
Diagramm 24: Frage 24 – Inwieweit setzt Ihr Vorgesetzter bei seinen Auftritten neben der normalen Sprache auch eine ausgewogene Körpersprache ein?
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Fragebogenkatalog
Tabelle 2: Übersicht der methodischen Vorgangsweise
Tabelle 3: Antworten zu Frage 1
Tabelle 4: Antworten zu Frage 2
Tabelle 5: Antworten zu Frage 3
Tabelle 6: Antworten zu Frage 4
Tabelle 7: Antworten zu Frage 5
Tabelle 8: Antworten zu Frage 6
Tabelle 9: Antworten zu Frage 7
Tabelle 10: Antworten zu Frage 8
Tabelle 11: Antworten zu Frage 9
Tabelle 12: Antworten zu Frage 10
Tabelle 13: Antworten zu Frage 11
Tabelle 14: Antworten zu Frage 12
Tabelle 15: Antworten zu Frage 13
Tabelle 16: Antworten zu Frage 14
Tabelle 17: Antworten zu Frage 15
Tabelle 18: Antworten zu Frage 16
Tabelle 19: Antworten zu Frage 17
Tabelle 20: Antworten zu Frage 18
Tabelle 21: Antworten zu Frage 19
Tabelle 22: Antworten zu Frage 20
Tabelle 23: Antworten zu Frage 21
Tabelle 24: Antworten zu Frage 22
Tabelle 25: Antworten zu Frage 23
Tabelle 26: Antworten zu Frage 24
1. Einleitung
Die vorliegende Masterthesis stellt meine Abschlussarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science (MSc) am MCI Management Center Innsbruck dar.
Meine Masterarbeit mit dem Titel „Führen unter den Bedingungen hoher Unbestimmtheit – Ein Vergleich zwischen Theorie und Praxis“ steuert einen Beitrag zu diesem hochaktuellen Thema bei und liefert Erkenntnisse, welche Kompetenzen Manager und Führungskräfte besitzen oder sich zukünftig aneignen sollten. Meine Abschlussarbeit beschäftigt sich mit Führungsmodellen der Motivations- und Führungsforschung sowie mit den notwendigen Schlüsselkompetenzen für eine erfolgreiche Führung.
Im ersten, einführenden Teil meiner Arbeit befasse ich mich mit einigen Grundbegriffen, die für die vorliegende Masterthesis von großer Bedeutung sind. Neben der Erläuterung von Begriffen wie Motiv, Motivation und Kompetenz wird detailliert auf die notwendigen Schlüsselkompetenzen und deren Bedeutung eingegangen. Den Hauptteil meiner Masterthesis bildet eine Befragung von mehr als 150 Personen.
Diese Abschlussarbeit möchte Denkanstöße im Bereich Führung und Schlüsselkompetenzen für weitere wissenschaftliche Diskussionen und Publikationen geben.
1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas
Der digitale und demografische Wandel wird in naher Zukunft unsere jetzige Arbeitswelt massiv auf den Kopf stellen. Begriffe wie Homeoffice, Jobsharing, Autonomie, Flexibilität und Work-Life-Balance werden immer wichtiger werden. Aufgrund dieses Wandels werden das Führungsverhalten, die Modelle und Führungsprozesse von Managern mehr denn je hinterfragt. Manager und Führungskräfte stehen heute schon vor der großen Herausforderung, in dieser schnelllebigen Zeit die Interessen der Organisation und der Mitarbeiter unter einen Hut zu bringen.
In einer global agierenden Wirtschaft, bei der der Maximierung und der Gier von einzelnen Akteuren kaum Grenzen gesetzt sind, ist es wichtiger denn je, der Frage nachzugehen, ob es eine Veränderung im Führungsverhalten braucht. Das Soziale der Marktwirtschaft muss wieder mehr in das Bewusstsein jedes Einzelnen treten. Die Verantwortung und der Erfolg der Führung müssen sich wieder stärker am Gemeinwohl der Organisation und am gesellschaftlichen Nutzen orientieren (Fischer, Stahl, Schettgen & Schlipat, 2019, S. 1).
Um diesen neuen Gegebenheiten gerecht zu werden, werden immer mehr bewährte Führungsmodelle und Prozesse überarbeitet und das notwendige Kompetenzprofil von Managern und Führungskräften überdacht.
Führungskräfte müssen sich neue Schlüsselkompetenzen aneignen, um im bestehenden Wettbewerb der Talente bestehen zu können und den zunehmenden Herausforderungen am globalen Wirtschaftsprozess gewachsen zu sein: Eine neue Art des Führens muss entstehen.
1.2 Zielsetzung der Arbeit
Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, die neuen, von der Theorie unter den Bedingungen (a) hoher Komplexität, (b) hoher Kontingenz, (c) hoher Volatilität und (d) der Wertedynamik postulierten Schlüsselkompetenzen für Führungskräfte zu erörtern und einen Vergleich zur aktuellen Anwendung in der Praxis zu ziehen.
Daraus ergeben sich die folgenden forschungsleitenden Fragen:
- Inwieweit besteht bei Führungskräften ein Bewusstsein für die neuen Bedingungen, unter denen sich Führung heute und in der absehbaren Zukunft bewähren muss?
- Inwieweit besteht bei Führungskräften ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, die eigenen Kompetenzen an diese Bedingungen anzupassen?
- Wenn Anpassungen vorgenommen werden, inwieweit stimmen diese mit den von der Theorie postulierten Kompetenzen überein?
2. Begriffserklärungen
Um neue relevante und zukünftige Schlüsselkompetenzen und Führungsstile für Führungskräfte zu erörtern, ist es von entscheidender Bedeutung, wichtige Schlüsselbegriffe zu erklären, die für diese Arbeit von großer Bedeutung sind. In diesem Kapitel werden wichtige Begriffe durch aktuelle Literatur definiert und es wird ein Einblick über den aktuellen Stand der Forschung vermittelt.
2.1 Motivation
Motivation kann als die Frage nach dem Warum des menschlichen Erlebens und des Verhaltes verstanden werden. Dieses Verhalten muss vom einzelnen Individuum aktiv und selbstständig ausgehen. Es darf nicht von außen beeinflusst werden, sondern die Beweggründe müssen allein bei jedem einzelnen Individuum persönlich liegen (Rosenstiel, 2015, S. 5).
Motivation ist in der heutigen Zeit zu einem Sammelbegriff geworden. Die Managementliteratur umfasst eine große Anzahl von Begriffen, die man leicht zu „Gummiwörtern“ umfunktionieren könnte. Eine gute Führung braucht die „richtige Motivation“, um erfolgreich zu sein. Dies ist aber immer mit persönlicher Leistung und Anstrengung verbunden (Stahl, 2011, S. 3).
Das Wort Motivation kann als zweischichtiger Terminus verstanden werden (Rosenstiel, 2015, S.°5):
a) Motivation dient zur Analyse und Erklärung von beobachtbarem Verhalten einzelner Personen. Man kann die einzelnen Motive unterschiedlicher Personen nicht erkennen, aber man kann das Verhalten einzelner Individuen genau beobachten. Es wird versucht, das beobachtbare Verhalten durch die Annahme von Motiven zu erklären. Auch das eigene Verhalten versucht der einzelne Mensch oft auf diese Art und Weise zu deuten.
b) Motivation kann auch als Begriff für Erlebnisse verwendet werden. Z. B. kann ein Individuum Hunger selbst fühlen und erleben und darüber berichten.
Vom Begriff Motivation kann gesprochen werden, wenn in bestimmten Fällen durch das Zusammenwirken unterschiedlich aktivierter Motive menschliches Verhalten entsteht. Wichtig dabei ist aber anzumerken, dass man in bestimmten Situationen motivationale Beweggründe des menschlichen Verhaltens von nicht motivationalen unterscheiden beziehungsweise trennen kann. In den Zustand der Motivation fließen deshalb nicht nur Motive einzelner Personen, sondern auch für das Verhalten bedeutsame wichtige psychische Einflussgrößen ein (Rosenstiel, 2015, S. 6).
Es gibt Theorien und Modelle, die versuchen, die Motivation in der Praxis greifbar zu machen. Zu den wichtigsten zählen:
- Die Equity-Theorie von John Stacy Adams
- Die VIE-Theorie von Victor Vroom
- Das Prozessmodell von Lyman W. Porter & Edward E. Lawler
- Das Rubikonmodell des Handelns von Heinz Heckhausen
- Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung von Albert Bandura
- Das Phantom der intrinsischen Motivation
- Das Phänomen des „Flow-Erlebens“ nach Mihaly Csikszentmihalyi
2.1.1 Die Equity-Theorie von John Stacy Adams
Die Equity-Theorie (Equity = Gleichgewicht) von John Stacy Adams geht von einer wirtschaftlichen Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus. Die arbeitende Person stellt dem Arbeitgeber seine Fähigkeiten und Fertigkeiten (Inputs) zur Verfügung und erhält als Gegenleistung (Outcomes) vom Arbeitgeber Bezahlung, Status und Sicherheit (Stahl, 2011, S. 38–39). Die Equity-Theorie versucht, die Motivation von Mitarbeitern zu identifizieren. Bei Mitarbeitern werden immer die Quotienten ihres Inputs und Outcome mit den Quotienten ihrer Kollegen vergleichen (Grunwald & Schwellbach, 1999, S. 45).
Sollte das Gleichgewicht ungleichmäßig verteilt sein, kann es zu Diskrepanzen kommen, die in Schuldgefühlen und Enttäuschungen enden können. Tritt so eine Situation auf, nennt John Stacy Adams folgende Möglichkeiten, um diese Spannungen und Diskrepanzen zu lösen (Stahl, 2011, S. 38–39):
a) Die Arbeit und der Aufwand werden angepasst.
b) Die Erträge müssen verändert werden.
c) Der Wert der Erträge und des Aufwandes müssen kognitiv angepasst bzw. zurechtgerückt werden.
d) Die Kündigung in Betracht ziehen.
e) Auf die Vergleichsperson einwirken.
f) Eine andere Vergleichsperson suchen.
Die Equity-Theorie geht von einem Streben nach Konsistenz und Harmonie aus. Dies wird vor allem im Punkt c der vorhergehenden Aufzählung deutlich, wo im Bedarfsfall der Wert der Erträge und der Aufwendungen kognitiv zurechtgerückt werden. (ebd., S. 40).
2.1.2 Die VIE-Theorie von Victor Vroom
Eine der wohl bekanntesten Theorien in der Forschung über Motivation ist zweifelsohne die Valenz-Instrumentalitäts-Erwartungstheorie (VIE-Theorie) von Victor Vroom (Hoffmann & Akbar, 2016, S. 41). Victor Vroom geht in seiner Theorie nicht nur von den erworbenen und angeborenen Motiven aus, sondern von den jeweiligen Möglichkeiten und Situationen. Für Vroom sind folgende Faktoren von entscheidender Bedeutung (Stahl, 2011, S. 41–42):
a) Valenz beschreibt den Zustand einer Person, welcher für diese wünschenswert und wichtig ist.
b) Instrumentalität ist jene subjektive Wahrscheinlichkeit der Einschätzung einer Person, dass der bestmögliche Zustand erreicht werden kann. Es stellt sich hierbei aber die große Frage, ob die Anstrengungen, welche die Person unternimmt, auch zu den wünschenswerten Ergebnissen führen. Ob aber eine Handlung unternommen wird, hängt von dem entscheidenden dritten Faktor ab – der Erwartung.
c) Erwartung beschreibt die subjektive Wahrscheinlichkeit, dass mit einer bestimmten Handlung ein bestimmter Erfolg erzielt werden kann. Der Faktor Erwartung hängt aber entscheidend von der Selbsteinschätzung jedes einzelnen Individuums ab, wie etwa in Hinblick auf sein Selbstvertrauen und seine Fertigkeiten.
Die VIE-Theorie verdeutlicht uns, dass die Motivation, allein auf ein Ziel hinzuarbeiten, nicht ausreicht (Lauer, 2014, S. 75). Die Handlungsentscheidung eines Individuums, ob es in Leistung investiert, hängt immer entscheidend vom Zusammenspiel der drei beteiligten Faktoren ab:
Leistungsbereitschaft = Valenz x Instrumentalität x Erwartung
Alle drei beteiligten Faktoren müssen ein Mindestmaß erreichen, damit Personen überhaupt bereit sind, an Leistung zu denken. Die VIE-Theorie sieht den Faktor Motivation als Verknüpfungsproblem zwischen organisatorischem und individuellem Ziel an. Eine Führungskraft kann nur dann als Motivator wirken, wenn es ihr gelingt, durch entsprechende Anreize die individuellen Mitarbeiterziele sowie auch die Aufgabenziele als erstrebens- und lohnenswert zu erachten. Es gibt aber auch Kritik am VIE-Modell von Vroom. Nicht jede Person kalkuliert ständig ihre zukünftigen Handlungen, sondern führt auch einige routinemäßig aus. Weiters ist auch Vrooms Aussage, dass eine Motivation immer zu einer Handlung führen muss, kritisch zu bewerten. Zwischen dem Handeln und dem Wunsch, eine Handlung zu setzen, herrscht oft ein großes Vakuum (Stahl, 2011, S. 42–43).
2.1.3 Das Rubikonmodell des Handelns von Heinz Heckhausen
Das Rubikonmodell des Handelns wurde vom Motivationspsychologen Heinz Heckhausen und Julius Kuhl entwickelt und wurde 1985 zum ersten Mal veröffentlicht (Keller, 1997, S. 87). Ausgangspunkt des Modells ist die Differenzierung zwischen Volition und Motivation. In der Praxis unterliegen die Prozesse der Zielrealisierung (goal striving) und des Zielsetzens (goal setting) jeweils anderen psychologischen Prinzipien (Stahl, 2011, S. 46).
Das Ziel des Modells ist, eine Hilfestellung zu bieten, um die grundlegenden Probleme jeder Motivationspsychologie zu lösen. Durch das Rubikonmodell kann die Wahl von Handlungszielen einerseits und die Zielrealisierung andererseits analysiert werden (Keller, 1997, S. 87).
Spricht man von Motivation, so muss zuerst hinterfragt werden, welche Zielsetzungen eine Person verfolgt. Man geht von der Wünschbarkeit (desirability) und der Realisierbarkeit (feasibility) aus. Geht eine Person davon aus, dass sie das Ziel nicht erreichen kann oder es zu unattraktiv erscheint, dieses anzustreben, fehlt die Motivation, das Endziel zu erreichen. Dieses Zielstreben nennt man in der Praxis Volition. Die Volition umfasst im ersten Schritt alle Phänomene und Prozesse, die vor dem eigentlichen Handlungsakt wichtig sind. Dazu gehören Vorsätze, Pläne und Handlungsabsichten. In einem zweiten Schritt zählt man zur Volition die Handlung selbst. Dies wäre beispielsweise das Vermeiden von Ablenkungen, die Ausdauer, das Überwinden von Barrieren usw. (Stahl, 2011, S. 46).
Laut Rubikonmodell in Anlehnung an Gollwitzer kann der Verlauf in vier einzelne Phasen der Motivation und Volition unterteilt werden (Keller, 1997, S. 91):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die vier Phasen des Rubikonmodells in Anlehnung an Gollwitzer (eigene Darstellung).
In jeder einzelnen Phase werden andere distinkte Aufgaben bearbeitet. Die dafür erforderlichen Bewusstseinslagen sind durch spezifische kognitive Prozesse gekennzeichnet (Keller, 1997, S. 91). Laut Heckhausen werden nicht bei jeder Handlung alle vier oben beschriebenen Phasen durchlaufen. Mit zunehmendem Alter überwiegen nicht die Prozesse der Motivation, sondern vielmehr die Prozesse der Volition. Kritisch zu sehen ist das Rubikonmodell auch für jene Handlungen, die nur aus Spaß und Freude ausgeführt werden (Stahl, 2011, S. 48).
2.1.4 Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung von Albert Bandura
Das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung wurde vom kanadischen Psychologen Albert Bandura entwickelt. Alberta Bandura geht in seinem Modell davon aus, dass die Erwartung eines Individuums, eine erfolgreiche Handlung mittels seiner Kompetenzen durchzuführen, maßgeblich für dessen Erfolg verantwortlich ist (Kaschek & Schumacher, 2015, S. 71).
Eine Person, die den festen Glauben besitzt, selbstständig etwas bewegen zu können und auch in volatilen Zeiten selbstständig agieren zu können, hat demzufolge eine große Selbstwirksamkeitserwartung. Die Selbstwirksamkeitserwartung geht davon aus, dass Menschen gezielt Einfluss auf die Dinge des Lebens haben können. Man spricht hier vom Begriff der inneren Kontrollüberzeugung (internal locus of control). Forschungsergebnisse beweisen, dass Menschen, die an ihre Fähigkeiten glauben, seltener an Depressionen erkranken und in Summe erfolgreicher im Arbeitsleben sind als andere Menschen. Deshalb suchen diese Menschen oft nach herausfordernden Tätigkeiten in ihrem Leben und haben hohe Ansprüche an sich. Positive Leistungen erhöhen zudem die Selbstwirksamkeitserwartung. Man nennt diesen positiven Effekt „high performance cycle“ (Stahl, 2011, S. 59).
2.1.5 Das Phantom der intrinsischen Motivation
Die Bestimmung der intrinsischen Motivation kann als Jagd nach einem Phantom beschrieben werden (Stahl, 2011, S. 62). Intrinsische Motivation umfasst demnach Anreize, die in der Ausübung der Tätigkeit liegen. Extrinsisch hingegen sind anreizbesetzte Ereignisse oder Veränderungen, die sich einstellen, sobald die Tätigkeit mit Erfolg abgeschlossen wurde. Vereinfacht ausgedrückt: Intrinsische Motivation betrifft die Ausübung der Tätigkeit. Als extrinsische Motivation wird all jenes bezeichnet, das als beabsichtigter Effekt nach der Ausübung der Tätigkeit folgt (Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 367).
Leistungsmotivation wird als tätigkeitszentriert bezeichnet, wenn sie all ihre Anreize aus der Ausübung einer Tätigkeit bezieht. Die Anreize entstehen durch implizite Leistungsmotive und speisen sich aus dem Erleben des persönlichen Funktionierens auf dem Weg zum Ziel. Leistungsmotivation soll hingegen als zweckzentriert beschrieben werden, wenn sie ihre Anreize aus den erwarteten Erfolgen bezieht. Diese stammen sowohl von expliziten als auch von impliziten Leistungsmotiven. Leistungsmotivation wäre also ein aus dem „Inneren“ kommender Antrieb, wobei hier keine „von außen“ geleitete Motivation stattfindet (Stahl, 2011, S. 62–63).
Belohnungen können als informierend (Stärkung der inneren Kontrollüberzeugung, Stärkung der Selbstwirksamkeitserwartung) oder als kontrollierend (Schwächung der Kontrollüberzeugung, Schwächung und Senkung der Selbstwirksamkeitserwartung oder Dominanz der externalen Kontrollüberzeugung) interpretiert werden. Belohnungen, die als informierend interpretiert werden (z. B. „Das haben Sie gut gemacht!“), wirken stärker auf die tätigkeitszentrierte Leistungsmotivation. Wichtig dabei ist, dass dem „Aufgehen einer Person in einer Tätigkeit“ durch Belohnungen entgegengesteuert wird, die man auch als kontrollierend verstehen kann, um wieder den eigentlichen Hauptzweck der Tätigkeit in den Mittelpunkt zu rücken. Man spricht hier von bedingten Zuwendungen (ebd., S. 65).
2.1.6 Das Phänomen des „Flow-Erlebens“ nach Mihaly Csikszentmihalyi
Mihaly Csikszentmihalyi bezeichnet den Begriff „Flow“ als das totale Aufgehen in einer Tätigkeit, bei der alles reibungslos abläuft und ein Schritt ohne Komplikationen in den nächsten übergeht. Die betreffende Person ist vollkommend ausgelastet, aber dennoch hat sie das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben (Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 345). Man geht in dieser Tätigkeit so auf, dass man Zeit und Raum vergisst (Stahl, 2011, S. 66).
Damit ein Flow zustande kommt, bedarf es einer Balance zwischen der subjektiv wahrgenommenen Anforderung einer Tätigkeit und dem Vorhandensein von großen persönlichen Fähigkeiten, um diese Anforderungen zu meistern (Stahl, 2011, S. 67). Falko Rheinberg sieht diese Balance aber nur bei unwichtigeren Aufgabenstellungen gegeben. Bei wichtigeren Aufgabenstellungen müssen die Anforderungen niedriger als die eigenen Fähigkeiten angesetzt werden, um den Zustand des Flow zu erreichen (Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 367).
Rheinberg spricht aber auch noch vom sogenannten „Expertise-Effekt“. Dieser tritt auf, wenn die Fähigkeiten und die Anforderungen auf einer niedrigen Stufe angesetzt werden. Das Gefühl von Souveränität einzelner Personen ermöglicht dennoch ein fehlerfreies Ausführen dieser Tätigkeit (Stahl, 2011, S. 67).
2.2 Motive
Der Begriff Motiv kann als Drang, Wunsch oder Bedürfnis definiert werden. Es handelt sich dabei um einen isolierten Beweggrund (Stahl, 2011, S. 5). Motive können Hunger, Durst, Machtstreben usw. sein (Rosenstiel, 2015, S. 6).
Der deutsche Professor für Organisations- und Wirtschaftspsychologie Lutz von Rosenstiel bezeichnet den Begriff Motiv als eine „zeitlich relativ überdauernde, inhaltlich spezifische psychische Disposition“ (Rosenstiel, 2003, S. 225). Das Motiv steuert, aktiviert und wählt das Verhalten entscheidend aus (Stahl, 2011, S. 5). Das Verhalten von Individuen ist stets unterschiedlich und komplex motiviert. Die einzelnen Motive können dabei nicht durch eine genaue Analyse oder Beobachtung über einen gewissen Zeitraum erahnt werden (Rosenstiel, 2015, S. 6).
Motive können als hypothetische Konstruktionen bezeichnet werden, die über eine definierte Klassifikation von Zielzuständen das menschliche Verhalten einzelner Individuen erahnen lassen (Stahl, 2011, S. 5). Wird von einem Motiv gesprochen, kann dies eine Vereinfachung gegenüber der Wirklichkeit bedeuten. Dies ist für eine wissenschaftliche Beobachtung und für das praktische Handeln unumgänglich (Rosenstiel, 2015, S. 6).
Im Laufe der Zeit gab es sehr viele Bemühungen, die Motive zu klassifizieren, um somit das menschliche Verhalten einzelner Individuen zu erklären. Zu den wichtigsten zählen (Stahl, 2011, S. 6):
- Die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow
- Das ERG-Modell von Clayton Alderfer
- Das Zwei-Faktoren-Modell von Frederick Herzberg
- Die drei soziogenen Motive von David McClelland
- Das duale Motiv-Modell von David McClelland
- Die 16 Lebensmotive von Steven Reiss und Susan Haverkamp
2.2.1 Die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow
Maslows Bedürfnispyramide zählt zu den bekanntesten Theorien der Motivationsforschung (Lippold, 2015, S. 16) und ist die älteste und bekannteste Klassifizierung von Motiven (Stahl, 2011, S. 7). Die Bedürfnispyramide von Maslow ist aber auch eine der umstrittensten Ansätze in der Forschung (Lippold, 2015, S. 16).
Für Abraham Maslow (1908–1970) werden Motive durch Bedürfnisse ausgedrückt (Stahl, 2011, S. 7). Er geht von der Theorie aus, dass Individuen durch immanente, den tierischen Instinkten entsprechende Bedürfnisse motiviert werden können. Maslow unterscheidet dabei die Grundbedürfnisse jedes einzelnen Menschen in Wachstumsbedürfnisse und Defizitbedürfnisse. Die Defizitbedürfnisse werden in insgesamt fünf verschiedene Klassen unterteilt, die hierarchisch in Form einer Pyramide dargestellt werden (Lippold, 2015, S. 16).
a) Defizitbedürfnisse: Die Klassen eins bis vier charakterisieren die physiologischen, sozialen Bedürfnisse sowie Sicherheits- und Anerkennungsbedürfnisse. Ein solches Bedürfnis (Klasse eins bis vier) kommt zum Vorschein, wenn ein Defizit vorhanden ist.
b) Wachstumsbedürfnisse: Die Bedürfnisklasse fünf charakterisiert die sogenannten Wachstumsbedürfnisse, die sich zur Gänze aus Selbstverwirklichungsbedürfnissen zusammensetzen. Diese Bedürfnisse sind stets präsent und nehmen im Zuge der Befriedigung weiterhin zu.
Kurz vor seinem Tod definierte Maslow noch eine sechste Gruppe, die sogenannte Transzendenz. Abraham Maslow glaubte fest daran, dass sich sowohl in der „Phylogenese“, der stammesgeschichtlichen Entwicklung jedes Individuums, als auch in den Lebensabschnitten (vom Baby bis hin zum erwachsenen Menschen) diese sechs aufeinanderfolgenden Bedürfnisgruppen ausbilden (Stahl, 2011, S. 7).
Verallgemeinerung wird oft als kritischer Punkt in Maslows Bedürfnispyramide genannt (Lippold, 2015, S. 17). Deshalb ist es mehr als erstaunlich, wie sehr heute noch die Bedürfnispyramide in der Literatur als „ultima ratio“ der Motivation genannt wird (Stahl, 2011, S. 9).
Viele Hinweise aus psychologischen Studien belegen, dass die Bedürfnishierarchie von Maslow zahlreiche Schwachpunkte für die Vorhersage menschlicher Motivation in sich birgt (Rademacher, 2014, S. 38).
Es gibt auch Personen, die eine in der Bedürfnispyramide hohe Bedürfnisklasse erreicht haben, obwohl die darunter liegenden niedrigeren Bedürfnisse noch nicht vollständig befriedigt wurden. Zudem kann man die Bedürfnisse nicht haarscharf abtrennen, wie es Maslow getan hat, da diese Bedürfnisse auch gleichzeitig das menschliche Handeln jeder einzelnen Person bestimmen können (Lippold, 2015, S. 17). Weiters hat sich die anfängliche Euphorie rund um die Bedürfnisklasse der Selbstverwirklichung bereits gelegt. Oswald Neuberger (1974) sieht Maslows Bedürfnispyramide als einen Versuch, „mit schwammigen Begriffen und messianischem Bewusstsein Idealbilder von den Möglichkeiten des Menschen zu entwerfen“ (Stahl, 2011, S. 9).
2.2.2 Das ERG-Modell von Clayton Alderfer
Das ERG-Modell (E xistence, R elatedness, G rowth) war die Reaktion auf die zunehmende Kritik an der Maslow’schen Bedürfnispyramide (Lippold, 2015, S. 17). Alderfers Modell wird auf drei Motivgruppierungen reduziert (Stahl, 2011, S. 10):
a) Existence: Arbeitsbedingungen, grundlegende und materielle Sicherheit und Bedürfnisse
b) Relatedness: Soziale Zugehörigkeit und Anerkennung
c) Growth: Persönliches Wachstum durch Selbstverwirklichung und Selbstachtung
Die Hierarchie dieser drei Bedürfnisklassen wird speziell auf Personen und Mitarbeiter in Unternehmen und Organisationen reduziert. Alderfer geht ähnlich wie Maslow von einer hierarchischen Gliederung von Bedürfnissen aus. Diese können aber im Unterschied zu Maslow gleichzeitig aktiviert und von einzelnen Personen simultan verfolgt werden (Lippold, 2015, S. 18).
Das ERG-Modell ist wesentlich übersichtlicher gestaltet als die Bedürfnispyramide von Maslow und bietet dadurch mehr Platz für die einzelnen individuellen Unterschiede im Sinn und Wesen der Motive. Alderfer lässt in seiner Theorie die Möglichkeit zu, dass unterschiedliche Personen mehrere Bedürfnisse haben, die gleichzeitig befriedigt werden können. Dies sollten auch Führungskräfte in der heutigen Zeit als eine Aufgabe ansehen. Werden Bedürfnisse nicht befriedigt, kann auf verschiedenste Arten darauf reagiert werden. Die Frage ist nur, ob durch Überbefriedigung anderer Bedürfnisse dieses Manko ausgeglichen werden kann (Stahl, 2011, S. 11).
Trotz des größeren Mehrwertes des ERG-Modells von Alderfer ist es diesem Modell nicht gelungen, die Popularität der Bedürfnispyramide von Maslow zu übertreffen. Das ERG-Modell ist eher geeignet, die unterschiedlichen menschlichen Bedürfnisse im unternehmerischen und organisatorischen Umfeld abzubilden und zu erklären, als es bei Maslow der Fall ist (Lippold, 2015, S. 19).
2.2.3 Das Zwei-Faktoren-Modell von Frederick Herzberg
Der US-amerikanische Arbeitswissenschaftler Frederick Herzberg (1923–2000) erforschte die Bedingungen der Arbeitsmotivation und hat nach den daraus gewonnenen Erkenntnissen das Zwei-Faktoren-Modell entwickelt (Stahl, 2011, S. 11). Er fand in seinen Studien heraus, dass maßgeblich zwei Faktoren die Mitarbeiterzufriedenheit bzw. die Mitarbeiterunzufriedenheit stark beeinflussen. Es handelt sich dabei um (Lippold, 2015, S. 19):
- Die Hygienefaktoren
- Die Motivatoren
Die Hygienefaktoren, die auch als Unzufriedensteller bezeichnet werden, führen bei Nicht-Vorhandensein zu einer Unzufriedenheit. Sind Hygienefaktoren vorhanden, haben sie keine positive Wirkung. Zu den Hygienefaktoren zählen Entlohnung, Sicherheit, Arbeitsbedingungen und Gerechtigkeit. Die Motivatoren (Zufriedensteller) fördern hingegen bei Vorhandensein die Zufriedenheit und die Leistungsbereitschaft einzelner Mitarbeiter. Sollten diese sogenannten Motivatoren nicht vorhanden sein, führen sie nicht automatisch zu Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern. Zu den sogenannten Motivatoren zählen Anerkennung, Erfolg, Leistung und Verantwortung (Stahl, 2011, S. 11).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Arbeitszufriedenheit und Motivation (Stahl, 2020, in Druck).
Vergleicht man das Modell von Herzberg mit der Bedürfnispyramide nach Maslow, so entsprechen die Hygienefaktoren den Grundbedürfnissen und die Motivatoren den Bedürfnissen der „höheren Ordnung“ (Lippold, 2015, S. 20). Das Zwei-Faktoren-Modell von Frederick Herzberg hat die Erkenntnis gebracht, dass die Befriedigung einzelner Bedürfnisse nicht ausreicht, um langfristig Leistungsmotivation zu generieren. Wichtig dabei ist auch, dass Motivatoren, die über einen längeren Zeitraum bestehen, sich im Laufe der Zeit auch zu Hygienefaktoren entwickeln können (Stahl, 2011, S. 12).
Herzberg betrachtet Unzufriedenheit und Zufriedenheit als zwei voneinander getrennte Ausprägungen. Es müssen deshalb beide Phänomene vorhanden sein, damit Individuen Zufriedenheit verspüren. Dies bedeutet, dass beispielsweise Arbeitszufriedenheit auf der einen Seite nicht unbedingt bestehen muss, wenn auf der anderen Seite keine Gründe für eine Unzufriedenheit vorliegen (Lippold, 2015, S. 20).
Sollten Hygienefaktoren auf längere Sicht nachteilig sein, können sich Motivationsfaktoren nicht zur Gänze optimal entfalten. Das bedeutet zum Beispiel: Hat ein Mitarbeiter einen cholerischen Chef und wird von diesem täglich in irgendeiner Weise beleidigt, freut der Mitarbeiter sich nur in einem gewissen Maße auf neue Aufgaben und Herausforderungen mit mehr Verantwortung (Schirmer & Woydt, 2016, S. 87).
In der Praxis wird das Zwei-Faktoren-Modell vor allem aufgrund der Untersuchungen einer eingeschränkten Zielgruppe (Ingenieure und Buchhalter) kritisiert. Ein weiterer Kritikpunkt ist die zu scharfe Abgrenzung zwischen Motivatoren und Hygienefaktoren, die sich von Mitarbeiter zu Mitarbeiter wesentlich unterscheiden können (Stahl, 2011, S. 12). Kritiker greifen das Argument auf, dass die Zuordnung einer beeinflussenden Größe als Motivations- oder als Hygienefaktor von bestimmten Merkmalen einer Zielgruppierung abhängt (wie beispielsweise Beruf, Altersgruppe oder Ausbildung) und damit keine allgemeine Rechtsgültigkeit besitzt (Lippold, 2015, S. 21).
Das Zwei-Faktoren-Modell von Herzberg wurde von Noriaki Kano für seine bekannte Kundenzufriedenheitsanalyse verwendet. Das Kano-Modell besitzt neben den Motivations- und Hygienefaktoren auch die von Kano 1984 eingeführten Leistungsfaktoren. Diese schaffen oder beseitigen Kundenzufriedenheiten und können als eine mit 45 Grad aufsteigende Gerade zwischen den Motivations- und Hygienefaktoren dargestellt werden (Stahl, 2011, S. 12–13).
2.2.4 Die drei soziogenen Motive von David McClelland
Der Hauptfokus der Theorie von David McClelland geht davon aus, dass nicht die Gesamtheit aller Motive gänzlich zu erfassen und zu skizieren ist, sondern es darauf ankommt, die wichtigsten Motivationsfaktoren im Hinblick auf die Arbeitsbeziehungen zu beschreiben (Lippold, 2015, S. 21). Die Theorie der Leistungsmotivation wird auch Risiko-Wahl-Theorie genannt und kann als prozessualisierte Inhaltstheorie beschrieben werden (Schirmer & Woydt, 2016, S. 93). Die Summe aller Motive eines Individuums kann als Motivstruktur beschrieben werden. Die Motivstruktur ist ein Teil der Persönlichkeit eines Menschen. Bisher konnte man empirisch noch keine eindeutige Motivstruktur beschreiben bzw. nachweisen (Stahl, 2011, S.°14).
McClelland geht davon aus, dass die Bedürfnisse des Menschen nicht angeboren sind, sondern dass diese im Laufe der Zeit durch die Interaktion mit der Umwelt erlernt werden. Aus diesem Grund wird die Leistungsmotivationstheorie von David McClelland in der Literatur auch als Theorie der gelernten Bedürfnisse bezeichnet (Lippold, 2015, S. 21).
In der Theorie hat man aber begonnen, zwischen biogenen und soziogenen Motiven zu unterscheiden. Biogene Motive (physiologische Grundbedürfnisse des Menschen) sind etwa Hunger oder Durst. Die soziogenen Motive werden nach McClelland in Macht, Leistung und sozialen Anschluss unterteilt. Macht ist gekennzeichnet durch Einfluss, Vollkommenheit und Überlegenheit. Leistung wird charakterisiert durch Freude, Stolz und Tüchtigkeit. Sozialer Anschluss hingegen ist gekennzeichnet durch Geborgenheit, Beziehungen und Anerkennung (Stahl, 2011, S. 14).
McClelland unterscheidet in seiner Theorie drei wichtige Motivgruppierungen (Lippold, 2015, S. 21):
- Leistungsmotive (Need for achievement)
- Machtmotive (Need for power)
- Beziehungsmotive (Need for affiliation)
Das Leistungsmotiv vermeidet den Misserfolg und strebt nach Erfolg. Man beschreibt dieses Motiv als eine überdauernde Neigung, die Tüchtigkeit des einzelnen Menschen an einem Gütekriterium zu bewerten und zu messen. Das Beziehungs- oder auch Anschlussprinzip ist das Streben nach freundschaftlichen Beziehungen, nach sozialer Anerkennung und nach Harmonie mit seinen Mitbürgern. Das Machtmotiv hingegen strebt danach, andere Mitmenschen zu beeinflussen, zu manipulieren oder diese sogar zu dominieren. Die Dominanz über andere Mitmenschen stellt aber kein generelles Merkmal dar, sondern ist nur ein bestimmtes Phänomen des Machtmotives (Stahl, 2011, S. 14).
Die drei soziogenen Motive von McClelland sind für die richtige Auswahl von Mitarbeitern im Zuge von Bewerbungsgesprächen geeignet. Man kann mit der Leistungsmotivationstheorie durchaus das Verhalten von Führungskräften genauer erklären (Lippold, 2015, S. 22).
Weiters bieten die drei soziogenen Motive von McClelland wichtige Anhaltspunkte für ein motivierendes Verhalten und Handeln von Führungskräften. Wichtig dabei ist, dass man die individuellen Gewichtungen der Bedürfnisse, wie es McClelland beschreibt, bei sich selbst als Führungskraft und auch bei seinen eigenen Mitarbeitern erkennt (Hellmann & Hollmann, 2017, S. 42). Führungspersönlichkeiten mit einem schwachen Machtmotiv und einem starken Anschlussmotiv haben es in der Regel nicht leicht, sich durchzusetzen und Ordnung zu schaffen. Sie werden von den Mitarbeitern als „nette Kerle“ angesehen. Überwiegt hingegen das Machtmotiv, d. h., die Führungskraft besitzt ein starkes Machtmotiv und ein geringes oder kein Anschlussmotiv, kann sich dies sehr kontraproduktiv auf das Führungsverhalten auswirken, das bis zu einer Machtausübung im Sinne des Beherrschens ausarten kann. Die ideale Führungspersönlichkeit heutzutage sollte ein kontrolliertes Machtmotiv besitzen, um den heutigen Anforderungen, wie zunehmende Verteilung von Wissen, hohe Komplexität sowie die Relativierung „sekundärer Tugenden“ (Disziplin und Gehorsam), gerecht zu werden (Stahl, 2011, S. 16).
Mitarbeiter mit einer hohen ausgeprägten Leistungsmotivation haben eine große Chance, weiter die Karriereleiter hochzuklettern und ein besseres Gehalt zu verdienen als jene Personen mit einer schwach ausgeprägten Leistungsmotivation. David McClelland hat eine Korrelation zwischen Entwicklung des Leistungsmotivs und des Erziehungsstiles nachweisen können. Ein strenger, auf Disziplin beruhender Erziehungsstil wirkt sich sehr stark auf die Entwicklung des Leistungsmotives aus (Rademacher, 2014, S. 40).
2.2.5 Das duale Motiv-Modell von David McClelland
Diese Theorie von David McClelland basiert auf zwei unterschiedlichen Motivarten (Stahl, 2011, S. 17):
a) Implizite Motive sind für ein energetisches menschliches Verhalten verantwortlich und können nur indirekt gemessen werden. Diese impliziten Motive werden in der Erziehung von Kleinkindern geprägt. Belohnungen aufzuschieben und Versuchungen zu widerstehen, trainieren die Ausdauer und die Konzentration von schwierigen und herausfordernden Aufgabenstellungen.
b) Explizite Motive sind für die Regulation und Lenkung des menschlichen Verhaltens verantwortlich. Sie sind bewusst und beschreiben die menschlichen Bedürfnisse unterschiedlicher Personen nach einem stabilen und positiven Selbstbild. Explizite Motive entstehen in der Entwicklung einzelner Personen viel später als beispielsweise implizite Motive. Diese entstehen zunächst durch die elterlichen Anforderungen, dann weiters durch Bestrafungen und Leistungsanforderungen. Der Vergleich mit gleichaltrigen sowie die individuellen Erfahrungen in der Schule spielen hierbei auch eine sehr wichtige Rolle.
Explizite und implizite Motive können oft auch in einem Konflikt zueinanderstehen oder eng zusammenwirken. Das Wohlbefinden einzelner Personen wird durch eine Übereinstimmung zwischen den expliziten und impliziten Motiven geprägt (Stahl, 2011, S. 17–18).
Leistung, Macht und Zugehörigkeit können folgendermaßen beschrieben werden (Hellmann & Hollmann, 2017, S. 42):
a) Leistung: Motivation eines Mitarbeiters durch schnelles Feedback vonseiten der Führungskraft und durch eigenverantwortliches Handeln.
b) Macht: Motivation eines Mitarbeiters durch Gewährung von Gestaltungsspielräumen und durch Einflussnahme.
c) Zugehörigkeit: Motivation eines Mitarbeiters durch Interaktion mit einem schwachen Wettbewerb und konfliktarmen Situationen.
Führen explizite und implizite Motive zu einem Konflikt, kann dies zu schweren emotionalen Problemen führen. Wird z. B. als explizites Motiv eine steile Karriere angepeilt und die betreffende Person verfügt nur über ein schwach ausgeprägtes implizites Leistungs- und Machtmotiv, muss diese Person ständig daran arbeiten, ihr persönliches Karrieremotiv aufzuwerten, was sicherlich bei schlechten Reaktionen aus ihrem sozialen Umfeld schwierig wird (Stahl, 2011, S. 17).
Es ist daher wichtig, dass eine Balance zwischen expliziten und impliziten Motiven vorliegt. Der Autor Falko Rheinberg spricht von der motivationalen Kompetenz. Dieser Begriff beschreibt die Fähigkeit, alle zukünftigen und aktuellen Ereignisse und Situationen mit den eigenen Tätigkeitsvorlieben so in Übereinstimmung zu bringen, sodass auch ohne permanente Anstrengung des eigenen Willens effizientes Handeln möglich ist (Rheinberg, 2008, S. 207).
2.2.6 Die 16 Lebensmotive von Steven Reiss & Susan Haverkamp
Steven Reiss, Universitätsprofessor an der State University Ohio für Psychologie und Psychiatrie, hat durch intensive Studien das menschliche Verhalten auf insgesamt 16 Lebensmotive eingeschränkt (Hellmann & Hollmann, 2017, S. 47). Diese 16 Lebensmotive wurden zusammen mit Susan Haverkamp unter dem Titel „Reiss-Profile of Fundamental Goals and Motivational Sensitivities (2000)“ publiziert. Dies ist ein Versuch, aus einem Sammelsurium von Motiven jene richtigen Motive herauszufiltern, welche im Ansatz die Erwachsenenpersönlichkeit beschreiben können. Es wurde danach gefragt, was Motive eigentlich ausmacht (Stahl, 2011, S. 20).
Für diese Studie wurden insgesamt über 7.000 Frauen und Männer aus Japan, Kanada und den USA befragt (Hellmann & Hollmann, 2017, S. 47). Die Teilnehmer wiesen unterschiedliche berufliche Hintergründe und unterschiedliche Lebenssituationen und Stadien auf. Sie wurden danach gefragt, was ihr Handeln letztlich effektiv antreibt (Stahl, 2011, S. 20).
Die 16 Lebensmotive von Reiss und Haverkamp enthalten keine Hierarchie und keine Wertung und zeigen sich in jeweils zwei Ausfertigungen. Sie werden als sogenannter Endzweck des persönlichen Agierens angesehen und sollten für jede einzelne Person sinnstiftend für die eigene Lebensgestaltung sein. Die 16 Motive gehören zur Gruppe der intrinsischen Motivatoren, die im menschlichen Handeln dafür verantwortlich sind, was wir gerne tun und unternehmen und was wir gerne unterlassen (Hellmann & Hollmann, 2017, S. 47).
Dieses Reiss-Profile-Master (RPM) wird vor allem in der Personalsuche verwendet, um Rückschlüsse auf ein mögliches Leistungsverhalten des Bewerbers zu ziehen. Weiters wird es benutzt, um festzustellen, ob der Bewerber in ein Team passt oder nicht. Das Ergebnis des Reiss-Profile-Master ist immer als wertfrei zu sehen. Es gibt kein schlechtes oder gutes Ergebnis (Stahl, 2011, S. 21).
Die 16 Lebensmotive von Reiss und Haverkamp sind (Ion & Brand, 2009, S. 117): Macht, emotionale Ruhe, Unabhängigkeit, körperliche Aktivität, Neugier, Eros, Anerkennung, Ordnung, Essen, Sparen/Sammeln, Idealismus, Ehre, Beziehungen, Status, Familie und Rache/Kampf.
Das Reiss-Modell weist in der Praxis jedoch methodische Mängel auf. Die Frage, welche sich heute stellt, lautet, ob die 16 Motive voneinander unabhängig sind und ob sie noch weiter reduziert werden können. Das Modell basiert auf der genetischen Bedingtheit der 16 Lebensmotive. Steven Reiss stützte sich beim Entwurf seiner Arbeit auf die Aussagen des Philosophen William James und des Psychologen William McDougall. In der Zwischenzeit hat die Genetik einen raschen Wandel vollzogen. Dieser Faktor wurde in der Arbeit von Reiss und Haverkamp aber nicht berücksichtigt (Stahl, 2011, S. 21).
2.3 Abgrenzung wichtiger Begriffe
In Kapitel 2.3 werden einige wichtige Schüsselbegriffe näher erläutert, die für das neue Führen mit Ressourcen und Kompetenzen von großer Bedeutung sind.
2.3.1 Ressourcen
Der Begriff Ressourcen kann als Fähigkeit des Handelns, Fühlens und Denkens beschrieben werden, die ein Individuum autonom abrufen oder interaktiv mit anderen Personen entwickeln kann, um dadurch gewöhnliche und alltägliche sowie auch außergewöhnliche Situationen meistern zu können. Man unterscheidet (Stahl, 2018, S. 3–5):
a) Interne Ressourcen
- Intrapersonale Ressourcen (Können, Wissen und Eigenschaften einer Person)
- Interpersonale Ressourcen (Beziehungsmuster, z. B. gegenseitiger Respekt)
b) Externe Ressourcen (soziale Beziehungen, Einkommen, Berufsumfeld usw.)
Die menschlichen Ressourcen umfassen das Wollen und das Können. Das Können ist die Fähigkeit, die Fertigkeiten und das Wissen gewisser Aufgabenstellungen eigenständig zu erledigen. Dazu zählt beispielsweise die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Personen zusammenzuarbeiten und zu interagieren. Aber auch Fachkenntnisse können dem Begriff Können untergeordnet werden. Das Wollen ist die Bereitschaft einzelner Personen, gewisse Aufgabenstellungen mittels ihrer Fertigkeiten und Fähigkeiten zu vollenden. Dazu zählen beispielsweise die Frustrationstoleranz, die selbst gelegte „Messlatte“ und auch die Erfolgszuversicht. Neben dem Wollen und dem Können sind aber in der Praxis noch zwei weitere Faktoren von entscheidender Bedeutung: das Dürfen und das Sollen (Stahl, 2019, S. 14).
Das Dürfen ist die Eigenschaft einer Person, ihre Fertigkeiten, Fähigkeiten und das dazugehörige Wissen so einzusetzen, dass Aufgabenstellungen aus eigener Kraft gelöst werden können. Diese Aufgaben sind nicht näher beschrieben oder definiert, aber sie sind mit der Funktion logisch verbunden. Dazu zählt beispielsweise die Bereitschaft, eine bestimmte Situation als Ergebnis des eigenen Handelns und nicht als „höhere Macht“ anzuerkennen. Weiters gehört dazu die Fähigkeit zur Bewältigung neuer Ereignisse, welche sehr schlecht und unpräzise definiert sind, ohne infolgedessen in ein Stadium des Aufgebens oder der Aggression zu verfallen. Ein weiteres Kriterium ist die Bereitschaft, Mut aufzubringen und auf seine persönlichen Stärken zu bauen und diese auch einzusetzen. Das Sollen hingegen beschreibt die Tatsache, die Werte und Normen einer Organisation zu übernehmen und die zu erfüllenden Aufgabenstellungen gegen innere Zerrissenheit und Widerstände auszuführen. Weiters zählt zum Sollen die Bereitschaft, sich länger oder dauerhaft an ein Unternehmen zu binden, obwohl es vielleicht bessere Chancen und Optionen für die betreffende Personen gäbe. Das Dürfen ist aufgabenbezogen (Involvement), das Sollen (Commitment) hingegen beschreibt die Dauerhaftigkeit (Stahl, 2019, S. 15).
In jenen Situationen, in denen der Mensch mit schwierigen Aufgabenstellungen, in Kombination mit sozialem Kontext, konfrontiert wird, kommt die Kompetenz zu tragen. Die Kompetenz greift sowohl auf externe als auch auf interne Ressourcen zurück (Stahl, 2018, S. 3–5).
2.3.2 Kompetenz
„Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Weinert, 2001, S. 27)
Avram Noam Chomsky beschäftigte sich schon sehr früh mit den Begriffen „Performanz“ und „Kompetenz“ und entwickelte für die Sprachwissenschaften ein auf vielen Seiten diskutiertes Konzept. Dieses Kompetenz-Konzept hielt unter anderem Einzug in die medienpädagogischen Diskussionen und wird als Grundlagendefinition des Kompetenzbegriffes herangezogen. Chomsky bezeichnet Kompetenz als eine angeborene Sprachfähigkeit und Performanz als eine individuell erworbene Sprachkenntnis (Dörge, 2015, S. 115).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Kompetenz (Stahl, 2018, S. 7).
Abbildung 3 zeigt einen Übergang, der die Komplexität des Begriffes Kompetenz sehr gut veranschaulicht. Bildung und Erziehung haben sich längst von der Vermittlung von reinem Wissen abgekoppelt, um vor allem im beruflichen Alltag für das Aufeinanderfolgen von schwierigen Aufgaben und Situationen im sozialen Kontext vorbereitet zu sein.
Stahl (2018, S. 8) definiert den Kompetenzbegriff folgendermaßen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Kompetenzbegriff (Stahl, 2018, S. 8).
2.3.3 Qualifikation
Der Begriff Qualifikation ist im Gegensatz zu Kompetenz und Bildung technisch-funktional definiert und orientiert sich an ihrer Verwertbarkeit. Das Wachsen der Qualifikation erfolgt durch eigene Lernprozesse in Institutionen und im beruflichen Alltag.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Übergang von Kompetenz zu Qualifikation (Stahl, 2018, S. 9).
2.3.4 Potenzial
Potenzial beschreibt das zukünftig projizierte Leistungsvermögen eines Unternehmens, einer Gruppe von Personen, eines Teams oder eines einzelnen Mitarbeiters. Der Terminus Potenzial beinhaltet somit auch die Fertigkeit und Fähigkeit der Weiterentwicklung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Übergang von Kompetenz zu Potenzial (Stahl, 2018, S. 10).
2.3.5 Performanz
Der Schlüsselbegriff Kompetenz führt zu Output = Leistung; der Schlüsselbegriff Performanz führt zu Outcome = Leistung plus Wirkung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Übergang von Kompetenz zu Performanz (Stahl, 2018, S. 11).
3. Führung
Unter dem Begriff Führung versteht man die zielbezogene Einflussnahme auf Mitarbeiter im Rahmen der Führung durch Führungspersonen. Diese bewegen die Geführten dazu, bestimmte Ziele zu erreichen, die sich aus den Unternehmenszielen unterschiedlicher Betriebe ergeben bzw. ableiten lassen (Rosenstiel, 2009, S. 3).
Diese Einflussnahme kann auf zwei unterschiedlichen Wegen erfolgen:
a) Direkt durch das Aufeinandertreffen des Führenden und des Geführten. Soziale Interaktion ist hier als Schlüsselelement zu nennen, das sich in Kommunikation zwischen den anwesenden Beteiligten äußert. Durch die zunehmende Digitalisierung und Verbreitung neuer Kommunikationssysteme ist diese Art von Beeinflussung in den Hintergrund getreten. Die Arbeitswelt ist mobiler geworden. Zusätzlich zur ständigen Anwesenheit vor Bildschirmen arbeiten Menschen zunehmend räumlich verteilt, sodass die gemeinsame Anwesenheit von Führenden und Geführten abnimmt (Stahl, 2019, S. 6). Die direkte Einflussnahme wird für den Führenden in Zukunft immer schwieriger. Arbeiten ohne fixen Arbeitsplatz wird durch die Veränderung der Arbeit an sich zunehmen, sodass diese Art der Beeinflussung, wie sie über Jahrzehnte von den Führungskräften betrieben wurde, zunehmend der Vergangenheit angehören wird.
b) Indirekt durch die Einflussnahme von Normen, Symbolen und Strukturen (Stahl, 2019, S. 6). Symbole sind Zeichen mit wichtigen Bedeutungsinhalten, durch die versucht wird, wichtige und komplexe Kommunikationsinhalte an die betreffenden Personen zu vermitteln (Kasper & Mayrhofer, 2009, S. 330). Indirekte Beeinflussung auf die Geführten kann auch durch Artefakte (z. B. Unternehmenslogo), Mythen und Geschichten sowie durch gängige praktizierte Rituale erfolgen (Stahl, 2019, S. 6). Aber auch Normen spielen in der indirekten Einflussnahme eine große Rolle. Diese sind Regeln, die vorgegeben werden, wie sich die betreffenden Personen in ausgewählten Situationen zu verhalten haben (Kasper & Mayrhofer, 2009, S. 329). Strukturen zählen auch zur indirekten Führung und können auf verschiedenste Art und Weise das Verhalten von Führungspersonen und Geführten beeinflussen. Sie wirken als eine Art Gedächtnisspuren (Stahl, 2019, S. 6).
Führung wird heutzutage als eine klassische asymmetrische soziale Beziehung zwischen Führungspersönlichkeit und Mitarbeiter verstanden, bei der der Führende oben an der Spitze steht und der Geführte sich in diesem Prozess unten befindet (Fischer & Stahl, 2014, S. 238). Diese klassische Führungsbeziehung sieht den Führenden an der Spitze als überlegene Person, die nicht umkehrbar ist und auf dem Prinzip von Ursache und Wirkung basiert (Stahl, 2019, S.°6).
[...]
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.