Die Rolle der Konzerne
I. Gesamtmarkt Deutschland
Ein kleiner Eindruck: Die verkaufte IVW-Auflage aller deutschen Tageszeitungen betrug im 2. Quartal 1999 25 Millionen Exemplare. Ein ungefährer Anteil der vier unten vorgestellten Konzerne daran: 9,11 Millionen oder 36,44 % (nach IVW 1/2000).
Das drückt die Macht der Konzerne aber nicht genügend aus: Die WAZ-Gruppe hat zwischen der holländischen Grenze und Ostwestfalen ein absolutes Monopol. Und selbst auf dem heiß umkämpften Berliner Markt haben die Lokalausgaben aller Springer Tageszeitungen eine verkaufte Gesamtauflage von knapp 800000, Berliner Zeitung und Tagesspiegel erreichen deutschlandweit zusammen nur 338000, taz, Neues Deutschland und Junge Welt spielen auf dem Berliner Markt mit zusammen knapp 40000 Exemplaren keine Rolle.
II. Kurzportraits deutscher Konzerne
II.1 Bertelsmann AG)
Gesamtumsatz 1.7.98-30.6.99: 29 Milliarden DM Anteil der Presse am Umatz: 18 % Zeitungen: Berliner Zeitung, Sächsische Zeitung, Dresdner Morgenpost, Berliner Kurier. 24,8 % am Spiegel-Verlag. Zeitschriften Geo, Stern, Brigitte, Capital, Art, Impulse, Börse online, TV Today Verkaufte Auflage Tageszeitungen: 930000 täglich (IVW 1/2000)
Die Pressesparte hat Bertelsmann im Gruner + Jahr Verlag zusammengefasst. In Sachen Gewinn ist Gruner + Jahr das absolute Zugpferd des Konzerns. 626 Millionen Gewinn bei 5,4 Milliarden Mark Umsatz macht eine Rendite von 11,6 %. Gruner und Jahr will das Geschäft in Deutschland nicht wesentlich ausbauen, mittlerweile werden 55% des Presseumsatzes im Ausland erwirtschaftet. Der Verlag peilt vor allem neue Märkte in Fernost an, wo kartellrechtliche Bestimmungen nicht so hart wie in Deutschland sind. Gruner + Jahr hat auf dem deutschen Markt aber auch wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Auflage des Sterns sinkt beständig unter die Millionengrenze, der Versuch landesweit kostenlose Sonntagszeitungen zu etablieren wurde im September 1999 abgebrochen, die Hamburger Morgenpost wegen ständiger Verluste verkauft. In jüngster Zeit hat Gruner und Jahr zwei mutige Versuche, auf dem deutschen Boden zu expandieren gestartet: im September 1999 den National Geographic, der mit inzwischen 300000 verkauften Exemplare alle Erwartungen übertrifft. Die in diesem Jahr gestartete Financial Times Deutschland pendelt „erwartungsgemäß“ über 50000 verkauften Exemplaren. Ebenso wie der Auslandsmarkt spielt bei Gruner + Jahr die Zeitschriftensparte eine wesentlich wichtigere Rolle als die Tageszeitungen.
II.2 Axel Springer-Verlags AG
Gesamtumsatz 1.1.98-31.12.98: 4,8 Milliarden DM Anteil der Presse am Umatz: 84 %
Zeitungen: Bild, Bild am Sonntag, Welt, Welt am Sonntag, Euro am Sonntag, Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt, B.Z., Bergedorfer Zeitung, in Beteiligung: Lübecker Nachrichten (49%), Ostsee Zeitung (50%), Leipziger Volkszeitung (50%) Zeitschriften: Hör zu, Funk Uhr, Computer Bild, Sport Bild, Auto Bild, Bild der Frau.
Verkaufte Auflage Tageszeitungen: 5,5 Millionen täglich (IVW 1/2000)
Springer ist nicht nur der Konzern mit der höchsten Auflage in Deutschland, er hat bei den Sonntagszeitungen ein Monopol. Das ist kaum in Gefahr, nachdem G+J sich bei der Zeitung zum Sonntag zurückgezogen hat. Die zweite - fast mit einem Monopol zu vergleichende - Besonderheit Springers ist die BILD. Das Blatt ist die einzige überregionale Boulevardzeitung Deutschlands. Aus den täglich im Durchschnitt 4,5 Millionen verkauften Exemplaren resultiert eine ungeheure Meinungsmacht. Springer nutzt die starke Stellung im Zeitungsmarkt, um im Fernseh- und online- Bereich zu wachsen.
II.3 WAZ
Gesamtumsatz 1.1.98-31.12.98: 4 Milliarden DM
Zeitungen: Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung, Westdeutsche Allgemeine, Westfalenpost, Westfälische Rundschau, Iserlohner Kreisanzeiger, Ostthüringer Zeitung, Thüringer Allgemeine
Zeitschriften: Stereo, VideoMagazin, Echo der Frau, Frau Aktuell, Neue Welt
Verkaufte Auflage Tageszeitungen: 1,58 Millionen (mit Zeitungsgruppe Thüringen, IVW 1/2000)
Mehr ist nicht zu erfahren, da die WAZ-Gruppe nichts sagt, nicht einmal eine Pressestelle hat. Das Manager Magazin schätzt die Umsatzrendite des Konzerns im Printbereich auf sagenhafte 30%. Die verdient der Konzern mit seiner harten Monopol-Politik. Zwischen der holländischen
Grenze und Ostwestfalen gibt nur WAZ-Zeitungen. Die vier Objekte der Gruppe haben hier eine tägliche Auflage von 1,2 Millionen.
Die WAZ versucht ihr Modell, die - am liebste monopolartige - Marktführerschaft über Zukäufe in Österreich, Ungarn, Bulgarien, und Kroatien auszubauen. Der Versuch mit „cityweb“ einen regionalen Monopol-online-Dienst im Rhein-Ruhr-Raum nach WAZ-Modell aufzubauen, war nicht erfolgreich. Die WAZ investiert aber weiter ins Internet, um einen Fuß in den Markt zu bekommen. Die WAZ-Gruppe hat Mehrheitsbeteiligungen an 16 lokalen Rundfunkprogrammen im Rhein-Ruhr-Raum, eine dominierende Stellung also. Wie viel einzelne Geschäftsbereiche zum Konzernergebnis beitragen, ist nicht bekannt.
II.4 Georg von Holtzbrinck GmbH & Co KG
Gesamtumsatz 1.1.98-31.12.98: 3,6 Milliarden DM Anteil der Presse am Umatz: 45 % Zeitungen: Die Zeit, Tagesspiegel, Handelsblatt, Saarbrücker Zeitung, Lausitzer Rundschau, Südkurier, Main-Post, Trierischer Volksfreund, Pfälzischer Merkur, Potsdamer Neueste Nachrichten, Fränkisches Volksblatt
Zeitschriften: Wirtschaftswoche, DM, VDI-Nachrichten, Spektrum der Wissenschaft Verkaufte Auflage Tageszeitungen: 1,1 Millionen täglich (IVW I/2000)
Die Auslandsaktivitäten Holtzbrincks sind gescheitert: Die Kooperation mit Französischen
Unternehmen L’Expansion ebenso wie die eigene Zeitschrift „Corporate Finance“ in New York und die „Wirtschaftswoche Österreich“. Dafür versucht Holtzbrinck nun durch eine Kooperation mit Dow Jones (49%-Beteiligung am Wall Street Journal Europe), seine Position im Ausland und beim Kampf auf dem deutschen Wirtschaftspressemarkt zu stärken. Basis sind das momentan florierende Wirtschaftspressegeschäft und die regionale Monopole der Saarbrücker Zeitung, des Trierischen Volksfreunds und des Südkuriers in Konstanz.
III Konzentration am Beispiel WAZ
Die WAZ ist die Dampfwalze der Medienbranche. Das bekommt zum einen das Kartellamt zu spüren. 1990 versuchte die WAZ ihr Rhein-Ruhr Monopol in Thüringen auszudehnen, kaufte Zeitungen an der Treuhand vorbei auf, verschwieg dem Kartellamt Übernahmen. Ähnlich ging die Gruppe im Sauerland vor. Eine Minderheitsbeteiligung am Iserlohner Kreisanzeiger wurde über einen Strohmann zur Mehrheitsbeteiligung. „Jede Lücke im deutschen Wettbewerbsrecht nutzen die WAZ-Manager wie kein zweiter Verlag hierzulande“, wird ein Mitarbeiter des Bundeskartellamts zitiert.
Die Dampfwalze überrollt aber auch die Konkurrenz. Zwei unabhängige Stadtteilzeitungen in
Essen haben überlebt. Als der Eigner 1998 nicht auch noch die zweite Hälfte des Kapitals an die WAZ verkaufen wollte, startete der Konzern in beiden Stadtteilen kostenlose Konkurrenzblätter und eigene Stadtteilausgaben, um Anzeigen und Leser abzuschöpfen.
Der Konzern versucht das regionale Print- Monopol in andere Bereiche auszudehnen: Nach der Expansion in lokalen Rundfunk und den online-Dienst cityweb, bewirbt sich das WAZ-Gruppe nun mit Partnern um den freiwerdenden NRW-Kabelsendeplatz, um Regionalfernsehen zu machen.
In den Lokalredaktionen führt die fehlende Konkurrenz zu fehlendem journalistischen Ehrgeiz. Die Redaktionen von NRZ und WAZ sind zwar komplett unabhängig und machen stehen im Lokalbereich auch im Wettbewerb. Aber eigentlich ist der Markt zwischen beiden aufgeteilt: Die NRZ kümmert sich um anspruchsvollere Themen und Texte, während die WAZ die Grundversorgung macht. In Essen wissen die Lokalchefs zum Teil, mit welchem Thema der andere am nächsten Tag aufmacht. Die Redaktionen sind technisch (vor einem Jahr keine Internetanschluss in Lokalredaktionen) und personell (am Wochenende schreiben Studenten 80% der Texte im Lokalen) unterversorgt. Investigativer, kritischer Journalismus existiert kaum, weil kein Grund existiert, sich anzustrengen. Beim überdimensionierten Philharmonie-Neubau in Essen gab es Proteste und Gerüchte über unsaubere Geschäfte, aber keine Recherchen der WAZ. Der Lokalchef ist Vorsitzender des Fördervereins der Philharmonie.
IV Quellen:
Horst Röper: „Formationen deutscher Medienmultis 1998/99“; in: Media Perspektiven 7/1999
Lutz Hachmeister, Günther Rager: „Wer beherrscht die Medien?“, München, 2000
Bundesverband deutscher Zeitungsverleger: „http://www.bdzv.de/pressem/marktdaten/markt1.htm“ Georg von Holtzbrinck Verlag GmbH & Co KG http://www.holtzbrinck.de/ger/geschaeft/ Axel Springer Verlag AG http://www.asv.de/inhalte/angebot/frame.htm Zeitungs Marketing Gesellschaft MBH & CO. KG http://www.zeitungen-online.de
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Gesamtmarkt Deutschland im Bezug auf Tageszeitungen?
Im 2. Quartal 1999 betrug die verkaufte IVW-Auflage aller deutschen Tageszeitungen 25 Millionen Exemplare. Die vier im Text vorgestellten Konzerne hatten daran einen Anteil von ungefähr 9,11 Millionen oder 36,44 % (nach IVW 1/2000).
Welche Konzerne werden im Text kurz vorgestellt?
Es werden die Bertelsmann AG, die Axel Springer-Verlags AG, die WAZ-Gruppe und die Georg von Holtzbrinck GmbH & Co KG kurz portraitiert.
Welche Tageszeitungen gehören zur Bertelsmann AG (Gruner + Jahr)?
Die Berliner Zeitung, Sächsische Zeitung, Dresdner Morgenpost, Berliner Kurier. Bertelsmann hält außerdem 24,8 % am Spiegel-Verlag.
Wie hoch war der Gesamtumsatz der Bertelsmann AG im Zeitraum 1.7.98-30.6.99 und welcher Anteil entfiel auf die Presse?
Der Gesamtumsatz betrug 29 Milliarden DM, wobei der Anteil der Presse am Umsatz 18 % betrug.
Welche Zeitungen gehören zum Axel Springer-Verlags AG?
Bild, Bild am Sonntag, Welt, Welt am Sonntag, Euro am Sonntag, Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt, B.Z., Bergedorfer Zeitung. Springer hält Beteiligungen an: Lübecker Nachrichten (49%), Ostsee Zeitung (50%), Leipziger Volkszeitung (50%).
Wie hoch war der Gesamtumsatz der Axel Springer-Verlags AG im Jahr 1998 und welcher Anteil entfiel auf die Presse?
Der Gesamtumsatz betrug 4,8 Milliarden DM, wobei der Anteil der Presse am Umsatz 84 % betrug.
Welche Tageszeitungen gehören zur WAZ-Gruppe?
Neue Rhein/Neue Ruhr Zeitung, Westdeutsche Allgemeine, Westfalenpost, Westfälische Rundschau, Iserlohner Kreisanzeiger, Ostthüringer Zeitung, Thüringer Allgemeine.
Wie hoch war der Gesamtumsatz der WAZ-Gruppe im Jahr 1998?
Der Gesamtumsatz betrug 4 Milliarden DM.
Welche Zeitungen gehören zur Georg von Holtzbrinck GmbH & Co KG?
Die Zeit, Tagesspiegel, Handelsblatt, Saarbrücker Zeitung, Lausitzer Rundschau, Südkurier, Main-Post, Trierischer Volksfreund, Pfälzischer Merkur, Potsdamer Neueste Nachrichten, Fränkisches Volksblatt.
Wie hoch war der Gesamtumsatz der Georg von Holtzbrinck GmbH & Co KG im Jahr 1998 und welcher Anteil entfiel auf die Presse?
Der Gesamtumsatz betrug 3,6 Milliarden DM, wobei der Anteil der Presse am Umsatz 45 % betrug.
Was wird über die Konzentration am Beispiel der WAZ-Gruppe berichtet?
Die WAZ-Gruppe wird als eine "Dampfwalze" der Medienbranche beschrieben, die durch aggressive Marktpraktiken und Zukäufe versucht, ihre Marktführerschaft auszubauen. Es wird auch auf kartellrechtliche Probleme und den fehlenden journalistischen Ehrgeiz in den Lokalredaktionen aufgrund fehlender Konkurrenz hingewiesen.
Welche Quellen werden im Text genannt?
Horst Röper: „Formationen deutscher Medienmultis 1998/99“; in: Media Perspektiven 7/1999 Lutz Hachmeister, Günther Rager: „Wer beherrscht die Medien?“, München, 2000 Bundesverband deutscher Zeitungsverleger: „http://www.bdzv.de/pressem/marktdaten/markt1.htm“ Georg von Holtzbrinck Verlag GmbH & Co KG http://www.holtzbrinck.de/ger/geschaeft/ Axel Springer Verlag AG http://www.asv.de/inhalte/angebot/frame.htm Zeitungs Marketing Gesellschaft MBH & CO. KG http://www.zeitungen-online.de Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbemitteln http://www.ivw.de http://www.kress.de
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- Konrad Lischka (Author), 2000, Die Rolle der Konzerne - Pressekonzentration in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96591