Gliederung:
I. Einleitung
I.1. Zur Geschichte der Kelten
I.2. Zeitliche Einordnung der Nemeta
II. Die "Viereckschanzen" (Nemeta)
II.1. Forschungsgeschichte
II.2. Die räumliche Verbreitung
III. Die Anlagen
III.1. Lage im Gelände
III.1.2. Äußere Form
III.1.3. Die umgrenzte Fläche, der Innenraum
III.1.4. Die Umfriedung
III.2. Das Tor und das Torhaus
IV. Die Funde und Befunde
IV.1. Gerichtstetten, 1896
IV.2. Holzhausen, 1957-1963
IV.3. Fellbach-Schmiden, 1977-1979
IV.4. Gournay-sur-Aronde, 1980
V. Bibliographie
I. Einleitung
I.1. Zur Geschichte der Kelten
Aus den historischen Überlieferungen über die frühen Kelten gewinnt man ein Datenspektrum, das - grob gesprochen - in die Zeit zwischen 550 v. Chr. und 450 v. Chr. fällt. Als schriftliche Quellen muß man die folgenden antiken Autoren nennen: Heketaios von Milet (ca.550-480 v.Chr.), Apollonius von Rhodos (3.Jh) und Herodot. (ca.484-430 v.Chr.)
Insbesondere Herodot erwähnt die Donauquelle als Heimat der Kelten. In dieser Zeit hatte sich in jenem Raum nordwestlich der Alpen eine Kultur entwickelt, die als westlicher Hallstattkreis bezeichnet wird. Die Kelten dieses Gebiets hatten bereits weitläufige Handelsbeziehungen mit Griechenland. Der Westhallstattkreis empfing in großem Stil Importgüter, die nun als Bodenfunde in Fülle vorliegen. Reste von mehr als hundert attisch-schwarzfigurigen Gefäßen kamen aus den Böden Ostfrankreichs, Südwestdeutschlands, der Schweiz und sogar aus Böhmen zum Vorschein. Da nur der geringste Bruchteil wieder ans Tageslicht gefördert werden kann, ist mit Tausenden von keramischen Importen zu rechnen. Nicht nur Handel sondern auch offensichtlich Auftragsarbeit wie beim Volutenkrater des Fürstengrabes von Vix (um 550), bestimmen das Bild.
Um 400 v. Chr. erfolgt die erste Welle keltischer Invasion in Italien. Die Etrusker erholten sich nicht mehr von diesen Raubzügen, die das Ende ihrer Kultur einläuteten. Polybios berichtet lakonisch, daß die Kelten "aus geringfügigem Anlaß und unerwartet", mit einem großen Heer einen Angriff unternahmen, die Etrusker aus der Poebene vertrieben und diese selbst in Besitz nahmen.
Es war eine Entwicklung, die im Kriegszug des Brennus ihren Höhepunkt erreicht, der am 18.Juli 387 v. Chr. das römische Heer an der Allia vernichtete und anschließend das geräumte Rom einäscherte. Nur das Kapitol, dessen Verteidiger durch Gänsegeschnatter gewarnt wurden, konnte von den Römern gehalten, beziehungsweise freigekauft werden. Dieses sollten ihnen die Römer nie verzeihen, es entstand ein wahres Trauma im Selbstverständnis der keimenden Weltmacht.
Die Augustusstiefsöhne Drusus und Tiberius eroberten schließlich ab 15 v. Chr. das keltische Gebiet Süddeutschlands vom Alpenkamm bis zur Donau und besetzten die Alpenpässe.
Es folgten weitere Auseinandersetzungen mit Rom in deren Verlauf die Kelten immer wieder zurückgedrängt werden konnten aber erst Caesar gelang es die keltische Gefahr ein für allemal zu beseitigen. Er eroberte 58-51 v. Ch. Gallien (das heutige Frankreich und Belgien). Um 350 v. Ch. erscheinen Kelten auf dem Balkan, im heutigen Siebenbürgen und in Bulgarien. Alexander der Große(356-323 v. Ch.) empfing (nach Ptolemaios) im Jahr 335 v.Chr. eine keltische Gesandtschaft aus dem "Adriagebiet", als er sich im Feldlager an der unteren Donau befand.
Nach dem Sieg über den Makedonen König Ptolemaios Keraunos drang 279 v. Ch. ein Keltenhaufen unter Brennus (ein anderer, als der, der Rom eroberte) über Thessalien nach Süden vor, umging die gesperrten Thermopylen und erreichte Delphi, dessen Plünderung mißlang. Auf dem Rückzug starb der verwundete Brennus.
Andere Keltenheere drangen gleichzeitig nach Thrakien vor. Dem dort gegründeten Königreich wurden Städte wie Byzanz tributpflichtig. Ein Aufstand der Einheimischen setzte diesem Reich 212 v. Chr. ein Ende. Ein weiterer Keltentrupp setzte nach Kleinasien über (277 v.Chr.) und ließ sich in Galatien nieder. Nach verschiedenen Auseinandersetzungen mit Fürsten griechischer Kolonien in Kleinasien wurden die Kelten schließlich von Rom besiegt, erhielten aber Autonomie, und bis ins vierte Jh. n. Chr. wurde in Galatien keltisch gesprochen wie in Gallien.
Weitere Wanderungen führten die Kelten in vorhistorischer Zeit bis nach Schottland, Irland und auf die iberische Halbinsel bis nach Südportugal.
I.2. Zeitliche Einordnung
Hallstatt- und Laténezeit gliedern sich nach Christlein in folgende Zeitstufen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Überwiegende Menge der in den "Viereckschanzen" gemachten Funde wird in die Spätlaténezeit (Lt D) datiert.
Römisches kommt in den Schanzen häufiger vor. So scheint es berechtigt eine Nutzung der Plätze in römischer Zeit anzunehmen. Auch nach der römischen Okkupation war die Bevölkerung im Lande geblieben. In der Produktion von Gebrauchskeramik zeigen sich noch lange Zeit keltische Spuren in Formgebung und Verzierung. Vermutlich ist die Bevölkerung auch ihren tradierten Göttern und Ritualen der Religionsausübung noch längere Zeit treu geblieben.
II. Die "Viereckschanzen" (Nemeta)
Die Bezeichnung "Vie reckschanze" ergab sich aus dem Volksmund und läßt sich nicht aufrechterhalten, denn die Untersuchungen haben ergeben, daß sie in keinem Fall militärische Befestigungen gewesen sind, sondern Heiligtümer.
Manche Archäologen bezeichnen sie als "Temenos"(altgriechisch), worunter ein für eine Gottheit abgesondertes und geweihtes Stück Land, auch ein heiliger Hain mit einem Tempel oder Altar zu verstehen ist. Andere ziehen die Benennung "Nemeton" vor, ein keltisches Wort mit der Bedeutung "geweihter Ort", Hain, geradezu auch Heiligtum. Drexel sprach unter Bezug auf die Anlagen von Templum. Der wirkliche Name der Anlagen ist uns nicht überliefert.
II.1. Forschungsgeschichte
Das erste Mal wurden Nemeta zwischen 1824 und 1837, während der württembergischen Landesvermessung (1818-1840) vermessen und amtlich erfaßt. Diese Nemeta wurden vielfach als römische Sommerlager bezeichnet und die Deutung "römisch" hielt noch lange vor. Anfang des 20.Jh.'s änderte sich das Bild und die Unsicherheiten über die Datierung nahmen zu.
Im Jahr 1896 untersuchten Conrady und Schumacher die Anlage von Hardheim-Gerichtstetten und stellten anhand der Funde fest, daß diese ohne Zweifel keltischen Ursprungs seien. Allerdings hielten sie das Nemeton für ein bäuerliches Gehöft. Die Erdwälle der Nemeta wurden als Windschutz eines "Viehgeheges" erklärt.
Viele Deutungsansätze wurden gemacht und wieder verworfen und obwohl mittlerweile einige Nemeta komplett untersucht und ausgegraben wurden ist die Diskussion um die tatsächliche Bedeutung noch keineswegs beendet.
Hie und da kam die Vermutung auf es könnte sich um Kultanlagen handeln, entscheidende Deutungen ergaben sich jedoch erst während der umfassenden Ausgrabungen von Schwarz im Nemeton von Holzhausen, in den Jahren 1950-1975. Bis heute wurden etwa 500 dieser Anlagen entdeckt, aber nur ein geringer Bruchteil wurde archäologisch untersucht.
II.2. Die räumliche Verbreitung
Das Vorkommen von Viereckschanzen beschränkt sich auf eine geographisch breite, bandförmige Zone, die sich von Böhmen und nördlich der Alpen bis zur französischen Atlantikküste erstreckt. Auffallend ist das massierte Vorkommen der Anlagen in Süd-deutschland, zwischen Rhein und Inn, während nur eine lockerere Häufung der Anlagen im Bereich der unteren Seine und zwischen Orleans und Limoges zu finden ist. Auffällig ist weiters, daß dieses westliche Konzentrationsgebiet nur durch wenige Anlagen mit dem Hauptverbreitungsgebiet im Osten räumlich verbunden ist. Teilweise handelt es sich bei diesen Regionen um spätbesiedelte Gebie te, wie zum Beispiel dem Schwarzwald und den SchwäbischFränkischen Waldbergen.
Rätselhaft ist die offensichtliche Fundleere im Süden Frankreichs, im ehemaligen keltischen Siedlungsgebiet der "Gallia Narbonensis" und es muß beim gegenwärtigen Forschungsstand offenbleiben, ob die Nemeta dort grundsätzlich fehlen oder ob uns nur eine Forschungslücke vorliegt. Die Verbreitungskarte kann sicher noch kein endgültiges Bild vermitteln.
Durch den Pflug eingeebnete Anlagen und Solche ohne Wall und Graben, Vorläufer der Schanzen, die oberirdisch nicht sichtbar und auch im Luftbild nicht zu erkennen sind, könnten weitere Lücken füllen. Doch werden sie sich kaum je in größerer Zahl auffinden lassen. Zur vermutlichen Verbreitung möchte ich auch auf den in Abbildung 1 gezeigten Verbreitungsraum der keltischen Völker hinweisen. Interessant erscheint mir die Häufung der Voralpen-Anlagen im dargestellten "Kernraum" der keltischen Ausbreitung. Vermutlich besteht hier ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang, den zu klären jedoch das Referatthema gesprengt hätte.
III. Die Anlagen
III.1. Lage im Gelände
Die Lage der Anlagen im Gelände spielt vor allen Dingen bei der Frage nach ihrer einstigen Funktion eine Rolle.
Auffallend ist ihr häufiges Vorkommen an flachen Hängen, auf flachen Rücken und im Flachland. Es fehlen ausgesprochen exponierte Lagen. Fast 50% der Anlagen liegen auf flachen Rücken, 32% am flachen Hang. Ungefähr ein Drittel der Anlagen Baden-Württembergs befindet sich in unmittelbarer Nähe zu Gewässern oder nur 100 Meter von ihnen entfernt. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Anlagen war jedoch ein solcher Bezug nicht festzustellen, auch unter Berücksichtigung der möglicherweise veränderten hydrologischen Verhältnisse.
III.1.2. Äußere Form
Nach genauem Studium kam Reinecke zu dem Ergebnis, daß die Anlagen keinen streng quadratischen oder rechteckigen Grundriss haben, sondern eher eine Unregelmäßigkeit in den Seitenlängen charakteristisch ist. Trotz aller Vielfalt zeigen sie die beiden Grundformen (Rechteck oder Quadrat) und zeigen damit ein angestrebtes Grundkonzept an, das im gesamten Verbreitungsgebiet Geltung hatte, beim Bau aber wurde dieses Grundkonzept nicht streng übertragen, sondern eben nur im Prinzip eingehalten.
III.1.3. Die umgrenzte Fläche, der Innenraum
Die Mehrzahl der Nemeta besitzt eine Flächenausbreitung von etwa 0,4 bis 1,22 Hektar (Anm.: 1 Ha = 10.000 m¨ = 3 Tagwerk = 4 Morgen). Sie sind also ungefähr 2 mal so groß wie ein Fußballfeld (ca. 3600 m¨). Nur wenige Anlagen sind größer oder kleiner.
III.1.4. Die Umfriedung
Die Anlagen sind, soweit sie sich oberirdisch zu erkennen geben, von Wällen und davorliegenden Gräben umschlossen. Nur die "Viereck-schanze" von Sulz in Baden-Württemberg war nachweislich nur von drei Seiten von einem Wall nebst Graben begrenzt. Ob aber an der vierten Seite ein Zaun oder ähnliches für den Abschluß sorgte, läßt sich ohne Grabung nicht bestimmen. Abzüglich der Verfüllungen, die entweder planmäßig durch die Erbauer erfolgten oder aber durch natürliche Erosion, kann man sagen, daß die Wallkrone zwischen ein- bis drei Meter über der Grabensohle lag. Bei mehreren Anlagen wurden Pfahlwände als Vorstufe zum Graben - Wall - System nachgewiesen, vor allem in der von Schwarz untersuchten Anlage von Holzhausen.
III.2. Das Tor und das Torhaus
Im Gelände zeichnet sich die Ausrichtung des Tores einer Anlage als Lücke im Wall ab. Sie können nach Osten, nach Westen oder nach Süden weisen, nach Norden jedoch weisen sie nie. Die Überwiegende Anzahl der Tore der Anlagen Bayerns und Baden-Württembergs weisen nach Osten der aufgehenden Sonne zu. In mehr als 50 Prozent der Fälle ist dies der Fall. Auf die beiden anderen Richtungen, Westen und Süden, entfallen ziemlich exakt je 25 Prozent der Tore.
Im Bereich des Tores befand sich das Torhaus. Da der Graben vor den Toren durchgezogen ist, muß er von einer Brücke überspannt gewesen sein.
Die Torhäuser selbst weisen sehr unterschiedliche Grundrisse auf. Manchmal bestanden sie aus einem Raum links und einem Raum rechts der ebenfalls überdachten Torgasse. Meistens wurde jedoch nur die Torgasse überbaut, und die Torhäuser bestanden aus lediglich einem Raum
IV. Die Funde und Befunde
Die durch Grabung gewonnenen Befunde von Innenbauten der Anlagen haben ein ebenso differenziert zu betrachtendes Bild ergeben, wie das übrige Fundmaterial. Anhand von Beispielen will ich aufzuzeigen, wie weit die Forschung gediehen ist. Als Quellen dienen die Grabungsberichte und Publikationen verschiedener, ausgewählter, Anlagen, auf die ich nun eingehen möchte.
IV.1. Gerichtstetten
Die Anlage von Gerichtstetten liegt bei der Gemeinde Hardheim, im Neckar-Odenwald-Kreis. Als Schumacher 1899 die Ergebnisse seiner Grabung veröffentlichte, war zum ersten Mal datierbares Fundmaterial aus einem derartigen Objekt vorgelegt worden. Ein Großteil der Funde wurde richtigerweise in die Spätlaténephase datiert.
Die Ansicht, daß nichts Römisches im Fundmaterial zu finden sei hat jedoch heute keinen Bestand mehr, denn einige signifikante Stücke, wie zum Beispiel eine eiserne Kreuzhacke, haben in römischen Funden durchaus Parallelen, während entsprechendes aus spätlaténezeitlichen Fundstellen zu fehlen scheint. Leider fehlt von den meisten keramischen Objekten eine genaue Beschreibung wo und wie sie innerhalb der Anlage gefunden wurden. Die "Viereckschanze" von Gerichtstetten ist von der Spätlaténezeit bis mindestens in das 1.Jahrhundert n. Chr. genutzt worden. Selbst eine spätere, zeitweilige Nutzung der Anlage als römischer Limes-Vorposten scheint nicht grundsätzlich ausgeschlossen zu sein. Im Verlauf der Grabung fanden sich außerdem Pfostenlöcher eines einzelnen, kleineren Gebäudes. Dieses nahezu in einer der Ecken der Anlage gelegen. Man vermutete auf ein bäuerliches Gehöft gestoßen zu sein.
V.2. Holzhausen
Die Anlage liegt etwa 15Km südlich von München auf dem Isar- Hochufer. Im allernächsten Umkreis befinden sich weitere 12 Nemeta.
Das Denkmal wurde durch einige Scherbenfunde auf Laténe D datiert. Die von Schwarz in der Anlage von Holzhausen 1957-1963 vorgenommenen Ausgrabungen haben die ersten unzweifelhaften Belege für eine kultische Nutzung der Anlagen gebracht.
Diese Erkenntnisse verdanken wir der sorgfältigen und aufwendigen Ausgrabung durch Schwarz.
Die Nutzungsdauer der Schanze läßt sich relativ-chronologisch in fünf Horizonte gliedern, die anhand verschiedener Aufbauphasen mit ihren charakteristischen Bodenverfärbungen nachgewiesen werden konnten. Die Kultstätte veränderte also ihr Erscheinungsbild insgesamt mindestens fünf Mal. Die relative Abfolge der einzelnen Baubefunde werde ich nun schildern.
Horizont 1
Während der ersten Bauperiode gab man der Anlage folgendes Aussehen:
Die Ecken sind nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet, Seitenlängen von ca. 90 m, eine 48m lange Pfahlwand im Südwesten. Davor erstreckt sich der Platz. Im Südosten befanden sich zwei Pfosten an der Stelle des späteren Zugangs, hier war vermutlich der Eingang. Wahrscheinlich war auch der Nordostschacht mit seinen 35,3 m Tiefe schon in Gebrauch.
Horizont 2
Im Horizont 2 wird die Pfahlwand im Nordwesten errichtet und bildet nun mit der südwestlichen nahezu einen rechten Winkel. Aufgrund der Pfostenlöcher konnte man klären, daß die Pfähle zu viereckigen Hölzern verarbeitet wurden, die unmittelbar nebeneinander standen wie eine Mauer. Ein neues Pfostenpaar markiert den Eingang im Südosten.
Horizont 3
Dieser Zeitabschnitt bietet erstmals das Bild einer von allen Seiten komplett eingefriedeten Anlage. Der Zugang zur Anlage wurde jetzt durch "große breitovale Gruben" flankiert. Der Gebrauch des Südwestschachtes mit seinen 18,5m Tiefe darf nun als sicher gelten. Erstmals tauchen nun auch die Überreste eines Gebäudes auf, das als "Umgangstempel" interpretiert wird. Dies, von Schwarz als Tempel 1 bezeichnete Gebäude besaß einen Brandaltar und liegt in der Westecke der Anlage. Eine Torgasse wurde auch angelegt. Der Nordostschacht wurde nun verschlossen.
Horizont 4
Der heilige Platz war nunmehr erstmals in Ergänzung zu den Holz-abmarkungen von einem Wall und Graben umgeben. Die Holzeinfriedungen wurden vollständig erneuert, der alte Tempel abgerissen und etwas versetzt in der gleichen Form wieder aufgebaut. Auch der neue Tempel erhält einen Brandaltar, wie man anhand der gefundenen Lehmplatte und ihrer Gebrauchsspuren bestimmen konnte. Der Südwestschacht wurde verschlossen und der neue Nordschacht wird mit 6,1m Tiefe angelegt.
Horizont 5
In dieser letzten Phase des Nemeton von Holzhausen fällt die seit Beginn übliche hölzerne Einfriedung erstmals fort. Der Graben wurde teilweise verfüllt und zur flachen Mulde, die Wallanlage wurde bei- behalten. Der Nordschacht wird verschlossen. In der Südecke befand sich ein einzeln stehender Pfosten. Die Torlücke im Wall wurde von vier auf 12 m verbreitert. Ein mächtiger Torbau mit acht Pfosten wurde errichtet. Das Gebäude in der Westecke und der Schacht in der Nordecke waren weiter in Funktion.
Zusammenfassung der Befunde:
1. Der Tempel:
Die in der Westecke des Nemeton befindlichen Überreste des Holzgebäudes, werden als keltischer Umgangstempel gedeutet. Die Größe der inneren Cella betrug 6 x 7 m, die des Umgangs 10 x 10,5 m. Aufgrund der Anordnung der Pfostenlöcher nach möglicherweise mediterranen Vorbildern hält Schwarz eine Konstruktion mit Satteldach und seitlichen Dachstützen für wahrscheinlich. Im Innern befand sich ein Brandaltar.
2. Die Schächte:
Der tiefste und älteste Schacht ist der Nordostschacht. Er ist 35,8m tief aber in der Regel nur 1,2m breit. Bis in eine Tiefe von 16m fanden sich Ansätze von Verschalung. Auf der Sohle des Schachtes fand sich eine Scheibe aus organischem Material, in grobem Kies an die Wand gelehnt.
Darüber lagerten Schichten von Rückständen, aus obertägig voll-zogenen Brandopfern, die aus dunklem Lehm mit Knochenresten be-standen. Blut- und Fleischspuren konnten durch naturwissen-schaftliche Untersuchungen nachgewiesen werden. Der schwarzbraune, tonige Lehm enthielt die meisten Rückstände von Brandopfer-handlungen.
Danach wurde der Schacht über mehr als 15 m Höhe verfüllt, bis erneut Opferspuren auftauchen. Hierauf folgt erneut eine fundlose Schicht, bis zum Schachtmund, wo nochmals häufig deponiert wurde. Zum Schluß wurde der Schacht mit einem Brandopferaltar verschlossen.
Der nächst jüngere Schacht ist der Südwestschacht (Horizont 2-3).
Seine Tiefe betrug 18,3 m und er war im Schnitt 2,5 m breit. Etwa ein Meter oberhalb der Sohle befanden sich durchglühte Opferherde aus Holzkohle in einer kompakten Schicht von ca. 1 m Dicke. Man geht daher davon aus, daß die Opferfeuer im Schacht selbst angezündet wurden, im Gegensatz zum Nordostschacht, wo obertägig verbrannt wurde.
Über dem Herd wurde in mehreren Phasen verfüllt und es finden sich im Wechsel mit den Verfüllungsschichten weitere Brandopferdepots. Zum Schachtmund hin häufen sich die Depots. Unterhalb des Schachtmundes wurde ein aufrecht n die Brandopferschichten gesteckter Fleischhaken gefunden. Dieser Schachtes wurde ebenfalls durch Brandopfer geschlossen.
Der letzte und jüngste Schacht weist auch die geringste Tiefe auf.
Es ist der Nordschacht mit einer Tiefe von 6,10 m und einer Breite von 2,5 Metern. Auf der Schachtsohle befand sich ein zwei Meter langer Pfahl aus Laubholz (bzw. dessen Hohlform, denn er wurde mit Gips ausgegossen). Der Pfahl war mit Hilfe einer Kiespackung so fixiert (62°), daß er fast aufs Grad genau, nach der Mittagssonne Holzhausens am 21.Juni (65,5°), nach Süden weist.
Um diesen Pfahl wurden organische Substanzen gelegt, Fleisch und Blut, die jedoch nicht verbrannt wurden. Dies wurde bis zum Ende des Pfahles ungefähr dreimal wiederholt, dann wurde der Nordschacht verfüllt, den Abschluß bildete, wie in den andern beiden Fällen, ein Feuerherd. Ähnliche Kultpfähle mit gleicher Neigung nach Süden wurden bisher auch in zwei anderen Nemeta gefunden, in Tomerdingen und in Schönfeld.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber auch auf die achsiale Ausrichtung der eintorigen, aus Wall und Graben bestehenden Nemeta. Diese steht zuverlässig mit dem Lauf der Sonne in Verbindung, wobei die Torachsen sämtlicher Objekte in dem Winkel zwischen den äußersten Auf- und Untergangspunkten der Sonne an demselben 21.Juni liegen, und diesen Bereich keinesfalls überschreiten (nach Schwarz). Die Untersuchung der Holzhausener Schanze zählt bis heute zu den aussagekräftigsten und forschungsgeschichtlich bedeutendsten. Sie hat den weiteren Gang der Viereckschanzen- und Kultplatzforschung in hohem Maß beeinflußt. Der Tod von Schwarz hat leider weitere Forschungen und eine abschließende Publikation seiner Ergebnisse verhindert. Ähnliche Befunde, wie die von Holzhausen erbrachte auch die von Hartwig Zürn 1958-1959 ausgegrabene Anlage von Tomerdingen im Alb-Donau Kreis, auf die ich hier aus Zeitgründen aber nicht näher eingehen möchte.
Nach der Übersetzung von Otten möchte ich hier eine hethitische Beschwörungsformel wiedergeben, die aus dem 13. Jahrhundert und aus
Hattuscha stammt, also weit entfernt, sowohl zeitlich, alsauch räumlich von der keltischen Anlage von Holzhausen. Dennoch klingen hier Vorstellungen und Handlungen auf, die so oder so ähnlich weiten Teilen der alten Welt zu eigen waren.
"Ferner hat er ein Lamm; (das) schlachtet er in die Grube hinab und spricht folgendermaßen: "Siehe ich Menschenkind bin gekommen. So wie die große Göttin den Weg zum Flußufer nimmt, so bin ich Menschen-kind zu den Flußufern gekommen, um die uralten Götter anzurufen. So möge die Sonnengöttin der Erde das Tor öffnen und die uralten Götter, die Herren der Erde, möge sie herauf lassen." Die Verehrung chthonischer Gottheiten, soweit sie ihren Ausdruck in der Errichtung von Opferstätten findet, ist den mitteleuropäischen Kulturen ursprünglich fremd. Hierin gewisse Einflüsse mediterraner Glaubensvorstellungen zu sehen, die ja ein unterirdisches Schatten-reich mit verschiedenen Göttern seit langem in den Jenseitsglauben integriert hatten, scheint sich gleichsam aufzudrängen. Als Beispiel möchte ich hier nur an die von Homer ca. 700 v. Chr. beschriebene Reise des Odysseus in die Unterwelt erinnern, der im Schattenreich seine Mutter aufsuchte und diese nach einem Blutopfer wieder zum Sprechen brachte.
Auf ihren Kriegszügen hatten die Kelten Gelegenheit faszinierende Heiligtümer der Griechen kennenzulernen. 279 v. Chr. waren sie in Delphi und bei ihrem Zug durch Thessalien sahen sie sicherlich auch, das bei Epirus gelegene Heiligtum des Zeus Naios von Dodona. Zeus wurde hie r nicht als Herrscher des Himmels verehrt, sondern als chthonische Gottheit, die an den Wurzeln einer heiligen Eiche wohnte. Es scheint im Bereich des Möglichen zu liegen, daß die Kelten sich von den griechischen Vorbildern, zu eigenen Bauten inspirieren ließen.
Insgesamt läßt sich über die in Holzhausen vollzogenen religiösen Riten sagen, daß sie vermutlich der Verehrung von Naturgottheiten gedient haben. Denkbar sind Opferungen als Erntedank oder auch als Fürbitte für reiche Ernte. Die Verschiedenartigkeit der ausgeübten Rituale ist am Wandel der Inhalte der Verfüllungsschichten, der verschiedenen Schächte zu erkennen, auch die baulichen Veränderungen an der Anlage sprechen gegen einheitliche Vorstellungen und Zwecke, vielmehr erkennt man einen Wandel der religiösen Vorstellungen.
Den religiösen Vorstellungen unterstehen die kultischen Zwänge der Liturgie, nach der Liturgie richtet sich die Einrichtung des kultischen Ortes. Zum Beispiel hat man durch die Errichtung von Wällen einer stärker abgeschlossenen Anlage den Vorzug gegeben, die vorher ein offener Platz gewesen war. Veränderungen des täglichen Lebens haben sich vermutlich auch in den kultischen Bräuchen und Riten niedergeschlagen. Für die Belegungs-zeit der Anlage von Holzhausen, dem ersten vorchristlichen Jahr-hundert sind solche Veränderungen hinreichend bekannt.
IV.3. Fellbach-Schmiden
Diese Kultstätte liegt bei der Stadt Fellbach im Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg. Sie wurde im Zuge der Untersuchungen einer nahegelegenen hallstattzeitlichen Siedlung zufällig entdeckt und 1977-1980 durch Dieter Planck ausgegraben. Oberirdisch war sie nicht mehr sichtbar, da durch den Pflug vollständig eingeebnet, es fanden sich keine Spuren von Wällen. Der Grabungsbefund besteht aus einem zugeschütteten und unvollständigen Grabensystem und einem Schacht von 20 m Tiefe. Spuren einer Innenbebauung konnten wegen starker Erosion nicht mehr festgestellt werden.
Der Graben
Der Graben bestand aus einer dreiteiligen Schichtung, wie mehrere Querschnitte zuverlässig ergaben. Die oberste und damit jüngste Schicht besteht aus einem dunkelbraunen humosen Lehm, der mit wenig Holzkohle, Keramik, Tierknochen, Steinen und angeziegeltem (dem Feuer ausgesetzten) Lehm durchsetzt ist. Die mittlere Schicht besteht aus einer noch dunkleren Schicht humosen Lehms, die mit sehr viel Holzkohle, Keramik, Tierknochen, Steinen und angeziegeltem Lehm durchsetzt ist. Daß es sich hierbei nicht um natürliche Verfüllung handelt, darf als gesichert gelten. Die unterste Schicht besteht aus schluffigem Lehm, der vielleicht noch während der Benutzung der Anlage natürlich eingeschwemmt worden ist.
Der Schacht
Nahe der Nordseite wurde im Innenraum des Nemetons ein Schacht aufgefunden. Der Schacht von Fellbach-Schmiden ist ca. 20 Meter tief und 1,5 Meter breit. Er war von oben bis unten mit Holz verschalt. Der Schacht war ursprünglich durch an einer Seite angebrachte Sprossen begehbar. Durch dendrochronologische Untersuchungen konnte man das Alter auf 127 v. Chr. festlegen. Dies deckt sich auch mit der Datierung der Scherben, die man in der gesamten Anlage gefunden hat. Somit gehört das Nemeton ins Spätlaténe.
Bis in 14,80 m Tiefe besteht die Verfüllung des Schachtes aus dem gleichen Material, mit dem auch mit dem auch der Graben teilweise verfüllt worden ist. Damit ist eine Zugehörigkeit des Schachtes zur Schanze gesichert.
Tiefer verengt sich der Schacht und es folgt eine ca. ein Meter dicke Schicht aus kompakter Holzkohle. Darauf treffen wir auf den Grundwasserspiegel, der in Holzhausen keine Rolle spielte, da dort kein Grundwasserspiegel in den Schächten angetroffen wurde.
Es folgt eine muddenartige Schicht, die Rückstände von Tierkot enthält; Untersuchungen beweisen, daß es sich dabei um ehemaligen Mist gehandelt haben muß. Nach einer weiteren knapp ein Meter dicken Schicht, die durch Ausschwemmung für die Forschung verloren gegangen ist, schließt sich eine 1,50 m tiefe Schicht an, die viele gut erhaltene Bauhölzer enthält. Letztere sind teilweise angekohlt. Die gute Erhaltung kann man auf die hohe Feuchtigkeit durch den Ständigen Grundwasserpegel zurückführen. Aufsehenerregend war der Fund von hölzernen zoomorphen Plastiken in sehr gutem Erhaltungs-zustand. (siehe Abb.: 15, 16)
Die Schlußfüllung besteht aus einem blaugrauen Lehm, der wieder als Schwemmschicht gedeutet wird. Darin fanden sich eine reich verzierte kleine Keramiktonne, von der es bisher nur ein einziges weiteres Exemplar gibt, und Teile eines Holzdaubeneimers sowie Reste einer hölzernen Winde, nebst Holzspindeln und Holzdübeln.
Stellt man die Frage nach der ursprünglichen Funktion des Schachtes so fällt auf, daß allein durch das Vorhandensein von Grundwasser ein Unterschied zu den Opferschächten von Holzhausen besteht. Außerdem fehlen die für Holzhausen typischen Brandopferschichten im Schacht. Daraus ergibt sich eine Bedeutungs- und Nutzungsvariante, die noch unklar ist.
Deutung der Befunde
Bei näherer Betrachtung der Verschalung des Schachtes, wird ersichtlich, daß diese den römischen Brunnenverschalungen gleicht, die man in eben solchen Siedlungen gefunden hat. Man kann also davon ausgehen, daß es sich bei dem Schacht von Fellbach-Schmiden um einen Brunnenschacht zur Wasserversorgung der Anlage gehandelt haben muß. Diese Deutung wird durch die Funde von Holzeimer und Windenresten als Hebevorrichtung unterstützt.
Die Annahme, daß dies kein gewöhnlicher Brunnen war, wird schon durch seine Lage innerhalb der "Viereckschanze" belegt und durch den Fund der bemalten Keramiktonne am Boden des Schachtes gestützt. Die nahezu unversehrte Tonne ist in ihrer Art sicherlich kein profaner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens gewesen, sondern mochte nur besonderen kultischen Zwecken gedient haben. Sie ist mit einem floralen Blattornament verziert, das zu einem Vierpaß angeordnet ist, welches durch ein Kreuz geteilt wird. Ein weiteres Element sind Rauten. Es zeigte sich, daß diese reich bemalte Feinkeramik einen so dünnwandigen Boden besitzt, so daß eine intensive Alltagsnutzung zumindest fraglich erscheint.
Es ist möglich, daß hier im Gegensatz zu Holzhausen nicht eine Erdgottheit, sondern eine Wassergottheit verehrt wurde. Das dies nicht so abwegig ist belegt die Tatsache, daß mehrere Nemeta an Quellen liegen. Allerdings könnte auch in dieser Anlage geopfert worden sein. Die brandopferähnliche Schic ht im Graben mag auf einen Opfergraben im Gegensatz zum Opferschacht hinweisen.
Die Skulpturen
Die im Schacht gefundenen Holzkunstwerke sind in ihrer Art einmalig.
Es handelt sich hierbei um Tierskulpturen, die vermutlich zu einem Fries religiösen Inhalts gehörten. Dieter Planck vermutete die Zugehörigkeit der Figurengruppe zu einem Brunnenhaus, welches den Schacht zur Zeit seiner Nutzung überdeckt haben könnte. Möglicherweise stammten die Skulpturen auch aus einem naheliegenden Holzgebäude. Solche Häuser wurden nicht nur in Holzhausen, sondern auch in der Anlage von Gerichtstetten und anderen nachgewiesen.
Die Rekonstruktion zeigt zwei anti-thetisch angeordnete Steinböcke, eine sitzende Gottheit flankierend. Die Gottheit hält dabei die beiden Figuren mit ihren Händen. Es besteht kaum ein Zweifel, daß die Skulpturen in einen kultischen Zusammenhang gehören.
Die dritte Plastik zeigt die Meisterschaft und das hohe künstlerische Vermögen dessen, der sie schuf. Es ist vermutlich ein stilisierter, sich aufbäumender, Hirsch, der in Verbindung mit einer religiösen Vorstellung gesehen werden darf. Der Hirsch als heiliges Tier spielte neben der Verehrung des keltischen Hirschgottes Cerunnos eine wichtige Rolle.
Die Tierfiguren sind in ihrem künstlerischen Ausdruck expressiv, auch wenn sie wegen der Reliefartigkeit ihrer Schnitzkunst nicht als "Vollplastiken" bezeichnet werden können. Die Hirschfigur zeigt, die für alle keltischen Tier- und Menschendarstellungen typische herausgewölbte Augenform neben den überlang abstrahierten Ohren und einem Geweih mit drei Enden und zum Sprung erhobenen Vorderbeinen. Das Ende der Nutzung der "Viereckschanze" von Fellbach-Schmiden ist - anders als in Holzhausen - gut nachvollziehbar: man kann davon ausgehen, daß die Anlage durch Brand zerstört worden ist (verkohlte Hölzer). Dann wurde Mist (muddenartige Schicht) in den Schacht geschüttet, um diesen ein für allemal unbrauchbar zu machen. Zuletzt wurde der Schacht und auch der Graben verschlossen und verfüllt. Das Vorkommen der Tierfiguren im Brunnen könnte auch auf eine gewaltsame Zerstörung der Anlage schließen lassen.
Daß nicht nur den Schächten in "Viereckschanzen" eine besondere Funktion zukam, sondern auch die umgebenden Gräben eine kultische Rolle gespielt haben konnten, belegt das nun folgende Beispiel von Gournay-sur-Aronde.
IV.4. Gournay-sur-Aronde
Eine andersartige Variante der Kultplatznutzung liegt bei diesem Heiligtum vor. Die Anlage befindet sich ca. 90 km nördlich von Paris. Ihre Lage ist außerdem durch eine Anomalie bestimmt, denn sie befindet sich inmitten eines keltischen Oppidums der Bellovacer. Auch ist die Zeit der Nutzung sehr lang, nämlich vom 4.Jahrhundert vor Christus bis ins vierte Jahrhundert nach Christus. Entsprechend zur Nutzungsdauer ist auch der Fundkomple x enorm. Allein 4000 Funde, die als Opfergaben zu verstehen sind, konnten geborgen werden. Die Anlage wurde im Jahr 1977 vollständig ausgegraben.
Die Anlage präsentiert sich mit einem rechteckigem Grundriss und besteht, wie die anderen Nemeta auch, aus einem Graben-Wallsystem mit einem Eingang und verschiedenen Einrichtungen im Innern. Zunächst möchte ich auf die Geschichte der Anlage näher eingehen, die sich in eine keltische und eine römische Periode gliedern läßt. Die wichtigsten Befunde und Funde möchte ich zusammenfassend kurz aufzählen.
Die keltische Periode
In der frühkeltischen Periode bestand der Komplex aus einem inneren und einem äußeren Graben. Im Inneren Graben wurden nach und nach die Opfergaben abgelegt. In der Mitte des Nemetons befand sich eine große ovale Grube (2 m tief, 4 m lang) umgeben von 9 kleineren Gruben. Ein über ihr errichteter Holztempel wurde in der spätkeltischen Phase abgerissen und auf seinem Platz ein kleiner Steintempel errichtet. Anstelle der Grube besaß dieser nun eine Feuerstelle.
Ebenso wie die Innenbauten der Anlage wechselte auch die Form des Eingangs im Verlauf der Jahrhunderte ihr Aussehen mehrfach. Zuletzt bestand er aus einem auf sechs Pfeilern ruhendem Bauwerk, das den ganzen Durchgangsbereich und einen über den äußeren Graben führenden Steg überspannte. Eventuell gab es in diesem Bauwerk ein Podest zur Zurschaustellung von Trophäen. Reste davon fanden sich beiderseits des Eingangs. An der Fassade selbst waren menschliche Schädel befestigt. Ein solcher Eingang erinnert an die Propyläen griechischer Heiligtümer. So werden sie auch von Strabon bezeichnet, als Ort, an dem die gallischen Krieger die Schädel ihrer Feinde anbrachten.
Die römische Periode
In römischer Zeit entstand auf den Fundamenten des alten Tempels ein neuer, gallorömischer Umgangstempel (Fanum). Die Anlage wandelt sich zu einem Heiligtum, in dem kein keltischer Opferkult mehr nachweisbar ist. In dieser "romanisierten" Form besteht das ehemalige Nemeton bis ins vierte nachchristliche Jahrhundert fort. Diese lange Nutzungsdauer spricht für die große Bedeutung der Verehrung bestimmter, wichtiger, Gottheiten in Gournay. So wichtig, daß die ansonsten ja toleranten römischen Besatzer es für notwendig erachteten den Platz zu transformieren, um die Bevölkerung zu romanisieren. Die bekannte römische Abneigung gegen Menschenopfer mag hierbei eine Rolle gespielt haben.
Die Opferfunde
Die geopferten Gegenstände setzen sich aus Funden von Tierresten und aus Funden von Metallgegenständen zusammen. In der vorher erwähnten großen Grube wurden geopferte Tiere bis zur fortgeschrittenen Verwesung zwischengelagert, in den kleineren wahrscheinlich die Metallgegenstände. Beide Opfergattungen wurden dann im großen Graben enddeponiert.
Zunächst sollte dieser Graben den heiligen Bezirk von der profanen Aussenwelt trennen. Als jedoch der Graben selbst zu einem Bestand-teil des heiligen Bezirkes wurde, mußte diese Schutzfunktion ein zweiter äußerer Graben erfüllen sowie eine zwischen innerem und äußerem Graben errichtete Palisadenwand An den zahlreichen Knochenfunden und vor allem an ihrer Lage im Graben kann man die Abfolge der verschiedenen Opfergänge erkennen. Mindestens zweimal in zwei Jahrhunderten fand eine Niederlegung statt. Dabei wurden die einzelnen Tierarten oder die verschiedenen Körperteile gesondert abgelegt. Zu beiden Seiten des Eingangs Rinderschädel (Extremitäten vom Rumpf getrennt). Pferde wurden gesondert und einzeln deponiert. Bei Schafen und Schweinen, deren Fleisch nicht mitdeponiert wurde, sind in der Regel nur die Extremitäten geopfert worden. Eine Ausnahme ist das Schwein, von dem einige wenige vollständige Exemplare gefunden werden konnten.
Alle niedergelegten Tiere waren meist durch Hiebspuren von Äxten be-schädigt. Diese Wunden waren jedoch nur in wenigen Fällen als primäre Todesursache erkennbar, vielmehr handelte es sich hierbei um postmortales Brauchtum mit eindeutig kultischer Bedeutung.
Auffällig ist die erheblich größere Beschädigung der Tiere bei den zuletzt dargebrachten Opfern, - auch ist die Häufigkeitsverteilung der verschiedenen niedergelegten Tierarten während der zeitlich letzten Opferungen unterschiedlich zu den vorangegangenen. Die Metallgegenstände wurden ebenfalls im Opfergraben aufgefunden. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um eiserne Angriffs- und Verteidigungswaffen, wobei die Verteidigungswaffen überwiegen. Gegenstände aus Bronze waren sehr selten. Sie wurden in regelmäßigen Abständen im Graben deponiert.
Am häufigsten waren Schildbuckel (ca. 190 Stück), gefolgt von Schwertscheiden (ca. 160). Schwerter (90 Stück), Lanzenspitzen (75) und Fibeln (80 Stück) wurden ebenfalls gefunden. Die restlichen Funde verteilen sich auf Schaftschuhe und Gürtelaccessoires. Ebenso, wie die anhand der Tierknochen festgestellten Beschädigungen, wie sen die Waffen Beschädigungen auf. Einige Schwerter zum Beispiel waren verbogen und verdreht andere wurden ebenfalls durch Axthiebe deformiert. Speziell die Funde der frühen Depots erhielten zumeist nur Einschläge durch Axthiebe erst bei den jüngeren Niederlegungen lassen sich die Deformierungen durch andere Mittel nachweisen. In den jüngsten Depots finden sich die radikalsten Zerstörungen der Gegenstände, die bis zur Zerstörung durch Zerstückelung der Gegenstände gingen. Die Untersuchungen über die Herkunft der Waffen ist noch nicht abgeschlossen, so daß Vermutungen wie die, daß die Waffen möglicherweise Beutestücke von in Kampf erschlagenen Feinden sein könnten, als rein hypothetisch zu gelten haben. Man kann anhand der gemachten Funde in Gournay-sur-Aronde einige recht detaillierte Rückschlüsse ziehen:
1. was im einzelnen geopfert wurde
2. zu welcher Zeit was, und wieviel davon jeweils geopfert wurde.
So ist es interessant zu erfahren, daß in der Frühzeit der Anlage mehr Tiere geopfert wurden, insbesondere mehr Rinder (zu 100% adult, 98% der gesamten Tiere) und das in der spätkeltischen Phase weniger Rinder (30% adult, nur noch 30% aller Tiere), sondern das Schaf sich zum bevorzugten Opfertier "mauserte". Die besten Stücke der geopferten Tiere (Schinken und Keule) fanden sich nicht unter den geopferten, was darauf schließen läßt, das die Menschen diese besten Stücke beim gemeinsamen Mahl mit den Göttern für sich behielten.
Auch über das Niederlegen selbst ist etwas zu erfahren, es geschah mit einem Leinentuch und die Opfer wurden in Zeremonien (rituelle Axthiebe) vor- und zubereitet. Somit erscheint fast der liturgische Ablauf der Kulthandlungen erkennbar, die in dieser Anlage vollzogen wurden.
Möglicherweise sollte mit Hilfe der überwiegend defensiven Waffen (Schildbuckel, Schwertscheiden), denen man eine Schutz- und Symbolfunktion zuordnen kann, der eigene Schutz der Opfernden erbeten werden, indem diese geopfert wurden. Es wäre interessant festzustellen, inwieweit die keltischen Traditionen dem folgenden Romanisierungsprozess anheim fielen oder sich durch- und fortsetzten. Dies zu erhellen ist eine der Aufgaben künftiger Forschungen.
Ein besonderer Fund soll nicht verschwiegen werden, denn mit den Funden menschlicher Halswirbelknochen (vergesellschaftet mit frühesten Deponierungen) bestätigt sich erstmals die Vermutung, daß den Kelten Menschenopfer nicht fremd waren. Die Knochen lassen sich ca. 12 Erwachsenen, darunter auch Frauen, zuordnen. Es fanden sich auch sechs menschliche Schädel im Bereich des Eingangsportals. Jedoch ist in diesen Bräuchen ein Wandel zu konstatieren, bei späteren Opfergängen hat man auf derart menschliche Beteiligung an den Opfern, zumindest in Gournay - sur - Aronde, verzichtet. Zur Tatsache von Menschenopfern in keltischen Stämmen möchte ich Tacitus zitieren, der in seinen Annales folgendes berichtet:
... "und man zerstörte die Haine, die den Riten eines wilden Aberglaubens geweiht waren: denn vom Blut der Kriegsgefangenen die Altäre dampfen zu lassen und aus menschlichen Eingeweiden den Willen der Götter zu erfragen hielten sie (die Kelten) für heiliges Recht"...
Diese Szenen sollen sich nach Tacitus im Jahr 61 n. Chr. während der Eroberung Brittaniens, durch römische Heere, abgespielt haben. Weitere Beschreibungen keltischer Kulte (auch Menschenopfer) finden sich u.a. bei Poseidonios von Apameia (ca. 135-51/50 v. Chr.), der von Diodor und Strabon zitiert wird und natürlich in Caesars "bellum gallico", sowie bei Lukan (Bellum civile) und Plinius d.Ä. (Nat. Hist. XVI) Ein anderer Hinweis findet sich in einer Abbildung auf dem "Kessel von Gundestrup". Diese Szene könnte die Opferung eines Kriegsgefangenen darstellen, was durch die Anwesenheit der Krieger, die der Handlung beiwohnen, noch gestützt wird. Das Opfer wird Kopf nach unten über eine Art Behältnis (oder Altar) gehalten und so möglicherweise in Flüssigkeit erstickt. In der Mitte findet sich die Darstellung eines Lebensbaumes. Oberhalb des Baumes befinden sich Reiter, unterhalb Krieger zu Fuß. Der Kessel datiert ins dritte bis erste vorchristliche Jahrhundert.
Denkt man an die mittlerweile in großer Zahl vorliegenden römischen Funde aus Viereckschanzen (z.B. Holzhausen, Ehningen, Einsiedel-Rübgarten, Bopfingen, Riedlingen) ist die genaue Untersuchung der Frage der Siedlungs- und Kult-Kontinuität von der Spätlaténe- in die römische Zeit und die der Nutzung der Anlagen in römischer Zeit von höchstem Interesse für die künftige Forschung.
V. Bibliographie:
Eggers, Hans-J.: Einführung in die Vorgeschichte, 3. erweiterte Auflage, München, 1986
Leroi-Gourhan, André: Die Religionen der Vorgeschichte. 1973, neue Folge Band 73, Frankfurt/Main, 1981.
Eliade, Mircea: Geschichte der religiösen Ideen. 6. Aufl. 1990, Freiburg im Breisgau, 1978.
-ders.: Schamanismus und archaische Ekstasetechnik. Frankfurt 1974, 6.Aufl.1989.
Caesar, C.-Iulius: Der gallische Krieg. München, Zürich, 1990. Sammlung Tusculum, LIBER VI-13. Herodot: Historien. A. Kröner Verlag, 4. Aufl., Stuttgart 1971. Buch II, Kap. 33; Buch IV, Kap. 49.
Tacitus: Annalen. München, Zürich, 1982. Sammlung Tusculum, Liber 16, Kap.30 Bittel/Schiek/Müller: Die Keltischen Viereckschanzen, Stuttgart 1990.
Bittel/Kimmig/Schiek: Die Kelten in Baden-Württemberg, hrsg. von K.Bittel u.a., Stuttgart 1981, S. 85-117 Planck, Dieter: Eine neuentdeckte keltische Viereckschanze in Fellbach-Schmiden, Rems-Murr-Kreis. Germania 60, 1982 S.105-172, -ders. Die Viereckschanze von Fellbach-Schmiden. In: Der Keltenfürst von Hochdorf, Methoden und Ergebnisse der Landesarchäologie in Baden-Württemberg, Katalog zur Ausstellung, 1986 S.341-353 Spindler, Konrad: Die frühen Kelten. Stuttgart 1983, 2. durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage, 1991.
Behrends, R.-H.: Die Funde aus der Viereckschanze von Gerichtsstetten. In: Fundberichte aus BadenWürttemberg , Band 6, Stuttgart 1981.
Schwarz, Klaus: Die Geschichte eines keltischen Temenos im nördlichen Alpenvorland. In: Ausgrabungen in Deutschland, Teil 1, Mainz 1975.
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Aiterhofen, Lkr. Straubing-Bogen, Niederbayern. In: Jahresbericht d.Bayerischen Bodendenkmalpflege, Nr.21, 1980, S.43-55.
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Reiser, Rudolf: Die Kelten in Bayern. Rosenheim 1984, S.139-156. Drexel, F.: Templum. Germania 15, 1931 S.1ff.
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- Arbeit zitieren
- Hans Scheibler (Autor:in), 1991, Religionsgeschichtliche Aussagemöglichkeiten - Spätkeltische Viereckschanzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96508
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