Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG
2 GEWALTBEGRIFF UND STRUKTURELLE VERANKERUNG
2.1 WAS IST GEWALT ? - VERSUCH EINER DEFINITION
2.2 STRUKTURELLE GEWALT GEGEN FRAUEN - DAS MÄNNLICHE GEWALTMONOPOL
3 GESICHTER DER GEWALT - AUSWIRKUNGEN
3.1 WENN MÄNNER SPRECHEN - ODER DER VERBALE KNÜPPEL SPRACHE ALS GEWALTMITTEL
3.2 WENN MÄNNER `LIEBEN´ - ODER DIE FÜRSORGLICHSTE ART GEMEIN ZU SEIN. ÜBER FO RMEN PSYCHISCHER GEWALTANWENDUNG
3.3 WILL SIE NICHT HÖREN, MUß SIE FÜHLEN. MASSIVE PHYSISCHE GEWALT ZUR DURCHSETZUNG DES MÄNNLICHEN GEWALTMONOPOLS
4 INTERVENTIONSM ÖGLICHKEITEN UND GEGENSTRATEGIEN GEGEN DAS MÄNNLICHE GEWALTMONOPOL
1 Einleitung
In den letzten Jahren ist das Problem der „Gewalt gegen Frauen“ in ihrem Ausmaß und ihrer Komplexität immer häufiger zum Gegenstand von Diskussionen geworden und im Rahmen emanzipatorischer Bestrebungen verstärkt in das öffentliche Bewußtsein ge(d)rückt.
Wenn über „Gewalt gegen Frauen“ gesprochen oder nachgedacht wird, tauchen in der Regel Bilder von Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Körperverletzung auf. Zu diesen Bildern gehört auch, daß diese Gewalt von Männern an Frauen ausgeübt wird. In der allgemeinen öffentlichen Darstellung, wird Gewalt gegen Frauen in aller Regel auf den Bereich der physisch angewendeten beschränkt. In einer Untersuchung der Zeitschrift „Brigitte“1, ergab 1981 eine Befragung von 4200 Sekretärinnen, daß 59 % sich an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt fühlen. Das dabei die hierarchische Beziehung eine Rolle spielt, zeigen folgende Untersuchungen von INFAS und SFS zum gleichen Thema: Bei 52 %/50 % (IN- FAS[Mehrfachnennungen]/SFS) war es ein gleichgestellter Kollege, in 37 %/29 % der Vorgesetzte, 11 %/13 % Kunden/Klienten/Patienten und in 6 %/1 % ein der Frau unterstellter Mitarbeiter.2 In 87 %/92 % der Fälle ging der Gewaltakt also von einem der Frau gegenüber in einer gleichgestellten oder in einer Abhängigkeit bildenden Position befindlichen Mann aus.
Dies gibt uns einen ersten Hinweis darauf, daß männliche Gewalthandlungen gegen Frauen nicht alleine Folge einer individuellen, unkontrollierten und aggressiven Handlung sind sondern im Zusammenhang stehen mit den Positionen von Individuen innerhalb gesellschaftlicher Sturkturen. Bei einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen“ ist die Frage zu stellen, ob alleine der Einsatz körperlicher Zwangsmittel als Gewalt anzusehen ist, oder ob sich Gewalt nicht auch in anderen Formen äußert.
Um diese Frage zu beantworten soll zunächst eine Definition für den Begriff „Gewalt“ formuliert werden und dargestellt werden, daß es in unserer Gesellschaft ein männliches Gewaltmonopol gibt. Vor diesem Hintergrund werden dann drei „Gesichter“ der Gewalt beschrieben und zum Schluß der Versuch unternommen Lösungsansätze und Gegenstrategien zu beschreiben.
2 Gewaltbegriff und strukturelle Verankerung
2.1 Was ist Gewalt ? - Versuch einer Definition
Erfahrungsberichte von Frauen zeigen, daß fast eine jede bereits männlicher Gewaltausübung ausgesetzt war. Die meisten Untersuchungen beziehen sich aber lediglich auf die Anwendung physischer Gewalt. Die versteckten, untergründigen, noch viel schwerer erfaßbaren Formen männlicher Gewaltanwendung bleiben in der Regel unberücksichtigt. Es wäre aber falsch, sie deshalb als weniger ernstzunehmende Formen von Gewalt anzusehen.
Bei Gewalt im direkten Verhältnis von Menschen denken wir in der Regel an körperliche, besser gesagt physische Gewalt. Also an Schlägereien, Bombenanschläge, Kämpfe, Brandstiftung, Schießereien o.ä. Nach Wahrig Deutsches Wörterbuch ist aber Gewalt mehr: „Zwang, (rohe) Kraft, unrechtmäßiges Vorgehen; Macht, Befugnis zu herrschen; Obrigkeit, Machtbereich, Gewahrsam; Heftigkeit, Wucht, Ungestüm, Anwendung großer Kraft“3 Einen weiteren Hinweis finden wir im Duden Synonym -Wörterbuch. Dort wird für Gewalt auch „Zwang, Willkür“ als Synonym bezeichnet.4 Ähnlich an anderer Stelle in der Gewalt als „allg. Zwang, unrechtmäßiges Vorgehen“5 definiert wird.
Schon aus diesen Standarderklärungen wird deutlich, daß nicht nur die Ausübung physischer Gewalt als solche unter Gewalt zu verstehen ist, sondern Gewalt letztlich jede Handlung einschließt, die einer ande- ren/einem anderen gegen ihren/seinen Willen zur Vornahme oder Duldung einer Handlung veranlaßt oder veranlassen soll, nichtphysische, also psychische Gewaltakte sind eingeschlossen. Bei der Ausübung von Gewalt spielt die eingebildete oder tatsächliche „Befugnis zu herr(!)schen“ eine nicht unerhebliche Rolle. Der Soziologe Johan Galtung: „Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktu- elle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung.“6 Strukturelle Gewalt, heißt danach der Typ von Gewalt, bei dem die Beeinflußung nicht alleine von einem handelnden Subjekt ausgeht, sondern im gesellschaftlichen System eingebaut ist. Dies äußere sich in ungleichen Macht- und Besitzverhältnissen und davon abhängig, in ungleichen Lebenschancen. In diesem Sinne ist Gewalt im Rahmen dieser Arbeit definiert.
2.2 Strukturelle Gewalt gegen Frauen - das männliche Gewaltmonopol
Dem in der Regel auf das Individuum Mann gerichteten Blick ist ein Gewaltbegriff entgegenzusetzen, indem die strukturelle Verankerung von Gewalt gegenüber Frauen hervorgehoben wird. Nach diesem Ansatz liegt strukturelle Gewalt dann vor, wenn die individuelle Gewaltanwendung des Mannes in der Gesellschaft bis zu einem bestimmten Punkt toleriert wird. Und wenn zum anderen, die gesellschaftlichen Bedingungen direkt zur Benachteiligung von Frauen führen.7 Ähnlich auch Galtung: „Gewalt mit einer klaren Subjekt- Objekt-Beziehung ist manifest, weil sie als Aktion sichtbar ist . [...] und sie ist personal, weil Personen da sind, die Gewalt anwenden. [...] Gewalt ohne die Beziehung ist strukturell, in die Struktur eingebaut.“8
Gewalt gegenüber Frauen äußert sich demnach „auch in Form von Rollenzwängen, emotionaler Ausbeu- tung, Verfügbarkeit, in Form von intellektuellem Verleugnen, Umdefinieren, Entmündigung, Entmachtung“9.
Strukturelle Gewalt befindet sich also in den Normen unserer Kultur, wird ausgedrückt in unseren Instituti- onen und in verhafteten Rollenklichees, so wie sie von Männern definiert werden. Sie äußert sich Frauen gegenüber in der Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, in ökonomischer Abhängigkeit und Benachteili- gung.
Die Verfassung unseres Landes, das Grundgesetz bestimmt in den Art. 3 (2) und 6 (1) zweierlei: „Männer und Frauen sind Gleichberechtigt“ und „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“10. Bei genauerer Betrachtung ist aber festzustellen, „daß dieser besondere Schutz der staatlichen Ordnung hauptsächlich dem Ehemann gilt:
- Das Strafgesetzbuch läßt einen Vergewaltiger straflos, wenn die Frau, die er vergewaltigt hat, mit ihm verheiratet ist.
- Die überwiegende Mehrheit der verheirateten Männer geben ihren Namen an die gemeinsamen Kinder weiter. Die Namen der Frauen verschwinden Der mütterliche Name ist im allgemeinen für die nachfolgende Generation ausgelöscht;
- Die meisten Frauen verlieren mit der Eheschließung ihre finanzielle Eingenständigkeit, spätestens dann, wenn sie Kinder haben. In den alten Bundesländern sind kaum 15 Prozent der verheirateten Frauen in der Lage, sich selbst zu ernähren; die meisten Frauen können es auch dann nicht, wenn sie erwerbstä- tig sind.“11
Eine Konsequenz ist, daß sich die größtenteils noch heute gültige Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern endgültig durchgesetzt hat. Die Arbeit des Mannes besteht in erster Linie in der ausserhäuslichen Berufstätigkeit, die Arbeit der Frau ist in erster Linie auf Haushalt und Kindererziehung beschränkt.12
1886 Jahren lag der Anteil der Frauen an allen Erwerbstätigen bei 29,2 %, 1986 - 100 Jahre später - um sage und schreibe 9 % höher, bei 38,2 %.13 Rund 56 % aller erwerbstätigen Frauen sind im Dienstleis- tungssektor beschäftigt. Nach wie vor verfügen Frauen über geringere Einkommen als Männer: In der In- dustrie erzielen vollzeitbeschäftigte Arbeiterinnen lediglich 70 %, in Handel und Industrie erzielen weibli- che Angestellte nur 64 % der durchschnittlichen Männerverdienste. Zu den Ursachen zählen u.a. der schlechtere Zugang zu Führungspositionen, Tätigkeiten ohne tarifliche Zuschläge und Lohndiskriminierun- gen wegen des Geschlechts. Bedingt durch erziehungsbedingte Berufsunterbrechungen werden Ver- dienst- und Aufstiegsmöglichkeiten weiter verschlechtert, da Frauen damit häufig auf die Rolle der „Zuver- dienerin“ festgelegt werden.14 Damit ist eine wesentliche strukturelle Abhängigkeit von Frauen gegenüber Männern beschrieben. Männer besitzen eher die Möglichkeit ökonomisch unabhängig zu agieren.
Es ist festzuhalten: Männlich - weibliche Macht(Gewalt)beziehungen in unserer Gesellschaft sind das Ergebnis der sozialen Organisation von Tätigkeiten im Haus und in der Gesellschaft. Macht(Gewalt) kann also als die Fähigkeit interpretiert werden, die Wirklichkeit zu definieren und die eigene Vision der Welt in Situationen durchzusetzen. Aber Macht (Gewalt) ist nicht eine abstrakte Kraft, die auf Menschen einwirkt. Sie ist Leistung, etwas das Personen in konkreten Handlungssituationen tun.15 Indem Männer den Stereotyp Frau definieren können und die Beziehung, in der sie zu dieser oder jener Frau stehen, üben sie Macht aus. Definitionen erhalten ihren Macht- oder Gewaltcharakter dadurch, daß ihre Grundlagen nicht überprüfbar sind, wenn nicht offengelegt wird weshalb etwas so oder anders definiert wird.16
„So dürfen Männer aggressiv sein, sie dürfen für ihre Ziele kämpfen, sie dürfen sich im Extremfall schlagen, und sie haben sogar eine Form der Auseinandersetzung eingerichtet, die es ihnen erlaubt, sich gegensei- tig unter Einbezug von Unschuldigen zu töten. Männern und in extenso Jungen wird das Recht auf Aggres- sivität zugestanden, sei es physische oder verbale Aggressivität. Aggressivität bei Männern wird positiv be- wertet, fehlende Aggressivität zählt als Defizit. Frauen dagegen ist es versagt, ihre Aggressionen ... direkt und offen auszudrücken.“17 Aggressive Frauen, gelten danach als unattraktiv und nichtfeminin. Wird eine Frau nicht als Frau akzeptiert, wird sie nicht ernstgenommen. Die Bestrafung für aggressives weibliches Verhalten findet auf doppelter Ebene statt: Diffamierung als Frau und Diskreditierung als Partnerin. Da Frauen um das Ausmaß der Bestrafung wissen, halten sie sich im allgemeinen an das Verbot und däm- men ihre aggressiven Neigungen mit den psychologischen Konsequenzen, selbstzerstörerische Sympto- me aller Art zu entwickeln bis hin zu phys ischen und psychischen Krankheiten.18
So wie staatlicherseits ein Gewaltmonopol durch Polizei, Justiz und Militär realisiert ist, besteht offensichtlich in den Beziehungen der Geschlechter ein männliches Gewaltmonopol. Das Gewaltmonopol wird gestützt durch die ökonomische, rechtliche und soziale Vorrangstellung von Männern.
3 Gesichter der Gewalt - Auswirkungen
Vor dem oben beschriebenen gesellschaftlichen Hintergrund struktureller Gewalt stellen sich einzelne Formen unterschiedlich dar, z.B. durch geringere Bezahlung für gleichwertige Arbeit, schlechtere Qualifizi e- rungs- und Aufstiegsmöglichkeiten im Beruf; Frauen werden `in ihrem Wert´ (also Marktpreis?) nach ihrem Äußeren - Kleidung, Make-up, Figur - beurteilt und nicht selten körperlich angegriffen. Im Folgenden will ich drei „Gesichter“ dieser Gewalt darstellen. Diese Darstellungen sind weder umfassend, noch decken diese alle Formen männlicher Gewaltausübung ab.
Jede der beschriebenen Gewalttaten erscheint im Einzelfall als individuelle Handlung. Sie wären aber o h- ne das beschriebene männliche Gewaltmonopol, nicht in dieser Massierung denkbar.
3.1 Wenn Männer sprechen - oder der verbale Knüppel
Sprache als Gewaltmittel
Sprache ist als Mittel der Kommunikation abhängig von der Situation in der sie gebraucht wird. Eine solche Situation stellen Gespräche dar, an denen Männer und Frauen beteiligt sind. In solchen Gesprächen trumpfen Männer auf, sie machen sich gerne größer. Deutlich wird dies überall. In Diskussionen, in Lehrgängen, in Zwiegesprächen. Unsere Sprache wird aber auch geprägt durch das was wir lesen oder nachschlagen. Hierfür einige Beispiele:
In den meisten Lexika kam bis vor kurzem das Wort „Sexismus“, als abwertendes männliches Verhalten gegenüber Frauen, nicht vor. Der Begriff Feminismus, die Bestrebung, in allen gesellschaftlichen Bereichen eine faire Behandlung für Frauen zu erreichen, wird überwiegend falsch definiert19 und als „weibisches Wesen beim Mann“20, „weibisches Wesen beim Mann (bes. Homosexuellen)“21 oder „1) weibisches Wesen. 2) Bestrebungen, den Einfluß der Frau auf Staat, Gesellschaft und Geistesleben zu verstärken.“22 beschrieben und als etwas negatives dargestellt.
Dafür sind aber eine Auswahl anderer Begriffe durchaus aufgeführt: Sexbiene, -bombe, -puppe usw. Die Gewalt besteht darin, daß hier nur Frauen als Sexualobjekt angesehen werden.23
Die Linguistin Senta Trömel-Plötz beschreibt männliche Gewaltakte am Beispiel Sprache so: „...häufig ist das Instrument der Vermittlung dieser geistigen Gewaltakte die Sprache. Mit Hilfe von sprachlichen Äuße- rungen, durch Sprechen, wird hier anderen Gewalt angetan, denn wir handlen indem wir sprechen. Solche Sprechhandlungen, in den verbal Gewalt angewendet wird, sind z.B. Beleidigung, Beschimpfung, Verleum- dung, Diskreditierung, Herabminderung, Mißachtung, Abwertung, Ignorieren, Lächerlichmachen bis hin zur Demütigung und zum Rufmord.“24
Eine Untersuchung von Pamela A. Fishman in 197825 hat die Dominanz männlicher Gesprächsbeteiligung hervorgehoben. Die Untersuchung lief darauf hinaus, Zwiegespräche zwischen EhepartnerInnen aufzuzeichnen und auszuwerten.
In zwölf aufgezeichneten Gesprächsstunden wurden 76 eingebrachte Gesprächsthemen gezählt. Davon initiierten Frauen 47, Männer 29 Themen. Bei den von Frauen eingeführten Themen, wurden siebzehn tatsächlicher Gesprächsinhalt. D.h. dreißig mal hatten es die männlichen Gesprächs“partner“ geschafft, das Thema zu wechseln oder das Gespräch abzubrechen. In direkter Diskrepanz dazu stehen die Gesprächserfolge der Männer. Diese schafften es in 28 der 29 Fälle ihr Thema durchzusetzen. Dabei war ein Zusammenhang mit dem Gesprächsthema nicht zu konstatieren, da diese durchaus ähnlich waren. Z.B. ein Zeitungsartikel, ein Tagesereignis, Bekannte, die Arbeit. Ein weiteres Ergebnis dieser Aufzeichnung bestand in der Feststellung, daß Männer für die Fortführung der von Frauen initiierten Gespräche wenig tun, bzw. ihren Gesprächs“partnerinnen“ nicht zuhören.
Eine andere Form verbaler männlicher Gewalt, die in vielen Diskussionszusammenhängen zu beobachten ist, besteht darin, Frauen bei Versprechern sofort zu verbessern, sie zur Erläuterung zu unterbrechen, ihnen „auf die Sprünge zu helfen“ oder gar im Nachgang zu ihren Äußerungen diese für die interessierte oder uninteressierte Allgemeinheit erklärend zu kommentieren.
Männern wird dagegen in der Regel Zeit gegeben sich zu verbessern, oder der Versprecher wird übergangen, da bekannt ist was gemeint war.
Die Frauen im AStA der Uni Osnabrück beschreiben dies so: „Wir können aus unserer Erfahrung in der politischen bzw. hochschulpolitischen Arbeit ... bestätigen, daß gerade linke, grüne, alternative Männer Schwierigkeiten haben, mitarbeitende Frauen als gleichwertig zu behandeln. Zwar kein `Angrapschen´, aber verbale Anmache: ergreift eine Frau auf einer männerdominierten Sitzung das Wort, kann sie sicher sein, daß das Gesagte von einem Mann wiederholt wird. Auf eine Frau hört keiner. Dumme Sprüche zu notwendiger Frauenarbeit - häufige `Sekretärinnenwitze´ etc., etc “26
In der gleichen Quelle berichtet ein weibliches Betriebsratsmitglied, über die Teilnahme an einer gewerkschaftlichen Schulung, folgendes: „Ich war total entsetzt, weil ich davon ausgegangen bin, daß die Betriebsräte auf einer Schulung engagiert sind, Daß das nun die Negativauslese der Nation ist, das war für mich total überraschend. Das erste, was passiert ist, daß man sofort angefangen hat, Witze zu erzählen, und die wurden immer schlimmer. Der Höhepunkt ist immer so, daß das Wort Schwanz oder Ficken vorkommt Aber dann gab es auch solche über Frauenmenstruation. Das war die Grenze. Das ging eine Woche lang.“27 Aus meiner persönlichen Erfahrung als Leiter gewerkschaftlicher Seminare, kann ich nur bestätigen, daß die o.zit. Darstellung keinen Einzelfall beschreibt.
Ein weiteres Mittel verbaler Gewaltanwendung durch Männer besteht darin, fehlende Argumente, durch Schreien in Verbindung mit Beleidigungen zu ersetzen.
Die Gewaltanwendung gegenüber Frauen geschieht nach Senta Trömel-Plötz aufgrund der Machtausübung der Männer durch Unterdrückungsgesten gegenüber Frauen.28 „Die Gewalt besteht darin, daß damit ein Bild geschaffen wird von der total unwissenden und intellektuell unfähigen Frau, die nicht in Frage kommt, als ernste Gesprächspartnerin.“ Und „..., daß dieses Bild Wirklichkeit wird in den Köpfen der Männer, mit der wir <die Frauen d.V.> dann konfrontiert werden in jeder Unterhaltung mit einem Mann. Dieses Bild in den Köpfen der Männer wird dann immer weiter bestätigt und verstärkt durch ähnliche sexistische Texte, Bilder und Witze, die in die gleiche Kerbe hauen.“29
Im Ergebnis wird damit ein gesellschaftlich toleriertes, wenn nicht akzeptiertes Bild von Frauen geschaffen, daß der Aufrechterhaltung des männlichen Gewaltmonopols nur nützen kann.
3.2 Wenn Männer `lieben ´ - oder die fürsorglichste Art gemein zu sein. Ü ber Formen psychischer Gewaltanwendung
In der Einleitung wurde im Rahmen der Definition des Gewaltbegriffes geschrieben, daß bei der Anwendung von Gewalt, die eingebildete oder tatsächliche Befugnis zu herrschen eine nicht unerhebliche Rolle spiele. Gewalt die sich nicht offensichtlich äußert, sondern subtil gegen die Persönlichkeit, die Psyche von Frauen gerichtet ist stützt sich auf diese strukturbedingte Herr(!)schaftsrolle. Sie dient ihrer Bestätigung, Aufrechterhaltung, Festigung und Durchsetzung.
Psychische Gewalt manifestiert sich in indirekter Weise z.B. durch Verhaltensweisen wie nichthören, absichtliches Mißverstehen, Vergessen wichtiger Angelegenheiten u.a.30 Oft tritt diese Gewaltform höflich verpackt als Ignoranz auf. In einer der wenigen Untersuchungen in denen seelische Gewaltanwendung mit erhoben wurde, sprachen 41 % der Frauen ausdrücklich von seelischer Mißhandlung. Fast alle diese Frauen wurden isoliert, bevormundet, kontrolliert, für „geistig beschränkt“ erklärt, terrorisiert, eingesperrt und dadurch zur Unterwerfung gezwungen.31
In dem Buch „Aggressionsopfer Frau“ kommt Margit S. zu Wort. Diese Schilderung soll hier Auszugweise, inhaltlich sinngemäß wiedergegeben werden, um deutlich zu machen wie psychische Gewalt angewendet wird. Der Bericht von Margit S. steht hier stellvertretend für viele ähnliche Erfahrungsbeschreibungen. Margit S. ist 34 Jahre alt, Ausbildung auf einer Sprachenschule, zwei Kinder, zwölf Jahre verheiratet, in Scheidung lebend.
Margit S. mußte schon mit 14 Jahren die Verantwortung für ihre beiden jüngeren Geschwister übernehmen und neben der Schule arbeiten weil das Gehalt ihrer Mutter nicht ausreichte. Im Rückblick auf ihre Jugend kann sie sich kaum an positives erinnern. Was ihr einfällt sind Arbeit, Sorgen um die Geschwister, Schläge, in den Keller gesperrt zu werden. Margit S.: „Deshalb war ich auch immer auf der Suche nach jemanden, der mich liebt, der mich da rausholt. Ich wollt alles besser machen. Mit 17 lernte ich dann meinen späteren
Mann kennen Aus dem Haus gehen, bedeutete eben für mich heiraten. Auf eigenen Beinen zu stehen, das traute ich mir nicht zu Als ich schwanger war, haben wir geheiratet.“ Die Unterdrückung durch ihren Mann bekam Margit S. sehr bald zu spüren. Es fing mit kleinen Dingen an. Kleidung und Frisur, Margit S. wurde ständig kontrolliert. Wenn sie nicht genau so aus sah wie er es wollte, wurde sie „fertiggemacht“. Unter Bekannten wurde sie öffentlich drangsaliert: „Kämm dich, sitz gerade!“. Ihm waren Äußerlichkeiten besonders wichtig. Er hat bestimmt, welche Mode sie zu tragen hat, wie die Frisur auszusehen hat, daß die Fingernägel immer lackiert sind. Geringste Selbstbestimmung wurde sofort attackiert: „Wie siehst Du denn aus? Man schämt sich ja mit dir. Kein Mensch läuft rum wie du.“ Gleichzeitig achtete er darauf immer einen Schritt voraus zu sein, „eine Idee schicker als ich.“
Andererseits war Margit S. ihm in vielen Dingen überlegen. Sie erledigte alles was ihm unangenehm war. Telefonate führen, Geschäftsbriefe schreiben, was er für sich ausnutzte. „Wahrscheinlich hat ihn diese Un- terlegenheit auch in seinem männlichen Stolz getroffen.“ Kleinere Auflehnungsversuche kamen nie richtig zum tragen. Margit S. fühlte sich „ absolut unfähig, wertlos, unselbständig In dieser Hinsicht habe ich meine Persönlichkeit fast völlig aufgegeben, ich funktionierte da einfach.“ Verstärkt wurde dies durch den Freundeskreis. War die Anpassung nicht vollständig gelungen wurde der Mann gefragt, wie er denn seine Frau anziehe? Als Margit S. wieder erwerbstätig wurde, verwendete er das von ihr verdiente Geld für seine Statussymbole. Autos, Reihenhaus, teure Einrichtungsgegenstände, teure Urlaubsfahrten. Ihre Zuständig- keit beschränkte sich auf Haushalt und Kindererziehung. „Da war ich gut, da bewunderten sie mich.“
Ihre Ehe hofft sie mit der Geburt eines weiteren Kindes zu retten. Margit S. berichtet, daß sie nie jemanden besaß mit der sie sich aussprechen konnte. „Er hat es fertiggebracht, mich völlig abzuschirmen. Alle Leute, die ich mochte, hat er mir vermiest, hat sie schlechtgemacht.“ Er machte sich unterschwellig lächerlich ü- ber Menschen die ihm nicht gefielen. Im Laufe der Jahre übernahm Margit S. seine Meinung völlig. Margit S. „war am Ende überhaupt nicht mehr fähig, einen eigenständigen Gedanken zu fassen, ich hab alles nur noch mit seinen Augen gesehen.“ Der anfänglich noch gemeinsame Freundeskreis löst sich auf. Ihre Be- kannten entfernten sich, weil sie diese Entwicklung „nicht mehr mit ansehen konnten“ oder wollten(?),
Margit S. berichtet, daß er sie nicht geschlagen habe. Dies wäre auch nicht notwendig gewesen, da sie sowieso gemacht habe was er wolle. Er hatte ein anderes Mittel. Am Schluß der Beziehung, habe er faßt jeden Abend bis in die Nacht, Freundinnen beschimpft oder ihre Mutter schlecht gemacht. „Die große Ver- söhnung lief dann natürlich über Sexualität, obwohl ich daran weder Spaß noch irgendeine Einstellung dazu hatte.“
Für Margit S. waren Mann und Kinder der Lebensinhalt. Etwas anderes gab es nicht. Andere Beziehungen zu Menschen kannte sie nicht und hat sie nicht erfahren. Ihre Wünsche, sehnsüchtig und Hoffnungen waren unklar und ungenau. „Ich habe wie hinter einem Schleier gelebt.“
Als der Wunsch nach Veränderung übermächtig wird, läßt sie sich scheiden. Aber noch danach fühlt sie sich alleingelassen mit den Kindern und völlig deprimiert. Die Aufnahme eines Studiums hilft ihr wieder Kraft und Selbstbewußtsein zu erhalten.32
An dem vorgenannten Beispiel werden verschiedene Ausprägungen psychischer Gewaltanwendung deutlich. Der Mann isoliert seine Frau. Sie wird für ihn zum Statussymbol, ähnlich seinem blankgeputzten Wagen, zur Hebung seines öffentlichen Ansehens. Ihre Rolle beschränkt sich neben seiner Dekoration, auf die Erfüllung von Dienstleistungsfunktionen die sein Leben erleichtern. Die Frau wird zum Besitz, zum Eigentum. „Es ging eigentlich nur um mich, daß er mich als seinen Besitz angeschaut hat. Daß ich jederzeit zur Verfügung war, ob als Schreibkraft, ob als Hausfrau, ob als Mutter für die Kinder, ob für ihn, ich hatte für ihn da zu sein.“33 beschreibt eine andere Frau ihre Erfahrung.
Weitere Formen psychischer Gewaltanwendung bestehen darin, Sorgen, Wünsche und die Geltendmachung von Forderung durch Frauen, nicht ernst zu nehmen, ihnen mit einem ironischen Lächeln oder offenem Desinteresse zu begegnen.
Eine wesentliche Rolle spielt, wie auch im Beispiel der Margit S. schon angedeutet, die wirtschaftliche Abhängigkeit. In der bereits zitierten Untersuchung von Dr. Carol Hagemann-White u.a., gaben 10 % der befragten Frauen an, ihnen sei eine Erwerbstätigkeit verboten wurden. Die in dieser Studie erhobenen Daten, weisen auch eine eindeutige männliche Verfügungsgewalt über alle finanziellen Mittel aus, unabhängig davon ob sie die Hauptverdienerin ist. „ Die Bestimmungsmacht des Mannes äußert sich dann besonders verheerend, wenn die Frauen gezwungen werden, Kredite für den Mann aufzunehmen oder sich für ihn zu verbürgen, damit er sich ...[etwas ] ... kaufen kann, wovon die Frau letztlich nichts weiter hat, als jederzeit für den Schuldenberg verantwortlich gemacht werden zu können.“34
Viele Frauen haben wegen dieser ökonomischen Abhängigkeit Angst, sich aus der Beziehung zu lösen und geraten so über die wirtschaftliche in die seelische Abhängigkeit. Das meint, Männer nutzen ihre ökonomische Herrschaftsrolle um Frauen zu suggerieren, daß sie alleine nicht existieren könnten. Die daraus resultierende seelische Unterwerfung macht die Abhängigkeit komplett. Auf diesem Zusammenhang basiert das gesamte patriarchische System in der Familie und im Arbeitsleben.
3.3 Will sie nicht hören, mußsie fühlen.
Massive physische Gewalt zur Durchsetzung des männlichen Gewaltmonopols Die innere Logik eines Gewaltmonopols bedeutet, daß im Falle der Nichtanerkenntnis oder des Infrage- stellens, die Inhaber zur Sicherung ihres Gewaltmonopols auch physische Gewalt anwenden. Art und Umfang aggressiver, massiver physischer Gewaltanwendung gegen Frauen, ist Gegenstand einer großen Anzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen geworden. Dennoch wird bei Gesprächen über diese Thematik, besonders in der männlichen Diskussion, häufig so getan als handele es sich dabei um ein Randproblem. Eine häufig, insbesondere von Männern, geäußerte Auffassung besagt, sicherlich käme es vor, daß Frauen geschlagen, getreten oder vergewaltigt würden, aber das wären immer noch Einzelfälle.
Forschungsergebnisse haben gezeigt, daß jährlich jede 40. Frau vergewaltigt wird, Es muß jedoch davon ausgegangen werden daß jährlich etwa 200.000 Mädchen und Frauen (bezogen auf Westdeutschland) sexuell mißbraucht werden.35 Auch meine persönlichen Erfahrungen aus Gesprächen mit Frauen, die keinen empirischen Anspruch erheben, über körperliche Gewaltanwendung, besagen, daß die überwiegende Mehrheit der Gesprächspartnerinnen, vergewaltigt, sexuell genötigt, geschlagen oder sonstwie körperlicher Gewaltanwendung durch Männer ausgesetzt wurden ist. Die allgemeine männliche Einschätzung über das Ausmaß körperlicher Gewalt ist also offensichtlich unrichtig.
Besonders deutlich wurde die Diskrepanz zwischen dem was Männer zuzugeben bereit sind, und was Frauen berichten, in einer repräsentativen, anonymen Umfrage des FORSA-Institutes, die 1986 in der Zeit-schrift „Kölner“ zum Thema sexueller Perversionen, veröffentlicht wurde. Auf die Frage ob Notzucht als Perversion betrachtet werde, bestand zwischen Frauen und Männern noch Einigkeit. Beide antworteten jeweils zu 99% mit „Ja“. Bei der Frage an Frauen ob sie bereits Opfer von Vergewaltigung geworden seien antworteten 29 % mit „Ja“. Die Frage an Männer ob sie bereits versucht hätten den `Beischlaf´ zu erzwingen, oder bereits `Beischlaf´ erzwungen hätten, wurde von 100% der Befragten verneint.36
Vergewaltigung ist die perfideste Form von männlicher Machtausübung. Sie ist Ausdruck eines männlichen Besitzanspruches über den Körper und das Leben von Frauen. Vergewaltigung verletzt nicht nur den Kör- per, sie verletzt auch nicht allein die Psyche. Vergewaltigung verletzt die komplette Persönlichkeit einer Frau. Nach einer Untersuchung des „Weißen Rings“ bleiben bei 80% der weiblichen Opfer von Vergewalti- gungen Langzeitschäden und bei ca. 10.9% bleibende Folgeschäden. Nur jede zehnte vergewaltigte Frau wird vor allem psychisch wieder gesund37 Nach der bereits Eingangs erwähnten Untersuchung des Krimi- nologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, ist jede siebte Frau in Deutschland (690.000) schon einmal Opfer sexueller Gewalt geworden, 93.1% dieser Frauen gaben an, langfristig unter Angstzuständen zu leiden.38
Körperliche Gewalt äußert sich aber nicht nur im Zwang zu sexuellen Handlungen. Die nachfolgenden Berichte von betroffenen Frauen sollen einen Einblick in die Bandbreite männlicher Gewalttaten geben.
„Ich wurde des Nachts geweckt, um die Sorgen und Probleme des Tages mit ihm zu besprechen. Dadurch habe ich mitunter nur zwei Stunden Schlaf gehabt.“
„er hat mich mit Drohungen eingeschüchtert, daß er mich umbringen will, und er hat mich zwei Stunden im Winter in Hühnerstall gesperrt, bei Eiseskälte; als ich schwanger ... war, stellt er mir den Fuß, ich fiel aufs Glatteis.“
„Ja, und zwar jeden Tag, ob ich wollte oder nicht, war ihm völlig egal,. Ich mußte eben und tat ich es mal nicht, gab es Prügel, Prügel ... praktisch Prügel bis zur Vergasung.“39
„Er hat uns geprügelt mit allem, was gerade da war, mit den Stiefeln, mit Milchflaschen, mit einem Blech- eimer.“40
„Und dann wurde er eben gewalttätig. Wenn ich mich nicht ganz so verhielt, wie er das wollte, dann schlug er eben zu. Er zog mich an den Haaren, schubste mich weg.“41
In einer Untersuchung von J.J. Gayford, 1975 wurden typische physische Gewaltformen in Paarbeziehungen untersucht. Bei einhundert untersuchten Frauen stellte Gayford fest:
42 wurden mit einer Waffe angegriffen
59 wurden getreten
17 wurden mit Messern oder zerschlagenen Flaschen und heißer Flüssigkeit angegriffen
19 mal gab es Erwürgungsversuche
8 mal wurde ein Gürtel mit Schnalle verwendet was folgende Verletzungen zur Folge hatte:
44 Riß- und Fleischwunden
11 Verbrennungen
24 Nasenbeinbrüche
8 andere Frakturen
4 Verrenkungen42
Die aufgeführten Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Zur Beschreibung der Dimension männlicher Gewaltanwendung genügen aber die aufgeführten. Regelmäßig waren die Ursachen dieser Gewalttaten, die männliche Auffassung, die Frauen hätten sich entgegen ihren Erwartungen verhalten oder das Gefühl ihre „männliche Autorität“ sei mißachtet worden.
4 Interventionsmöglichkeiten und Gegenstrategien gegen das männliche Gewaltmonopol
Die dargestellten Formen gewalttätiger Lebensäußerungen gegenüber Frauen und deren Auswirkungen zeigen, daß der Begriff Gewalt in den Geschlechterbeziehungen nicht alleine auf direkte physische Formen beschränkt werden kann. Das massive Ausmaß in dem die verschiedenen „Gesichter“ männlicher Gewalt- tätigkeit auftreten, lassen den Schluß zu, daß es sich hierbei nicht alleine um individuelles Fehlverhalten handeln kann.
In der hier bearbeiteten Literatur beziehen sich Interventionen und Gegenstrategien in der Hauptsache auf konkrete körperliche Gewaltanwendung gegen Frauen. In der Mehrheit handelt es sich dabei um therapeutische, damit individualisierte Ansätze. Überlegungen zur grundsätzlichen Überwindung des Problems wie oben beschrieben fanden sich keine.
Gezielte Maßnahmen zur Reduzierung von Gewalt gegen Frauen wurden erst in den letzten Jahren entwickelt, so. daß derzeit keine umfassenden vergleichenden Untersuchungen zur Effektivität der verschiedenen Verfahren vorliegen.43
Dabei ist wesentlich, daß diese Verhaltensweisen für alle Beteiligten sichtbare und erstrebenswerte Kon- sequenzen mit sich bringen. Eine wesentliche Rolle für systemorientierte Veränderungsstrategien kommt den Massenmedien zu. Dabei ist wesentlich, die Darstellung und Förderung pro-sozialer Verhaltensweisen zu fördern. Hauptelemente jeder Förderung nicht-gewalttätiger gesellschaftlicher Kompetenzen sind die wiederholte Gestaltung verschiedener Reaktionsmuster, die Anleitung sowie Schaffung von Gelegenheit zur Einübung des veränderten Verhaltens und Vorkehrungen zu treffen für entsprechende Erfolgserlebnis- se. Nicht zu übersehen dabei ist, daß die bisherigen Rechtfertigungen für Gewalttaten zu revidieren sind.44
Individulle Wege um gegen einzelne Gewalthandlungen vorzugehen sollen hier nicht abgelehnt werden. Trotzdem erscheinen diese nicht ausreichend, da sie das Kernproblem, nämlich das vorhanden sein struk- tureller Gewalt nicht beseitigen. Hierzu bedarf es gesellschaftlicher Strategien. Dabei stoßen wir auf ein Dilemma, daß erst aufgelöst werden kann wenn das männliche Gewaltmonopol allgemein in Frage ge- stellt wird. So lange dies nicht der Fall ist, reproduziert sich die Akzeptanz dieses Gewaltmonopol in den Köpfen und Handlungen von Männern und Frauen immer wieder auf´s neue. Diese Situation ist unbefriedi- gend.
Eine Änderung dieser, in der Gesellschaft strukturell bestehenden, Geschlechterdichotomie bedarf m.E. dennoch individueller Aktivitäten.
Wesentlich scheint mir zu sein, daß eine Änderung, auch der strukturell bedingten Verhaltensmuster, nur durch konkretes entgegengesetztes Verhalten geändert werden kann. Dies gilt für Frauen, aber insbeson- dere für Männer. Einmischung ist gefordert, wann und wo immer Männer sich gegenüber Frauen in den dargestellten Formen verhalten. Nur permanente Einmischung und Gegenwehr kann m.E. eine positive Veränderung herbeiführen. D.h. auch, zu erkennen, daß Gleichberechtigung nicht bedeuten kann, daß Frauen das selbe Recht zur Ausbeutung zustehe wie bisher Männern, sondern das Männer auf einen Groß-teil ihrer vermeintlichen Rechte insbesondere des Gewaltmonopols verzichten müssen. Diese Erkenntnis verlangt von Männern die aktive Bereitschaft zu Verhaltensänderung in fast sämtlichen Lebensbereichen. Hierzu gehört, daß Männer weiblicher Kritik an ihrem Verhalten aufgeschlossen begegnen und erkanntes Fehlverhalten dann auch zu ändern versuchen. Es reicht bei weitem nicht „dazu zu stehen“. In erster Linie ist die Auseinandersetzung mit männlichen Gewaltanwendungen, Aufgabe von Männern selbst. Die möglicherweise aufgegebene oder stark eingeschränkte Bereitschaft von Frauen, sich mit Männern auch noch helfend, als Discount-Therapeutin, zu belasten, sollte Männer an ihrer Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Verhalten und dem ihrer Geschlechtsgenossen nicht hindern.
Ver Literatur
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Zitiert nach „Übergriffe. Hrsg. „Die Grünen“ im Dt. Bundestag, S. 83, Rowohlt, 1984
2 ebenda S. 290
3 Wahrig-Deutsches-Wörterbuch, „Gewalt“, Spalte 1544, Bertelsmann Lexikon-Verlag, 1977
4 Der kleine Duden 3, ... Synonym-Wörterbuch..., „Gewalt“, S. 161, DUDEN-Verlag, 1990
5 Neues Taschenlexikon, Lutz Andron, „Gewalt“ 1, S. 65, Praesentverlag Heinz Peter, J. unbek.
6 Johan Galtung, Strukturelle Gewalt, S. 9, Rowohlt, 1975
7 Erika Neubauer u.a., Gewalt gegen Frauen: Ursachen und Interventionsmöglichkeiten, Schriftenreihe des BMJFFG. Band 212, S. 11/12, Kohlhammer, 1994
8 Johan Galtung, a.a.O. S.13
9 Pittner, Gewalt unter den Geschlechtern. In: Frauen für den Frieden (Hg.): Unsere tägliche Gewalt. S. 37 - 60 Basel 1983
10 Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 3 (2)/6 (1) , BGBl. 1, 1949 11Der Status „Ehemann“ bringt Vorteile, Frankfurter Rundschau vom 13.02.1993 12Roswitha Wiesniewski/Hermann Kunst, Handbuch für Frauenfragen, S. 52, BONN AKTUELL 1988
11 Der Status „Ehemann“ bringt Vorteile, Frankfurter Rundschau vom 13.02.1993
12 Roswitha Wiesniewski/Hermann Kunst, Handbuch für Frauenfragen, S. 52, BONN AKTUELL 1988
13 ebenda S. 56
14 ebenda S. 49
15 Pamela A. Fishman, Macht und Ohnmacht in Paargesprächen, in Senta Trömel-Plötz (Hrsg.), Gewalt durch Sprache, S. 127, Fischer, Die Frau in der Gesellschaft, 1986
16 Heidi Laufer/Constance Lotz, „Also wir müssen jetzt aufpassen, liebe Frau Struck“, in Senta Trömel-Plötz (Hrsg.), Gewalt durch Sprache, S. 251, Fischer, Die Frau in der Gesellschaft, 1986
17 Senta Trömel-Plötz, Gewalt durch Sprache, S. 16, Fischer, Die Frau in der Gesellschaft, 1986
18 ebenda, S. 17,
19 ebenda, S. 53; vgl. Roswitha Wiesniewski/Hermann Kunst, Handbuch für Frauenfragen, S. 168, BONN AKTUELL, 1988
20 Bertelsmann Fremdwörterlexikon, S. 189, 1975
21 Wahrig-Deutsches- Wörterbuch, Sp. 1274, Bertelsmann, 1977
22 Das große Fackel-Lexikon, S. 418, Fackel, 1975
23 Senta Trömel-Plötz, Gewalt durch Sprache, S. 17, Fischer, Die Frau in der Gesellschaft, 1986 24ebenda, S.50
24 Pamela A. Fishman, Macht und Ohnmacht in Paargesprächen, ebenda, S. 132 - 133,
25 Pamela A. Fishman, Macht und Ohnmacht in Paargesprächen, ebenda, S. 132 - 133,
26 Zitiert nach „Übergriffe. Hrsg. „Die Grünen“ im Dt. Bundestag, S. 75, Rowohlt, 1984
27 Zitiert nach „Übergriffe. Hrsg. „Die Grünen“ im Dt. Bundestag, S. 30, Rowohlt, 1984
28 Senta Trömel-Plötz, Gewalt durch Sprache, S. 57, wie vor
29 Senta Trömel-Plötz, Gewalt durch Sprache, S. 54, wie vor
30 Erika Neubauer u.a., Gewalt gegen Frauen: Ursachen und Interventionsmöglichkeiten, Schriftenreihe des BMJFFG. Band 212, S. 11, Kohlhammer, 1994
31 Carol Hagemann-White u.a., Hilfen für mißhandelte Frauen, Schriftenreihe des BMJFG, Band 124, S. 90, Kohlhammer, 1981
32 Susanne Lau u.a., Aggressionsopfer Frau, S. 40-44, Rowohlt, 1979
33 Carol Hagemann-White u.a., Hilfen für mißhandelte Frauen, Schriftenreihe des BMJFG, Band 124, S. 91, Kohlhammer, 1981
34 ebenda
35 Roswitha Wiesniewski/Hermann Kunst, Handbuch für Frauenfragen, S. 264, BONN AKTUELL 1988
36 KÖLNER ILLUSTRIERTE, Sonderteil „Was ist Pervers“, Februar 1986, K.I.Mediengesellschaft,
37 ebenda
38 Jede siebte Frau ist Opfer sexueller Gewalt, Charima Reinhardt in Frankfurter Rundschau, S. 1, 18.07.95
39 Carol Hagemann-White u.a., Hilfen für mißhandelte Frauen, Schriftenreihe des BMJFG, Band 124, S. 90/91, Kohlhammer, 1981
40 Susanne Lau u.a., Aggressionsopfer Frau, S. 13, Rowohlt, 1979
41 ebenda, S.32
42 ebenda, S. 86
43 Erika Neubauer u.a., Gewalt gegen Frauen: Ursachen und Interventionsmöglichkeiten, Schriftenreihe des BMJFFG. Band 212, S. 73, Kohlhammer, 1994
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Hauptthema des Textes?
Der Text befasst sich mit dem Thema Gewalt gegen Frauen, wobei der Schwerpunkt auf der strukturellen Verankerung von Gewalt und dem männlichen Gewaltmonopol in der Gesellschaft liegt.
Wie definiert der Text "Gewalt"?
Der Text definiert Gewalt nicht nur als physische Gewalt, sondern auch als jede Handlung, die jemanden gegen seinen Willen zu einer Handlung oder Duldung veranlasst. Dies schließt psychische Gewalt ein, die auf der eingebildeten oder tatsächlichen "Befugnis zu herrschen" beruht.
Was versteht der Text unter "struktureller Gewalt"?
Strukturelle Gewalt liegt vor, wenn die individuelle Gewaltanwendung des Mannes in der Gesellschaft bis zu einem bestimmten Punkt toleriert wird, und wenn die gesellschaftlichen Bedingungen direkt zur Benachteiligung von Frauen führen. Sie ist in den Normen, Institutionen und Rollenklichees unserer Kultur verankert.
Welche Beispiele für strukturelle Gewalt gegen Frauen werden im Text genannt?
Beispiele sind Rollenzwänge, emotionale Ausbeutung, Verfügbarkeit, intellektuelles Verleugnen, ökonomische Abhängigkeit und Benachteiligung. Auch Gesetze und soziale Normen, die Männer bevorzugen, werden als Beispiele angeführt.
Welche Formen von Gewalt werden im Text ausführlicher beschrieben?
Der Text beschreibt drei "Gesichter" der Gewalt: verbale Gewalt (Sprache als Gewaltmittel), psychische Gewalt (subtile Angriffe auf die Persönlichkeit und Psyche) und massive physische Gewalt.
Wie äußert sich verbale Gewalt gegen Frauen laut Text?
Verbale Gewalt äußert sich durch Abwertung, Ignorieren, Lächerlichmachen, Beschimpfungen, das Unterbrechen von Gesprächen, das Wiederholen von Äußerungen von Frauen durch Männer, sowie sexistische Witze und Kommentare.
Welche Beispiele für psychische Gewalt werden im Text gegeben?
Psychische Gewalt manifestiert sich in indirekter Weise z.B. durch Verhaltensweisen wie nichthören, absichtliches Mißverstehen, Vergessen wichtiger Angelegenheiten u.a.. Die Isolierung der Frau, Kontrolle über ihr Aussehen und Verhalten, wirtschaftliche Abhängigkeit und die Abwertung ihrer Fähigkeiten sind weitere Beispiele. Der Bericht von Margit S. dient hier als Beispiel.
Inwiefern spielt die wirtschaftliche Abhängigkeit eine Rolle bei Gewalt gegen Frauen?
Die wirtschaftliche Abhängigkeit macht Frauen anfälliger für seelische Unterwerfung, da Männer ihre ökonomische Herrschaftsrolle nutzen können, um Frauen zu suggerieren, dass sie alleine nicht existieren könnten.
Wie äußert sich physische Gewalt gegen Frauen laut Text?
Physische Gewalt umfasst ein breites Spektrum, von Schlägen und Tritten bis hin zu Vergewaltigungen und anderen sexuellen Übergriffen. Der Text betont, dass das Ausmaß körperlicher Gewalt oft unterschätzt wird.
Welche Interventionsmöglichkeiten und Gegenstrategien werden im Text erwähnt?
Der Text kritisiert, dass die meisten Interventionen und Gegenstrategien sich hauptsächlich auf körperliche Gewalt konzentrieren und oft individualisiert sind (therapeutische Ansätze). Er plädiert für systemorientierte Veränderungsstrategien, die pro-soziale Verhaltensweisen fördern und die Massenmedien einbeziehen. Der Text betont die Notwendigkeit, das männliche Gewaltmonopol in Frage zu stellen und individuelle Aktivitäten zu entfalten.
Welche Rolle spielen Männer bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen?
Der Text betont, dass Männer eine aktive Rolle bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen spielen müssen. Dies beinhaltet, sich in Situationen einzumischen, in denen Männer sich gegenüber Frauen in den dargestellten Formen verhalten, weiblicher Kritik aufgeschlossen zu begegnen, erkanntes Fehlverhalten zu ändern und auf einen Großteil ihrer vermeintlichen Rechte insbesondere des Gewaltmonopols zu verzichten.
- Quote paper
- Roman Scharwächter (Author), 1995, Gewalt gegen Frauen - und ihre Auswirkungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96455