Siegfrieds Schwertleite, das Siegesfest, die Doppelhochzeit von Kriemhild und Siegfried sowie Brünhild und Gunther, das Hoffest, Etzels und Kriemhilds Hochzeit wie auch Kriemhilds Rachefest: Es ist bei Weitem kein Zufall, dass derart viele Feste im „Nibelungenlied“ geschildert werden. Sie sind nicht nur Schauplatz der Handlung, sondern vielmehr eine dramaturgische Notwendigkeit, schafft jenes Siegesfest doch eine Begegnungsmöglichkeit zwischen Kriemhild und Siegfried ebenso zu Gunthers Gunsten wie seine Heirat mit Brünhild im Rahmen der Doppelhochzeit. Auch das Hoffest wird durch Brünhilds Absicht, Kenntnis über Siegfrieds tatsächlichen Rang bzw. seine Verbindung zu Gunther zu erlangen, ausgerichtet, wobei sich ihr Verdacht im Festverlauf zunehmend durch die – aus ihrer Sicht –völlig unpassenden höfischen Konventionen, die Siegfried entgegengebracht werden, bestätigt. Offenkundig reicht der Zweck der geschilderten Feste also weit über die allgemeinen ‚Feierlaune‘ oder vröude hinaus; dieser muss mehr noch im Kontext der höfischen Kultur verstanden werden, dienen die Festlichkeiten doch primär der Bildung, Bestätigung und Legitimation der feudalen Ordnung wie auch der politischen Machtverhältnisse, die durch höfische Feste und Zeremonien sichtbar gemacht werden.
Doch die gut dokumentierte und gesicherte Forschungslage zur höfischen Epik mit den prachtvollen Festen am Artushof, denkt man etwa an Hartmanns von Aue „Erec“ und „Iwein“ oder Wolframs von Eschenbach „Parzival“, steht im direkten Kontrast zu jener der Heldendichtung, die schlichtweg als inferior beschrieben werden muss. Vor diesem Hintergrund hat der vorliegende Essay zum Ziel, die großen höfischen Feste des „Nibelungenlieds“ zu untersuchen, wobei die wiederkehrenden Abläufe bzw. inhaltlichen Regelmäßigkeiten, ähnlich Ritualen, sowie deren Funktionen im Zentrum stehen sollen. Das Heldenepos erweist sich hinsichtlich der in den Feierlichkeiten dargestellten höfischen Elementen, wozu beispielsweise die edlen Kleider oder die zur Schau gestellten Tugenden wie êre und mílté, als sehr ergiebig und in weiterer Folge geeignet. Forschungsgegenstand bilden die fünf der insgesamt sechs Feste im „Nibelungenlied“; auf das letzte (Kriemhilds Rachefest vgl. NL 1387-2379 ) wird hingegen verzichtet, da dieses im direkten Vergleich zu den übrigen inhaltlich stark aus dem Rahmen fällt und sich daher als nicht repräsentativ für die Arbeit offenbart.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Historische Realität oder literarische Überhöhung?
3. Zur Terminologie des Festes
4. Abläufe der Feste im „Nibelungenlied“
4.1. Einladung
4.2. Vorbereitungen
4.3. Ankunft und Empfang
4.4. Festmahl
4.5. Unterhaltung
4.6. Beschenkung zum Abschied
5. Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Siegfrieds Schwertleite, das Siegesfest, die Doppelhochzeit von Kriemhild und Siegfried sowie Brünhild und Gunther, das Hoffest, Etzels und Kriemhilds Hochzeit wie auch Kriemhilds Rachefest: Es ist bei Weitem kein Zufall, dass derart viele Feste im „Nibelungenlied“ geschildert werden, die nicht nur Schauplatz der Handlung, sondern vielmehr eine dramaturgische Notwendigkeit sind, schafft jenes Siegesfest doch eine Begegnungsmöglichkeit zwischen Kriemhild und Siegfried ebenso zu Gunthers Gunsten wie seine Heirat mit Brünhild im Rahmen der Doppelhochzeit. Auch das Hoffest wird durch Brünhilds Absicht, Kenntnis über Siegfrieds tatsächlichen Rang bzw. seine Verbindung zu Gunther zu erlangen, ausgerichtet, wobei sich ihr Verdacht im Festverlauf zunehmend durch die – aus ihrer Sicht –völlig unpassenden höfischen Konventionen, die Siegfried entgegengebracht werden, bestätigt. Offenkundig reicht der Zweck der geschilderten Feste also weit über die allgemeinen ‚Feierlaune‘ oder vröude hinaus; dieser muss mehr noch im Kontext der höfischen Kultur verstanden werden, dienen die Festlichkeiten doch primär der Bildung, Bestätigung und Legitimation der feudalen Ordnung wie auch der politischen Machtverhältnisse, die durch höfische Feste und Zeremonien sichtbar gemacht werden.
Doch die gut dokumentierte und gesicherte Forschungslage zur höfischen Epik mit den prachtvollen Festen am Artushof, denkt man etwa an Hartmanns von Aue „Erec“ und „Iwein“ oder Wolframs von Eschenbach „Parzival“, steht im direkten Kontrast zu jener der Heldendichtung, die schlichtweg als inferior beschrieben werden muss. Vor diesem Hintergrund hat der vorliegende Essay zum Ziel, die großen höfischen Feste des „Nibelungenlieds“ zu untersuchen, wobei die wiederkehrenden Abläufe bzw. inhaltlichen Regelmäßigkeiten, ähnlich Ritualen, sowie deren Funktionen im Zentrum stehen sollen. Das Heldenepos erweist sich hinsichtlich der in den Feierlichkeiten dargestellten höfischen Elementen, wozu beispielsweise die edlen Kleider oder die zur Schau gestellten Tugenden wie êre und mílté, als sehr ergiebig und in weiterer Folge geeignet.1 Forschungsgegenstand bilden die fünf der insgesamt sechs Feste im „Nibelungenlied“; auf das letzte (Kriemhilds Rachefest vgl. NL 1387-23792 ) wird hingegen verzichtet, da dieses im direkten Vergleich zu den übrigen inhaltlich stark aus dem Rahmen fällt und sich daher als nicht repräsentativ für die Arbeit offenbart. Der Essay folgt in seiner inhaltlichen Gliederung einem sechsstufigem Ablauf (Einladung, Vorbereitung, Ankunft und Empfang der Gäste, Festmahl, Unterhaltungsformenund Beschenkung zum Abschied), nach welchem sich alle Feste richten, wobei damit einhergehende Themen wie Repräsentation oder höfische Ideal einen Einblick in die Kultur der adeligen Gesellschaft geben sollen. Als zentrale Sekundärliteratur, die maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beiträgt, muss Marquardts „Das höfische Fest im Spiegel der mittelhochdeutschen Dichtung“3 genannt werden, welche sich, ungeachtet des Erscheinungsjahres, durch eine einzigartige Herangehensweise auszeichnet: Die Autorin untersucht 31 literarische Quellen hinsichtlich der verschiedenen Elemente eines Festes in der mittelhochdeutschen Dichtung, vergleicht diese und bestimmt mithilfe von 33 historischen Annalen und Chroniken die jeweilige Realitätsnähe, die sich – wie das nächste Kapitel erläutern soll – als außerordentlich komplexe Angelegenheit erweist.
2. Historische Realität oder literarische Überhöhung?
In der Beschäftigung mit literarischen Festdarstellungen sieht man sich zunächst mit der Frage konfrontiert, inwieweit die Dichtungen mit der tatsächlichen Wirklichkeit der höfischen mittelalterlichen Feste übereinstimmen. Immerhin boten diese den Akteur*innen die seltene Gelegenheit, ihr Ansehen öffentlich zur Schau zu stellen, weshalb davon auszugehen ist, dass die Realität zu Gunsten des Prunks und der Repräsentation überhöht dargestellt wurde. Ein Umstand, der nicht nur bei Dichtungen, sondern auch bei zeitgenössischen Festberichten in Annalen und Chroniken zu vermuten ist, da mitunter die Interessen der jeweiligen Auftraggeber – im Falle des „Nibelungenlieds“ vermutlich jenen des Passauer Bischofs Wolfger von Erla – berücksichtigt werden mussten.4
Prinzipiell sind von Seiten der gegenwärtigen Forscher*innen zwei konträre Auffassungen in diesem Zusammenhang erkennbar: Während beispielsweise Bodensohn davon ausgeht, dass mittelhochdeutsche Dichtungen vielmehr die Idealität als die Realität darstellen, lehnt Laube diese Betrachtung ab und betrachtet sie „als Übermittlerin von kulturgeschichtlichen Fakten“5.6 Bumke betont zwar ebenso eine enge Verbindung zwischen Literatur und Wahrheit, erkennt aber wohl die Tendenz zur Idealisierung und Übertreibung an. Der Autor argumentiert den Wirklichkeitsbezug mit der Funktion der höfischen Literatur, die als Handbuch des Adels zu verstehen ist, war das Publikum an ‚deutschen‘ Höfen doch an der von Frankreich ausgehenden höfischen Kultur interessiert, weshalb Dichter auf eine genaue und aktuelle Darstellung der Einzelheiten bedacht waren. Dies zeigt sich mitunter in den über mehrere Seiten reichenden Schneiderstrophen, die mit großer Detailverliebtheit sowie mit einer differenzierten Fachterminologie Gewänder und Stoffe beschreiben, um die Zuhörer*innen über die französischen Modeneuheiten zu informieren.7 Wenngleich Literatur nicht als unmittelbares Abbild der Wirklichkeit, und schon gar nicht als historische Quelle, verstanden werden darf, so scheinen die Darstellungen höfischer Feste aus den genannten Gründen zumindest teilweise zutreffend und geben immerhin einen Hinweis darauf, in welchem Licht Herrschende gerne gesehen werden wollten.8 Zudem muss betont werden, dass von einer tatsächlichen Realität selbst beim Mainzer Hoffest nicht die Rede sein kann, da Feste stets außergewöhnlich bzw. irregulär waren und somit im Kontrast zum alltäglichen Leben standen, womit sich jene Frage der Wirklichkeit gewissermaßen wieder aufhebt.9
3. Zur Terminologie des Festes
Bevor konkret auf das „Nibelungenlied“ eingegangen wird, sei vorab noch etwas über die Terminologie des Festes verloren: Bodensohn definiert Hoffeste als „Veranstaltungen der höfischen Gesellschaft […], die bewusst […] aus einem bestimmten Anlass, für einen besonderen Termin und für eine zeitlich genau festgelegte Dauer an einem bestimmten Ort anberaumt werden.“10 In der mittelhochdeutschen Dichtung ist für die Bezeichnung eines solchen Festes vor allem der Terminus hoch(ge)zît gebräuchlich, aus welchem sich Hochzeit entwickelte, mit diesem aber nicht verwechselt werden darf, da für das Fest der Vermählung die Bezeichnung brûtlouf genutzt wird. Als hoch(ge)zît werden weltliche Feste (und neben wenigen Ausnahmen auch kirchliche) mit unterschiedlichsten Anlässen bezeichnet: Marquardt, die in ihrer Arbeit 97 Festlichkeiten in Chroniken, Annalen und Dichtungen untersucht, kommt zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit dieser Hochzeitsfeste, Krönungsfeiern und Schwertleiten ausmacht. Als weitere Ereignisse lassen sich Siegesfeiern, Pfingstfeste, Hoftage oder Festbankette nennen, die von einfachen Versammlungen bis hin zu prunkvollen Feierlichkeiten mit Festmählern und vielfältiger Unterhaltung reichen konnten, wobei häufig mehrere Anlässe zusammenfielen, wie beispielsweise im „Nibelungenlied“ die Doppelhochzeit und die Schwertleiten (vgl. NL 646).
Wie in der Einleitung bereits angedeutet, dienten höfische Feste weniger der Unterhaltung, sondern primär der Zur-Schau-Stellung von Macht und Reichtum sowie zur Knüpfung bzw. Festigung politischer Beziehungen, auf welche vor allem im Schluss zusammenfassend eingegangen wird. Die Demonstration jener Ideale erfolgte überwiegend nonverbal durch Symboliken; beispielhaft sind die prunkvollen, teuren Kleider der Festteilnehmer*innen, die streng hierarchische Sitzordnung beim Festmahl, die verschwenderisch wirkende Freigiebigkeit der Gastgeschenke oder die – in den Augen moderner Leser*innen – höchst übertriebene Anzahl der Gefolgsleute zu nennen. Wenngleich es selbstverständlich nicht das typische Hoffest (in Dichtungen wie auch in der Realität) mit einheitlichen Regeln gibt bzw. gab, sollen die nachfolgenden Kapitel veranschaulichen, dass sich diese dennoch stark in ihrem Ablauf ähneln und wiederkehrende Elemente aufweisen, die wie einzelne Puzzlesteine das Fest nach und nach zusammensetzten.11
4. Abläufe der Feste im „Nibelungenlied“
Die im Epos erkennbare inhaltliche Systematik der Hoffeste kann wie bereits erwähnt in sechs Stufen unterteilt werden: Auf eine Einladung der Gäste folgen Festvorbereitungen, nach der Ankunft und dem Empfang der Festteilnehmer*innen wird gespeist, eine Vielzahl an Unterhaltungsformen angeboten und den Abschluss des Festes bilden schließlich die Verabschiedung und Beschenkung der Gäste sowie Spielleute. Die nachfolgenden Kapitel, welche die genannten Festteile jeweils behandeln, weisen stets einen allgemeinen Teil auf, der anhand von Dichtungen und Chroniken, die Marquardt in ihrer Arbeit untersucht, über die hochmittelalterliche Hofkultur und die einzelnen Elemente des Ablaufes informieren, sowie einen Abschnitt, in welchem die zuvor beschriebenen Inhalte konkret auf das „Nibelungenlied“ übertragen und an diesem veranschaulicht werden. Folgende Feierlichkeiten des Heldenepos werden dahingehend untersucht: Siegfrieds Schwertleite (vgl. NL 27-43), das Siegesfest in Worms (vgl. NL 257-318), die Doppelhochzeit in Worms (vgl. NL 539-689), das Hoffest in Worms (vgl. NL 726-1072) und die Hochzeit von Kriemhild und Etzel in Wien (vgl. NL 1143-1386).
4.1. Einladung
Großen Festen ging zunächst eine Einladung (in mündlicher oder schriftlicher Form) des Gastgebers an die Vasallen eines Landes voraus, die durch Boten übermittelt wurde. Während bei Ebenbürtigen diese in Form einer höflichen Bitte erfolgte, war jene an niedergestellte Gäste vielmehr eine Aufforderung bzw. ein Befehl, dem es nachzukommen galt, ansonsten musste man mit Sanktionen rechnen. Einladungsschreiben waren an umfangreiche Normen gebunden und wiesen mitunter – so führen die von Marquardt zitierten Sachsen- und Schwabenspiegel an – eine Ladefrist von sechs Wochen auf, die den Gästen vom Zeitpunkt der Einladung bis zum Fest blieb.12
Im „Nibelungenlied“ zeigt sich dieser erste Schritt in der ‚Festkette‘ wie folgt: Zum Anlass von Siegfrieds Schwertleite (zur Zeremonie der Schwertleite siehe Kapitel 4.3) wünscht König Siegmund ein Fest an seinem Hof in Xanten zur Sonnenwendzeit zu feiern. Er sendet Boten in die Reiche anderer Könige, wobei „[v]ier hundert swertdegene“ (NL 30.1), die ebenfalls zum Ritter werden sollen, eine Einladung erhalten. Die Boten bringen Pferde und Ausrüstungen als Gaben für die Gäste mit, wobei betont wird, dass Siegmund und seine Frau es verstehen, mit dem Verschenken ihres Besitzes hohes Ansehen zu erlangen, weshalb viele Gäste der Einladung folgen (vgl. NL 27-30). Zum Siegesfest in Worms, mit welchem der Sieg der Burgunden über die Sachsen und Dänen zelebriert und gleichzeitig wieder Frieden hergestellt werden soll, erfolgt die Einladung ebenfalls durch Boten: Gernot fordert diese auf, die Könige Dänemarks und Sachsens, Liudegast und Liudeger, in sechs Wochen an Pfingsten an seinen Hof einzuladen, wobei dieser 32 Fürsten und 5000 Ritter folgen (vgl. NL 257, 266.3, 271.3). Nachdem Gunther mit Siegfrieds Hilfe Brünhild besiegen konnte, musst diese der Ehe zustimmen und zusammen mit Gunther von Island nach Worms reisen, während Siegfried mit 24 Recken vorreitet, um das Paar und die stattfindende Hochzeit am Hof anzukündigen (vgl. NL 539-546). Die Einladung der Gäste zur Doppelhochzeit übernehmen Ortwin und Gere: „Ortwîn unt Gêre dine wólden daz niht lân, / si sanden nâch den friunden allenthalben dan / si kunten in die hôchzît diu dâ solde sîn“ (NL 564 1-3). Zum Hoffest bittet Brünhild ihren Gatten Gunther das nach der Hochzeit wieder nach Xanten gereiste Paar Siegfried und Kriemhild an den Wormser Hof zu zitieren: „Sie versúochte ez an dem künege, ob ez möhte geschehén / daz si Kriemhilde solde noch gesehen“ (NL 726.1). Der Bitte weicht Gunther zunächst unter dem Vorwand aus, dass sie zu weit weg wohnen würden, tatsächlich steckt dahinter jedoch ein anderer Grund: Brünhild denkt, dass Siegfried Gunthers Lehnsmann ist, weshalb eine derartige Aufforderung, auf den Hof zu kommen, möglich wäre. Als Gunther den dreißig Boten, die er nach Xanten schickt, jedoch einschärft „[u]nde bittet daz si beidiu zuo uns kómen an den Rîn“ (NL 735.1), hält er sich an die höfische Norm und bittet den gleichgestellten Siegfried am Johannistag zum Fest zu erscheinen (vgl. NL 726-747). Die Einladung zum letzten Fest, der Hochzeit von Kriemhild und Etzel, verläuft hingegen atypisch: Der Markgraf Rüdiger wird vom Hunnenkönig Etzel beauftrag, in seinem Namen um die verwitwete Kriemhild zu werben. Rüdiger, der – ausgestattet mit prächtigen Kleidern durch Etzel – zusammen mit seinen Recken an den Wormser Hof reist, trägt Gunther seine Bitte vor und dieser stimmt der Heirat zu. Kriemhild weist die Werbung zunächst vehement zurück, willig aber schließlich doch ein, da sie ihren eigenen Vorteil bzw. die Chance erkennt, die Ermordung von Siegfried zu rächen. Mit dem Versprechen, Etzels Gemahlin zu werden, reist sie mit Rüdiger ins Hunnenland. In Tuln treffen sie schließlich auf Etzel und dessen Gefolge und zusammen reiten sie weiter nach Wien, wo die Hochzeit am Pfingsttag stattfinden soll (vgl. NL 119, 1143-1260, 1341-1365). Eine explizite Einladung der Gäste bleibt bei diesem Fest also aus, dennoch wird eine Gästezahl von 24 Fürsten, 7000 Gefolgsleute des Herzogs Ramung, 1000 mit Hornboges und 3000 mit Blödel genannt (vgl. NL 1342.3, 1343.2, 1344.1, 1346.2).
Die Anzahl der Festteilnehmer*innen fallen deutlich durch ihre unglaubwürdige Größe auf, wobei die Neigung der Dichter zur Übertreibung jener Tatsache zugrunde liegt, dass große Festgesellschaften einerseits zum Ansehen des Gasgebers beitrugen und auch die Gäste den Festausrichter mit einem großen Gefolge beeindrucken wollten, andererseits muss betont werden, dass es sich dabei weniger um eine exakte Personenanzahl handelt, sondern vielmehr um das Bild, das diese vermitteln: Massen von Menschen.13
4.2. Vorbereitungen
Bei den Festvorbereitungen, die nach der Einladung folgen, kann zwischen jenen des Gastgebers und jenen der Gäste unterschieden werden, wobei erstere umfangreicher sind und dementsprechend auch in Dichtungen detaillierter geschildert werden.14 Die vom Herrscher angeordnet und von den Bediensteten ausgeführten Aufgaben reichen im „Nibelungenlied“ vom Aufstellen der Sitzbänke und Tische, über das Schmücken des Festsaales – zum Beispiel mit edlen Wandteppichen – bis hin zu den aufwendigen Vorbereitungen des Festmahles. Für die Doppelhochzeit beauftragt Gunther Ortwin, Unterkünfte für die Gäste bereitzustellen oder Sindold, Hunold und Rumold, Stühle aufzustellen sowie den Palast und die Wände der Burg zu schmücken (vgl. NL 539, 563, 565.1). Auch für das Hoffest wird Rumold angewiesen, Speisen für die Gäste vorzubereiten (vgl. NL 777).
Eine besonders essenzielle Rolle kommt der Auswahl und Anfertigung von Kleidern zu, wie sich anhand von zahlreichen, detaillierten Beschreibungen zeigt: Zu Siegfrieds Schwertleite besetzten viele Mädchen die Gewänder mit Edelsteinen, für das Siegesfest werden eifrig kostbare Kleider hergerichtet oder extra in Auftrag gegeben und auch zur Doppelhochzeit machen sich die jungen Damen ans Werk, prächtige Gewänder vorzubereiten (vgl. NL. 30.4, 262.4-264). Diese werden wie folgt beschrieben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
1 Vgl. Sieburg, Heinz: Literatur des Mittelalters. Berlin 2010, S. 93, 142.
2 Vgl. Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung. Band 2. (3. Aufl.). Hg. von Helmut Brackert. Frankfurt am Main 2014. Die beiden Bände werden fortan im Fließtext mit dem Sigel NL sowie der bzw. den jeweiligen Strophe(n) und gegebenenfalls Verszeile(n) zitiert.
3 Vgl. Marquardt, Rosemarie: Das höfische Fest im Spiegel der mittelhochdeutschen Dichtung (1140-1240). Göppinger Arbeiten zur Germanistik Nr. 449. Göppingen: 1985.
4 Vgl. Millet, Victor: Germanische Heldendichtung im Mittelalter. Eine Einführung. Berlin 2008, S.186-187.
5 Marquardt 1985, S. 15.
6 Vgl. ebd. S. 8, 10, 14-15.
7 Vgl. Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. Band 1 (3. Aufl.). München 1986, S. 172-177.
8 Vgl. Haymes, Edward R.: Das Nibelungenlied. Geschichte und Interpretation. München 1999, S. 26.
9 Vgl. Marquard 1985, S. 10, 235.
10 Bodensohn, Heinz: Die Festschilderung in der mittelhochdeutschen Dichtung, Münster 1936, S. 1, zitiert nach Marquardt 1985, S. 15.
11 Vgl. Marquardt 1985, S. 19-24.
12 Vgl. ebd., S. 63-72.
13 Vgl. ebd., S. 171.
14 Vgl. ebd., S. 184.
- Quote paper
- Anonymous,, 2020, Darstellung und Ablauf der höfischen Feste im "Nibelungenlied", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/962831
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