Nach aktuellen Schätzungen leben 10–12 Millionen Roma in Europa, in den Staaten Ost- und Südeuropas sind sie am stärksten vertreten, in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union halten sich 6 Millionen auf. Die vorliegende Bachelorarbeit versucht an in der Stadt Essen lebenden Roma zu ergründen, wie bestimmte Integrationsmaßnahmen dazu beitragen können, diese soziokulturelle und in ihrer Glaubensausrichtung gespaltene Minderheit nicht mehr zu verachten, sondern einzubeziehen. Zu den Maßnahmen zählen Sprachkompetenz, Schul- und Berufsausbildung und sozialarbeiterische Maßnahmen. Integration ist dann geglückt, wenn aus einem Nebeneinander ein Miteinander geworden ist.
Im ersten Kapitel werden definitorische Grundlagen geklärt. Begrifflichkeiten wie Zigeuner als historisch-diskriminierende Fremdbezeichnung, Roma als Eigenbezeichnung und Antiziganismus werden beschrieben. Auf das Wort Gadjo als ausgrenzende Bezeichnung für alle, die keine Roma sind, wird eingegangen. Das zweite Kapitel schildert den langen, mehrere Jahrhunderte dauernden Weg dieser ethnischen Minderheit vom Aufbruch aus Indien nach Deutschland mit den unterschiedlichsten Ausprägungen ihrer Diskriminierung von der Verachtung, Verfolgung, Ausgrenzung bis zur Vernichtung im Nationalsozialismus.
In Kapitel drei wird über die individuell empfundene Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe berichtet, zum Verständnis ihrer Lebensweise sollen Betrachtungen über gemeinsame Merkmale wie Sprache, Traditionen, Geschlechterrollen und Lebensalltag beitragen. Im vierten Kapitel werden Integrationsstrategien vorgestellt, mit denen diese Minderheit in die Mehrheitsgesellschaft inkludiert werden kann, um ihr einen Start ins Bildungs-, Arbeits- und Schulwesen zu ermöglichen. Auf sozialarbeiterische Maßnahmen, die zu einer erfolgreichen Eingliederung beitragen, wird erst im Fazit ausführlicher eingegangen. Das Kapitel fünf beinhaltet das methodische Vorgehen der empirischen Forschungsarbeit, die Auswahlkriterien für die Interviewpartner und den Aufbau des Interviewleitfadens. Danach werden die durchgeführten Interviews durch die Transkription verschriftlicht, ausgewertet und dargestellt. Im sechsten Kapitel werden die Ergebnisse der Forschungsarbeit inhaltlich analysiert, zusammengefügt bzw. gegenübergestellt und es werden Schlussfolgerungen gezogen. Handlungsperspektiven für die Soziale Arbeit werden im Fazit empfohlen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Begriffsbestimmungen
1.1 Fremdbezeichnung - Zigeuner
1.2 Eigenbezeichnung - Roma
1.3 Gadjo (Nicht-Roma)
1.4 Antiziganismus
2. Die Geschichte der Roma
2.1 Der lange Weg aus Indien nach Europa
2.2 Frühe Neuzeit bis zur Weimarer Republik
2.3 Nationalsozialistische Verfolgung
2.4 Die Wiedergutmachungspolitik
2.5 Roma-Flüchtlinge nach 1990
3. Eigenheiten der Roma-Kultur
3.1 Ethnizität
3.2 sprache der Roma (Romi Chib)
3.3 Traditionen
3.3.1 Romani Buti (Arbeit)
3.3.2 Rituelle Reinheit und Unreinheit
3.3.3 Geschlechterrollen
3.3.4 Das Roma-Gericht (Kris)
4. Integrationsmaßnahmen in der Arbeit mit Roma
4.1 Ziel der Integration
4.2 Erlernen der deutschen Sprache
4.3 Bildungssituation der Roma in Deutschland
4.4 Berufliche Integration
4.5 soziale Integration der Roma
5. Vorstellung des empirischen Konzepts
5.1 Vorbereitung und Durchführung des Forschungsvorhabens
5.1.1 Erhebungsinstrument: Leitfadeninterview
5.1.2 Auswahl der Probanden
5.1.3 Aufbau und Dimensionen des Interviewleitfadens
5.1.4 Vorbereitung und Durchführung der Interviews
5.2 Auswertungsverfahren der qualitativen Datenanalyse
5.2.1 Transkription
5.2.2 Auswertungs- und Analyseverfahren des Leitfadeninterviews
6. Auswertung und Darstellung der Ergebnisse
6.1 Inhaltliche Analyse der Interviews
6.1.1 Auswertung Proband A
6.1.2 Auswertung Proband B
6.1.3 Auswertung Proband C
6.2 Interpretativer Vergleich der Interviews
6.2.1 Personenporträts der Probanden
6.2.2 Dimension der Sprachkompetenz
6.2.3 Dimension der Bildungssituation
6.2.4 Dimension der beruflichen Integration
6.2.5 Dimension der sozialen Integration
6.2.6 Dimension der Roma-Eigenarten
Fazit
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Anhang 1: Interviewleitfaden
Anhang 2: Einverständniserklärung der Probanden
Anhang 3a - Proband A
Anhang 3b - Proband B
Anhang 3c - Proband C
Einleitung
Problemstellung
Viele Bürger der Bundesrepublik Deutschland hegen eine tiefe Antipathie gegen Roma, die bei uns in Deutschland leben (vgl. Gronemeyer 1988, S. 10). Sie halten diese ethnische Minderheit für herumvagabundierende Zigeuner, die stehlen, unsauber, faul und arbeitsscheu sind. Über Generationen hat sich eine auch heute noch oft zu hörende Redensart verbreitet, nämlich dass man Kinder von den Straßen holen und die Wäsche von der Leine nehmen muss, wenn Zigeuner in der Stadt sind. Ist dies alles nur Verleumdung und Diffamierung, die zu einer Diskriminierung dieser Volksgruppe führt oder gibt es tatsächliche Gründe für diese Einstellung?
Die meisten Vorwürfe lassen sich aufklären, wenn man sich eingehender mit der Tradition, der Mentalität und den Wertvorstellungen dieser Minderheit beschäftigt. Das Volk der Roma legt keinen Wert auf Schul- und Berufsausbildung (vgl. Schäfer (2011), www.kommunale-integrationszentren-nrw.de, S. 50). Die meisten von ihnen sind Korbflechter, Schausteller, Musiker, Kaufleute oder Gelegenheitsarbeiter, die dort arbeiten, wo sie gerade Arbeit bekommen (vgl. ebd., S. 50). Dies führt dazu, dass sie oft reisen müssen. Die Roma haben zudem einen ausgeprägten Familiensinn: bei freudigen Ereignissen wie auch bei traurigen Anlässen versammelt sich der ganze Familienclan, um gemeinsam Freude oder Leid zu teilen. Auch bei der Pflege älterer Verwandter wechselt sich die ganze Familie ab, dies alles ist häufig mit längeren Reisen verbunden. Pflege- und Altenheime werden für Roma nicht benötigt, die Versorgung der Kranken und Alten ist Herzensangelegenheit der Verwandten. Roma sind sehr kinderlieb, ihre Nachkommen meist zahlreich. In der Familie kümmert sich in der Regel der Vater um die Erziehung der Söhne, die sehr früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen müssen. Die Mutter ist für die Erziehung der Töchter zuständig, sie erlernen die Arbeiten im Haushalt und kümmern sich um die jüngeren Geschwister. Nicht weil die Roma arbeitsscheu sind, sondern weil ihnen die Schul- und Berufsausbildungen fehlen, können sie nur schwer die für den Lebensunterhalt notwendigen Arbeitsplätze finden. Unbestritten gibt es auch eigens zum Stehlen ausgebildete oder besser gesagt abgerichtete Roma-Kinder, doch dürfen diese nicht für die Verallgemeinerung, dass alle Roma stehlen, herangezogen werden. Dies sind Einzelfälle, die nicht zu einer Pauschalverurteilung führen dürfen.
Was ist zu tun, damit in der Bevölkerung die Diskriminierung, Marginalisierung und sogar die Ausgrenzung der Roma abnimmt bzw. überwunden werden kann?
Zielsetzung
Nach aktuellen Schätzungen leben 10 - 12 Millionen Roma in Europa, in den Staaten Ost- und Südeuropas sind sie am stärksten vertreten, in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union halten sich 6 Millionen auf (vgl. Hornberg 2013, S. 7). „Das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung (2010) geht von etwa 70.000 Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit und 50.000 in Deutschland lebenden Roma- Flüchtlingen, darunter 20.000 Kindern aus“ (ebd., S. 97).
Die vorliegende Bachelor-Thesis versucht an in der Stadt Essen lebenden Roma zu ergründen, wie Integrationsmaßnahmen wie Sprachkompetenz, Schul- und Berufsausbildung neben sozialarbeiterischen Maßnahmen dazu beigetragen haben bzw. beitragen können, diese soziokulturelle und in ihrer Glaubensausrichtung gespaltene Minderheit nicht mehr zu verachten, sondern einzubeziehen. Integration ist dann geglückt, wenn aus einem Neben einander ein Mit einander geworden ist.
Aufbau
Zur Beantwortung der Forschungsfrage gliedert sich die empirische Bachelor-Thesis in sechs Kapitel.
Im ersten Kapitel werden definitorische Grundlagen geklärt. Begrifflichkeiten wie Zigeuner als historisch-diskriminierende Fremdbezeichnung, Roma als Eigenbezeichnung und Antiziganismus, impliziert aus dem Begriff des Zigeuners, werden beschrieben. Auf das Wort Gadjo als ausgrenzende Bezeichnung für alle, die keine Roma sind, wird eingegangen.
Das zweite Kapitel schildert den langen mehrere Jahrhunderte dauernden Weg dieser ethnischen Minderheit vom Aufbruch aus Indien nach Deutschland mit den unterschiedlichsten Ausprägungen ihrer Diskriminierung von der Verachtung, Verfolgung, Ausgrenzung bis zur Vernichtung im Nationalsozialismus.
In Kapitel drei wird über die individuell empfundene Zugehörigkeit zu dieser Volksgruppe berichtet, zum Verständnis ihrer Lebensweise sollen Betrachtungen über gemeinsame Merkmale wie Sprache, Traditionen, Geschlechterrollen und Lebensalltag beitragen.
Im vierten Kapitel werden Integrationsstrategien vorgestellt, mit denen diese Minderheit in die Mehrheitsgesellschaft inkludiert werden kann, um ihr einen Start ins Bildungs-, Arbeits- und Schulwesen zu ermöglichen. In Absprache mit Herrn Professor Dr. H. wird auf sozialarbeiterische Maßnahmen, die zu einer erfolgreichen Eingliederung beitragen, erst im Fazit ausführlicher eingegangen.
Das Kapitel fünf beinhaltet das methodische Vorgehen der empirischen Forschungsarbeit, die Auswahlkriterien für die Interviewpartner und den Aufbau des Interviewleitfadens. Danach werden die durchgeführten Interviews durch die Transkription verschriftlicht, ausgewertet und dargestellt.
Im sechsten Kapitel werden die Ergebnisse der Forschungsarbeit inhaltlich analysiert, zusammengefügt bzw. gegenüber gestellt und es werden Schlussfolgerungen gezogen.
Handlungsperspektiven für die Soziale Arbeit werden im Fazit empfohlen.
Da der Ausdruck Zigeuner für die ethnische Minderheit der Roma eine Beleidigung und eine verachtende Bezeichnung darstellt, wird Zigeuner, abgesehen von Zitaten, in dieser Arbeit nur in kursiver Schrift, die auch für Hervorhebungen Anwendung findet, dargestellt. Zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet der Autor weitgehend auf eine Geschlechterdifferenzierung und verwendet die männliche Schreibweise: dennoch geht er von einem geschlechtsneutralen Standpunkt aus, beide Geschlechter sind gleichermaßen angesprochen.
1. Begriffsbestimmungen
1.1 Fremdbezeichnung - Zigeuner
Der Großteil der deutschen Bevölkerung verbindet den Terminus Zigeuner mit der herumvagabundierenden, der Zivilisation fernstehenden ethnischen Minderheit. Viele negative Vorurteile werden diesem Personenkreis zugesprochen und erzeugen so ein Bild einer minderwertigen Rasse (vgl. Haupt 2009, S. 28).
„Das Wort „Zigeuner“ wird bereits im 16. Jahrhundert auf das griechische Wort „A- thinganoi“, das heißt „ die Unberührbaren “ zurückgeführt und hat im Laufe der Zeit vor allem durch seine volksetymologische Rückführung auf „Zieh-Gauner“ eine sehr abwertende Konnotation erhalten“ (ebd., S. 28).
Die Benutzung dieses Wortes erzeugt diskriminierende und auch marginalisierende Bilder einer ethnischen Minderheit, die mit Vorurteilen, die die Mehrheitsgesellschaft ihr zuschreibt, zu kämpfen hat (vgl. Winckel 2002, S. 11). Der Begriff Zigeuner ist keine Namensbildung des 20. Jahrhunderts, sondern ein Konstrukt des 15. Jahrhunderts, welches das Wandernde Volk in Europa diskriminiert und ausgrenzt (vgl. Gronemeyer 1988, S. 9ff.). Für die ethnische Minderheit der Roma ist das Wort Zigeuner ein Schimpfwort, dass für diese Menschengruppe eine gelingende Integration im Bildungs-, Arbeits- und Wohnungssektor sehr erschwert (vgl. ebd., S. 9).
1.2 Eigenbezeichnung - Roma
Die Eigenbezeichnung Roma bedeutet in der pluralen Form Mensch und in der Singularform Mann (vgl. Solms 2007, S. 18). Forschungen zur Folge geht der Name Rom auf das indische Wort Hom (Mensch) zurück (vgl. ebd., S. 18).
1.3 Gadjo (Nicht-Roma)
Roma bezeichnen alle Menschen, die nicht ihrer ethnischen Minderheit angehören, als Gadjo (vgl. Blandfort 2013, S. 24). Diese strikte Trennung von Zugehörigen und Außenstehenden (In- und Outgroups) ist eines der elementarsten Merkmale der Roma-Kultur (vgl. ebd., S. 25).
Die traditionsbewussten Mitglieder der Roma-Gruppen wollen ihre Dazugehörigen vor Traditionsverlusten und Hybridisierungen schützen, da man in der geschichtlichen und gegenwärtigen Zeit oftmals von den Gadjo diskriminiert wurde (vgl. ebd., S. 248). Roma , die sich mit Nicht-Roma einlassen, werden als Unreine bezeichnet und oftmals aus der Roma-Gesellschaft ausgeschlossen (vgl. ebd., S. 248). Die herrschende Trennung der Innen- und Außenwelt bewertet die Roma als das bessere Volk und distanziert somit Roma und Nicht-Roma (vgl. ebd., S. 248).
1.4 Antiziganismus
Unter dem Begriff Antiziganismus wird eine Antipathie gegenüber der ethnischen Gruppe der Roma geäußert (vgl. Winckel 2002, S.10). Diese feindliche Einstellung ist auf eine Vorstellung, die man sich von der Roma-Gruppe gebildet und die sich auch im 15. Jahrhundert aus Klischees und stereotypischen Ansätzen herauskristallisiert hat, zurückzuführen. Beim Antiziganismus richtet sich der Rassismus nicht nur gegen ein Bild, das die Mehrheitsgesellschaft von den Roma hat, sondern gegen die Menschen, die diesem Wandernden Volk angehören (vgl. ebd., S. 10). Der Antiziga- nismus ist ein Konstrukt des wissenschaftlichen Diskurs, welcher sich in den 1970er Jahren durchgesetzt und in Analogie zum Begriff Antisemitismus gebildet hat, jedoch ist der Antiziganismus zum Antisemitismus wenig wissenschaftlich bearbeitet worden (vgl. Solms 2007, S. 10).
„Mit „Antiziganismus“ wird die negative Einstellung, die von Reserviertheit, offener Ablehnung und Ausgrenzung über Verfolgung, Einsperrung und Vertreibung bis zu massenhafter Deportation und Vernichtung reicht, gegenüber dem sogenannten „Zigeuner“ (polnisch „cygan“) bezeichnet, die von Reserviertheit, offener Ablehnung und Ausgrenzung über Verfolgung, Einsperrung und Vertreibung bis zu massenhafter Deportation und Vernichtung reicht. Der Antiziganismus ist eine Ideologie, die, wie die Geschichte der Zigeunerverfolgung lehrt, jederzeit in feindliche Aktionen umschlagen kann“ (ebd., S. 9).
2. Die Geschichte der Roma
Dieses Kapitel befasst sich kurz mit dem ursprünglichen Herkunftsland der Roma und ihrer abwechslungsreichen Geschichte auf dem Weg, denn sie in einer jahrhun- dertenlangen Wanderschaft zurückgelegt haben.
2.1 Der lange Weg aus Indien nach Europa
Warum hat dieses Volk seine ursprüngliche Heimat verlassen, was sind die Gründe für den Exodus gewesen? Um die Diskriminierungsgeschichte besser verstehen zu können, soll im weiteren Verlauf die Wanderbewegung vom Auszug aus Indien bis zur Erreichung des europäischen Kontinents kurz skizziert werden.
Das Ursprungsland der Roma , von dem die Migration der Minderheit ausgegangen ist, konnte anhand linguistischer Sprachforschungen im 18. Jahrhundert bestimmt werden (vgl. Blandfort 2013, S. 106). Wissenschaftler der damaligen Epoche haben Beweise dafür geliefert, dass die Sprache der Roma (das Romanes) mit dem indischen Sanskrit verwandt ist (vgl. ebd., S. 106). „Diese Erkenntnis legte die Herkunft der Roma aus Nordwestindien nahe“ (ebd., S. 106).
Völkerwanderungen können verschiedenste Ursachen haben, ökonomische, soziale, klimatische oder geologische Katastrophen, ferner können politische oder religiöse Konflikte solche Auslöser sein.
Die erste Abwanderungsetappe aus Indien wird auf das 4. Jahrhundert datiert. Gründe für das Emigrieren der Roma-Gruppen ins Nachbarland Persien sind wirtschaftliche und soziale Motive gewesen (vgl. Djuric 1996, S. 45). Zwischen dem 7. und 10. Jahrhundert ist durch die Islamisierung in Indien eine zweite Abwanderungswelle ausgelöst worden und die Roma-Stämme sind bis nach Kurdistan und Armenien gezogen (vgl. ebd., S. 45). Vom 11. bis zum 12. Jahrhundert sind im nordwestlichen Indien Gebiete (Punjab) durch Mahmud von Ghazni erobert worden. Die dortige Bevölkerung und verschiedene Roma-Gruppen sind versklavt worden, dies hat zu einer erneuten Flucht in benachbarte Länder wie die heutige Türkei und Griechenland geführt (vgl. ebd., S. 46). Eine vierte Wanderbewegung hat bedingt durch die Eroberungskriege Dschingis Khan im 13. Jahrhundert eingesetzt (vgl. ebd., S. 46).
Die Überlebenden, darunter auch Vorfahren der heutigen Roma , haben sich neue Heimatländer suchen müssen und diese im heutigen Balkan-Gebiet gefunden (vgl. ebd., S. 46).
„Die Roma, ihre Geschichte und ihr Schicksal sind von politischen Entwicklungen in Gesamteuropa stärker geprägt worden als die irgendeines anderen Volkes. Denn nie hatten die Roma einen eigenen Staat oder eine eigene Regierung, die sich für die Belange einsetzte. Während hunderttausende Roma [.] den Kriegen zwischen europäischen Staaten zum Opfer fielen, haben sie selbst nie einem anderen Volk den Krieg erklärt“ (Knudsen 2003, S. 26, Auslassung von Damian Dolinski).
2.2 Frühe Neuzeit bis zur Weimarer Republik
Die Einwanderung der Roma nach Europa ist im 14. Jahrhundert höchstwahrscheinlich auf zwei unterschiedlichen Wanderrouten, nämlich von Persien in das heutige Gebiet der Türkei sowie über Ägypten und Nordafrika nach Spanien geschehen (vgl. Knudsen 2003, S. 20f).
Urkundlich nachgewiesen ist, dass am 20.09.1407 erstmals Mitglieder des Roma- Volkes in Hildesheim, also in Deutschland eingetroffen sind (vgl. Djuric 1996, S. 195). Wegen ihrer dunkleren Hautfarbe sind sie von der Bevölkerung zunächst neugierig und wohlwollend betrachtet worden, die Einwanderer haben sich als Pilger ausgegeben, die auf Wanderschaft seien (vgl. ebd., S. 195). König Sigismund, Herrscher über das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen , hat 1417 den Roma Schutzbriefe ausgestellt, die ihnen ein „Geleit und freien Zug durch die Länder und Städte zusicherte“ (ebd., S. 196). Kurfürst Achilles von Brandenburg hat erstmals 1482 ein Aufenthaltsverbot für Roma in einem bestimmten Gebiet ausgesprochen, auf viele weitere Gebiete ist das Verbot später ausgedehnt worden (vgl. ebd., S. 200). Die Ächtung der Roma ist so weit gegangen, dass auf den Reichstagen in Lindau und Freiburg 1496 bis 1498 sie für vogelfrei erklärt worden sind und auf die Tötung eine Kopfprämie gezahlt worden ist (vgl. ebd., S. 200f.). Da diese Beschlüsse nicht flächendeckend für alle deutschen Kleinstaaten gegolten haben, sind die Roma in solche Gebiete ausgewandert, in denen die Erlässe keine Geltung besessen haben. 1551 hat der Reichstag von Augsburg die Restriktionen gegen die ethnische Minderheit verschärft, da sie wegen ihrer Hautfarbe als Spione des osmanischen Reiches dekla- riert worden sind (vgl. ebd., S. 201). Im weiteren Verlauf des 16. Jahrhunderts hat sogar der Reformator Martin Luther gegen das Wandernde Volk gehetzt und es mit Juden, die für die Kreuzigung Jesus verantwortlich gemacht worden sind, verglichen (vgl. Winckel 2002, S. 21).
Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 - 1648) hat die Verfolgung und Vertreibung der Roma in Deutschland nachgelassen, da viele Männer dieser Gruppe als Söldner im Religionskrieg gedient und an vorderster Front gestanden haben (vgl. Djuric 1996, S. 202).
Heinz Moritz Gottlieb Grellmann, der sich in der Aufklärungsepoche als Wissenschaftler mit den Zigeunern befasst und 1783 das Buch „Die Zigeuner“ geschrieben hat, spielt eine wichtige Rolle im Prozess der Rassisierung (vgl. Winckel 2002, S. 22). Seine Theorie besagt, dass die Roma eine nicht anpassungswillige und anpassungsfähige Gruppe sind und über eine kindliche Denkweise verfügen (vgl. ebd., S. 22).
Darum ist er und viele weitere Wissenschaftler im Zuge der Aufklärung der Meinung gewesen, dass diese Gruppe im Sinne eines zu erziehenden Menschen (homo edu- candus) unterwiesen werden muss (vgl. ebd., S. 23). Sechzig Jahre später, nachdem Grellmann seine Theorie veröffentlicht und damit zur Diskriminierungsgeschichte der Roma beitragen hat, sind die Gesetze, die die rechtmäßige Zugehörigkeit zum preußischen Staat festlegten, verändert worden (vgl. ebd., S. 23). Für die Zugehörigkeit ist jetzt nicht mehr der Wohnort, sondern die Abstammung entscheidend, das ius soli (Bodenrecht) wurde durch das ius sanguinis (Blutrecht) ersetzt (vgl. ebd., S. 23). Roma, die ohnehin geringe Chancen auf Anerkennung und Integration gehabt haben, sind durch diesen Beschluss völlig von der Mehrheitsgesellschaft ausgegrenzt worden (vgl. ebd., S. 23).
„Ein wichtiger Baustein für die rassistisch motivierte Politik in Deutschland gegenüber Roma [...] war das preußische Staatsbürgergesetzt, das am 31. Dezember 1842 in Kraft trat und nach 1871 im ganzen deutschen Kaiserreich galt“ (Djuric 1996, S. 207, Auslassung von Damian Dolinski). Dieses Gesetz bildet die Voraussetzung für den modernen Antiziganismus und die spezifische Zigeuner-Politik.
„Reichkanzler Otto von Bismarck hatte am 01. Juli 1886 die Unterscheidung von im Besitz der Reichsangehörigkeit befindlichen und ausländischen Zigeunern in der of- fiziellen Politik beschlossen“ (Winckel 2002, S. 24). Es wird zwischen inländischen, d.h. schon länger in Deutschland ansässigen, und ausländischen, sprich aus den Balkan-Staaten neu eingereisten Roma unterschieden (vgl. Djuric 1996, S. 208). Ziel der Politik ist, die aus der Balkanregion eintreffenden Roma abzuweisen, und die Inländischen, die durch die Lande vagabundieren, auch sesshaft zu machen (vgl. Winckel 2002, S. 24). Eine Verschärfung in der Diskriminierung der Roma ist 1906 eingetreten, als die preußische Regierung ein Gesetz beschlossen hat, durch das alle in Deutschland ansässigen Roma in einer Zigeunerakte erfasst werden müssen (vgl. ebd., S. 25).
2.3 Nationalsozialistische Verfolgung
Roma sind seit ihrer Ankunft auf dem europäischen Kontinent nicht nur vielfach unerwünscht, sondern sie sind darüber hinaus auch gezielt verfolgt, unterdrückt und ausgegrenzt worden. „Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 begann das bis heute schrecklichste Kapitel in der Geschichte der Roma [...]“ (Djuric 1996, S. 266, Auslassung von Damian Dolinski). Die rassistische Ideologie des NS-Regimes ist zur Alltagspolitik in Deutschland geworden. Das Bild einer besseren Rasse wird durch die Propaganda-Politik Hitlers beschrieben, hierbei sollen alle fremden Rassen, die dem deutsch-arischen Ideal nicht entsprechen, eliminiert werden (vgl. Jonuz 2009, S. 36). Diese rassistische Definition und Legitimation rechtfertigt in Nazi-Deutschland die systematische Verfolgung von Zigeunern; Individuen, die fühlen und denken, werden vom rassenhygienischen Institut zu Versuchsobjekten deklariert (vgl. ebd., S. 36). Dr. Robert Ritter, Dr. Josef Mengele und Eva Justin haben grausame Experimente an Erwachsenen und Kindern durchgeführt, um einen Beweis zu liefern, dass es sich bei den Zigeunern um ein primitives Nomadenvolk handelt (vgl. ebd., S. 36). Da Roma von der Schutzstaffel als arbeitsscheues, vagabundierendes und stehlendes Gesindel abgestempelt werden, sind sie aus den verschiedensten Teilen Deutschlands in Konzentrationslager deportiert worden. Viele Roma haben den Tod erlitten, weil in den Arbeitslagern unmenschliche Verhältnisse geherrscht haben; in Birkenau und Auschwitz und anderen Lägern haben Roma durch die gezielte Ermordung ihr Leben lassen müssen (vgl. ebd., S. 37).
2.4 Die Wiedergutmachungspolitik
Das Wandernde Volk hat schon viel Leid in der fast 600-jährigen Verfolgungs- und Diskriminierungsgeschichte erfahren. Der Zweite Weltkrieg hat zwar 1945 offiziell geendet, aber für diese Minderheit hat sich die Ausgrenzung und Nichtanerkennung fortgesetzt. Zu Beginn der deutschen Wiedergutmachungspolitik ist die Gruppe der Roma nicht bedacht worden (vgl. Winckel 2002, S. 36). Gründe für die nicht sofortige Entschädigung sind gewesen, dass das urindische Volk bei den Behördengängen oftmals auf ihre Peiniger aus dem NS-Regime, die jetzt als Gutachter tätig waren, getroffen ist (vgl. ebd., S. 36). Sogar das Finanzministerium Baden-Württemberg hat 1950 folgende Anweisung an seine Behörden weiter gegeben:
„Die Prüfung der Wiedergutmachung der Zigeuner und Zigeunermischlinge nach den Vorschriften des Entschädigungsgesetztes hat zu dem Ergebnis geführt, dass der genannte Personenkreis überwiegend nicht aus rassistischen Gründen, sondern wegen seiner asozialen und kriminellen Haltung verfolgt und inhaftiert worden ist“ (ebd., S. 37 zit. n. Rose 1987, S. 49).
Solche Entscheidungspraxen haben dazu geführt, dass Zahlungen kaum an Roma erfolgt sind. Erst mit einem Urteil aus dem Jahr 1963 vom Bundesgerichtshof sind rassistische Gründe anerkannt worden, sodass die Gruppe wieder Hoffnung gewonnen und versucht hat, erneut Anträge zu stellen (vgl. ebd., S. 37). Erst mit Ende der siebziger Jahre hat die Bürgerrechtsbewegung der Roma in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit gewonnen (vgl. ebd., S. 38). Die ausgelöste öffentliche Diskussion hat zu einer außergerichtlichen Regelung zur Entschädigung von Menschen nicht jüdischer Abstammung geführt, die von der Bundesrepublik am 26. August 1981 verabschiedet worden ist (vgl. ebd., S. 37).
2.5 Roma-Flüchtlinge nach 1990
Ausgelöst durch den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien sind zwischen 1991 und 1995 viele Roma gezwungen worden, als Kriegsflüchtlinge ihr Heimatland zu verlassen und in Richtung Westeuropa zu ziehen (vgl. o.V. www.stiftung-evz.de (2007), S. 7ff.). Laut Bericht des Bundesministeriums des Inneren sind während der 1990er Jahre rund 350.000 Menschen in die Bundesrepublik Deutschland gekommen und leben hier als geduldete Asylbewerber (vgl. o.V. www.bmi.bund.de (2011), S. 17f.). Darunter haben sich auch viele Roma befunden.
Durch eine ethnische Säuberung sind von den einheimischen Albanern rund 100.000 Roma aus dem Kosovo grausam vertrieben worden (vgl. ebd., S. 17.).
3. Eigenheiten der Roma-Kultur
3.1 Ethnizität
Ethnizität entsteht und wird aufrechterhalten durch Selbsteinbindung und Fremdabgrenzung von Gruppen, diese Abgrenzung garantiert einen Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe (vgl. Stienen 1991, S. 130f.). Abgrenzungen müssen sich nicht über sichtbare Eigenschaften wie Kleidung, Essen oder Hautfarbe definieren, auch subjektive Identifikationen wie unterschiedliche Wertsysteme können einer Gruppe als nicht sichtbare Abgrenzungen dienen (vgl. ebd., S. 130f.). Ethnizität ist eine Ressource, auf welche situativ und kontextgebunden zurückgegriffen wird, um Interessen zu formen und um zu artikulieren (vgl. ebd., S. 130f.). Ein kleiner Teil der Roma-Bevölkerung kann als Fahrende beschrieben werden, dennoch sollte Nomadismus nicht als identitätsstiftendes Wesensmerkmal aufgefasst werden. Faktoren wie Sprache, Traditionen oder auch Verhältnisse zur Gesellschaft, welche die Selbst- und Fremdwahrnehmung des urindischen Volkes formen, werden im Folgenden genauer erklärt.
3.2 Sprache der Roma (Romi Chib)
Es ist nicht verwunderlich, dass die ethnische Gruppe der Roma über eine gemeinsame Sprache verfügt, die aus einem sprachlichen Stamm besteht, den die vier Metagruppen (Balkan-, Vlax-, Karpathische- und Nordische-Roma) und alle weiteren Dialekte enthalten (vgl. Tcherenkov 2004, S. 305f.). Trotz der Gemeinsamkeit kennt die Romani Chib keine gemeinsame Schriftsprache, da aufgrund der Migrationsbewegungen aus Indien nach Europa viele Wörter des jeweiligen Aufenthaltslandes (siehe Kapitel 2.1) übernommen bzw. in die Sprache der Roma assimiliert worden sind, wobei die indische und griechische Sprache den größten Einfluss auf die Wurzeln der Roma-Sprache gehabt haben (vgl. ebd., S. 305f.).
3.3 Traditionen
Die nachfolgend beschriebenen Traditionen, die von einer Generation zur anderen bei den Roma übergeben worden sind und damit einen Roma zu dem machen, was er ist, sind gleichzeitig Identifikationsmerkmale.
3.3.1 Romani Buti (Arbeit)
Es gibt traditionelle Berufszweige, die fest mit der Roma-Kultur verankert sind. „Arbeit, Gewerbe und Handel sind [...] eng mit der Romaidentität verknüpft“ (Kruck 2003, S. 172, Auslassung von Damian Dolinski). Die Berufe der Roma sind zugleich Gruppenbezeichnungen, so heißen die Kupferschmiede aus Rumänien Kalderasch, die dort ebenfalls lebenden Holzhandwerker Lingurara und die in ganz Europa weilenden Pferdehändler Lowara (vgl. ebd., S. 172f.). Neben diesen über Generationen weiter gegebenen Berufen sind Roma heute in allen möglichen anderen Berufen, auch in nicht traditionellen Arbeitsfeldern tätig (vgl. ebd., S. 172f.).
3.3.2 Rituelle Reinheit und Unreinheit
Das Ritual der Reinheit und Unreinheit heißt bei den Roma-Gruppen Mageripen oder Mahrimos (vgl. Tcherenkov 2004, S. 556). Eine Person, die gegen das Gesetz verstoßen hat, wird vor ein Roma-Tribunal (mehr im Kapitel 3.3.5) gestellt (vgl. ebd., S. 556). In dieser Verhandlung kann eine Sanktion ausgesprochen werden, die zu einer Exklusion aus der Roma-Gemeinschaft führt (vgl. ebd., S. 556). Der als unrein deklarierten Person ist es verboten, mit anderen Roma Kontakte auszuüben, da diese Personen vom Tribunal ebenfalls als unrein verurteilt werden (vgl. ebd., S. 558).
Was kann zu einer solchen Ausgrenzung führen, welches Verhalten oder Vergehen macht einen Roma unrein?
Roma, die fest nach ihrer Tradition leben und sich damit identifizieren, dürfen keine geschlechtlichen Beziehungen zu Nicht-Roma eingehen (Kapitel 1.3). Dies führt zu einem sofortigen Ausschluss aus der Roma-Gemeinschaft, da eine mögliche Vermischung zur Aufweichung der alten Traditionen führen kann (vgl. ebd., S. 560f.).
Verboten ist es auch für Roma, Berufe bei Behörden (Polizei, Justiz) nachzugehen oder in Ämtern und Aufsichtsbehörden zu arbeiten, da viele Roma wegen der Diskriminierungsgeschichte immer noch Diskrepanzen zu solchen Institutionen haben (vgl. ebd., S. 560f.). Die Roma-Tradition untersagt die Ausübung einer Tätigkeit für einen aus ihrem Kreis (vgl. ebd., S. 336f.).
Für Roma ist es untersagt, eine Tätigkeit, bei der mit Blut in Kontakt kommt, auszuüben, da dies als Unsauberkeit des eigenen und fremden Körpers angesehen wird (vgl. ebd., S. 560f.). Daher ist es für Mitglieder dieses Volkes verboten, Arzt, Kran- kenschwester oder Pfleger zu werden. Das Gesetz der Reinheit verwehrt diese Tätigkeiten; nicht nur die jeweilige Person, die sich schuldig macht, wird isoliert, sondern der gesamte Familienkreis wird ausgegrenzt (vgl. ebd., S. 558ff.).
Bei den Roma aus Ex-Jugoslawien findet das Konzept der Reinheit und Unreinheit keine Anwendung, da durch die Übernahme moslemischer Lebensgewohnheiten die im Islam vorhandenen rituellen Reinlichkeitsvorstellungen übernommen worden sind (vgl. ebd., S. 555-565).
3.3.3 Geschlechterrollen
Die Rolle der Frau und des Mannes ist in der Roma-Kultur klar strukturiert und definiert. Die Ehefrau hat sich um die Erziehung des Nachwuchses und um den Haushalt zu kümmern (vgl. Tcherenkov 2004, S. 626-634). Da die Ehefrau nach der Heirat ihr Elternhaus verlassen muss, unterstützt sie auch die Familie des Ehegatten. Bei sehr traditionellen Roma-Gruppen ist es der Ehefrau untersagt, arbeiten zu gehen, da ausschließlich der Ehemann für den Lebensunterhalt zuständig ist (vgl. ebd., S. 626634). Der Ehegatte darf mit Freunden in der Öffentlichkeit seine Freizeit zwanglos gestalten und sich amüsieren, die Frau dagegen ist ans Haus gebunden und muss sich nach ihrem Ehemann richten (vgl. ebd., S. 626-634). In der Öffentlichkeit muss sie sich traditionell kleiden, wobei modische und freizügige Bekleidungen verboten sind (vgl. ebd., S. 626-634). Kleinere Ausflüge mit der Freundin sind nur erlaubt, wenn diese der gleichen Gruppe angehört (vgl. ebd., S. 626-634).
3.3.4 Das Roma-Gericht (Kris)
Kris leitet sich aus dem griechischen Wort κρίοη (Urteil) ab und bezeichnet in seiner Urform die traditionelle Gerichtsbarkeit der Roma (vgl. Heinschink (2002), www.rombase.uni-graz.at, S. 1). Ein Kris ist bei vielen Roma-Gruppen die oberste Instanz der Rechtsprechung und setzt sich aus den weisesten, traditionellsten und intelligentesten Roma einer Gemeinschaft zusammen, die aufgrund ihres Ansehens und ihrer Lebenserfahrung von der jeweiligen Roma-Gruppe als Richter ausgewählt werden (vgl. Tcherenkov 2004, S. 668f.). Diese Gerichtsbarkeit wird nur in wichtigen Notsituationen zur Schlichtung schwerwiegender Streitfälle, bei Tabuverletzungen und zur Festsetzung von Sanktionen einberufen (vgl. ebd., S. 668f.). Ein Kris ist nur für gruppeninterne Angelegenheiten gedacht, Konflikte zwischen Roma und NichtRoma fallen nicht unter diese Zuständigkeit (vgl. ebd., S. 668f.).
Das Roma-Gericht (Kris) definiert Kruck folgendermaßen:
„Jeder Rrom oder Rromni, der ein Problem mit einem anderen auszutragen hat, kann einen Kris beeinrufen [sic]. Die Richter hören sich die beiden Seiten an, selbstverständlich ohne Rechtsanwälte. Unter die Kompetenz eines Kris fallen Konflikte die mit Geld verbunden sind (z.B. Geldleihe), oder Familienangelegenheiten (wenn ein Mann für seine Kinder nicht bezahlt o.ä.), aber auch Verleumdungen und Streitkämpfe. Das grösste und schlimmste Urteil, das ein Kris verhängen kann, ist der Ausschluss aus der Roma-Gemeinschaft“ (Kruck 2003, S. 169).
4. I NTEGRATIONSMAßNAHMEN IN DER A RBEIT MIT R OMA
4.1 Ziel der Integration
Das Wandernde Volk hat nach wie vor Angst, sich in die heutige Gesellschaft zu integrieren. Die Bilder der Vergangenheit sind noch in den Köpfen vieler Roma präsent und die Vorurteile gegenüber den Behörden und der Gesellschaft sind noch nicht verschwunden. Die Antipathie für diese Volksgruppe ist nach wie vor vorhanden. Die älteren Mitglieder dieser Minderheit stehen der Integration skeptisch gegenüber, das Loslassen der heimischen Rituale fällt diesen Nomaden schwer. Sie wollen ihre eigenen Sitten und Gebräuche an ihre Nachkommen weitergeben. Die eigene Tradition ist für Roma sehr wichtig, denn sie hat das Volk in den letzten 600 Jahren überleben lassen. Die Integration muss propagiert werden, um den Roma ein gleichberechtigtes Leben in der Bundesrepublik bieten zu können (vgl. Gronemeyer 1988, 5. 77f.). „Ziel der Integrationsförderung ist es, den Zuwanderern mit Bleibeperspektive, Chancengleichheit und gleichberechtigte Teilhabe am ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Leben zu ermöglichen. Der gesamte Regelungsrahmen ist darauf angelegt, für die Integration von Zuwanderern günstige Bedingungen zu schaffen und ihre Eingliederung zu fördern. Integration wird dabei als wechselseitiger Prozess gesehen. Zentraler Leitsatz der Integrationspolitik in Deutschland ist „Fördern und Fordern“. Integrationspolitik setzt bei der Aufnahmebereitschaft der Mehrheitsgesellschaft wie auch der Bereitschaft der Zugewanderten an, die Regeln des Aufnahmelands zu kennen und zu respektieren und sich um die eigene Integration zu bemühen“ (o. V. www.bmi.bund.de (2011), S. 20). Für eine zielgerichtete Anpassung besitzt die deutsche Integrationspolitik ein großes Spektrum an Angeboten. Die Palette beinhaltet Maßnahmen wie frühkindliche Förderung, Bildung, Ausbildung, Weiterbildung, Erwerbsleben, Gesundheit, Pflege, Integration vor Ort, Sprache, Integrationskurse, Sport und Kultur (vgl. ebd., S. 21). Zu einer erfolgreichen Integration gehört selbstverständlich auch die Zusammenarbeit von ortsansässigen Sozialarbeitern bzw. der Zivilgesellschaft mit den Roma. Deshalb investiert Deutschland jährlich 218 Millionen Euro für Maßnahmen in eine erfolgreiche Zukunft für die Zuwanderer allgemein (vgl. ebd., S. 24). Zur Integration gehört vorrangig, dass ihnen Schulbildung angeboten wird, um die Basis für das Erlernen eines Berufes oder eines Studiums zu ermöglichen. Jugendsozialarbeiter helfen den Kindern, sich einzubinden. Sie bauen Netzwerke mit Schulen, Arbeitsstellen oder ansässigen Gemeinden, um Diskriminierungen auszumerzen und Förderungen voran zu treiben. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich die Gemeinwesenarbeit stark um ein Wohnumfeld bezogenes Integrationsprojekt fokussiert. Großer Pluspunkt in dieser Maßnahme ist, dass man Roma-Familien in das soziale Umfeld mit einbezieht. Die Familien und die einheimischen Bürger sollen gemeinsame Initiativen und Interessen bilden, ein multikulturelles Zusammenleben soll gewährleistet werden. In dem EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020 sollen diese Projekte oder Vorhaben erreicht werden (vgl. ebd., S. 20 ff.).
Die hier aufgeführten allgemeinen Eingliederungsmaßnahmen werden nachfolgend im späteren Leitfaden, der als Anhang dieser Arbeit beigefügt ist, detailliert beschrieben, hierzu wird eine Vielzahl gezielter Fragen gestellt.
4.2 Erlernen der deutschen Sprache
Für eine gelingende Integration von Migranten ist die Sprachkompetenz die fundamentalste und notwendigste Vorrausetzung, denn nur über die Sprache kann man Teil einer Gesellschaft werden. Damit Zugänge im Bildungs- und Arbeitssektor möglich werden und soziale Kontakte geknüpft werden können, ist das Erlernen der deutschen Sprache fundamental notwendig. Die Sprache stellt für jeden Einzelnen ein kulturelles Kapital zur Verfügung, dass als eine Ressource zu betrachten ist.
Für das Erlernen der deutschen Sprache investiert die Bundesrepublik viel Geld, zur sprachlichen Förderung bietet sie für Jugendliche und Erwachsene Integrationskurse an (vgl. Frings 2008, S. 41). Die Intention dieser Kurse besteht darin, neben der Vermittlung von „Grundkenntnissen der Rechtsordnung, der Kultur, der Geschichte und der Lebensverhältnisse in Deutschland“ (ebd., S. 32) den Migranten gute Deutschkenntnisse zu vermitteln, da diese unabdingbare Voraussetzungen zu ihrer Eingliederung sind (vgl. ebd., S. 41). Durch die erworbenen Fähigkeiten soll eine gleichberechtigte Teilhabe und Chancengleichheit ermöglicht werden. Integrationskurse werden zurzeit in fast jeder deutschen Stadt angeboten.
Die §§ 43-45 des Aufenthaltsgesetztes regeln die Rechte und Pflichten zur Teilnahme an Integrationskursen, der zuständige Träger für die Umsetzung ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (vgl. ebd., S. 32).
„Die Integrationskurse nach § 43 AufenthG legen den Schwerpunkt auf den Erwerb der deutschen Sprache“ (ebd., S. 32). Die Kurse beinhalten im Regelfall 645 Stunden, wobei ein Eignungstest nach § 11 Abs. 2 Integrationsverordnung abzulegen ist, um vorhandene Sprachkompetenzen zu überprüfen (vgl. ebd., S. 35). Lernziel des Kurses ist es, die Teilnehmer auf ein Sprachniveau zu bringen, durch das sie gut für den Schul- und Arbeitssektor vorbereitet sind (vgl. ebd., S. 36). Die Integrationskurse lassen in drei Hauptgruppen gliedern. Zur ersten Gruppe gehören junge Menschen, die das 27. Lebensjahr noch nicht erreicht haben und die auf eine schulische- oder berufliche Ausbildung vorbereitet werden sollen (Jugendintegrationskurse).
Die zweite Hauptgruppe setzt sich aus Erwachsenen zusammen, denen Fertigkeiten vermittelt werden sollen, um den Alltag in der Familie und mit Institutionen besser gestalten zu können. Die letzte Gruppe (Alphabetisierungskurse) beschäftigt sich mit den Menschen, die Analphabeten sind bzw. ungenügende Schulbildung erfahren haben (vgl. ebd., S. 37).
Viele Roma sind in ihren Heimatländern diskriminiert und segregiert worden. Die Mehrheitsgesellschaft hat ihnen untersagt, an Bildung teilzuhaben; so erfahren diese Personenkreise in Deutschland das erste Mal Kontakt mit Bildungsinstitutionen. Es ist nicht verwunderlich, dass sich das Erlernen der deutschen Sprache als recht schwierig erweist. Aufgabe des Staates muss es sein, auch für die Gruppe der Roma Projekte einzuleiten, um diese Probleme und Schwierigkeiten abzufedern.
Dies macht die Stadt Essen, die in Kooperation mit der NEUEN ARBEIT Essen gGmbH seit 2014 Integrationskurse für Roma aus Südeuropa (Bulgarien, Rumänien und Ex-Jugoslawien) anbietet. Diese Kurse finden bilingual statt, dies hat den Vorteil, dass Verständigungsprobleme vermieden werden können und die Vermittlung besser vollzogen werden kann. Hierbei werden jugendliche sowie erwachsene Roma, die keine oder kaum Deutschkenntnisse besitzen, durch Sprachkurse gefördert. Jugendliche sollen dank dieser Maßnahmen einen besseren Start in Schulen und an Ausbildungsstätten erfahren und die Erwachsenen sollen schneller ins Arbeitsleben integriert und vermittelt werden (vgl. o.V. www.aussiedlerbeauftragter.de (2015), S. 8f.).
4.3 Bildungssituation der Roma in Deutschland
Schulische Bildung ist die wichtigste Grundlage für die Bewältigung des Alltags und für Erfolgschancen im Beruf. Für eine gelingende Integration und Teilhabe sind in der jetzigen Gesellschaft qualifizierte Schulabschlüsse und abgeschlossene Berufsausbildungen erforderlich (vgl. Schäfer (2011), www.kommunale-integra- tionszentren-nrw.de, S. 50).
„Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung“ (Lohrenscheit (2013), www.bpb.de, S. 1), so steht es in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die am 10.12.1948 von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen beschlossen und verkündet worden ist. Dieses Recht auf Bildung ist jedem Menschen zu gewähren (vgl. ebd., S.1). Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist das Recht auf Bildung nicht explizit festgeschrieben, es ergibt sich implizit aus den Grundrechten. Das Gesetz der Menschenwürde und der Gleichberechtigung verbietet die Diskriminierung eines Menschen und die Verweigerung des Zugangs zu Bildungsmöglichkeiten. In der Bundesrepublik sind die Kultusminister der Länder für die Bildungspolitik zuständig, es herrscht Schulpflicht (vgl. o.V. www.bmi.bund.de (2011), S. 30f.).
Auch wenn sich in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung der Bildungssituation bei den Roma ergeben hat, so liegt das Bildungsniveau weit unter dem der Gesamtbevölkerung. Während Hundsalz „die Ausbildung der Roma-Kinder ganz allgemein als mangelhaft bezeichnet“ (Hundsalz 1982, S. 64), kann Daniel Strauß (2011) eine positive Entwicklung feststellen, allerdings kommt auch er zu dem Schluss, dass das Niveau der Roma weit unter dem der Gesamtgesellschaft liegt (vgl. Hornberg 2013, S. 103). Die Kluft im Bildungsniveau zwischen der Gesamtbevölkerung und den Roma machen folgende Zahlenangaben deutlich: Von der Gesamtbevölkerung haben im Abgangsjahr 2010 7% der Schüler keinen Hauptschulabschluss erworben (vgl. o.V. www.destatis.de (2012), S. 34), von den Roma haben mindesten 44% die Schule ohne Abschluss verlassen und 13% keine Schule besucht (vgl. Hornberg 2013, S. 104f.).
Von den 14- bis 25-Jährigen haben 9,4%, von den 25- bis 50-Jährigen 18,8% und von den über 50-Jährigen 39,5% keine Grundschule besucht (vgl. ebd., S. 104f.). Nur sehr wenige Roma-Jugendliche findet man auf weiterführenden Schulen, bei der Gruppe der 14- bis 25-Jährigen haben 12,3% eine Realschule besucht, an den Gymnasien findet man kaum Roma (vgl. ebd., 104f.). Der Anteil, der eine Sonder- bzw. eine Förderschule besucht, liegt bei 25-30% (vgl. Hundsalz 1982, S. 62), inzwischen ist eine deutliche Verbesserung eingetreten, so waren es im Jahr 2011 nur 9,4% (vgl. Hornberg 2013, S. 104f.).
Schulpflichtige Schüler oder Jugendliche von Flüchtlingen oder Asylanten, die keine oder nicht ausreichende Sprachkompetenzen besitzen, werden in speziellen vom Staat geförderten Projekten oder Kursen untergebracht (vgl. Schäfer (2011), www.kommunale-integrationszentren-nrw.de, S. 79). Die neu zugewanderten Schulpflichtigen müssen sich einer schulischen Kompetenzfeststellung unterziehen, in der Stadt Essen geschieht dies durch das Kommunale Integrationszentrum (Seiteneinsteiger), welches die Einstufung und die Zuordnung auf die entsprechende Schulform vornimmt. In den meisten Fällen ist dies die Haupt- bzw. Förderschule (vgl. o.V. www.media.essen.de [Abruf 21.09.2016], S. 1). Für nicht mehr schulpflichtige Jugendliche werden so genannte „Sprachintensivkurse“ angeboten, in denen neben der Vermittlung der deutschen Sprache, die Absolvierung eines Hauptschulabschlusses ermöglicht wird (vgl. o.V. www.bmi.bund.de (2011), S. 34f.).
Ein Beispiel, wie eine erfolgreiche schulische Integration erfolgen kann, ist das Projekt „Amaro Kher“ (unser Haus) in Köln. Roma-Kinder, die regulären Schulen besuchen und hier Probleme bekommen, werden an das genannte Zentrum verwiesen. Neben der sprachlichen Förderung werden von bilingualen Lehrern und Sozialarbeitern Nachhilfestunden in den schwachen Unterrichtsfächern erteilt (vgl. ebd., S. 86).
4.4 Berufliche Integration
Zu den wichtigsten Eingliederungsmaßnahmen für die Roma gehört die Einbettung ins Arbeitsleben. Wie gestaltet sich der Zugang in die Arbeitswelt, ist dieser problematisch, schwierig und warum?
Der Großteil der Roma, die aus Südeuropa nach Deutschland gekommen sind und im berufsfähigen Alter sich befinden, weisen mangelhafte oder gar keine Kenntnisse der deutschen Sprache auf, dieser Mangel soll durch die bereits unter Kapitel 4.2 erwähnten Sprachkurse behoben werden (vgl. o.V. www.bmi.bund.de (2011), S. 37f.). Mit Hilfe des Europäischen Sozialfonds werden in den Kommunen unterschiedliche und individuelle Programme konzipiert, die zur Nachqualifizierung und zur Eingliederung von Ungelernten dienen (vgl. ebd., S. 38). 7.623.052,38€ aus diesem Fond teilen sich mit der Stadt Essen sechs weitere Städte im Ruhrgebiet (Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Köln und Wuppertal), um die Integration der aus Südeuropa gekommen Roma ins Berufsleben zu unterstützen und vorhandene Einschränkungen und Defizite auszugleichen (vgl. Schneider (2015), www.kommunale- integrationszentren-nrw.de, S. 4f).
Roma, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, haben nach dem SGB II und SGB III ein Recht auf Unterstützung zur Eingliederung in ein Arbeitsverhältnis. Roma, die zugewandert sind, müssen ihre im Ausland erworbenen Abschlüsse anerkennen lassen (vgl. o.V. www.bmi.bund.de (2011), S. 40f). Für die Anerkennungen von Qualifikationen sind im Bundesland Nordrhein-Westfalen sind die Bezirksregierungen Arnsberg, Düsseldorf und Köln zuständig (vgl. o. V. www.bezreg- arnsberg.nrw.de [Abruf 24.09.2016], S. 2ff.). Sie stellen fest, ob die erworbenen Urkunden mit einem deutschen Abschluss gleichzustellen oder welche Nachqualifizierungen in zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sind.
Die NEUE ARBEIT der Diakonie Essen stellt unterstützende Maßnahmen zur Eingliederung dieser Gruppe zur Verfügung. Sie ist behilflich bei der Erstellung von Lebensläufen und Bewerbungen sowie bei der Vermittlung von Praktika und Arbeitsverhältnissen (vgl. o.V. www.aussiedlerbeauftragter.de (2015), S. 8f).
4.5 Soziale Integration der Roma
Neben der sprachlichen, schulischen und beruflichen Integration spielt auch die sozial Eingliederung für die Roma eine wichtige Rolle. Das Wandernde Volk hat nach wie vor Angst sich in Deutschland, mit ihrer authentischen-ethnischen Abstammung, zu outen, da die Wahrscheinlichkeit groß ist, wieder segregiert und diskriminiert zu werden. Stattdessen leugnen viele Roma ihre ethnische Identität und nehmen die des Heimat- bzw. Ausreiselandes an. (vgl. Mappes-Niediek 2012, S. 112f).
Was muss der Staat bzw. die jeweilige Kommune unternehmen, damit die Gruppe der Roma ihre ethnische Identität ausleben kann?
Ein wichtiger Faktor ist dafür die Sesshaftmachung dieser Gruppe. Hierbei bedarf es einen Blick auf die Wohn- und Umgebungsmöglichkeiten der Roma-Familien im sozialen Raum zu werfen. Die Minderheit soll nicht in benachteiligte Stadtteile untergebracht bzw. segregiert werden, sondern muss eine Chancengleichheit in der Lebensweltorientierung bekommen, um sich in das normale Leben hinein zu integrieren. Sozialarbeiter müssen in Wohnumgebungen eingesetzt werden, wo die Roma- Familien wohnen, denn sie sind unabdingbare Instrumente in der Quartiersarbeit. Sie sollen die Benachteiligungen der Gruppe verringern, kulturelle Infrastrukturen errichten, soziale Netzwerke aufbauen, informative Beratung anbieten und einen guten Zugang zur Bildung anbieten (vgl. o. V. www.bmi.bund.de (2011), S. 47 ff.).
Nicht nur geeignete Wohnmöglichkeiten sollen für diese Gruppe zur Verfügung stehen, sondern es bedarf zunehmend einer Sensibilisierung der deutschen Urbevölkerung. Das kann nur gelingen, wenn Veranstaltungen zum Thema Roma bzw. Anti- ziganismus angeboten werden, sei es in den Schulen oder im sozialen Umfeld bzw. Raum. Dazu beitragen können mediale Berichterstattungen, hier kann viel zur Aufklärungsarbeit geleistet werden, um Roma, als einen möglichen Nachbarn, besser kennen zu lernen. Die veralteten stereotypischen Bilder, die über mehrere Generationen, über Roma, vermittelt worden sind, sollen aus dem Köpfen der Mehrheitsbevölkerung ausgemerzt und durch eine bessere Auseinandersetzung unterrichtet werden (vgl. Gronemeyer 1988, S. 79f.).
Wenn solche Aufklärungsarbeiten geleistet werden, wird es dem Wandernden Volk leichter fallen sich zu seiner Ethnie zu bekennen und auch mit ihr zu identifizieren.
Abschließend soll erwähnt werden, dass sich die Suche nach Roma-SpezifischenIntegrationsmaßnahmen (sprachliche, schulische, berufliche und soziale Integration) als schwierig erwiesen hat, da es nur wenig Lektüren und Internetquellen zu diesem Thema gibt. Dies ist zumal auch bedingt, dass Roma bei der Einreise nach Deutschland nicht als Roma festgehalten werden, sondern nur mit der Identität (Reisepasses) ihres Herkunftslandes.
5. Vorstellung des empirischen Konzepts
In diesem Abschnitt wird die Art des methodischen Zugangs beschrieben, um in einem nächsten Schritt die Forschung dementsprechend durchzuführen. Dem Titel der Bachelor-Arbeit entsprechend soll untersucht und erläutert werden, wie sich im Zuge der jeweiligen Integrationsmaßnahmen der Eingliederungsprozess bei den einzelnen Probanden vollzogen hat, wie er von ihnen und der Mehrheitsgesellschaft empfunden worden ist, auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Eigenheiten der Roma- Gruppen.
5.1 Vorbereitung und Durchführung des Forschungsvorhabens
Um das Forschungsvorhaben zu planen und zu realisieren, werden drei Werkzeuge, nämlich das qualitative Erhebungsinstrument, die Stichprobenbildung und die Auswahl der Probanden benutzt, da diese für die nachfolgende Auswertung und dem weiteren Verlauf der Arbeit relevant sind.
5.1.1 Erhebungsinstrument: Leitfadeninterview
Das in der Bachelor-Arbeit verwendete Erhebungsinstrument, das qualitative Leitfadeninterview, stammt aus der qualitativen Sozialforschung, bei diesem werden Fragen, die zu Integrationsmaßnahmen in den unterschiedlichen Dimensionen Antworten geben, vorab festgelegt (vgl. Mayer 2013, S. 37f.). Mittels dieser Methode werden offene Fragen gestellt, auf die die Probanden individuelle Antworten geben. Der Leitfaden dient als Orientierung für den Interviewer, so kann kontrolliert werden, dass wesentliche Aspekte im Interview nicht übersehen werden (vgl. ebd., S. 37f.). Dieses Verfahren ermöglicht bei der Befragung Flexibilität, sodass die Reihenfolge der Fragen nicht strikt abgehandelt werden muss, der Interviewer kann selbst entscheiden, an welcher Stelle er explizite Nachfragen stellen kann (vgl. ebd., S. 37f.).
Ein wichtiger Punkt für die Verwendung des qualitativen Leitfadeninterviews ist, dass es an der Offenheit interessiert und orientiert ist, und oftmals nicht standardisiert verwendet werden kann (vgl. ebd., S. 36). Außerdem muss ein Leitfadeninterview sich immer an das Sprachniveau der zu befragenden Person angleichen (vgl. Misoch 2015, S. 67).
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- Quote paper
- Damian Dolinski (Author), 2016, Die Situation der Roma in Essen. Realisierung von Integrationsmaßnahmen und sozialarbeiterischen Strategien in der Arbeit mit Roma-Gruppen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/962460
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